UNESCO wird den "Golodomor/Holodomor" nicht als Genozid am ukrainischen Volk anerkennen


Heute beginnt in Paris die letzte Etappe der 34. Sitzung der Generalkonferenz der UNESCO. Im Laufe des Tages steht die Abstimmung zur Resolution über die Anerkennung des “Golodomors” in der Ukraine der Jahre 1932-33 als Genozid am ukrainischen Volk an. Doch der Botschafter eines westeuropäischen Landes in der Ukraine teilte gestern dem “Kommersant-Ukraine“ mit, dass in der Endfassung des Resolutionstextes das “Wort ‘Genozid’ nicht auftauchen wird”. Eine Verschlechterung der Beziehungen zu Russland befürchtend, unterstützen die Vertreter der linken Kräfte eine Änderung des Dokuments. Zur gleichen Zeit treten rechte Parteien und Ukraineforscher kategorisch gegen eine solche Änderung auf. Vom Außenministerium wurde dem “Kommersant-Ukraine“ mitgeteilt, dass das offizielle Kiew bereit für eine redaktionelle Überarbeitung der Resolution und das Fehlen des Wortes “Genozid” ist.

Präsident Wiktor Juschtschenko arbeitet seit seinem Amtsantritt auf eine Anerkennung des Golodomors der Jahre 1932-33 in der Ukraine als Genozid am ukrainischen Volk hin. Das Staatsoberhaupt erklärte nicht nur einmal, dass er für eine Leugnung des Faktes bereit ist einen Straftatbestand hierfür einzuführen. Im März 2007 unterschrieb Wiktor Juschtschenko einen Ukas über die Bildung eines Koordinationsrates unter dem Präsidenten der Ukraine mit dem Ziel der Sicherstellung der entsprechenden Organisationen und der Durchführung von Veranstaltungen in Verbindung mit dem 75. Jahrestag des Golodomors. Seit 2005 wird in Kiew in Erinnerung an die Opfer des Genozids und der politischen Repression die Aktion “Zünd eine Kerze an” durchgeführt. In diesem Jahr findet sie am 24. November statt. Für 2008 ist geplant, das Jahr zum Jahr des Gedenkens an die Opfer des Hungertods in den Jahren 1932-33 zu erklären. Letzte Woche zeigte sich der Präsident unzufrieden mit den durchgeführten Vorbereitungen zu den geplanten Veranstaltungen und lud 10 Gouverneure zu einer Aussprache vor.

In Paris findet heute die letzte Etappe der 34. Sitzung der Generalkonferenz der UNESCO statt. Drei Tage lang werden die Mitglieder der Organisation über die im Laufe der zweiwöchigen Sitzung ausgearbeiteten Projekte und Resolutionen abstimmen. Neben anderem wird die ukrainische Delegation eine Resolution zur Anerkennung des Golodomors in der Ukraine 1932-33 als Genozid am ukrainischen Volk präsentieren.

Als einer der Hauptfaktoren, welcher den Hungertod in der Ukraine 1932-33 provozierte, wird die Entscheidung der Regierung der Sowjetunion über den Export aller möglichen Getreidevorräte für die Deckung ausländischer Kredite gesehen. Dem folgte das Ziel alle Einwohner der ukrainischen Dörfer in die Kolchose zu “jagen”. Dem Massensterben der Leute zuträglich war gleichzeitig ein schlechtes Erntejahr. Die Einsatzkräfte des NKWD ließen einen Umzug innerhalb des Landes oder eine Flucht ins Ausland nicht zu. Nach unterschiedlichen Einschätzungen, starben, im Resultat des Golodomors, welcher vom sowjetischen Regime auf dem Territorium der Ukraine 1932-33 hervorgerufen wurde, zwischen drei und sieben Millionen Ukrainer. Am meisten litten die Kiewer und Charkower Oblasten.

Die Delegation der Ukraine bei der Generalversammlung der UNESCO leitet der erste stellvertretende Außenminister Wladimir Ogrysko. “Wir bemühen uns alles zu tun, damit die Weltgesellschaft über dieses Verbrechen in Kenntnis gesetzt wird. Wir stießen auf ernsthafte Gegenwehr in der internationalen Arena, doch die Geschichte kann nicht umgeschrieben werden.”, erklärte er vor seiner Abreise nach Paris.

Gestern gelang es nicht, den stellvertretenden Minister oder andere Mitglieder der ukrainischen Delegation zu erreichen. Den ganzen Tag verbrachte die Delegation, den Worten der Mitarbeiter der ukrainischen Botschaft in Frankreich nach, bei Besprechungen.

Zur gleichen Zeit wurde dem “Kommersant-Ukraine“ bekannt, dass das Haupthindernis bei der Unterstützung der Resolution die Nutzung des Wortes “Genozid” im Dokument war. Gestern informierte der Botschafter eines westeuropäischen Landes den “Kommersant-Ukraine“, dass in der Endfassung des Textes der Resolution das ‘‘Wort ‘Genozid’ nicht auftauchen wird’‘.

Der Leiter der Abteilung für nationale Minderheiten des Departements für kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit des Außenministeriums (welche den Text der Resolution ausgearbeitet hat) Wladimir Schkurow konnte dem “Kommersant-Ukraine“ gestern nicht mitteilen, ob das Wort “Genozid” in der Resolution nach der Korrektur durch die Arbeitsgruppe und des Konferenzausschusses geblieben ist. “Davon ausgehend, dass die Rede von einer weltweiten Organisation handelt, scheint mir, das dieses Wort nicht sehr angebracht ist. Überhaupt, ist dieses Wort nur schwer in einem Dokument der UNESCO vorstellbar da dies keine politische Organisation ist.”, sagte Schkurow.

Entweder den Satz zu streichen oder das Wort “Genozid” in der Resolution der UNESCO zu ersetzen, dies unterstützt auch der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine Pjotr Simonenko. “Die Versuche von Juschtschenko und seiner Mannschaft in die europäische Gesellschaft aufgenommen zu werden, können nur zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit Russland führen.”, erklärte er gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“. Die Anerkennung des Golodomors als Genozid sieht der Vorsitzende der Kommunisten als “keine politische, aber eine juristische Formulierung, welche den konkreten Vollstrecker ins Auge fasst, also die russische Seite.” Den Worten von Simonenko nach, versteht man in Europa, dass die Unterstützung einer solchen Resolution eine “langsam wirkende Mine in den gegenseitigen Beziehungen zu Russland” werden kann, daher verhält er sich dem Dokument gegenüber mit Vorsicht.

Zur gleichen Zeit kritisiert der zukünftige Abgeordnete des Blockes Julia Timoschenko Andrej Schkil die Absicht der Abminderung der Formulierung bei der UNESCO scharf. “Das ist als ob man Rowdytum zu einem Scherz umdeutet. Von der Art, das die Ukrainer ernteten und ernteten, aber in einem Jahr haben sie das vergessen. So eine Misswirtschaft.”, entrüstet sich Schkil. “Nach der Annahme des Dokumentes in der Werchowna Rada, hat die Ukraine endlich vor, den Fall des Golodomors bei internationalen Organisation bestätigen zu lassen und zu mildern gibt es hier gar nichts. Zumal der Holocaust und der Genozid an den Armeniern bereits anerkannt wurden.”

Die Resolution der UNESCO, welche das Wissen um den Holocaust verbreiten helfen und alle Formen der Leugnung des Holocausts bekämpfen helfen soll, wurde einstimmig an 25. Oktober 2007 angenommen. Das Dokument folgte der Resolution über die Veranstaltung zum Gedenken an den Holocaust und dessen Leugnung und wurde von der Generalversammlung der UNO in 2005 und 2006 angenommen. Die Resolution der UNESCO über die Anerkennung des Genozids am armenischen Volk befindet sich bislang noch in der Diskussionsphase.

Den Worten von Schkil nach, kann man die Resolution ohne das Wort “Genozid” als “leeres Papier” sehen. “Solche (Papiere d. Ü.) beliebte man in der Sowjetunion anzunehmen.”, sagte er dem “Kommersant-Ukraine“.

Mit Andre Schkil solidarisch zeigt man sich im Ukraineforschungszentrum an der staatlichen Kiewer Universität namens Taras Schewtschenko. “Genozid, das ist die Absicht einer teilweisen oder kompletten Vernichtung einer Gruppe von Leuten.”, zitierte die leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums Walentina Piskun die Definition aus dem Lexikon. “Das einzige mit womit man bei dem gegebenen Vorfall dieses Wort ersetzen kann, ist ‘Ethnozid’, da die Vernichtung ausschließlich das ukrainische Volk betraf.”

Wer wählt welche Synonyme für das Wort “Golodomor/Holodomor”?

Im Mai 2002 beschloss die Werchowna Rada der Ukraine den Golodomor von 1932-33 als “Genozid am ukrainischen Volk” zu benennen. Am 28. November 2006 nahm die Werchowna Rada das Gesetz “Über den Golodomor 1932-33 in der Ukraine an”. Am 19 Juni 2003 nahm der Senat Kanadas eine Resolution an, in der die Regierung aufgerufen wurde den Golodomor als Genozid am ukrainischen Volk anzuerkennen. Im September des gleichen Jahres verbreitete die Generalversammlung der UNO eine Erklärung, in welcher der Golodomor 1932-33 als “nationale Tragödie des ukrainischen Volkes” bezeichnet wird. Am 23. September 2003 nahm der Senat Argentiniens die “Deklaration zum Gedenken an die Opfer des Golodomors in der Ukraine” an.
Am 20. Oktober 2003 nahm das Repräsentantenhaus des Kongresses der USA einstimmig die Resolution über den Golodomor in der Ukraine an, in der dieses Ereignis als “Terrorakt und Massentötung, gerichtet gegen das ukrainische Volk” bezeichnet wurde. Am 31. Oktober 2003 nahm der Australische Senat die Resolution an, in welcher der Golodomor als “einer der schrecklichsten Erscheinungen von Genozid in der Menschheitsgeschichte” bezeichnet wird. Am 24. November 2003 nahm das Parlament Ungarns den Beschluss an, in welchem der Golodomor als “Genozid, welcher vom stalinschen Sowjetregime geplant wurde” anerkannt wird. Eine Resolution mit dem gleichen Inhalt wurde am 24. November 2005 vom Sejm Litauens angenommen. Am 3. Januar 2006 erkannte das georgische Parlament den Golodomor als “Akt des Genozides am ukrainischen Volk an”. Am 25. Juni 2007 tat es ihnen das spanische Parlament gleich. Am 6. Juli folgte die peruanische Regierung. Am 20. Oktober registrierte die französische Nationalversammlung das Gesetzesprojekt “Über die Anerkennung des Golodomors der Jahre 1932-33 als Genozid am ukrainischen Volk”. Der Nationalkongress der Republik Ecuador nahm eine Resolution zur Anerkennung des Golodomors in der Ukraine als Genozid am 30. Oktober 2007 an.

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1467

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