Das Schweigen der Nicht-Lämmer
Was ich gerne vom Präsidenten, den Patriarchen, Abgeordneten, Meinungsführern und Wakartschuk (Swjatoslaw Wakartschuk, Frontmann der Gruppe Okean Elzy, wird gerade als Präsidentschaftskandidat gehandelt, A.d.R.) anstatt der Banalitäten im Stil von Coelho hören würde.
Von den einflussreichen Ukrainern kann man erfahren, dass man etwas ändern muss. Dass es nicht so weiter gehen kann. Dass es höchste Zeit ist, auf neue Weise zu leben. Dass sie für alles Gute und gegen alles Böse sind. Und darüber, dass sie in der EU und in den USA unterstützt werden. Besonders in den USA, und besonders werden voraussichtliche Präsidentschaftskandidaten unterstützt. Hingegen wenn eine Konfliktsituation heranreift: seien es Proteste der Inhaber von PKWs mit EU-Kennzeichen (sogenannte „Euroblechinhaber“. In der Ukraine ist es zum Massensport geworden mit im EU-Ausland registrierten Autos zu fahren, um die hohen Zollgebühren bei der legalen Einfuhr zu umgehen. A.d.R.) vor der Werchowna Rada, Fackelzüge der Rechten oder sei es auch die Brandstiftung des Verkaufsstandes des Moskauer Patriarchats beim Fundament der Desjatynna/Zehent-Kirche in Kyjiw, wird es sofort still.
Es kommt nie vor, dass einer mit hohen Umfragewerten sein „Ja“ oder „Nein“, „Für“ oder „Wider“ sagt. Denn die Wahlen sind nicht allzufern, man kann an Ansehen verlieren. Dann beginnt langes Murmeln über „40 Jahre in der Wüste“, über die Mentalität, über Reformen und sozialen Schutz. Und insbesondere darüber, dass das „für die einfachen Leute unwichtig sei“.
Beispielsweise wissen alle Bescheid, was die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats ist, aber niemand, der tatsächlich über Macht oder Ansehen verfügt, bietet Lösungen des Problems an. Außer entschlossenen jungen Leuten, die danach noch mit den Vertretern der „erneuerten“ Rechtsschutzkräfte wegen der Brandstiftung der „Kirche“ ein Gespräch zu führen haben. Derweil gehen die hochgestellten Kirchgänger zu russischen Agenten in Priesterröcken, und „Kollegen derselben Zunft“ aus anderen Konfessionen erzählen noch etwas über Kanonizität und Bedürfnis nach Dialog. Autokephalie in einer ferner Perspektive ist wunderbar, aber was muss man mit ihnen jetzt machen?
Wie viele Male rief man zum Boykott der Fernsehsender auf, die für den Feind arbeiten? Verzichtete etwa jemand auf die Möglichkeit, „seine Meinung zur Wählerschaft zu bringen“? Oder haben die Top-„Kollegen der Zunft“ Widerstand organisiert? Nein, denn die Erde ist rund, und das Schicksal führt die glühenden Kämpfer für die Wahrheit nicht nur einmal mit den unversöhnlichen Gegnern zusammen.
Die ersten Personen im Staate sprechen auch kaum über die Legalisierung des Spiel-Business, über Waffenbesitz, über die russische Sprache oder den Landmarkt. Über einen konkreten Richter oder einen konkreten Priester sagen sie auch nichts, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Leute in der Zukunft in einem „Team“ sein werden. Für entschlossenere Erklärungen haben sie ihre Blogger und Experten, die den Informationsraum sondieren, neue Ideen und Versuchsthesen loslassen. Später taucht ein „angenommener Heraschtschenko“ auf und erzählt, was ein „angenommener Awakow“ darunter verstand (gemeint ist Anton Heraschtschenko, Abgeordneter der Volksfront, der gleichzeitig ein Vertrauter von Innenminister Arsen Awakow ist, A.d.R.). Dabei hat letzterer immer die Möglichkeit zu sagen, dass wir alle schon erwachsene Leute seien, und er vertritt seine Meinung und sein Freund Anton – seine. Alles wie in einer römischen Legion, in der die erfahrenen Veteranen als letzte in den Kampf gingen, oder wie in einem Rattenschwarm, wo als erste die jüngsten und schwächsten angreifen. Oder wie bei Putin, der einmal sagte, dass Peskow oft „wirres Zeug redet“.
Die Abgeordneten aller Ebenen sind mit „positiver Tätigkeit“ beschäftigt – Bänke, Grünanlagen, Kindergärten, öffentliche Räume, Straßen. Es gibt nichts zum Bekritteln. Die Aktivisten wetteifern, wer mehr Bäume pflanzt und wer mehr Kinderbüchlein verteilt. Um niemanden zu beleidigen.
Dabei wird von uns, den einfachen Leuten, verlangt, Informationshygiene zu halten, Fake-Nachrichten nicht zu glauben und einen eigenen Standpunkt zu haben. Über die Korruptionsbekämpfer zu sprechen ist wiederum nicht comme il faut, denn man sollte die Keime der Zivilgesellschaft nicht untergraben, über die Korrupten auch nicht, um das Haus nicht zum Wanken zu bringen, über die Priester ebenso, denn sie sind nicht die ganze Kirche und über die ehemaligen Angehörigen der Partei der Regionen (Partei des Ex-Präsidenten der Ukraine Janukowytsch, A. d. Ü.), um die Feinde im Informationsraum nicht zu bewerben.
Bei den „neuen Gesichtern“ muss man auch vorsichtig sein, vielleicht ist das eben plötzlich dieselbe neue Hoffnung. Vielleicht ändert sich alles augenblicklich, und hinter ihren geschliffenen Phrasen verbergen sich Absichten für wirkliche Taten? Bisher sieht es so aus, dass das „junge Blut“ nicht weniger weitsichtig als seine „Vorgänger“ ist. Ohne Konkretheit: das Böse wird bestraft, die Ukrainer sind die klügsten.
Soweit alle Führungskräfte wie auch ihre Wählerschaft gottgläubige Leute sind, sollten sie irgendwann diesen Spruch gehört haben: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. „ (Offenbahrung des Johannes 3,15-16). Sogar die Bibel verurteilt die Schlauberger unter den ukrainischen Politikern. Aber nein, es erscheinen weiter die Erklärungen im Stile der törichten Beiträge in sozialen Netzwerken.
Mit wem kann man sich dann identifizieren? Wer ist mein Gleichgesinnter, wer ist meiner Stimme wert? Falls ich die Meinungen von Rabinowytsch (gemeint ist Wadym Rabynowytsch, ein Parlamentsabgeordneter des Oppositionsblocks, der unter anderem über eine Fernsehsendung an Sonntagen seine Thesen unters Volk bringt, A.d.R.) oder ihm ähnlichen “Wahrheitsliebern“ nicht teile, muss ich das politische Programm eines Gemäßigteren erraten?
Dabei analysieren alle Experten und „Meinungsführer“ Meinungsumfragen und wundern sich. Woher kriegen die Populisten so hohe Popularitätsraten? Ja, weil sie sich mit ihrer Wählerschaft unterhalten! Sie machen keine Anspielungen, sie sagen nicht, dass „das Problem schwer zu lösen ist“, sie schneiden keine Bänder durch und streichen keine Kinderspielplätze an. Und sie haben Gleichgesinnte, wenn man das in dem Fall so sagen kann. Und das bedeutet Unterstützung, Umfragewerte und Wahlaussichten. Was kann man dann der „Wählerschaft“ vorwerfen, die sich nicht entschieden hat, falls sich mehr oder minder zurechnungsfähige Kandidaten höchstens durch die Fotos abheben?
18. April 2018 // Nasar Kis
Quelle: Zaxid.net