900 Kilometer zu Fuß: Wie zwei Lwiwer die Ukraine von Westen nach Osten durchwandern



Am zweiten Juni setzten sich zwei Lwiwer Jungs- Oleksandr Brama und Andrij Butschko – in einen Zug Richtung Tschop (eine kleine Stadt im Gebiet Transkarpatien, A.d.Ü.). Auf dem Rücken tragen sie zwei Rucksäcke sowie ein ehrgeiziges Ziel: zu Fuß die Ukraine zu durchqueren, von Tschop aus bis zum ersten Kontrollpunkt im Osten, und anhand des Geschehenem und Gehörtem wollen sie eine moderne Ausstellung kreieren. Oleksandr ist der Ausbildung nach ein Regisseur, Andrij ein Schauspieler.

Innerhalb von drei Monaten legten die Jungs bereits 900 Kilometer quer durch Transkarpatien, die Gebiete Iwano-Frankiwsk, Ternopil, Riwne zurück und schafften es sogar, eine Woche in der Tschornobyl-Zone zu leben. Was die Reisenden während ihrer Reise alles gesehen haben und welches gemeinsame Merkmal die Ukrainer in diesen Gebieten verbindet, erzählten Oleksandr und Andrij der Ukrajinska Prawda.Schyttja.

Wir haben viel überflüssiges Zeug mitgenommen

Bereits am Anfang der Reise kam den Jungs der Wunsch auf, anzuhalten. „Wir waren schockiert. Wir sind beide ‚verbrannt‘. Völlig verbrannt“, sagt Andrij. „Ich habe das erste Mal in diesem Jahr eine kurze Hose angezogen: den ganzen Tag in der Sonne, und nach zwei Tagen – wie sahen da die Beine aus…“ Letztendlich schickte er die kurzen Hosen per Post nach Hause. Und bei Oleksandr „verbrannten“ die Ohren. Er hatte so einen Sonnenbrand, dass „die Haut sich ablöste und in Fetzen abfiel“.Von den zerschundenen Füßen gar nicht zu reden. Bis dato unternahmen die Jungs noch keine solch langen Wanderungen zu Fuß. Während ihrer Reise legten sie innerhalb eines Tages zwischen 5 und 45 Kilometer zurück.

„Dazu kommen die extrem schweren Rucksäcke, weil wir viel überflüssiges Zeug mitgenommen haben“, erinnert sich Andrij. Oleksandr hat für die Reise extra eine Drehorgel gebastelt, aber dieses Instrument war schwer zu tragen und so wurde es auch nach Hause geschickt. Die Sandalen gleich hinterher.

Über die Verpflegung haben die Jungs jedoch nicht so sehr gedacht. Im letzten Moment packten sie eine Thermoskanne ein, die ihnen später noch sehr nützlich war. Sie warfen in die Thermoskanne Buchweizen hinein, übergossen es mit heißem Wasser und warteten, bis er fertig wurde. Sie kauften Brot und Butter, Tomaten und machten sich belegte Brote. Davon lebten sie hauptsächlich. Sie kauften sich kein Essen im Voraus für die nächsten Tage. Was sie kauften, das aßen sie auch gleich auf.

Transkarpaten. Die Menschen gehen oft für die Arbeit fort und fällen den Wald

Den Osten der Ukraine wollten die Reisenden innerhalb von drei Wochen erreichen. Aber wie es oft so ist, hat sich die Reise verzögert. Alleine einen Monat brauchte sie, um Transkarpatien zu durchqueren. Ausgehend von der Region bewegten sich die Reisenden entlang der rumänischen, ungarischen und slowakischen Grenze. „Das erste was einen ins Auge fällt ist, dass die Menschen dort oft nicht mal Ukrainisch sprechen können“, erzählt Andrij. „Alles dreht sich um die Grenze, Schmuggel. Die Menschen verdienen ihr Geld mit Arbeit im Ausland, weil es nah ist, und fällen die Bäume im Wald.“

Oleksandr war beeindruckt, dass die Frauen, die nicht für Arbeit ins Ausland fortgingen, nicht für ein Gehalt von fünftausend Hrywnja (circa 160 Euro) arbeiten wollten. Für sie ist das kein Geld mehr.

Als sich die Jungs mit dem Grenzschutz unterhielten, erzählten diese ihnen eine Geschichte über Menschen in Tauchanzügen, die am Grund des Wassers entlang schwimmen, um so die Grenze zu überqueren, umwickelt mit Zigaretten, um sich 50 Dollar dazuzuverdienen. Nicht jeder kann jedoch so schwimmen und so fischt man von Zeit zu Zeit Leichen aus dem Fluss. „Das ist zugleich ein witziger und tragischer Tod. Diese Geschichte hat mich berührt. Ich denke darüber nach, mit ihr in meiner Ausstellung zu arbeiten“, sagt Oleksandr.

Das im Ausland verdiente Geld wird von den Einwohnern in den Hausbau gesteckt. „Es gibt ein Dorf namens Nowa Apscha. Die Menschen dort verdienen dort ihr Geld auch durch Arbeit im Ausland, und was für Paläste sie dort bauen!“, ruft Andrij. „Selbst die Fassaden sehen aus wie Paläste. Dort ist es langsam schon absurd.“ Die Vorderwand kann sehr prachtvoll gebaut worden sein, von hinten jedoch gar nicht. Das Wichtigste ist, dass es von der Straße aus gut aussieht. Die Jungs bemerkten auch, dass Leute versuchen immer bessere Zäune zu bauen, als ihre Nachbarn. „Am coolsten sind die Löwen, die auf diesen Zäunen sitzen“, lächelt Oleksandr.

Gleichzeitig beschweren sich die Einheimischen meist über das Leben: „Ich habe habe oft gehört, wie sie sich beschweren, dass alles so kompliziert ist, dass sie nichts besitzen, dass alles verfällt…Doch schaut man auf die Häuser und die Autos mit europäischen Kennzeichen, kann man nicht gerade behaupten, dass es ihnen schlecht ginge“, räsonniert Oleksandr. Das mit der Waldfällung ist noch interessanter. Da diese meistens illegal ist, ist sie schwer zu fassen.

Andrij und Oleksandr holten sich Unterstützung von einem lokalen Abgeordneten, welcher ihnen versprach zu helfen. Aber er hat hatte große Angst, dass ihn die Reisenden irgendwo erwähnen. Als die Jungs im Dorf, wo „unter jedem Haus“ ein LKW für den Holztransport steht, ankamen, bat der lokale Abgeordnete seinen Freund die beiden auf einem Jeep zu begleiten, damit er nicht zusammen mit den Reisenden gesehen wird. Andrij und Oleksandr wurden gebeten, nur auf den Rücksitzen zu sitzen, wo die Fenster getönt sind. Zuerst brachte man sie zu einer Kahlschlagstelle, dann zu einer zweiten.

„Man fährt und sieht, wie aus allen Richtungen geschaut wird, wer da und wohin fährt. Wie in einem Film: man dreht den Kopf nach ihnen und folgt dem Auto mit unfreundlichen Blicken“, erinnert sich Oleksandr. Der Mann auf dem Jeep weigerte sich, die beiden nah an die zweite Kahlschlagsstelle heranzufahren. Er hielt vier Kilometer vor einem Kontrollpunkt an. „Das war die größte Kahlschlagstelle in Transkarpatien“, erklärt Oleksandr. „Er schien sich schuldig zu fühlen, weil er uns nicht begleiten kann. Kaufte uns Lebensmittel…“

Die Jungs gingen zum Kontrollpunkt. Dort stand ein uniformierter Mann. Sie gaben sich als Touristen aus, die nach dem Weg Richtung Iwano-Frankiwsk suchten. Die Reisenden wurden nicht durchsucht, sie wurden durchgelassen. Also nahmen sie zwei Tage lang die Folgen der massiven Abholzung auf – leere Lichtungen, dort wo mal Wald war.

Als Andrij und Oleksandr das Kahlschlagsgebiet verließen, hielt neben ihnen ein LKW an: „Springt rein!“ Sie sprangen hinein und sahen einen vollen Anhänger mit Arbeitern mit Kettensägen und Frauen welche die Parzellen bepflanzen. „Sie sahen sehr unglücklich aus, vom Leben gezeichnet. Die Frauen schauten zur Seite mit solch traurigen Blicken. Als wir dann in einem Dorf ausstiegen, kauften sich alle Männer am Ende des Arbeitstages eine Flasche Bier. Die Flasche umarmend saßen sie da und waren glücklich…“, sagt Oleksandr.

Den Reisenden kam es so vor, als fühlten sich die Menschen aus Transkarpatien nicht als ein Teil der Ukraine. Als sie eines der Dörfer passierten, sahen sie die Menschen ihre Kühe zur Weide treiben. Als die Jungs dies aufnehmen wollten, hörten sie: „Jungs, was filmt ihr da?“ „Einen Film über die Ukraine“, sagten sie. „Jungs, ihr seid hier nicht in der Ukraine!“, bekamen sie als Antwort.

Den Beobachtungen von Oleksandr und Andrij zufolge orientieren sich die Einwohner nicht nach Kyjiw. Dort unterscheidet sich selbst die Zeit. „Wir mit Andrij haben ja gesagt, dass Transkarpatien wie ein separates Land ist. Dort lebt man ‚lokal‘. Es ist offensichtlich, dass sich die Region dank der ausländischen Währung der Auslandsarbeiter entwickelt. Mich beeindruckte, dass die Leute dort solche Dorf-Patrioten waren. Sie gehen für die Arbeit ins Ausland, lieben aber ihre Dörfer.

Gebiet Iwano-Frankiwsk: „Weil es so ist und man weiter leben und es einfach akzeptieren muss…“

In den Bergen überquerten die Reisenden die Grenze zwischen der Gebiet Transkarpatien und Iwano-Frankiwsk. Sie gingen den Bergrücken entlang, planten Kosmatsch (ein Dorf) innerhalb von zwei Tagen zu erreichen, aber sie verirrten sich und hatten durchnässte Füße. Auf einem Waldweg trafen sie auf Jungs auf Motorrädern. Sie wurden „ermutigt“: Es waren noch 50 Kilometer zu laufen. „Wir sind vom Weg „abgefallen“, lacht Andrij. „Man empfahl uns etwas zurückzugehen und eine Hütte von Holzfällern zu suchen.“ Sie fanden sie. Und kamen wieder zur Waldabholzung zurück. Acht junge Männer leben zusammen in einem Haus, teilen sich zusammen ein großes Bett und fällen den Wald.

„In Transkarpatien holzt man den Wald einfach ab. Und im Gebiet Iwano-Frankiwsk fällt man ihn ‚punktuell‘. So geht man zum Beispiel einen Waldweg entlang und biegt 50 Meter ab, so sieht man eine Kahlschlagstelle. Es sieht eigentlich nicht nach viel aus, aber wie viele von solchen Lichtungen wurden gefällt…“, sagt Andrij. „Für diese Jungs stellt die Waldabholzung keinen Umweltschaden dar, sondern ein Handwerk auf das sie stolz sind“, fügt Oleksandr hinzu.

Beide Reisenden stellten fest, dass die Holzfäller meistens Männer waren. Für sie sind das sommerliche saisonale Einnahmen – eine Möglichkeit Geld zu verdienen und sich davon ein Haus zu bauen oder eine Hochzeit zu finanzieren. Die Arbeit ist sehr hart. Als eines Abends Oleksandr und Andrij mit den Jungs zusammensaßen und Tee tranken, sagte der Brigadeführer: „Jeder arbeitet irgendwo, einer ist Hirte, und wir holzen halt den Wald ab. Aber alle quälen sich…“

„Wir zeichnen oft die Offenbarungen der Leute auf, was ihrer Meinung nach das Richtige ist“, sagt Oleksandr. „Als Antwort erhalten wir ein Mosaik aus verschiedenen Wahrheiten, die sich gegenseitig widersprechen. Das ist ein interessantes und absurdes Bild. Ich mag das Absurde und sehe es auch überall. So zum Beispiel gibt es welche, die die Waldfällung als ein Handwerk ansehen und stolz darauf sind und damit ihr Geld verdienen und andere wiederum sagen: ‚Bei uns wird der Wald abgeholzt, dadurch kommt es zu Hochwasser, die Politiker decken alles, die Mafia erpresst einen‘.“

Die Worte des Anführers der Brigade weisen auf einen anderen Wesenszug des Gebietes, welchen die Jungs bemerkten. „Die Menschen nehmen ihr Leben als gegeben war. ‚Weil es so ist und weil man irgendwie leben, es annehmen muss…“, sagt Oleksandr.

Er erinnert sich an ihr Gespräch mit einem jungen Huzulen-Mädchen (Bergvolk in den Karpaten A.d.Ü.), das in einer missglückten Ehe steckt. Über ihre Ehe sagt die junge Frau: „Nun, irgendwie wird es schon gehen…“ Auf Oleksandrs: „Du bist doch noch jung, erst 24 Jahre alt…“, antwortet sie: „So ist das Leben, man kann die Zeit nicht zurückdrehen…“ Und seufzt mit ihrer Großmutter.

Das Gebiet Ternopil: Europäische Landpächter

Von Iwano-Frankiwsk zogen die Jungs weiter in das Ternopiler Gebiet. Als sie einen der Kreise durchquerten, wurde ihnen erzählt, dass die ganzen Grundstücke dort von einer deutschen Firma gepachtet wurden. Die Jungs wollten sich die Firma mal anschauen. 300 Meter von dem Eingang tranken sie ihre Flaschen aus, damit sie im Unternehmen bitten können diese aufzufüllen und auf diese Weise alles unter die Lupe nehmen können. Ein Mann in einer Militäruniform gekleidet ließ sie aus auf das Grundstück mit den Worten: „Geht in die Küche, die Mädchen dort füllen sie euch auf. Und schon füllen die Mädchen die Flaschen auf, schon werden kleine Butterbrote zubereitet, Tee gekocht. Sie sagen: ‚Wir haben auch eine Dusche, nehmt doch eine Dusche‘, ‚bei uns kann man auch übernachten, erholt euch doch‘. Wir waren schockiert“, lacht Oleksandr. Unabhängig der Gebiete, wurde ihnen von den örtlichen Einwohnern nur selten Essen angeboten.

Das Unternehmen gefiel den Jungs irgendwie: Dort wird die Kleidung der Arbeiter gewaschen, sie können sich in der Küche Mineralwasser nehmen oder etwas zu Essen, aber… „Ein seltsamer Fall ist das hier, dass eine Firma ein ganzes Gebiet gepachtet hat, dass ist irgendwie…“, wirft Andrij ein.

Auf ihrem Weg entdeckten Oleksandr und Andrij, dass auch Franzosen im Gebiet Ternopil eine Gipsfabrik haben, wo der Kalkstein im Bergbau durch Sprengstoff gewonnen wird. Ein Stück weiter haben Dänen ihre Firma. Jedoch kam ihnen die Gebiet Ternopil ärmer vor, als Transkarpatien. Auch wenn es auch in Transkarpatien manchmal vorkommt, dass das halbe Dorf weggezogen ist, um Geld zu verdienen.

Am meisten berührt waren die Reisenden von dem Rathaus in Butschatsch. Das Rathaus hat drei Ebenen. Die obere ist restauriert und hat eine Uhr, die zur jeder vollen Stunde irgendeine ukrainische Melodie spielt und zu bestimmten Zeiten die Hymne. Und in der unteren Ebene lebt Pawlo, der Metal hört.

Er ist in Deutschland geboren worden und diente den Truppen des Inneren der UdSSR, bewachte amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam und dann wurde er zum Metal-Musiker. Und später begann er Kirchen zu bauen.

„Da ist ein durchaus absurdes Bild der Welt. In dem Leben eines Menschen trafen verschiedene Realitäten aufeinander. Und er hat das alles durchgestanden“, überlegt Oleksandr. „Es gibt ein Rathaus, welches nur noch die Zeit vermisst, halb auseinanderfallend, es wird bereits schon seit unzähligen Jahren restauriert.“ Pawlo lebte einige Zeit in der unteren Ebene und hat das Rathaus innerhalb eines Jahres restauriert.

„Das Rathaus ist deshalb interessant, weil es zu einem gewissen Grad die Prozesse in der Ukraine widerspiegelt. Die obere Ebene ist verspachtelt und man kann sie sich anschauen, und wenn man hineinschaut – Müll, Wasser und Jungs, die dort arbeiten. Als wir eintraten, sagten sie sogleich, dass es bei ihnen alles streng nach den Sicherheitsvorschriften vorgeht und das sie den besten Vorgesetzten auf der Welt hätten. Später wurden sie menschlicher…“, fügt Oleksandr hinzu.

Von Ternopil gingen die Jungs weiter in Richtung des Gebiets Riwne. Sie erinnerten sich, als sie eine ganze Reihe von Dörfer durchstreiften, wo sie in jedem auf betrunkene Menschen trafen. Auf solche, die selbst tagsüber unfähig waren zu sprechen. Ihren Beobachtungen nach unterscheidet sich das Gebiet Riwne von dem Iwano-Frankiwsker, Ternopiler und den Transkarpaten durch den Dreck.

„In den Dörfern sind die Höfe voll mit Dreck, kein Gras wächst dort, sondern dort ist die Erde mit dem Dreck der Hühner und Gänse bedeckt… Andrij sagte, dass im Gebiet von Riwne eine Architektur der Armut vorzufinden ist. Und die Flüsse sind sehr schmutzig. Wir konnten uns nirgendwo waschen, weil es einfach gruselig war, in die Flüsse zu steigen“, erzählt Oleksandr.

In der Gebiet Riwne drückten die beiden Reisenden auf „Pause“ und fuhren nach Kyjiw. Sie mussten das gesammelte Material für das Projekt überdenken, welchem sie den Namen „Enter UA“ gaben. Als sie jedoch in Kyjiw ankamen, gelang es ihnen zusammen mit einem Stalker (eine Person, die verlassene Orte besucht und erkundet, A.d.Ü.) in die Tschornobyl-Zone zu fahren. Dort lebten sie eine ganze Woche.

180 Kilometer durch die Tschornobyl-Zone

Sie suchten sich ein Haus „nach Geschmack“ aus und übernachteten dort. Die Jungs bemerkten, dass Tschornobyl heute eine Zone des Geldverdienens ist. „Taxifahrer fahren die Stalker und sind bereit, auch mitten in der Nacht beim ersten Telefonat aufzubrechen. Die Stalker, die ausländische Touristen rumführen nehmen pro Tag ab 100 Dollar. Es gibt Metallsammler, die legal und illegal dort Metall schneiden. Der Staat verdient auch daran. Allein im letzten Jahr gab es einer Statistik nach zwanzigtausend ausländische Touristen. Das sind 1000 Hrywnja pro Person (knappe 32 Euro, A.d.R.). Du wirst mit einem Bus hingefahren, auf zum 16. Stockwerk (in Prypjat, A.d.R.), schnell ein Selfie mit dem Reaktor im Hintergrund geschossen und schon geht es wieder zurück“, erzählt Oleksandr.

Die Reisenden nahmen auch ein Stapel mit Briefen mit, die die Plünderer nicht interessierten. „Und uns interessieren sie für unsere Nachforschungen. Wir überflogen sie kurz. Es scheint so, als kommen die Briefe aus dem Nichts und sind nirgendwohin adressiert“, sagt Oleksandr. „Diese alle ‚Mamas‘, ‚Papas‘, ‚Petenkas‘ sind für mich abstrakte Bilder, aber hierbei geht es um menschliche Dinge. Ein Mann schreibt seiner Schwester aus der Armee: ‚Hör auf Mutter‘, sie erzählen von alltäglichen Dingen. Als wären es gewöhnliche Sowjetbriefe, aber in der Sperrzone gesammelt.“

Am zweiten Tag ihres Aufenthaltes auf der Tschornobyl-Zone spürten die Jungs ihre psychologische Wirkung. „Diese Zone erreicht bestimmte traumatische Ebenen. Das, was tief in dir verborgen ist, kommt nach außen“, meint Oleksandr. „Am meisten beeinflusst einen die Tatsache, dass du an einen Ort gelangt bist, wo scheinbar die Zeit stehen geblieben ist. Tschornobyl – das ist über irgendeine dunkle Seite des Menschen, die immer ein Teil von ihm ist und zeigt auch die Konsequenzen, die sie mit sich führt. Ich hatte dort Albträume“, fügt Andrij hinzu.

Insgesamt 180 Kilometer der Sperrzone hat Oleksandr zusammen mit Andrij erkundet. Jetzt werden sie das gesammelte Material bearbeiten und sich auf ihre nächste Reise zu Fuß vorbereiten. Im Oktober werden sie ihre Reise von dem Punkt aus vorführen, wo sie diese unterbrochen haben.

Wenn sie ihre Reise beenden, sollte die Reise in einer Performance aus einer Mischung aus einer Grafikreihe und Musik enden. Die Jungs arbeiten mit einem Szenografen zusammen, planen auch einen Medienkünstler heranzuziehen. Wie die finale Version aussehen wird, dass wissen die Darsteller noch nicht, da sie noch nicht den ganzen Weg durchgegangen sind.

Bis jetzt bemerkten die Jungs zwei Gemeinsamkeiten, welche die Menschen des Gebietes haben, welche sie schon passierten. „Das ist ein ukrainischer Pass und der Kampf ums Überleben. Die Menschen suchen Wege, wie sie sich was dazuverdienen können. Darüber sprechen sie immer“, sagt Oleksandr. „Ich denke es ist eine Übertreibung, es einen Kampf um die Existenz zu nennen“, findet Andrij. „Ich nenne es den Kampf um materiellen Wohlstand. Wenn ich die Geschichte meiner Oma höre, die als Kind den Krieg überlebte, war es vielleicht ein Kampf ums Überleben. Heutzutage haben die Menschen jedoch fast alles. Die Gesellschaft deckte die Grundbedürfnisse. Aber die Priorität der Menschen liegt im materiellen Wohlstand. So ist es überall. Ich will auch eine neue Kamera, lacht er.

7. September 2017 // Iryna Andrejziw

Quelle: Ukrajinska Prawda: Schyttja

Übersetzerin:   Yuliya Komarynets  — Wörter: 2876

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