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Ausländische Staatsangehörige in der ukrainischen Staatsführung: Welche Posten können Ausländer bekleiden und welche Amtsbefugnisse erhalten sie dabei?

neuukrainische Regierungsmitglieder: Natalija Jaresko, Alexander Kwitaschwili und Aivaras Abromavičiusneuukrainische Regierungsmitglieder: Natalija Jaresko, Alexander Kwitaschwili und Aivaras Abromavičius
Gestern kündigte Präsident Petro Poroschenko weitere Ernennungen von ausländischen Staatsbürgern für Posten in der öffentlichen Verwaltung an. „Ich muss ehrlich sagen, dass wir zurzeit einen gewaltigen Mangel an professionellen, patriotisch gesinnten und qualifizierten Fachleuten haben. Deswegen sind wir gezwungen diesen Mangel unter anderem durch die Anwerbung ausländischer Kräfte zu beheben“, so Poroschenko.

Zur gleichen Zeit bereitet das Team des Präsidenten rechtliche Basis für weitere Anwerbung ausländischer Spezialisten vor. Der Gesetzentwurf № 1161 „Über Änderung einiger Gesetze der Ukraine zur Anwerbung der Ausländer für die Tätigkeit bei staatlichen Verwaltungsorganen im Staatsinteresse“ wird sehr bald dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt.

Die Gesetzesinitiative der Abgeordneten aus dem Block Petro Poroschenko sieht die Änderung sechs gültiger Gesetze vor, welche das Auswahlverfahren sowie die Benennung der Kandidaten für die Posten in der Verwaltung und beim Militär festlegen. Außer der Beibehaltung der Staatsangehörigkeit zukünftiger Mitglieder des Ministerkabinetts ein Jahr lang, bestehen weitere wichtige Punkte der Gesetzesinitiative darin, dass die ausländischen Anwärter die Posten des Generalstaatsanwaltes, des Leiters des Nationalen Antikorruptionsbüros sowie einiger Staatssekretäre besetzen dürfen und zwar ohne an einem Auswahlverfahren beteiligt sein zu müssen.

Der Gesetzesentwurf wurde von den Abgeordneten aus dem Block Petro Poroschenko Ruslan Knjasewytsch (Vertreter des Präsidenten im Parlament), Mustafa Najem und Ihor Kononenko ausgearbeitet. Merkwürdigerweise wurde das Dokument zur Abstimmung im Parlament an dem Tag vorgelegt, als das neue Ministerkabinett genannt wurde- am 2. Dezember. Das bedeutet gerade zu der Zeit, als bereits bekanntwurde, dass ehemalige Staatsangehörige Litauens Aivaras Abromavičius, Georgiens Alexander Kwitaschwili und der USA Natalija Jaresko bereits ukrainische Pässe erhalten haben, was als Grundvoraussetzung für die Besetzung der Staatsposten in der Ukraine gilt.

Möglicherweise verfolgt die Gesetzesinitiative des Blocks Petro Poroschenko ein anderes Ziel, als nur ehemaligen ausländischen Staatsangehörigen den Weg ins ukrainische Ministerkabinett frei zu machen, da die Ereignisse des 2. Dezembers deutlich machen, dass dieses Prozedere keines speziellen Gesetzes bedarf. Nach der Meinung von INSIDER geht es darum, die wichtigsten Posten in Ministerien und Ämtern mit renommierten Spezialisten aus dem Westen, Experten sowie früheren Staatsbeamten zu besetzen, welche beaufsichtigen sollen, wie die Ukraine die Gelder der internationalen Geldgeber ausgibt.

Selbst der Inhalt des Gesetzesentwurfs macht dies deutlich, indem er eine Reihe wichtiger Änderungen der gültigen Gesetze „Über das Ministerkabinett“, „Über die Zentralorgane der Legislative“, „Über das Nationale Antikorruptionsbüro“, „Zur Vorbeugung von Korruption“ und „Über den Staatsdienst“ vorsieht.

Unter anderem wird in dem Gesetzesentwurf genau zwischen den Posten unterschieden, welche mit Ausländern besetzt werden dürfen und den Posten, welche ausschließlich Staatsangehörigen der Ukraine zugänglich sind. Zur ersten Gruppe gehören die Posten des Generalstaatsanwaltes, des Leiters des Nationalen Antikorruptionsbüros, der Minister sowie der Staatssekretäre im Finanz-, Wirtschafts-, Energie-, Umwelt-, Agrar-, Gesundheits-, Kulturministerium und im Ministerium der Sozialpolitik.

Im Falle der Verabschiedung des Gesetzesentwurfes dürfen ausländische Staatsangehörige in der Ukraine als Berater des Präsidenten, der Mitglieder des Ministerkabinetts und des Vorsitzenden des Parlaments arbeiten sowie sich für führende Posten in weiteren Organen der Staatsführung bewerben, „strategische“ Richtungen wie z. B. Das Antimonopolkomitee und der Fonds für Staatseigentums etc. sind davon ausgenommen.

Zur Gruppe unzugänglicher Posten für Ausländer gehören die Posten des Premier-, Verteidigungs-, Innen-, Justizministers, des Ministers für Infrastruktur sowie die Posten der Staatssekretäre bei diesen Ministerien. Ebenfalls dürfen Ausländer nicht beim Grenzschutzamt, dem Rentenfonds, bei Ämtern der Sozialversicherung, der Migrationspolitik, des Zivilschutzes, des Strafvollzugssystems oder ähnliches beschäftigt sein. Unter dem Begriff „Ausländer“ ist in diesem Fall ein Spezialist mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder eine staatenlose Person gemeint.

Eben um die Anwerbung solcher Fachleute geht es im Gesetzesentwurf № 1161. Die ausländischen Fachleute sollen dabei einige Voraussetzungen erfüllen, dazu gehören unter anderem: „nachweisbar weltweit anerkannte Erfahrung bei Reformumsetzung im einschlägigen Bereich, ein Hochschulanschluss oder jeder andere Abschluss, der entsprechende Kenntnisse belegt, die Beherrschung der Staatssprache in einem Umfang, der für die Ausführung der Amtspflichten nötig ist“.

Sollte der Gesetzesentwurf gebilligt werden, werden den Ausländer eine Reihe wichtiger Privilegien zuteil. Erstens dürfen sie ein Jahr lang ihre aktuelle Staatsangehörigkeit beibehalten. Eben das Auslaufen der einjährigen Frist gilt als Entlassungsgrund eines ausländischen Spezialisten, sollte er bis dahin die ukrainische Staatsangehörigkeit nicht erlangt haben.

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Zweitens werden ausländische Anwärter für die Posten im Staatsdienst von dem Auswahlverfahren befreit werden, welcher im Art. 17 des Gesetzes „Über den Staatsdienst“ vorgeschrieben ist.

Drittens ist das Ministerkabinett berechtigt, jedes Mal das Prozedere aufs Neue zu bestimmen, welches den ausländischen Fachleuten den Weg zu Staatsgeheimnissen freimacht. Das bedeutet, dass das Ganze jedes Mal „manuell“ geregelt wird. Obwohl das gültige Gesetz „Über das Staatsgeheimnis“ Ausländer zum Zugang zu Staatsgeheimnissen ausschließlich aufgrund zwischenstaatlicher Verträge berechtigt, die im Parlament ratifiziert wurden oder aufgrund schriftlicher Verordnung des Präsidenten zustande kamen, die vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine initiiert wurden.

Kontroverse Punkte

Die wahrscheinlich einzige einschränkende Norm im Gesetzesentwurf besteht im Verbot, Posten im Staatsdienst mit „Bürgern einer Besatzungsmacht“ zu besetzen. Allerdings hält das Dokument nicht fest, was dies sein soll bzw. inwiefern dies die Angelegenheit betrifft. „Die ukrainische Gesetzgebung definiert den Begriff „Besatzungsmacht“ nicht, die Russische Föderation, die hier höchstwahrscheinlich gemeint ist, wird bis jetzt so nicht genannt und wird dies wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht“, sagt der Rechtsanwalt Andrij Pawlyschyn.

Drüber hinaus gibt es eine Reihe von Staaten, die gleichgesinnt mit Russland sind bzw. sich neutral zur Annexion der Krim durch Russland oder Kampfhandlungen seitens Russlands in der Donbass-Region verhalten, können aber im Grunde genommen nicht als Besatzungsmacht dargestellt werden. Zum Beispiel Serbien, Griechenland, Kasachstan oder andere. Eine derartige nicht ausreichend exakte Formulierung im Gesetzesentwurf könne sehr unangenehme Situationen herbeiführen, so Pawlyschyn.

„Angenommen, dass im Rahmen der Absprache über die Donbass-Region ein Russe, ein Serbe, ein Weißrusse oder ein Staatsangehöriger eines Staates, der loyal gegenüber Russland gestimmt ist zum Staatssekretär oder zum Chef eines Zentralorganes ausführender Gewalt berufen wird, um die Handlungen der ukrainischen Staatsführung unter Kontrolle zu halten. Diese Berufung wird dabei vollkommen legitim sein“, erklärt Pawlyschyn.

Michajlo Hontscharuk aus der Rechtskanzlei „Dominion“ vertritt eine entgegengesetzte Meinung, wonach nicht Ausländer in der ukrainischen Staatsführung zu befürchten seien, sondern politische Rivalitäten unter den Ukrainern in der Staatsführung. „Gesetzesentwurf № 1161 birgt keine schwerwiegenden rechtlichen Risiken in sich. Unser Land ist gewillt Reformen auf den Weg zu bringen, dabei geben wir zu nicht ausreichend einheimisches Potenzial an Fachleute zu haben. Tatsächliche Risiken bei der Reformumsetzung werden eher die politische Gegnerschaft im Inneren des Landes sowie der Widerstand seitens des bürokratischen Apparates gegen die Reformierung staatlicher Institutionen mit sich bringen“, so Hontscharuk. Er ist überzeugt, dass die Ausländer es gleich vom ersten Tag an mit dem schweren ukrainischen bürokratischen System aufnehmen werden müssen. Für ein destruktives Handeln bleibt ihnen somit gar keine Zeit, selbst wenn sie es vorhätten. Für eine erfolgreiche Reformumsetzung ist der Ausländer auf sein Team angewiesen, welches de-facto aus der reformbedürftigen Bürokratie von früher bestehen wird. Infolgedessen können die ausländischen Reformatoren scheitern und eben dies sei zu befürchten, so Hontscharuk.

Andererseits gibt es keine Garantie, dass bereits eingestellte Ausländer überhaupt in der Lage sind, Reformen durchzuführen, da die Gesetzesinitiative von Najem, Knjasewytsch und Kononenko keine Auswahlkriterien für ausländische Spezialisten enthält. Darauf weist auch Ihor Pawlyschyn hin. „Die Norm zur „nachweisbar weltweit anerkannten Erfahrung bei Reformumsetzung im einschlägigen Bereich“ ist ziemlich vage. Dieser Begriffsbestimmung folgend müsste der Ausländer ein Reformator sein und nicht einfach seine Arbeit bestens und unbestechlich erledigen. Dabei lässt sich diese Voraussetzung ausschließlich dann erfüllen, wenn der Ausländer gleichwertige Posten bereits in der Vergangenheit bekleidet hatte“, so Pawlyschyn.

Ebenfalls kritisch steht Pawlyschyn der Norm zur einjährigen Frist für die Erlangung der ukrainischen Staatsbürgerschaft für ausländische Staatsbeamte gegenüber. „Am Beispiel bereits berufener Ausländer wird deutlich, dass dieses Prozedere innerhalb von zwei bis drei Wochen abgeschlossen werden kann. Deswegen sollte die einjährige Frist durch eine dreimonatige ersetzt werden, um Machtmissbrauch zu vermeiden sowie auf diesem Wege die Loyalität zur Ukraine seitens der Ausländer möglichst schnell bestätigen zu können“, schlägt der Expert vor.

Professor an der Kyjiwer Mohyla-Akademie Wiktor Musijaka, einer der Väter der gültigen Verfassung, äußert die gleiche Meinung. „In diesem einen Jahr können die ausländischen Staatsangestellten einiges anstellen. Kurz vor dem Ende des Jahres verzichten sie dann auf die ukrainische Staatsbürgerschaft, verlassen das Land ohne jemals zur Verantwortung gezogen werden zu können“, sagt Musijka.

Der einzige Posten, der Ausländern frei stehen dürfe, sei nach seiner starken Überzeugung der Beraterposten (für Präsidenten, Minister oder Parlamentsvorsitzenden), alle anderen Posten sind so oder so mit Staatsgeheimnissen verbunden.

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„Der vom Entwurf vorgeschlagene Mechanismus der Zulassung ausländischer Staatsangestellter zu Staatsgeheimnissen (wird durch einen entsprechenden Beschluss des Ministerkabinetts festgelegt) ist Nonsens! Solche Dinge dürfen ausschließlich per Gesetz vorgeschrieben werden. Es geht doch um die Sicherheit unseres Landes!“, so der Professor. Michajlo Hontscharuk vertritt die gleiche Meinung. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass Informationen, die Staatsgeheimnis enthalten, an die Öffentlichkeit gelangen, da das Gesetz das Prozedere des Zugangs ausländischer Staatsbeamten zu Staatsgeheimnissen nicht erschwert“, so Hontscharuk.

Es dürfte aber nicht vergessen werden, dass die eigentliche Preisgabe der Staatsgeheimnisse in vergangenen Jahren auf die Rechnung unserer Landsleute und nicht von Ausländern zurückging. Auch Andrji Pawlyschyn befürchtet die Fortsetzung dieser negativen Praktik seitens ukrainischer Beamter. Dagegen meint Wiktor Musijaka, eben das Misstrauen eigener Landsleute gegenüber, welches dem Gesetzesentwurf sowie bereits beschlossenen Berufungen im Ministerkabinett zu entnehmen ist, sei das eigentliche Problem der neuen Staatsführung.

„Es geht nicht nur um das Misstrauen gegenüber den Bürgern, sondern auch um deren Diskriminierung. Insbesondere trifft dies auf die Norm zu, welche zulässt, dass Ausländer die Posten ohne Auswahlverfahren bekleiden dürfen. Wo bleibt dann die Verfassung mit der Gesetzesgleichheit aller Bürger? Deswegen halte ich solche gesetzgebende Initiativen für unzulässig“, so Musijaka.

25. Dezember 2014

Quelle: Insider

Übersetzerin:   Ljudmyla Synelnyk — Wörter: 1555

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