Ukraine im Konjunktiv


In Russland mag man fragen: „Na und? Was habt ihr mit eurem Majdan erreicht?“ Nach dem Motto: die Krim ist verloren, den Osten des Landes eingebüßt, im Land herrscht Krieg. Die Ironie besteht darin, dass nichts von dem Aufgezählten als Folge des Majdans zu bezeichnen ist.

Die Büchse der Pandora wurde erst nach der Annexion der Krim geöffnet.

Gäbe es diese Situation mit der Halbinsel nicht, würde die heutige Ukraine uns jetzt viel mehr an die Ukraine von gestern erinnern. Lasst unsere Fantasie spielen.

„Donezker Volksrepublik“ und „Lugansker Volksrepublik“ existieren nicht, weil diese lediglich als zweiter Akt des „Krim-Theaterstücks“ möglich wurden. Die Präsidentenwahlen ohne Armeemobilisierung finden in zwei Wahlgängen statt – im zweiten Wahlgang kommen Poroschenko und Timoschenko zusammen.

Die ukrainischen Politiker ersten Ranges fahren nach Moskau ihre Lorbeeren vom Hauptbändiger Wladimir Putin abholen. In das neue Parlament werden die Kommunistische Partei der Ukraine und die Partei der Regionen wiedergewählt – nach einem Rebranding.

Es gibt keine Freiwilligenbataillone. Die Freiwilligenbewegung geht unter. Die Armee betrachtet nachdenklich ihre Panzer und überlegt, ob diese schieß- und fahrfähig sind. Diejenigen, die von einer Kriegsbedrohung seitens Russlands sprechen, werden als Provokateure bezeichnet.

Europa beharrt auf der Notwendigkeit, die Interessen Russlands vor der Ratifizierung des Assoziierungsabkommens zu berücksichtigen. Obama ruft Moskau und Kiew zur konstruktiven Zusammenarbeit zugunsten des Fortschrittes auf.

Makarewitsch singt auf den Firmenpartys von Gasprom, Lew Schlossberg interessiert sich nicht für die Fallschirmjäger von Pskow. Auf der Krim ernennt man eine Kompromissperson zum neuen Gouverneur, der Meclis der Krimtataren bekommt ein Dutzend Regierungsposten.

Das Parlament der Halbinsel erlässt eine neue Erklärung darüber, dass diese Region eine Brücke der Freundschaft zwischen der Ukraine und Russland darstellt. Igor Kolomojskij wird nicht zum Gouverneur von Dnepropetrowsk ernannt, der Name von Boris Filatow bleibt unbekannt.

„Der Rechte Sektor“ verlangt den Rücktritt von Arsen Awakow wegen des Todes von Saschko Bilyj. Die Polizeieinheit Berkut (Steinadler) wird in Condor umbenannt und unter dem Kommando des Innenministeriums belassen. In der Region Donbass wurden neue Gouverneure ernannt, die darauf bestehen, dass die Stabilität der Region – die höchste Priorität hat.

In Odessa laufen alle, die darauf Lust haben, mit prorussischen und europäischen Flaggen, und diejenigen, die keine Lust haben, baden im Meer. Der größte Teil des Landes hat immer noch keine Ahnung, wo sich Slawjansk, Saur-Mogila und Gorlowka befinden. Ajdar – ist der Fluss im Lugansker Gebiet, Sementschenko erzieht vier Kinder. Sonnengebräunte Touristen aus Holland kehren aus Malaysia zurück.

Gegen Russland werden keine Sanktionen eingeführt, das wichtigste Ereignis des Jahres für das Land – der Olympia-Sieg. Der Wechselkurs für den Dollar beträgt 35 Rubel, der Sparteil der Renten ist vorhanden. Igor Strelkow fährt zu einem Festival der historischen Nachstellung, das dem 100-jährigen Jubiläum des Ersten Weltkrieges gewidmet ist.

Dmitrij Kisseljow erzählt über die Kurzsichtigkeit von Obama, die den „Islamischen Staat im Irak und in der Levante“ ins Leben gerufen hat. Die Aufmerksamkeit von Europa beherrscht der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Rossija-24 spricht von der Junta in Thailand, die das Wohlleben der russischen Ex-Pats einschränkt. Nebenbei diskutiert er die Handlungen von der Bestrafungseinheiten, die gegen das Regime von Baschar Asad kämpfen.

Pjotr Poroschenko fliegt nach Moskau, Wladimir Putin spricht voVorrang des internationalen Rechts während des gemeinsamen Treffens.

Rogosin verkündet, dass die Ukraine ein blockfreier Staat bleiben sollte, um die Zusammenarbeit im militärischen und technischen Bereich zwischen den beiden Ländern aufrechtzuerhalten.

Glasjew beschreibt die wirtschaftlichen Nachteile als Folge der Assoziation mit der EU und stellt die restlichen Geldtranchen aus den versprochenen 15 Milliarden in Aussicht. In Kiew verspricht man darüber nachzudenken.

Auf die Krim kommen fünf Millionen Touristen, Sergej Aksjonow an der Spitze der Partei Russische Einheit kämpft mit dem Regionalen Wladimir Konstantinow um die demoralisierte Wählerschaft der Partei der Regionen.

Belarus stellt immer noch keine Shrimps und Parmesan her. Gasprom pumpt Gas in die ukrainischen unterirdischen Gasspeicher ein. Über den Aufenthalt von Wiktor Janukowitsch gibt es keine offizielle Information.

Diese Liste kann man weiter führen, präzisieren oder bestreiten. Der Fakt ist, dass die Ukraine vom Jahre 2014 der Ukraine vom Jahre 2005 wesentlich mehr ähneln könnte. Die ganze Realität des letzten Halbjahres ist nicht das Ergebnis der ukrainischen Revolution. Das ist das Ergebnis der russischen Konterrevolution.

Es gibt keinen Menschen, der im Stande wäre, den Majdan nach Hause zu schicken. Aber es gibt einen Menschen, der den Befehl für die Durchführung des „Krimfrühlings“ erteilte.

In Kiew auf dem Platz der Unabhängigkeit war der Gemeinschaftswille, aber im Fall der Annexion der Halbinsel war es ein persönlicher Wille. Die Frage: „Was habt ihr mit dem Majdan erreicht?“, hat eine ziemlich konkrete Antwort: Wir sind die Menschen losgeworden, die die korrumpierte oligarchische Ukraine in eine kriminelle Ukraine umgewandelt haben. Aber alles, was danach geschah, ist bloß die Antwort auf die Frage: „Was habt ihr mit der Annexion der Krim erreicht?“. Das ist alles.

10. September 2014 // Pawel Kasarin

Quelle: Ukrainskaja Prawda

Übersetzerin:   Vita Martynyuk  — Wörter: 798

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