„Grüne“ Investitionen und Transparenz werden den Energiesektor sanieren
Transparenz und Energieeffizienz bleiben wünschenswerte, jedoch unerreichbare Ziele für die politische Führung der Ukraine. Diese hat zwar angefangen, den Investoren zuzuhören, ist aber scheinbar nicht zu einem Dialog in einer gemeinsamen Sprache bereit. Statt einiger weniger konkreter, aber effektiver Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, konzipiert man in der Regierung weiterhin unterschiedlichste Strategien, Konzepte und „Marschrouten“.
Reformmakulatur
Der Ukraine hat sich mit der Reformierung der ideologisch veralteten Energiestrategie, sowie dem Beitritt zur Europäischen Energiegemeinschaft ein „Fenster der Möglichkeiten“ eröffnet. Diese Prozesse ermöglichen nicht nur eine Akzentverlegung der heimischen Energiepolitik zu Gunsten besserer Effektivität und Sustainability, sondern stoßen auch einen konstruktiven Dialog zwischen der politischen Führung und den Investoren an, die scheinbar müde geworden sind zu betonen, dass sie bereit seien, den Energiesektor unter entsprechenden Bedingungen zu finanzieren. Genau darin bestand das Ziel der Organisatoren des jährlichen Fachforums–II des Europäisch-Ukrainischen Energietages, das in dieser Woche in Kiew stattgefunden hat. Konstruktives gab es dabei nur wenig: Die Regierungsmitglieder sagten wenig zu ihrer Marktstrategie und beschränkten sich auf ihr Standardrepertoire an Versprechungen.
Die politische Führung der Ukraine repräsentierte der Stellvertreter des Ministers für Energiewirtschaft und Kohleindustrie, Wladimir Makucha, der sich in seinen Kommentaren zu den geplanten Modifikationen der Energiestrategie der Ukraine wortkarg gab. Er erklärte auch, dass verschiedene Abschnitte des Dokuments bereits ausgearbeitet seien, an denen die Mitarbeiter des Ministeriums, Beraterorganisationen und, wie sich herausstellte, gesellschaftliche Organisationen arbeiten. Am Rande konnte von Makucha in Erfahrung gebracht werden, dass die Überarbeitung des Strategiepapiers, welches die Spezifika des ukrainischen und globalen Energiemarktes inkludieren sollte, bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Erst dann wird es eine öffentliche Anhörung zum Inhalt des Dokuments geben, wie erstmals der Sprecher des Ministeriums erklärte.
Ein weiterer Eckpunkt der Regierungsmaßnahmen kann die „Marschroute“ zu regenerativen Energiequellen werden. Diese sollte, wie der Sprecher der Nationalen Agentur für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, Nikolai Paschkewitsch, versprach, ebenso zum Ende des Jahres ausgearbeitet sein. Gemäß den Worten des Beamten ist eine solche Maßnahme unerlässlich für die Verbesserung des Investitionsklimas. „Wir bereiten den Boden, um Investoren anzuziehen. Wir können schwer sagen, welche Investoren in die Ukraine kommen werden. Aber das Wichtigste ist, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in energieeffiziente und nachhaltige Projekte und in regenerative Energie klar und stabil sind“, betonte N. Paschkewitsch. Dieses Dokument wird auch zur Bestimmung der Produktionsmenge der regenerativen Energien in den einzelnen Regionen ausgearbeitet, um eine chaotische Ressourcenallokation und eine Überversorgung einzelner Regionen und Oblaste zu vermeiden. Die spezifischen Charakteristika des einheimischen Energiesystems, das nicht für die Einspeisung von elektrischer Energie aus regenerativen Energien ausgelegt ist, bedingt eine solche Maßnahme.
Europa fordert weiterhin Veränderungen
Der Direktor der Vertretung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in der Ukraine, Andre Kuuswek, spricht sich klar für die Förderung von Investitionen aus. Ihm zufolge erfordern folgende Prioritäten vorrangige Aufmerksamkeit: eine fundierte Tarifstrategie, die den Kapitalaufwand berücksichtigt; eine Reformierung des Stromgroßhandelsmarktes, die bilaterale Verträge und den zunehmenden Wettbewerb berücksichtigt; der Ausbau alternativer Energiequellen. Kuuswek ist überzeugt, dass dies lediglich eine Maßnahme gewährleisten kann – effektive Bedingungen, die den Eintritt globaler Player in den Markt garantieren.
Von den schwedischen Reformerfahrungen berichtete der schwedische Botschafter in der Ukraine, Stefan Gullgren: „Auch wir besaßen hinsichtlich des Energieverbrauchs eine ineffiziente Industrie, aber nach der Ölkrise 1973 wurde auf parlamentarischer Ebene beschlossen, sich Richtung Energieeffizienz und Reduzierung des Verbrauchs zu orientieren“, berichtete der Diplomat. Gullgren schätzte, dass sein Land dafür 20 Jahre benötigte, die Ukraine hingegen doppelt so viel benötigen wird. Entsprechend sollten die Prioritäten der Regierung folgende sein: Unterstützung von Energieeffizienz auf höchster politischer Ebene; umfangreiche Korrektur der gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche heute den Zugang zu Investitionsanlagen erschweren, Überführung der politischen Entscheidungen in konkrete Taten.
Analog zu den Schweden äußerten sich die Briten. „Billige Energie gehört der Vergangenheit an. Wir sollten die Entwicklung regenerativer Energiequellen und Energieeffizienz im Strategiepapier berücksichtigen“, betonte der erste Sekretär und Leiter der Handelsabteilung der Botschaft Großbritanniens in der Ukraine, Neil Cullens. Eine strategische Führungsrolle seitens der Regierung, eine einheitliche Tarifpolitik sowie die Ausrichtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an globale und europäische Standards sollten Garanten des Fortschritt sein.
Von den Verpflichtungen unseres Staates im Bereich Energieeffizienz sprachen die Repräsentantin des Sekretariats der Energiegesellschaft – die Vorsitzende der Infrastrukturgruppe Violetta Kogalnitscheanu und die Expertin Gabriela Kretu. Sie betonten die unerlässliche Implemetierung dreier EU-Richtlinien in diesem Segment durch die Ukraine: zur Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen, zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, zur Kennzeichnung des Energieverbrauchs von Haushaltsgeräten. Das Interessanteste daran ist, dass seit dem Zeitpunkt des offiziellen Beitritts der Ukraine zur Energiegemeinschaft im Februar 2011, im Sekretariat nicht der Eindruck entstanden ist, dass Erfolge hinsichtlich der Implementierung der genannten Richtlinien erreicht wurden.
Und der „Papst“ wurde auch nicht gesehen
Am Eröffnungstag des Forums kam im Rahmen eines offiziellen Besuches der Ukraine der Vorsitzende des Sekretariats der Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (EITI), Jonas Moberg, der einer der wichtigsten Headliner der Veranstaltung war. „Für mich stellt der Besuch der Ukraine und die Vorstellung des globalen Standards der EITI, die in 35 Ländern implementiert ist, ein großes Vergnügen dar. Die Verbesserung der Transparenz zur Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens gewährleistet eine Stärkung der Rechenschaftspflicht der Regierung, und die Bürger werden verstehen, wie der Rohstoffsektor kontrolliert und reguliert wird. Ich hoffe, dass hier, in der Ukraine, niemand den Grundgedanken der Transparenz in Frage stellt“, erklärte Moberg auf der Pressekonferenz.
Die Unterstützung der Initiative forderten auch der Vorsitzende der Vertretung der Europäischen Kommission in der Ukraine, José Manuel Pinto Teixeira, und die Expertin für Energiewirtschaft der Vertretung der Weltbank in der Ukraine, Astrid Manros. Als dringlichste Maßnahmen hinsichtlich einer Sanierung des ukrainischen Energiesektors nannte der Botschafter die Implementierung der Normen der Energiegemeinschaft, die Stabilisierung des Verbrauchs durch die Steigerung der Energieeffizienz sowie die vollständige Implementierung der EITI-Standards. Letzteres sei ihm zufolge zur Gewährleistung von Transparenz und der bestmöglichen Administration des Abbaus der wichtigsten Brennstoffressourcen in der Ukraine notwendig. Diesbezüglich könne mit der Hilfe der Weltbank gerechnet werden, die Vorstöße der Initiative in den staatlichen Kabinetten unterstützt.
„Momentan verfolgen wir aufmerksam die ersten behördlichen Maßnahmen zur Bildung einer trilateralen Gruppe bestehend aus der Regierung, Unternehmen und gesellschaftlichen Organisationen, welche an der Implementierung der EITI in der Ukraine arbeiten wird. Wir möchten uns davon überzeugen, dass das gewählte Modell den ukrainischen Marktspezifika entspricht und dass sämtliche Informationen zum Zahlungsverkehr im Rohstoffsektor zugänglich werden“, erklärte der Vorsitzende des Sekretariats der EITI. Eine Reihe von Treffen hinter verschlossenen Türen, die Jonas Moberg angestoßen hatte, belegen diese Aufmerksamkeit. Unter Anderen fand ein kurzes, aber produktives Gespräch auch im Ministerium für Energiewirtschaft und Kohleindustrie statt. In der Behörde wurde die Planung der Implementierung der EITI bestätigt, jedoch wurde darum gebeten, insofern nicht auf schnelle Resultate zu hoffen, als noch an der Effektivität der Initiative als Instrument zur Schöpfung von Investitionen gezweifelt wird.
Ungeachtet der Existenz eines entsprechenden Erlasses des Ministerkabinetts (bereits aus dem Jahr 2009), sowie einer Verordnung des Präsidenten (April 2011), überzeugen die Vorteile von Transparenz die Ministerialbeamten noch nicht. Daher wird das Sekretariat der EITI in Zusammenarbeit mit der Weltbank der Regierung in absehbarer Zeit ein erläuterndes Memorandum mit zusätzlichen Argumenten präsentieren. Moberg hofft, die Ukraine noch überzeugen zu können.
3. Juni 2011 // Roman Nizowiz, Irina Petrenko
Quelle: Serkalo Nedeli