Nabucco könnte den Gaspreis für die Ukraine steigen lassen


In Ankara wurde gestern das internationale Abkommen zur Umsetzung des Gaspipelineprojekts Nabucco unterzeichnet, welches die Ukraine und Russland umgehen soll. Der Meinung des Europakommissars Jose Manuel Barroso nach, ist der Bau jetzt “nicht einfach nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich”. Im Ergebnis erhält Turkmenien, für dessen Gas die Ukraine der Hauptabnehmer ist, einen direkten Zugang zu den europäischen Märkten, was zum Hauptgrund für eine Preiserhöhung für den Brennstoff für die Ukraine werden könnte.

Haupthelden der gestrigen Zeremonie in Ankara waren die Premierminister der fünf Länder, über deren Territorien die zukünftige Gaspipeline Nabucco gehen soll. Eben die Regierungshäupter der Türkei, Bulgariens, Rumäniens, Ungarns und Österreichs unterzeichneten ein Abkommen über den Beginn der Realisierung des Projekts. Dieses Ereignis stellt das Ende langer und quälender Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei dar: anfänglich forderte Ankara für sich bis zu 15% des über die Röhre gelieferten Gases. Jetzt ist diese Forderung zurückgenommen worden.

Das russische Projekt South Stream ist nicht bis in dieses Stadium gekommen: bislang unterzeichnete der Hauptbeteiligte an der Umsetzung das Abkommen nicht – Italien.

Russland hatte die letzten Monate aktive Verhandlungen mit der Türkei geführt, dabei versuchend diese von der Beteiligung bei Nabucco abzubringen und alternative Projekte in der Art einer zweiten Strecke für Blue Stream vorschlagend. Jedoch bereitete der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan Russland gestern eine Überraschung, indem “er (seine) Hoffnung ausdrückte, dass eines Tages auch russisches Gas nach Europa über Nabucco transportiert wird”. Faktisch bedeuten die Worte des türkischen Premiers, dass Russland, seiner Meinung nach, bald die Hoffnung South Stream zu errichten aufgibt und die Probleme beim Gastransport über die Ukraine sich fortsetzen und Moskau gezwungen sein wird die Dienstleistungen von Nabucco in Anspruch zu nehmen. Darüber, dass russisches Gas in ferner Zukunft in Nabucco gelassen wird, redeten gestern ebenfalls der Sondergesandte des Präsidenten der USA, Richard Morningstar, und der Premier Bulgariens, Sergej Stanischew.

Den Worten von Recep Tayyip Erdoğan nach, ist auch das zweite Schlüsselproblem für Nabucco – die fehlende Ressourcenbasis – nicht gefährlich für die Zukunft Nabuccos. “In der ersten Etappe wird aserbaidschanisches Gas die Pipeline befüllen. Nachher zählen wir darauf für Nabucco Gas aus Turkmenien, dem Irak, Syrien, Äqypten und ebenfalls auf komprimiertes Gas, welches über Tanker aus Katar geliefert wird”, erklärte der türkische Premier. Tatsächlich verkündeten an der Schwelle zur Unterzeichnung des Abkommens in Ankara Ende letzter Woche der Präsident Turkmeniens, Gurbanguly Berdimuhamedow, und der Premierminister Iraks, Nuri al-Maliki, offiziell ihre Bereitschaft zur Beteiligung am Projekt. Letzterer reiste übrigens sogar zur gestrigen Zeremonie nach Ankara und erklärte, dass der Irak bereit ist Nabucco 15 Mrd. Kubikmeter Gas im Jahr zu liefern – das ist fast die Hälfte der geplanten Kapazität der Pipeline.

Nach Unterzeichnung des Abkommens wurde es noch offensichtlicher, dass Nabucco, dank einer politischen Unterstützung von fast gesamt Europa, South Stream deutlich überholt. Der Leiter der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, wirkte auf der gestrigen Zeremonie wie ein richtiger Triumphator. “Noch vor kurzem sagten die Leute, dass das Projekt scheitert. Derzeit denke ich, dass der Bau dieser Pipeline nicht nur einfach wahrscheinlich, sondern unvermeidlich ist”, erklärte er. Außerdem fügte der Europakommissar hinzu, dass das “Projekt eine neue Tür in eine neue Ära der Zusammenarbeit der EU mit der Türkei öffnet”.

South Stream kann sich einer vergleichbaren Unterstützung nicht rühmen. Mehr noch könnte sich die Zahl der Anhänger verringern, wenn die neue Regierung Bulgariens von Bojko Borisow angeführt wird – dem Vorsitzenden der Partei, die bei den kürzlichen Parlamentswahlen gewann. Er tritt aktiv gegen gemeinsame wirtschaftliche Projekte mit Russland ein, die der derzeitige Premier Sergej Stanischew begann. Übrigens setzte auch Stanischew gestern seine Unterschrift unter das Abkommen, erklärend: “Ich denke nicht, dass Russland direkt oder indirekt die Verwirklichung des Projektes behindern wird”.

Schlussendlich ist ein wichtiges Plus für Nabucco, dass dieses Projekt, wie der geschäftsführende Direktor des Unternehmens Nabucco Gas Pipeline International, Reinhard Mitschek, bekräftigt, hat Nabucco bereits Geld. Im Mai diesen Jahres hatte die Europäische Investitionsbank ihre Bereitschaft in das Projekt bis zu 25% der Kosten zu investieren verkündet. Das sind ungefähr 2 Mrd. €. Den Worten von Mitschek nach, werden die Pläne, ungeachtet der Krise, nicht revidiert. South Stream ist, wie bekannt ist, ein teureres Projekt (von 19 Mrd. € bis 24 Mrd. € gegenüber 7,9 Mrd. € bei Nabucco) und bislang haben europäische Banken kein Geld für die Realisierung versprochen.

Nächste Etappe für das Projekt Nabucco soll die Unterzeichnung des Abkommens zwischen den fünf Teilnehmerländern und der Nabucco Gas Pipeline International Company sein. Das soll Ende des Jahres stattfinden.

Für die Ukraine ist der Bau von Nabucco vorteilhafter, als das alternative Projekt – South Stream. “Dieses Abkommen setzt einen Schlusspunkt unter die Realisierung des South Stream Projektes, das etwa 20 Mrd. Kubikmeter russischen Gases in Umgehung der Ukraine liefern sollte”, sagt Alexander Gudyma (Block Julia Timoschenko), Berater der Premierministerin und Mitglied des Energieausschusses der Werchowna Rada. Außerdem wird der Bau von Nabucco, seinen Worten nach, das Risiko der Verringerung der Transitmengen von der Ukraine nehmen und zukünftig erlaubt es Gas in Umgehung Russlands zu erhalten: “Theoretisch könnte Nabucco mit dem Gastransportsystem der Ukraine über Bulgarien und Rumänien verbunden werden und wir können kleinere Gasmengen im Landessüden erhalten, was es gestattet die Gaslieferungen zu diversifizieren”.

Andererseits könnte der Bau von Nabucco auch negative Folgen für die Ukraine haben. “Einen direkten Zugang auf die europäischen Märkte erhaltend, erhöht Turkmenien den Gaspreis. Da ‘Gasprom’ der Ukraine traditionell zentralasiatisches Gas vekrauft, bedeutet das, dass es nicht gelingen wird Zugeständnisse beim Preis vom russischen Monopolisten zu bekommen”, denkt Sergej Tulub (Partei der Regionen), ebenfalls Mitglied des Energieausschusses. Außerdem setzt die Bewilligung des Planes zum Bau von Nabucco einen Schlusspunkt unter die Pläne Julia Timoschenkos zum Bau der Gaspipeline White Stream, betont der Stellvertreter des Direkors des wissenschaftlich-technischen Zentrums “Psicheja”, Gennadij Rjabzew. Anfang letzten Jahres legte die Ukraine der Europäischen Gemeinschaft dieses Gasprojekt als Alternative zu Nabucco mit einer Projektkapazität von 31 Mrd. Kubikmeter vor. Den Berechnungen der Regierung nach, hätte die Einsparung beim Bau dieser Pipeline bis zu 2 Mrd. $ betragen. Jedoch erklärten Experten damals, dass die EU bei der Gewährleistung ihrer Energiesicherheit nicht sparen wird (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 30. Januar 2008).

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1034

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