Ukrainische Weinherstellung: Im Kampf ums Überleben
Trotz ihrer einzigartigen Möglichkeiten bleibt die Ukraine immer noch ein dunkler Fleck auf der Weltkarte des Weins. Wie kann man das ändern und was wurde bereits unternommen?
Die vorteilhafte geografische Lage der Ukraine und das gemäßigte Klima tragen zur Entwicklung der Weinbereitung und zum Anbau einer Vielzahl von Rebsorten bei. Trotz dieser langen Tradition hat die Weinherstellung in der Ukraine noch immer ungenutztes Potenzial.
In den letzten Jahren hat die Branche aufgrund der wirtschaftlichen Rezession und übermäßiger Regulierung der Weinherstellung erhebliche Verluste erlitten. Die Gebiete für Weinberge schrumpfen Jahr für Jahr rapide. Die Winzer beschweren sich über ein bürokratisiertes Verfahren zur Erlangung von Lizenzen, Landprobleme, fehlende staatliche Unterstützung und Druck seitens der lokalen Behörden.
Trotz ihrer einzigartigen Fähigkeiten bleibt die Ukraine immer noch ein dunkler Flecken auf der Weltweinliste. Wie man das ändern kann und was bereits dafür getan wurde, hat die Ekonomitschna Prawda zusammengetragen.
Wir haben, was wir haben
Heute beträgt das Gebiet der Weinberge in der Ukraine etwa 44.000 Hektar, viermal weniger als in den 1990ern.
Entwicklung der Weinanbaufläche (2014 und folgende ohne Berücksichtigung der Autonomen Republik Krim)
Vertreter der Weinbauindustrie beklagen, dass sie die schwierigsten Zeiten in der gesamten Geschichte erlebt und eine systematische Management- und Förderungs-Politik benötigt. Der Generaldirektor von „UkrWynProm“ Wolodymyr Kutscherenko glaubt, dass es für die Entwicklung des Weinbaus und der Weinherstellung unabdingbar ist, einen Fahrplan der Prioritäten zu machen.
„Die Industrie benötigt die Anlage von Neuanpflanzungen und die Anhebung des Produktionsvolumens der Weinberge auf das Niveau der Bedürfnisse der Bevölkerung und der Weinherstellung, um ihn nicht importieren zu müssen“, betont er.
„Die Weinherstellung steht auf der Stelle. Das ist ein teures Vergnügen, denn aufgrund des Fehlens staatlicher Unterstützung ist seine Entwicklung nicht möglich“, stimmt der Winzer aus Cherson, der Sprecher der Landwirtschaftsgenossenschaft „Kurin“, Mykola Chalupenko, zu.
Seinen Worten nach sind staatliche Beihilfen sowohl für die Anlage von Weinbergen als auch für deren Pflege mindestens für die ersten zwei Jahre erforderlich. „Um einen Hektar Weinberg zu pflanzen, benötigen Sie etwa 10.000 US-Dollar. Für zehn Hektar benötigen Sie 100.000 Dollar. Angesichts der Armut, die in der Ukraine existiert, ist es unmöglich, selbst einen Hektar.anzulegen“, klagt der Winzer.
Entwicklung der wichtigsten Kennziffern des Weinanbaus und der Weinproduktion (2014 und folgende ohne Berücksichtigung der Autonomen Republik Krim)
Darüber hinaus ist die unausgeglichene Zulassungspolitik für die Winzer untragbar, sie ist eine der Hauptquellen für den Staatshaushalt.
„Die Hersteller schaffen es nicht, sich auf die neue Verbrauchssteuer auf Alkohol einzustellen, da beginnt schon die Diskussion über ihre nächste Erhöhung. Stattdessen könnte eine Lockerung der Zulassungspolitik und ihre Berechenbarkeit auf lange Sicht zusammen mit Erhöhung von Produktion und Vertrieb größere Beiträge in den Haushalt bringen“, sagt Kutscherenko.
Es gibt auch Probleme mit dem Land. „Wir müssen Ordnung in die Landaufteilung bringen, weil Wein für mindestens 50 Jahre angelegt wird. Vielleicht ohne Aufhebung des Moratoriums (auf den Verkauf von Ackerland), aber zumindest muss man die Voraussetzungen schaffen, in der Lage sein, Land für eine lange Zeit zu pachten“, sagte Chalupenko.
Kutscherenko stimmte ihm zu: „Man muss den unbegründeten Inflationsausgleich für landwirtschaftliche Flächen aufheben und die Rate der Grundsteuer auf mehrjährige Pflanzen, zu denen die Weinberge gehören, reduzieren.“
Gleichzeitig gibt es so gut wie keine staatliche Unterstützung. „Offiziell sind 75 Millionen Hrywnja für die Rückzahlung von Kreditschulden zugewiesen worden und wird die Frage über der Orientierung auf Unterstützung der Industrie mit weiteren 224 Millionen Hrywnja entschieden“, sagt der Leiter des Departments für Gartenbau, Weinbau und Weinherstellung des Landwirtschaftsministeriums Wiktor Kostenko.
„Dies ist ein positives Signal. Auch wenn das nicht viel ist, so verstehen doch alle, dass das Land in Schwierigkeiten ist. Die Winzer nehmen diese Bemühungen positiv auf. Wir haben die Hoffnung, dass diese Zahlen steigen und die Unterstützung der Branche erneuert wird“, ergänzt Kostenko.
Schritt für Schritt
„Wenn man die Probleme im Land in Betracht zieht, so kommen die Staatsbediensteten einfach nicht zu dieser Branche“, sagt der bekannte ukrainische Weinbauer, der Gründer und Eigentümer von „Kolonist TM“ Iwan Platschkow.
Gleichzeitig sind noch einige Fortschritte auf dem Markt in den letzten Jahren zu verzeichnen. Einer der größten Siege für die Winzer im Jahr 2016 war die Abschaffung der Lizenz für den Großhandel, die pro Jahr 500.000 Hrywnja kostete.
Bereits Anfang 2007 eingeführt, hat diese Norm fast zehn Jahre lang für die Winzer viele Probleme geschaffen. Die feste Lizenzgebühr, die nicht vom Umfang der Weinherstellung abhängt, hat kleine Betriebe in ungleiche Bedingungen versetzt.
Durch die Unterzeichnung des Gesetzes hat Präsident Petro Poroschenko bekräftigt, dass dies „zu einem wesentlichen Ausbau der Weinherstellung in der Ukraine beitragen wird, und dass dieser Wein unser Land in der Welt bekannt machen wird.“
Allerdings teilen nicht alle Vertreter der Branche die Meinung des Verfassungsgaranten. „Mir hat das Gesetz nicht geholfen. Ich habe keine Flasche an den Großhandel verkauft. Gefälschte billige Produkte füllen die Regale der Geschäfte, unsere Produkte nimmt man nicht. Die Korruption in den Supermärkten erlaubt es nicht, in die Regale zu gelangen“, erzählt Chalupenko.
„Wir stellen Weine von hoher Qualität her, wir halten alle Verfahren ein. Diese Supermärkte sollten zu den Weinherstellern rennen, nicht aber wir zu ihnen, und ihnen noch Geld dafür zahlen“, fügt der Leiter des Landwirtschaftsbetriebs „Kurin“ hinzu.
Nach der Abschaffung der Großhandelslizenz bleibt ein weiteres großes Hindernis beim Eintritt der kleinen Winzer auf den Markt: das bürokratische Verfahren zur Erlangung einer Produktionslizenz. Die Gesetzgebung sieht fast 160 Genehmigungsdokumente vor.
Gleichzeitig sind die Anforderungen für die Erteilung einer Lizenz für die großen Likör-Brennereien und die kleinen Weinbaubetriebe gleich.
Man sollte erwähnen, dass es in einigen EU-Ländern überhaupt keine Lizenz für die Produktion von Naturweinen gibt, und in den meisten Fällen wird ihr Erhalt vereinfacht. In der Ukraine kann man eine solche Lizenz zum Weinbau wegen der Bürokratie erst nach Jahren erhalten.
Um dieses Problem zu lösen, hat man den Gesetzentwurf Nr. 6693 initiiert. Im Falle seiner Annahme, sagen Abgeordnete, werden Winzer der Notwendigkeit entledigt, die 160 Genehmigungsunterlagen für den Erhalt einer Lizenz zu erhalten.
Darüber hinaus wird mit einer Zunahme der Anzahl kleiner Weingüter, der Legalisierung der Weinproduktion, der Zunahme von Arbeitsplätzen auf dem Land gerechnet.
Ein gutes Jahr des ukrainischen Weins
Leider sind das noch nicht alle Probleme der Branche. Wie Sie wissen, wird jede Gesellschaft nach bestimmten Kriterien bewertet, von denen eine die Kultur des Weingenusses ist. In der Ukraine ist diese fast abwesend.
„Wir müssen die Menschen an die Kultur des Weingenusses heranführen, die Franzosen trinken 70 Liter Wein pro Jahr in der Familie, wir aber 4 Liter. Umgekehrt trinken wir 17 Liter starke Getränke, sie aber 3 Liter“, sagt Chalupenko
Weinherstellung und Weinkonsum (2014 und folgende ohne Berücksichtigung der Autonomen Republik Krim)
Gleichzeitg, sagte er, ändert sich die Situation allmählich. „Ich habe bemerkt, dass die Ukrainer begonnen haben, mehr Wein zu trinken. In einigen Städten stieg die Zahl der Fachgeschäfte, und Statistiken zeigen das Wachstum. Menschen haben begonnen öfter Wein zu trinken als Wodka, Kognac und andere starke Spirituosen. Das ist schön,…“, sagt der Leiter des Landwirtschaftsbetriebes „Kurin“ .
Im Rahmen des Programms zur Förderung des Weinkonsums hat die Vereinigung „UkrWynProm“ vorgeschlagen, in der Ukraine einen Tag des Winzers und der Weinherstellung zu veranstalten. „Das würde eine Unterstützung und den Wunsch auf staatlicher Ebene bedeuten, die Branche zu konsolidieren, Tausende von Arbeitern zu ehren, die in den Weinbergen arbeiten. Insbesondere gilt dies für Regionen, wo die Branche eine große Bedeutung hat, und dabei der Bevölkerung eine Arbeit sichert“, sagt Kutscherenko.
Die Vereinigung „UkrWynProm“ und die ukrainische Industrie- und Handelskammer haben an den Präsidenten appelliert, einen solchen Feiertag einzuführen. Poroschenko hat bei der Unterzeichnung des Gesetzes über die Aufhebung der Lizenz vorgeschlagen, einen Tag des jungen Weines am 7. Oktober zu feiern, eine offizielle Entscheidung gibt es aber noch nicht.
Die ukrainischen Winzer haben bereits erkannt, dass es sich nicht lohnt, sich auf den Staat zu verlassen, man muss selber seine Probleme lösen. „In den europäischen Ländern wartet man nicht darauf, wann Beamte sich mit diesen Fragen beschäftigen, sie schließen sich zu einer Vereinigung zusammen, arbeiten Dokumente aus und erreichen ihre Verabschiedung. Dies ist der einzig richtige Weg. Man darf nicht warten. Sie entwickeln etwas, die Regierung denkt darüber nach und akzeptiert diese Vorschläge“, sagt Platschkow.
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Wir alle wollen in den Regalen der Geschäfte guten ukrainischen Wein sehen. Wir alle wollen die Möglichkeit haben, den tollen Wein ukrainischer Winzer auszuwählen, und dass diese Auswahl nicht auf ein Dutzend beschränkt ist.
Die „Ukrajinska Prawda“ veranstaltet gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer und der Vereinigung „UkrWynProm“ das dritte Nationale Winzer-Forum. Die Veranstaltung wird vom 14. – 15. November in der Industrie- und Handelskammer, Saal Colisseum (Welyka Schytomyrska 33 in Kyjiw) stattfinden. Mehr über das Programm des Forums, Registrierung und Akkreditierung über den Link.
Was haben wir heute? Viele Hersteller sehen sich mit bürokratischen Hindernissen, Verzögerungen bei der Lizenzierung und Druck seitens der lokalen Behörden konfrontiert. Aber wir geben nicht auf! Die Organisatoren des Forums laden alle interessierten Unternehmer, Experten, Wissenschaftler, Abgeordnete und einfach jedermann ein, an einer offenen Diskussion teilzunehmen.
26. Oktober 2017 // Mykola Topalow
Quelle: Ekonomitschna Prawda