Wie ein Monopol konstruiert werden kann


Vor einer Woche, am 4. Dezember 2011, prognostizierte der Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, Michail Surabow, dass zwischen Russland und der Ukraine neue Vereinbarungen in Bezug auf die Gassphäre auf Regierungsebene verankert werden. “Höchstwahrscheinlich wird es sich um ein Regierungsabkommen handeln. Dieses wird ordnungsgemäß legitimiert und ordnungsgemäß unterzeichnet werden”, erklärte der Botschafter.

Diese Erklärung des Botschafters hat eine wichtige Bedeutung für das Verständnis des strategischen Kontextes, in welchem zum jetzigen Zeitpunkt die außerordentlich vertraulichen ukrainisch-russischen Verhandlungen zu Gasangelegenheiten stattfinden, aber auch für eine Prognose hinsichtlich der Konsequenzen dieser Verhandlungen.

Ruft man sich die Geschichte der ukrainisch-russischen Gasbeziehungen ins Gedächtnis, darf man nicht die Tatsache außer Acht lassen, dass seit Januar 2006 (seit dem Abschluss des bekannten trilateralen Abkommens zur Gasregulierung zwischen “Naftogaz”, “Gazprom” und “RosUkrEnergo” vom 4. Januar 2006) Gasangelegenheiten zwischen der Ukraine und Russland ausschließlich auf Unternehmensebene geregelt werden, das heißt auf der Ebene der Verträge zwischen “Naftogaz” und “Gazprom”, an denen auch das Schweizer Unternehmen “RosUkrEnergo” aktiv beteiligt war.

Zugleich (parallel) bleiben drei grundlegende zwischenstaatliche Vereinbarungen rechtskräftig und weiterhin gültig:

Erinnern wir uns daran, dass die genannten Abkommen einen zwischenstaatlich anerkannten Mechanismus zur Zusammenarbeit im Gasbereich zwischen der Ukraine und Russland definieren und insbesondere vorsehen, dass das Transitvolumen russischen Erdgases durch das Territorium der Ukraine sowie der Umfang der Zahlungen für den Transit (oder der Lieferumfang von Gas als Zahlungsmittel für den Transit durch “Gazprom”) auf der Grundlage jährlicher intergouvermentaler Beschlüsse für das entsprechende Jahr (derartige Beschlüsse wurden faktisch für 2002 bis 2005 vereinbart) festgelegt werden.

Aber seit Januar 2006 werden keine jährlichen intergouvermentalen Beschlüsse mehr unterzeichnet, und die drei genannten zwischenstaatlichen Abkommen kommen nicht zu Anwendung, obgleich sie formell weiterhin Gültigkeit besitzen. Auch die gleiche Vernachlässigung internationaler Rechtsverpflichtungen scheint niemanden in der Ukraine zu irritieren…

Seinerzeit wurde von der russischen Seite der Rückzug von geltenden und verbindlichen Verträgen zugunsten eines unternehmensbezogenen Ansatzes damit erklärt, dass im Januar 2006 die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Russland im Gasbereich in marktwirtschaftliche Prinzipien überführt wurde, und im Rahmen von marktwirtschaftlichen Beziehungen (zwischen den Wirtschaftssubjekten “Naftogaz Ukrainy” und “Gazprom”) haben die Regierungen der beiden Länder kein Recht, sich einzumischen.

Und plötzlich (nach fünf Jahren!) kann erneut eine scharfe Wende beobachtet werden: Der russische Botschafter proklamierte eine Rückkehr auf die “alten” intergouvermentalen Schienen. Die Erklärung M. Surabow ist ein Signal, dass sogar die zugunsten der russischen Seite schiefgestellten “marktwirtschaftlichen Prinzipien” der Zusammenarbeit mit der Ukraine im Gassektor Russland bereits nicht mehr zufriedenstellen, das unter der Schirmherrschaft von “Gazprom” die Gasmärkte im postsowjetischen Raum (vor allem den Gasmarkt der Ukraine) monopolisieren möchte. Und darin der Liberalisierung des Gasmarktes der EU entgegensteht, die die Europäische Union in den letzten Jahren aktiv vorangetrieben hatte und die eine ernste Gefahr für die existenziellen (Gas)Interessen des Kremls und von “Gazprom” darstellt.

Die Monopolisierung des Gasmarktes der Ukraine durch “Gazprom” ist in der Tat eine würdige und adäquate Antwort auf die am 7. September 2011 veröffentliche Ankündigung (Kommunique) der Europäischen Kommission hinsichtlich der Sicherheit der Energieversorgung. In dem genannten Kommunique unterstreichte die Europäische Kommission explizit, dass der Energiemarkt der Union von freien und transparenten Energiemärkten der benachbarten Staaten abhänge, bei deren Abwesenheit die EU hinsichtlich politischer und preislicher Stabilität verwundbar werde. Diesbezüglich drückte die Europäische Kommission ihre Bereitschaft aus, die Reformierung der Energiemärkte der EU-Nachbarstaaten konkret zu unterstützen.

Darüber hinaus erklärte die Europäische Kommission, dass die Europäische Union ihre Bemühungen hinsichtlich des Pipelinesystems der Ukraine bei gleichzeitiger Steigerung des Transparenzniveaus sowie Verbesserungen im rechtlichen Bereich in der Ukraine aufrechterhalten werde. Letztlich unterstreicht die Europäische Kommission die Bedeutung einer schnellen Integration der Ukraine in die Europäische Energiegemeinschaft.

Eine derart modifizierte Strategie der EU ist überaus inakzeptabel und viel zu bedrohlich für Moskau. So beunruhigt Russland gemäß Experten, dass der Eintritt der Ukraine in den europäischen Gasraum zu Folgendem führen wird:

- “Gazprom” wird gezwungen sein, den EU-Ländern sein Gas an der russisch-ukrainischen Grenze zu verkaufen;

Bestehende langfristige Verträge für die Lieferung und den Transit von Gas werden in Zweifel gezogen oder gänzlich unanwendbar;Die Ukraine kann mit der solidarischen Unterstützung seitens der Mitgliedsstaaten des Europäischen Energieraumes (EU-Staaten und die baltischen Staaten) im Falle neuer Gasauseinandersetzungen mit „Gazprom“, d.h. wenn der Kreml die „Gashebel“ für eine Druckausübung auf die Ukraine verliert, rechnen; — Eine sektorale Integration – in Bezug auf den Gassektor – der Ukraine in die EU gewährleistet einen starken Anreiz für eine gesamtpolitische und gesamtwirtschaftliche Integration, was die Ukraine schließlich aus dem Einflussbereich (oder genauer : der Verfügungsgewalt) Russlands herausführt.

All dies veranlasst Russland zur Umsetzung entsprechender unverzüglicher Gegenmaßnahmen.

Im Gegenzug zur Liberalisierung des europäischen Gasmarktes begann Russland, aktiv einen eigenen – eurasischen – Gasraum aufzubauen. Seine juristische Fixierung fand dies in dem vor einem Jahr, am 9. Dezember 2010, von Russland, Weißrussland und Kasachstan (als Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes und der Zollunion) unterschriebenen Abkommen zu den Zugangsregelungen zu Dienstleistungen natürlicher Monopole im Gastransportsektor. In der Bankowaja und Gruschewskaja sollten die Bestimmungen dieses Abkommens aufmerksam studiert werden, da diese eine umfassende Vorstellung darüber geben, auf welchen Prinzipien der eurasische Energieraum fußt. Insbesondere gemäß den Bestimmungen des genannten Abkommens vom 9. Dezember 2010:

bis zum 1. Januar 2015 sollten marktübliche Gaspreise (den gleichen Gewinn bringende Preis) im Territorium sämtlicher Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes durchgesetzt werden. Unter diesen Preisen werden die marktüblichen Großhandelspreise auf dem (europäischen) Außenmarkt abzüglich Steuern, Gebühren, Zoll und Förderungskosten verstanden;

- Wirtschaftssubjekte erhalten Zugang zum Pipelinesystem der Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes, aber nur in Bezug auf Gas, das aus dem Territorium der Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes stammt und zur Deckung ihres inländischen Bedarfs vorgesehen ist. Hierbei sieht das Abkommen vom 9. Dezember 2010 explizit vor, dass der Zugang zum Pipelinesystem der Mitgliedstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes nicht für den Transport von Gas vorgesehen ist, das aus Nichtmitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes stammt, wie auch nicht für den Transport über die Grenzen des Einheitlichen Wirtschaftsraumes hinaus sowie in diesen hinein. Diese Bestimmungen bedeuten, dass die Ukraine auch wenn sie Mitglied des eurasischen Gasraums würde, keinen Zugang zum Pipelinesystem Russlands für den Transport turkmenischen Gases (selbst wenn dieses lediglich für den ukrainischen Verbrauch vorgesehen ist) oder für den Transport irgendeines beliebigen Gases (beispielsweise turkmenischen oder kasachischen Ursprungs) für Lieferungen in die Länder der EU und den Absatz auf dem europäischen Gasmarkt erhielte;

- Wirtschaftssubjekte der Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes erhalten einen gleichberechtigten Zugang zu ihren Pipelinesystemen, inklusive der Tarife mit Gasproduzenten, die nicht Eigentümer der Gasleitungsnetze der Länder sind, durch deren Staatsgebiet das Gas transportiert werden soll. Dies bedeutet, dass “Gazprom” als Eigentümer des Gastransportnetzes Russlands ein Vorzugstarif für den Gastransport durch das größte russische Pipelinesystem in Europa eingeräumt wird. Faktisch erlaubt dies “Gazprom” anderen Wirtschaftssubjekten gegenüber diskriminierende Tarife für den Gastransport durch das russische Pipelinesystem anzuwenden;

- Volumen, Preise und Tarife für den Gastransport sowie kommerzielle und sonstige Bedingungen des Gastransports werden durch privatrechtliche Verträge zwischen den Wirtschaftssubjekten entsprechend den nationalen rechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Mitgliedsstaates des Einheitlichen Wirtschaftsraumes geregelt. Mit anderen Worten werden ein Monopolstatus und die Legalisierung der Verfügungsgewalt durch die Eigentümer des Gaspipelinesystems unter dem Deckmantel zivilrechtlicher Verträge installiert;

- Aber auch ein derart “gleichberechtigter” Zugang zum Gaspipelinesystem wird von einer Reihe von Bedingungen seitens der Mitgliedstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes bedingt, in erster Linie vom Übergang zu den oben genannten (gleichen Gewinn bringenden) Marktpreisen, der Vereinheitlichung der Gasnormen und -standards, der Erarbeitung allgemeiner vorläufiger , prognostizierter Gasbilanzen.

Demzufolge zeigt die Analyse des Abkommens vom 9. Dezember 2010: der eurasische Gasraum, der von Russland geschaffen wurde, zielt ab auf die Aufrechterhaltung exklusiver Rechte für „Gazprom“ hinsichtlich der Lieferung von mittelasiatischem Gas nach Europa (selbst Kasachstan erhält als gasproduzierender Mitgliedsstaat des Einheitlichen Wirtschaftsraumes nicht das Recht das russische Gasleitungsnetz für den Export seines Gases in EU-Staaten oder für Lieferungen in die Ukraine zu benutzen), hinsichtlich der Restringierung der Möglichkeiten für einen Markteintritt in den wirtschaftlich lukrativeren EU-Markt für andere Unternehmen, neben „Gazprom“, aus den Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes, und schließlich hinsichtlich der Steigerung der Gewinne „Gazproms“ unter Inanspruchnahme der Aufrechterhaltung seiner Monopolstellung innerhalb der Mitgliedsstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes praktisch durch europäische Marktpreise.

Entsprechend wird die Überbewertung sich nicht halten können, dass der eurasische Gasraum als Gegenspieler des europäischen Gasmarktes zu interpretieren ist, der auf freier Konkurrenz zwischen seinen Mitgliedern und einem weitaus freieren und diskrimierungsfreieren Zugang beteiligter Erdgasgesellschaften zu den Gastransportnetzen fußt.

***

Kehrt man jedoch zu der Erklärung des russischen Botschafters zur Anwendung intergouvermentaler Instrumente (worin eines in einem internationalen Abkommen besteht) in der ukrainisch-russischen Gassphäre zurück, kann diese die Ausmaße der ukrainisch-russischen (Gas)“Kompromisse” sowie die möglichen Modalitäten ihrer Legalisierung aufzeigen.

Es geht darum, dass eine russische Monopolkontrolle über den ukrainischen Gasmarkt (d.h. über das Gaspipelinesystem, die unterirdischen Gasreservoirs, das inländische Versorgungsnetz) ernsthaft durch Verbote des geltenden ukrainischen Rechts erschwert werden könnte. Dabei handelt es sich um folgende gesetzlichen Bestimmungen:

- Das ukrainische Gesetz “ Zum Transport über Rohrleitungen” untersagt eine Reorganisation (Fusionen, Übernahmen, Split-offs, Spin-Offs, Umwandlungen) staatlicher Unternehmen des Fernleitungstransportsystems, sowie auch deren Privatisierung; darüber hinaus ist ebenso verboten, den Kapitalstock und Aktien der Nationalen Aktiengesellschaft “Naftogaz Ukrainy”, ihrer Tochterunternehmen und von ihr gegründeter Unternehmen und Gasreservoirs zu veräußern.

- Das ukrainische Gesetz “Zu den Funktionsprinzipien des Erdgasmarktes” fordert eine Trennung zwischen den Tätigkeiten des Gastransportes und den Tätigkeiten der Gewinnung und Lieferung von Gas sowie eine Trennung zwischen Tätigkeiten von Erdgasversorgern und der von Erdgasproduzenten, Versorgern, Depot- und Transportunternehmen (sogenannte Segmentierung des Gasmarktes). Das entsprechende Gesetz fordert darüber hinaus die Gewährleistung eines freien und gleichberechtigten Zugangs für alle Wirtschaftssubjekte des Gasmarktes (und nicht nur für “Gazprom” und von diesem gegründete Joint-Venture-Unternehmen) zum ukrainischen Gasnetz (Fernleitungen und Erdgasversorgungsnetze) sowie zu den Kapazitäten der Erdgasreservoirs.

- Das ukrainische Gesetz “Zum Register der staatseigenen Rechtsobjekte, die nicht der Privatisierung unterliegen” verbietet explizit die Privatisierung von “Naftogaz”.

- Das ukrainische Gesetz “Zur Privatisierung staatlichen Eigentums” verbietet die Privatisierung der Fernleitungen und unterirdischen Gasreservoirs der Ukraine, ebenso derjenigen, die die Funktionstüchtigkeit des Landes insgesamt gewährleisten

- Das ukrainische Gesetz “Zum Schutz der wirtschaftlichen Konkurrenz” sieht vor, dass die Staatsorgane eine Politik zur Reduzierung des Monopolismus hinsichtlich ökonomischer Aktivitäten zu verfolgen, Maßnahmen zur Demonopolisierung der Wirtschaft zu realisieren haben. Aus diesem Gesetz geht ebenso hervor, dass ein Joint-Venture aus “Gazprom” und “Naftogaz” (das Zustandekommen einer sogenannten ökonomischen Konzentration) sowie auch die Durchsetzung aufeinander abgestimmter Wirtschaftstätigkeiten eine vorläufige Bewilligung durch das ukrainische Kartellamt erfordert, und eine solche Bewilligung kann lediglich dann gewährt werden, wenn die entsprechenden Tätigkeiten der Wirtschaftssubjekte nicht zu einer Restringierung der Konkurrenz auf dem Erdgasmarkt führen.

- Das ukrainische Gesetz “Zu den grundlegenden Prinzipien der nationalen Sicherheit der Ukraine” legt fest, dass eine Ausweitung des Anteils ausländischen Kapitals in strategischen Wirtschaftsbranchen, ein ungenügender Diversifikationfortschritt der Lieferquellen von Brennstoff- und Energieressourcen für die Sicherheit der Ukraine, für die gesellschaftliche Stabilität eine Gefährdung darstellen.

Sollte die Übergabe des ukrainischen Gasmarktes an ein Monopol durch “Gazprom” Gegenstand des (Gas)„Kompromisses” sein, können die genannten gesetzlichen Beschränkungen und Verbote (ohne frühzeitig Lärm zu machen und indem die Blitzkriegstrategie angewandt wird) lediglich auf eine Weise umgangen werden – indem alle Angelegenheiten in einem internationalen Vertrag geregelt werden, dem durch die Ratifizierung eine Vorrangstellung gegenüber ukrainischen Gesetzen eingeräumt wird. In diesem Kontext sieht Art. 9 der Verfassung vor: “Geltende internationale Verträge der Ukraine, deren Verbindlichkeit von der Werchowna Rada bestätigt worden ist, sind Teil des nationalen Rechts der Ukraine”. Und Art. 19 des ukrainischen Gesetzes “Zu internationalen Verträgen der Ukraine” legt fest: “Werden durch einen internationalen Vertrag, der ordnungsgemäß in Kraft getreten ist, andere Regelungen festgelegt, als diejenigen, die im entsprechenden Dokumenten des ukrainischen Rechts vorgesehen werden, werden die Regeln des internationalen Rechts angewandt”.

Entsprechend kann die Rückkehr zur Anwendung internationaler Verträge zur Regulierung der ukrainisch-russischen Beziehungen im Gassektor gerade mit dem Bestreben korrelieren, den ukrainischen Gasmarkt (Gasfernleitungen, unterirdische Gasreservoirs, inländische Versorgungsnetze) dem Monopol von “Gazprom” unter Zuhilfenahme eines Blitzkrieges sowie der Umschiffung ukrainischer Gesetze unterzuordnen.

Mit anderen Worten könnte sich das Charkower Szenario “Gas im Austausch für die Flotte” wiederholen, nur im globalen Maßstab. Die Entwicklung der Ereignisse auf der ukrainisch-russischen Gasfront wird in den nächsten Tagen (höchstens einer Woche) zeigen, inwiefern eine entsprechende Annahme sich als richtig erweisen wird.

Eine gewisse Spannung entfaltet sich um die Frage, auf welcher Ebene – auf der Regierungsebene oder auf der zwischenstaatlichen – der internationale Vertrag abgeschlossen wird, von dem vor einer Woche Herr Surabow gesprochen hatte. Die ist nicht nur eine Frage juristischer Feinheiten, sondern auch eine Frage der juristischen und politischen Verantwortlichkeit im Hinblick auf den Abschluss des entsprechenden Vertrages.

Wird der Vertrag auf Regierungsebene abgeschlossen, wird das Ministerkabinett der Ukraine, angeführt vom Premierminister, der in diesem Falle gemäß dem ukrainischen Gesetz “Zu internationalen Verträgen der Ukraine” die Direktiven zur Durchführung der Verhandlungen zu den Vertragsabschlüssen bestätigen und mit der Zeit dem unterschriebenen internationalen Vertrag billigen und ihn zur Ratifizierung der Werchowna Rada übergeben muss, im vollen Umfang dafür verantwortlich zeichnen.

Im Falle eines Vertragsabschlusses auf zwischenstaatlicher Ebene – müsste der Präsident der Ukraine die entsprechenden Schritte sanktionieren (und die gesamte Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen).

So bestimmt die Ebene, auf welcher der vom russischen Botschafter angekündigte internationale Vertrag abgeschlossen wird, den Nachnamen des ukrainischen Staatsangehörigen, der sicherlich als der Mensch in die Geschichte eingehen wird, der die umfassende Aushändigung der nationalen Interessen der Ukraine im Gasbereich sanktioniert hat.

Schließlich besteht die Gefahr, dass der Abschluss des von Herrn Surabow angekündigten internationalen Vertrages (insbesondere dann, wenn dieser tatsächlich auf eine Monopolisierung des Gasmarktes der Ukraine unter der Schirmherrschaft “Gazproms” abzielt) einen direkten Konflikt mit den internationalen Rechtsverpflichtungen der Ukraine, die aus der Energiecharta und der Mitgliedschaft in der europäischen Energiegemeinschaft hervorgehen, hervorruft.

In diesem Fall wird die Frage nach der internationalen rechtlichen Verantwortlichkeit der Ukraine gegenüber der Europäischen Union aufgeworfen werden, und eine eher weiche Form kann sich im Widerruf seitens der Europäischen Union (wird der IWF dieser folgen?) von der Bereitstellung finanzieller Mittel an die Ukraine widerspiegeln.

Von diesem Standpunkt aus wäre es interessant zu erfahren, ob der entsprechende internationale ukrainisch-russische Vertrag eindeutige Verpflichtungen Russlands hinsichtlich von Kapitalinvestitionen in die Entwicklung und Modernisierung des Gasleitungssystems der Ukraine enthalten wird.

In diesem Kontext sollte das wichtigste Prinzip des heutigen internationalen Rechts unterstrichen werden: Verträge, die zwischen Staaten abgeschlossen wurden, können und sollten keine Regelungen enthalten, die internationalen Rechtsverpflichtungen widersprechen, für die sich ein Staat bereits verpflichtet hat (insbesondere, wenn es sich um internationale Verpflichtungen gegenüber einer dritten Partei handelt).

In diesem Sinne ist es bemerkenswert, dass das genannte Prinzip im vollen Maße von der russischen Seite erfüllt wird. Insbesondere dieses wurde dem oben genannten Abkommen vom 9. Dezember 2010 zwischen den Mitgliedstaaten des Einheitlichen Wirtschaftsraumes zugrunde gelegt, Art. 9 desselben legt fest: “Das vorliegende Abkommen verletzt nicht die Rechte und Pflichten der Parteien, die aus anderen internationalen Verträgen, an denen die Parteien partizipieren, resultieren”.

Das genannte internationale Rechtsprinzip besagt, dass der zukünftige ukrainisch-russische Gasvertrag nicht den Verpflichtungen der Ukraine gegenüber der EU widersprechen darf, insbesondere hinsichtlich der Implementierung der zweiten EU-Gasdirektive, die eine Liberalisierung des Erdgasmarktes der Ukraine auf der Grundlage dreier europäischer Prinzipien vorsieht.

Diese Frage könnte Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung im Rahmen der Verhandlungen mit der russischen Seite werden. Insbesondere im Zusammenhang mit den neuesten Informationen darüber, dass die russische Seite auch von Moldawien fordert, von seinen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Energiegemeinschaft zurückzutreten (Moldawien und die Ukraine sind die einzigen Länder des postsowjetischen Raums, die zu dieser Gemeinschaft gehören.)

Wir werden darauf hoffen, dass die ukrainische Seite seine russischen Partner an die offizielle Position der russischen Seite, die diese in ihrem diplomatischen Schreiben vom 19. Januar 2006 dargelegt hatte, erinnert: “Die Position der Russischen Seite in Verhandlungen zur Problematik der russisch-ukrainischen Beziehungen im Gasbereich basiert, wie auch in allen Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine, auf der vollkommenen Achtung der Interessen beider Seiten und der Prinzipien des internationalen Rechts”.

Die Liberalisierung des Gasmarktes der Ukraine auf der Grundlage europäischer Prinzipien (wozu im bedeutenden Maße eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Energiegemeinschaft beiträgt) ist eine der wenigen Möglichkeiten, und faktisch die einzige für die ukrainische Regierung greifbare, dem Gasdiktat seitens Russland entgegenzutreten. Der Verzicht auf dieses Instrument zur Verteidigung der nationalen Interessen der Ukraine ist gleichbedeutend mit einem Verzicht auf die europäische Integration unseres Landes, gleichbedeutend mit einem irreversiblem Beitritt in den eurasischen Raum und der Übergabe gewichtiger Hebel zur Beeinflussung der inländischen politischen und ökonomischen Situation in der Ukraine in die Hände des Kremls.

Die russische Seite hat das sehr gut begriffen. Aber versteht das auch das offizielle Kiew, das sich am Ufer eines “(Gas)Rubikons” befindet?

9. Dezember 2011 // Maxim Alinow

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzerin:    — Wörter: 2926

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