Werchowna Rada zieht Ernennung Stelmachs zum Zentralbankpräsidenten zurück


Die Parlamentsabgeordneten haben gestern den Beschluss der Werchowna Rada vom 16. Dezember 2004 zur Ernennung Wladimir Stelmachs zum Vorsitzenden der Nationalbank (NBU) zurückgenommen. In der Parlamentskoalition ist man überzeugt davon, dass man damit Stelmach seines Postens enthoben hat. Gestern unternahmen die gleichen Abgeordneten den Versuch Sergej Tigipko wieder als Leiter der NBU einzusetzen, doch gelang es ihnen nicht. Im Präsidialamt ist man sich sicher, dass die gestrige Entscheidung der Werchowna Rada keine juristischen Folgen haben wird, doch nichtsdestotrotz beabsichtigt Wiktor Juschtschenko diese vor dem Verfassungsgericht anzufechten.

Gestern fand eine außerordentliche Sitzung der Werchowna Rada statt, welche auf Initiative von 155 Abgeordneten der Fraktion des Blockes Julia Timoschenko zusammenkam. Haupt- und einziges Ziel der Durchführung war die Notwendigkeit von Personalumstellung in der Führung der Nationalbank. Die Abgeordneten von BJuT (Block Julia Timoschenko) beabsichtigten den Vorsitzenden der NBU, Wladimir Stelmach, und seinen ersten Stellvertreter Anatolij Schapowalow ihrer Posten zu entheben, indem sie zum kommissarischen Chef der NBU den nächsten Stellvertreter des Vorsitzenden – Alexander Sawtschenko – ernennen. Doch die Ereignisse des gestrigen Tages zeigten, dass die Abgeordneten mehrere Wege der Entlassung Leitung der Bank zur Verfügung haben.

Umstellung auf dem Marsch

Ihre Unterstützung für das Szenario der Ernennung von Sawtschenko zum kommissarischen Vorsitzenden der NBU sprachen gestern alle Leiter der Fraktion ohne Ausnahme auf der Fraktionssitzung aus, welche vor dem Beginn der Parlamentssitzung stattfand. Doch kamen Abgeordnete von BJuT später zu den Schluss, dass die Annahme eines solchen Beschlusses nichts ändert – Präsident Wiktor Juschtschenko, der gemäß der Verfassung und dem Zentralbankgesetz den Vorschlag zur Ernennung des NBU Präsidenten einreicht und diesen entlässt, könnte ein weiteres Mal den Beschluss der Rada ignorieren. Wie bekannt ist, haben die Abgeordneten zweimal – am 25. Dezember 2008 und am 15. Januar diesen Jahres – ihr Misstrauen gegenüber dem Chef der Zentralbank ausgedrückt, doch der Präsident hat diese Entscheidungen ignoriert.

Gemäß dem neuen Plan der Durchführung der Personalumstellungen bei der NBU registrierten gestern morgen die Abgeordneten der Fraktion von BJuT und “Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung” zwei Beschlussentwürfe. Einer von ihnen – die Nr. 3651 – nimmt den Beschluss vom 16. Dezember 2004 zur Ernennung Wladimir Stelmachs zum Vorsitzenden der NBU zurück und der andere – die Nr. 3652 – ist der Beschluss vom gleichen Tag zur Entlassung des Vorsitzenden der NBU Sergej Tigipkos, der den Posten sei Dezember 2002 inne hatte.

“Die Abgeordneten suchen heute eine juristische Formel, um den Leiter der Zentralbank von der Ausübung seiner Pflichten zu entbinden”, gab der Abgeordnete Anatolij Seminoga (BJuT) gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“ zu. “Der Beschluss zur Entlassung Wladimir Stelmachs ruft Zweifel hervor. Wird die Rada einen solchen Beschluss fassen oder was? Diese wird nicht gelten, da er der Verfassung nicht entspricht – die Abgeordneten können den Chef der NBU nicht entlassen, dies kann man nur auf Anweisung des Präsidenten tun”.

Derweil riefen die Versuche Beanstandungen bei der Partei der Regionen und in der Gruppe “Sa Ukrainu/Für die Ukraine!” (Fraktion “Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung”; UUNS) hervor.

“Das ist rechtlicher Nonsens!”, erklärte auf einer Pressekonferenz der Abgeordnete Nikolaj Asarow (Partei der Regionen; PR). “Und was soll man mit den normativen Dokumenten und Entscheidungen tun, welche die Leitung der NBU seit dem Moment ihrer Ernennung durchgeführt hat? Falls man im Land auf solche Dummheiten kommt, dann kann man auch den Beschluss zur Ernennung Julia Timoschenkos zur Premierministerin zurücknehmen.”

“Verantwortung für die Durchführung der Finanzpolitik sollen die Regierung und die Zentralbank gemeinsam tragen”, sagte den Journalisten der Parlamentsabgeordnete Wjatscheslaw Kirilenko (“UUNS”).

Und wenn die Abgeordneten trotzdem von einer solidarischen Verantwortung der NBU und der Regierung reden, dann schiebt man bei der Leitung der Zentralbank die Schuld für die Währungs-Finanzkrise, deren Nichtüberwindung das Hauptmotiv für die Umstellungen bei der NBU ist, auf das Kabinett.

“Ein großer Teil der riesigen Summen der Auslandskredite wurde äußerst ineffizient verwendet”, erklärte Anatolij Schapowalow, auf der Radasitzung auftretend. “Die Regierung hat so oder so keine Prioritäten für die Investitionspolitik festgelegt. Als Resultat – anstelle dessen, die erhaltenen Ressourcen auf Investitionsziele zu richten, haben sie (das Kabinett) einen bedeutenden Teil der auf Schuldenbasis erhaltenenen Mittel im elementaren Sinne verzehrt! Unter den Bedingungen einer außerordentlichen Sozialisierung der ökonomischen Politik wurde eine bedeutende Menge dieser Mittel an die Bevölkerung weiter verliehen, die unter den Bedingungen des Mangels an Qualitätswaren aus heimischer Produktion diese für den Kauf von Waren, darunter Autos, aus Importproduktion verwendeten.”

Anlass zur Kritik

BJuT kritisiert bereits seit langem die Arbeit der Zentralbank, auf den Rücktritt Wladimir Stelmachs vom Posten des Leiters der NBU hinarbeitend. Am Ende des letzten Jahres arbeitete die Regierung einen Budgetentwurf mit einem Rekorddefizit aus – 31,1 Mrd. Hrywnja (ca. 3,5 Mrd. Euro), welches die Zentralbank faktisch mit der Emission von Hrywnja decken sollte. Das Haushaltsgesetz erlaubte dem Ministerium für Finanzen 70,04 Mrd. Hrywnja (ca. 6,87 Mrd. Euro) an Schulden auf dem Binnenmarkt aufzunehmen, fast die Summe der Staatsschuld – auf 192,92 Mrd. Hrywnja (ca. 18,91 Mrd. Euro) – verdoppelnd. Dafür verpflichtete Artikel 84 des Haushaltes die Zentralbank Staatsanleihen in Hrywnja (Anleihen der inneren Staatsverschuldung) aufzukaufen, die vom Finanzministerium herausgegeben werden, zu “ihrem nominalen Wert im Verlaufe von drei Tagen nach dem Moment des Eingangs des Vorschlags zu ihrem Aufkauf durch die Banken”. Diese Norm erklärte man damit, dass 44,9 Mrd. Hrywnja (ca. 4,4 Mrd. Euro) notwendig sind für die Rekapitalisierung des Bankensystems.

Doch im Artikel 85 des Haushaltes schrieb das Ministerialkabinett einen Mechanismus der Finanzierung des Budgets über Emissionen vor: im Falle des Einnahmeausfalles bei den allgemeinen Positionen es Staatshaushaltes für die Sicherstellung der Finanzierung der geschützten Posten des Budgets, hauptsächlich soziale, hat die Regierung das Recht vorgesehen, Staatsanleihen über dem Plan auszugeben. Unter den Bedingungen eines Liquiditätsdefizits bei den Banken kann nur die NBU Staatsanleihen kaufen. Daher weigerte sich die Zentralbank am 9. Januar die Normen zum Aufkauf von Staatsanleihen zu erfüllen und den Mechanismus der Refinanzierung der Banken abzustimmen (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 12. Januar). Lediglich in der letzten Woche stimmte die NBU zu, die Reihenfolge der Refinanzierung mit dem Kabinett fünf Tage vorher abzustimmen, dabei jedoch keine Bereitschaft zur Finanzierung des Haushaltes über Staatsanleihen zeigend.

Einer Kritik wurde auch die Tätigkeit der Zentralbank auf dem Währungsmarkt unterzogen. Seit Oktober 2008 hat die NBU zur Unterstützung des Kurses der Hrywnja etwa 11 Mrd. $ verwendet, welche es nicht schafften die Landeswährung vor der Abwertung zu bewahren – von 5 Hrywnja/Dollar im September auf mehr als 9 Hrywnja/$ in der ersten Hälfte des Januars. Lediglich in der Mitte des laufenden Monats näherten sich der Bargeldtausch- und der Interbankenkurs des Dollars dem offiziellen an, welcher von der NBU bei 7,7 Hrywnja/$ gehalten wird.

Nichtabstimmung

Nach einer langen Diskussion stimmten die Abgeordneten trotzdem für den Beschlussentwurf Nr. 3651. In diesem sind, neben dem Punkt zur Rücknahme des Beschlusses, welcher Wladimir Stelmach auf dem Posten des Zentralbankchefs bestätigte, weitere vier Entscheidungen enthalten: einen Bericht der NBU-Leitung zur Auskunft zu empfangen, die Arbeit der Zentralbank in der Zeit der Finanzkrise als unbefriedigend und die Prozedur der Refinanzierung von einzelnen kommerziellen Strukturen als intransparent anerkennen, sowie den weiteren Aufenthalt von Stelmach auf dem Posten des Leiters der NBU als unzulässig anzusehen. Für diesen Beschluss stimmten insgesamt 227 Abgeordnete der Fraktionen von BJuT, UUNS, der Kommunistischen Partei und des Blockes Litwin.

Jedoch die Abstimmung für den Entwurf Nr. 3652 zur Rücknahme des Beschlusses, mit welchem Sergej Tigipko als Chef der NBU entlassen wurde, scheiterte. Das Dokument unterstützten lediglich 183 Abgeordnete. Neben den “Regionalen”, stimmten die Kommunisten und ein großer Teil der Fraktion UUNS nicht dafür.

Nach diesem Reinfall verbarg mein bei BJuT sein Bedauern nicht. “Um die Pflichten des Leiters der NBU auf denjenigen zu legen, der vor Wladimir Stelmach tätig war (Sergej Tigipko), reichten die Stimmen nicht aus”, sagte den Journalisten traurig der Fraktionschef von BJuT, Iwan Kirilenko. “Daher sollte dem Gesetze nach die Pflichten des Leiters der Zentralbank dessen erster Stellvertreter wahr nehmen (Anatolij Schapowalow)”. Schapowalow selbst gab gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“ zu, dass “er die Beschlüsse, welche das Parlament fasste, nicht verstanden hat”, aber er erklärte mit Bereitschaft: “Ich bleibe auf dem Arbeitsplatz”. Bemerkenswert ist, dass Anatolij Schapowalow seit dem 15. Januar auch so die Pflichten des Leiters der Zentralbank in Verbindung damit wahr nimmt, dass Wladimir Stelmach Urlaub zur Feier seines 70. Geburtstages genommen hat.

Im Präsidialamt zeigte man sich nicht einverstanden mit der Entscheidung der Abgeordneten. Der Stellvertreter des Leiters der Verwaltung, Igor Oukschin, nannte die Annahme des Beschlusses Nr. 3651 “einen politischen Eingriff, der keinerlei juristische Folgen nach sich zieht”. “Der Präsident wendet sich an das Verfassungsgericht mit der Eingabe zur Anerkennung des genannten Beschlusses als verfassungswidrig, doch nicht dafür, um die Vollmachten Wladimir Stelmachs wieder herzustellen, da sie nicht entzogen wurden, sonder nur dafür, um derartigen Quasipersonalentscheidungen der Parlamentarier in Zukunft vorzubeugen”, sagte Pukschin. Die Dauer der Vollmachten des Leiters der NBU beträgt gemäß dem Gesetz “Zur Nationalen Bank” fünf Jahre.

Man kann es nicht bemerken

Banker bewerten die Folgen der Außerdienstsetzung Wladimir Stelmachs für den Geld-Kreditmarkt unterschiedlich. “In der Mannschaft der Zentralbank gehen ernsthafte Änderungen vor sich”, sagte der Vorstandsvorsitzende einer der großen Banken mit ausländischem Kapital. “Sergej Tigipko ist bekannt als rasender Kritiker an die Adresse der Leitung der NBU und deren Politik. Daher erwarten uns ernsthafte Änderungen im Teil der Geldpolitik, des Mechanismus der Kursbildung, der Stärkung des verstärkten Bekämpfung von spekulativen Operationen der Banken auf dem Währungsmarkt. Möglich ist eine offenere und verantwortungsvollere Politik im Teil der Refinanzierung der Banken”.

“Die Außerdienstsetzung des Zentralbankchefs destabilisiert das Finanzsystem sehr. Gerade ist nicht die Zeit dafür, die NBU in beliebige destabilisierende Situationen zu ziehen, da die Lage auch so nicht einfach ist. Alles dies wirkt sich auf die Anleger aus. Beliebige derartige Taten entfernen die Möglichkeit der Lösung der Probleme weiter”, ist sich der Aufsichtsratsvorsitzende der “Delta” Bank, Nikolaj Lagun, sicher.

Auf die Werte des Währungsmarktes hat sich die Außerdienstsetzung des Vorsitzenden der NBU bislang nicht ausgewirkt. Am Morgen eröffnete der Interbankenmarkt mit Dollarnotierungen bei 7,9/8,2 Hrywnja/$ und zum Mittag erhöhten sie sich auf 7,94/8,24 Hrywnja/$, teilte Ukr.Dealing.com mit. Nach der Entscheidung der Werchowna Rada zur Rücknahme der Ernennung Stelmachs zum Chef der NBU schloss der Interbankenmarkt auf einem Niveau von 7,9/8,15 Hrywnja/$.

Sergej Golownjow, Jelena Gubar, Rusland Tschornyj

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1754

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