Opposition drängt wieder auf Auflösung des Parlamentes
Gestern wurden 168 Erklärungen von Abgeordneten des Blockes Julia Timoschenko (BJuT) und “Unsere Ukraine” über den Austritt aus ihren Fraktionen im Sekretariat der “Werchowna Rada” abgegeben. Die Opposition zeigt sich überzeugt, dass dieser Schritt die Ausgabe eines dritten Erlasses des Präsidenten über die Auflösung des Parlamentes erlaubt. Präsident Juschtschenko äußerte sich bereits dazu, das er bereit sei diesen Schritt zu tun. Auf diese Weise könnte der neue Wahltermin auf den 29. Juli festgelegt werden. Die Vertreter der Koalition gehen jedoch nicht davon aus, dass der Präsident zu diesen radikalen Mitteln greifen wird. Vielmehr wird er die Verhandlungen fortsetzen und die Tätigkeit der Rada noch für mehrere Tage legitimieren.
Dem heutigen Kommersant-Ukraine ist zu entnehmen, dass gestern von Seiten der vereinigten parlamentarischen Opposition Austrittserklärungen aus ihren Fraktionen im Sekretariat der “Werchowna Rada” eingereicht wurden. Dies führt, gemäß der Verfassung, zur Abgabe der Vollmachten dieser Parlamentsmitglieder. “Unsere Ukraine” und BJuT konnten 168 Erklärungen zusammenbringen. Die Vertreter der Opposition erklärten, dass sie nicht ihre Mandate auf eigenen Wunsch niederlegen, sondern aus ihren Fraktionen austreten. Zwischen diesen beiden Formulierungen besteht ein Unterschied. Gemäß dem Artikel 81 der Verfassung benötigt der Rücktritt eines Abgeordneten auf eigenen Wunsch die Zustimmung der Rada. Im Falle des Austrittes aus der Fraktion, kann der jeweilige Parteikongress die Abgabe des Mandates verlangen, also ohne Zustimmung der Parlamentsmehrheit.
Wie bekannt ist, gibt das Niederlegen der Abgeordnetenmandate der Opposition dem Präsidenten noch einen weiteren Vorwand für die Auflösung des Präsidenten. Den Worten Wiktor Juschtschenkos nach, erlaubt Artikel 82 der Verfassung dem Parlament die Arbeit nur, wenn mehr als 300 Abgeordnete der Rada angehören. Momentan, wenn 168 Abgeordnete ihr Mandat niederlegen, verringert sich die Zahl der Mandatsträger auf 282 Personen, somit 18 weniger als benötigt.
Gestern befand sich der Präsident zu einem Staatsbesuch in Kroation, was ihn jedoch nicht daran hinderte die Vorgänge in der Rada zu verfolgen.Auf der Pressekonferenz in Zagreb verbarg der Präsident nicht seine Bereitschaft einen dritten Ukas über den Entzug der Vollmachten des Parlamentes (Auflösung) auf der Grundlage des Artikels 82 der Verfassung zu unterschreiben. Dies dann, sollten nicht bis zum 31. Mai Mitternacht alle für die Durchführung der Neuwahlen erforderlichen Gesetze und Entschließungen beschlossen werden. “Dann werden BJuT und “Unsere Ukraine” auf Kongressen den Parlamentsaustritt der Abgeordneten beschließen und innerhalb von 60 Tagen wird es Neuwahlen geben. Das ist eine Norm der Verfassung”, unterstrich der Präsident.
Die Vertreter der Koalition reagierten schnell auf diese Erklärung. Sie weigerten sich den Forderungen des Präsidenten nachzukommen und stimmten dafür, die entscheidenden Gesetzesvorhaben nicht mehr am Donnerstag zu behandeln. Alexander Baraniwskij von den Sozialisten meinte dazu, dass das Parlament niemals Ultimaten erfüllen wird.
Die Daten für die Parteikongresse von BJuT und “Unsere Ukraine”, auf denen über die Abgabe der Parlamentssitze entschieden werden soll, waren gestern nicht bekannt. Damit war gleichfalls nicht das Datum über die Unterzeichnung des Erlasses des Präsidenten bekannt. Im Falle der Unterzeichnung des Erlasses am 5. Juni, würden die Neuwahlen, gemäß der Verfassung, am 29. Juli stattfinden.
Den Informanten des “Kommersant-Ukraine“ aus dem Umfeld des Präsidenten nach, hatte dieser bisher noch keine endgültige Entscheidung über die Unterzeichnung des Ukases, während der Pressekonferenz in Zagreb, getroffen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Juschtschenko nach seiner Rückkehr in die Ukraine die Gespräche mit der Koalition fortsetzen wird. Die gleiche Meinung vertrat der Vertreter der Partei der Regionen, Taras Tschornowil, der davon ausgeht, dass die Rada weitere zwei bis drei Tage benötigt für die Annahme der notwendigen Gesetzespakete. Er forderte daher den Präsidenten dazu auf die Legitimität der Parlamentsarbeit noch einige Tage zu gewähren.
Bei der Opposition gibt es einen wirklichen Grund, die versprochenen Parteikongresse nicht durchzuführen. Wie im gestrigen “Kommersant-Ukraine“ zu lesen war, nahm das Petschersker Gericht die Entscheidung der Zentralen Wahlkommission über die Rücksetzung der Wahlliste von BJuT zurück. Bei “Unsere Ukraine” gibt es ähnliche Probleme. Die “Partei der Industriellen und Unternehmer” (damals im Block “Unsere Ukraine” angetreten) ficht hier die Rücksetzung der Wahllisten an. Auf diese Weise, können für die niedergelegten Mandate Nachrücker aus der Kandidatenliste ins Parlament einziehen. Diese Chance auf einen Parlamentssitz würden sich nicht nur Vertreter von der “Partei der Industriellen und Unternehmer” entgehen lassen. Wjatscheslaw Kirilenko, der Vorsitzende der Fraktion von “Unsere Ukraine”, informierte gestern darüber, dass die Juristen der Fraktion bereit sind für die “Gründung einer Pseudofraktion” und bereits Strategien ausgearbeitet haben gegen diese vor Gericht vorzugehen. Offensichtlich basiert die Position von “Unsere Ukraine” darauf, dass die Auflösung des Parlaments nicht zu Sitzen für neue Abgeordnete führen werden kann.
Auch die Unterzeichnung eines dritten Erlasses durch den Präsidenten führt nicht unmittelbar dazu, dass die Wahlen im genannten Zeitraum stattfinden werden. Die Koalition hat weiter die Möglichkeit diesen aufs Neue vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Im Artikel 82 der Verfassung heißt es: “Die Werchowna Rada erscheint arbeitsfähig, solange nicht weniger als zwei drittel ihres verfassungsgemäßen Bestandes gewählt wurden.”. Diese Norm lässt eine alternative Interpretation zu. Die Rede kann davon sein, dass die Anzahl der Abgeordneten unmittelbar nach der Wahl wenigstens 300 Personen erreichen muss, aber nicht während der Arbeit der Rada. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass nach der Unterzeichnung eines dritten Ukas, das Verfassungsgericht aufs Neue im Zentrum des Kampfes stehen wird.