Destruktiver Semipräsidentialismus und fehlende EU-Perspektive
Zwei Missverständnisse der politischen Dauerkrise in Kiew
(Zuerst erschienen auf der DGAP-Webseite „Aussenpolitik.net“, 13.1.2010, http://aussenpolitik.net/themen/eurasien/politische_dauerkrise_in_kiew-destruktiver_semiprasidentialismus_und_fehlende_eu-perspektive/ )
Von Andreas Umland, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Die Ergebnisse des Anfang November 2009 veröffentlichten Pew Global Attitudes Project zu den postkommunistischen Ländern waren bezüglich der Ukraine ernüchternd. Die Umfrage dokumentierte mit bedrückender Eindeutigkeit die wachsende Desillusionierung der Ukrainer mit ihrer in der Orangen Revolution 2004 an und für sich eindrucksvoll bekräftigten Entscheidung für einen demokratischen Entwicklungsweg. Demnach war der Rückgang der Bejahung von Demokratie in der Ukraine im Zeitraum 1991-2009 mit -42% der größte und die verbliebene Unterstützung für Demokratie mit 30% die niedrigste unter den untersuchten postsozialistischen Ländern.1
Für die nochmals gestiegene Unzufriedenheit der Ukrainer mit ihrem politischen System auch nach dem Demokratisierungsschub von 2004 lassen sich eine Vielzahl an Faktoren anführen. Zwei jener Phänomene der letzten Jahre, die diese Entwicklung mitbestimmt haben, können als Missverständnisse über die Quellen dieser Dauerkrise konzipiert werden. Das Missverstehen der Implikationen der semipräsidentiellen Strukturierung der ukrainischen Demokratie bezieht sich auf die inneren und unmittelbaren heutigen Probleme der Ukraine. Die zweite Fehlinterpretation bezüglich der Effekte der EU-Ukrainepolitik betrifft zwar scheinbar die Außenbeziehungen und langfristige Orientierung des Landes, hat jedoch ebenfalls Folgen für heutige und innere Prozesse, insbesondere für aktuelle Tendenzen in der ukrainischen Elite. Sollten diese beiden Missverständnisse weiterhin die ukrainische und westliche Diskussion um die Zukunft der Ukraine verzerren, erscheinen die Perspektiven der Ukraine für das Jahr 2010 und danach unklar.
Die semipräsidentielle Sackgasse
Ein Grundproblem des postorangen ukrainischen politischen Systems hat seine Ursache in der Ad-hoc-Verfassungsreform von Ende 2004. Im Zuge eines kurzfristig ausgehandelten politischen Kompromisses zwischen pro- und anti-orangen Parlamentsfraktionen wurde damals ein nicht nur, wie unter Leonid Kutschma, nomineller, sondern nunmehr realer Semipräsidentialismus mit einer Machtbalance zwischen Präsident und Premier ab Januar 2006 etabliert. Die in der vergleichenden politikwissenschaftlichen Forschung wiederholt und nicht zuletzt bezüglich Osteuropa für problematisch befundene halbpräsidentielle Regierungsform hat das Verhältnis der Ukrainer zu Demokratie allgemein sowie die internationale Reputation der ukrainischen Politiker nachhaltig beschädigt. Die Perspektive einer Neuverteilung der Macht zwischen Regierungs- und Staatschef während des Jahres 2005 und das schließliche Inkrafttreten des nahezu idealtypischen parlamentarische-präsidentiellen Systems ab 1.1.2006 war ein wesentlicher Faktor für die mit nur kurzen Unterbrechungen ausgetragenen Dauerkonflikte zwischen Präsident Wiktor Juschtschenko auf der einen Seite und den Kabinettchefs Wiktor Janukowitsch bzw. Julia Tymoschenko auf der anderen.
Das damit im Zusammenhang stehende Missverständnis der Ursachen und Natur der politischen Langzeitkrise hat nicht nur die Sichtweise der Ukrainer auf ihre junge Demokratie, sondern auch die Meinung etlicher politologisch unbedarfter ausländischer Beobachter der letzten Jahre verzerrt. Die Crux des Missverstehens besteht in einer Verwechselung der scheinbaren Untauglichkeit von Demokratie für die Ukraine bzw. der Ukrainer für Demokratie mit der generellen Ungeeignetheit von Semipräsidentialismus für postautoritäre und insbesondere posttotalitäre Transformationsstaaten. Das semipräsidentielle politische Regime der heutigen Ukraine ist zwar weitgehend demokratisch, jedoch sind die Regierungskompetenzen geteilt. In vergleichender politikwissenschaftlicher Forschung wurde zwar die allgemeine Unzulänglichkeit dualer Exekutiven in Übergangsgesellschaften wiederholt bestätigt.2
Außerhalb des engen Kreises der internationalen Regimeanalytiker wurde diese Facette allerdings nur selten als landesunspezifisches Entwicklungsproblem der postorangen Ukraine thematisiert. Daher trifft man sowohl inner- als auch außerhalb der Ukraine immer wieder auf fatalistisches Lamentieren über die Ukraine: die Skurrilität dieses oder jenes Kiewer Politikers bzw. die politische Unreife der ukrainischen Klasse insgesamt oder gar der Ukrainer als Volk werden umstandslos für die – zugegebenermaßen bizarren – Politikspektakel der vergangenen Jahre alleinverantwortlich gemacht. Dabei bleibt häufig unreflektiert, dass aus zeithistorischer Sicht eben diese ukrainischen Politiker und Bürger 1991-2004 eine der – angesichts der enormen Herausforderungen – bemerkenswertesten Demokratisierungen der jüngsten europäischen Geschichte verwirklicht haben. Deutsche Beobachter mögen sich etwa daran erinnern, dass die Deutschen im Jahr 1998 erstmals in ihrer Geschichte einen amtierenden Regenten – Bundeskanzler Helmut Kohl – per Volkswahl aus dem Amt warfen (Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger trat 1969 ebenfalls nach Bundestagswahlen ab; er hatte jedoch – anders als Kohl 1998 – jene Wahlen eigentlich gewonnen). Die Ukrainer hatten dieses Kriterium zur Bewertung der Konsolidiertheit einer Demokratie bereits 1994 mit der demokratischen Abwahl ihres ersten, 1991 gewählten Präsidenten Leonid Krawtschuk erfüllt.
Das ungenutzte Integrationspotential der EU-Beitrittsperspektive
Ein zweiter Bestimmungsfaktor der fortgesetzten ukrainischen Krise besteht in der westlichen Fehleinschätzung sowohl der Brisanz der Ukraine für die allgemeine Zukunft europäischer Sicherheit als auch der Rolle der EU in der fortgesetzten Richtungslosigkeit des ukrainischen politischen Elitendiskurses und der damit verbundenen Zag- bzw. Sprunghaftigkeit der Reformen der letzten Jahre. Zwar ist das bekannte Diktum Zbigniew Brzezinskis, dass Russland ohne die Ukraine aufhört, ein Imperium zu sein, auch in Europa bekannt und häufig zu lesen. Die aktuellpolitische Relevanz und sicherheitspolitischen Implikationen dieses Axioms bleiben jedoch meist unausgesprochen bzw. werden offenbar nicht immer zu Ende gedacht. Direkten Einfluss kann die EU zwar kaum auf die ukrainisch-russischen Beziehungen nehmen. Mittelbar determiniert jedoch das Verhältnis der Ukraine zur EU die ukrainisch-russischen Beziehungen wesentlich.
Die EU übt – ob sie dies will oder nicht – erheblichen indirekten Einfluss auf den Gesamtprozess der ukrainischen postsowjetischen Umgestaltung aus. Freilich wurde das relative Gewicht von EU-Konditionalität für den erfolgreichen Transformationsprozess Mittelosteuropas von proeuropäisch eingestellten Beobachtern gelegentlich überschätzt. Nichtsdestoweniger ist das Verhalten der Europäischen Union für die heutige Ukraine ein nicht nur außen-, sondern auch innenpolitischer Faktor. Die EU fördert zwar derzeit durch diverse Programme und Abkommen den ukrainischen Reformprozess, versagt jedoch bislang Kiew eine offizielle Mitgliedschaftsperspektive. Für EU-Politiker und -Bürokraten mag der Unterschied zwischen intensiver Kooperation und gezielter Beitrittsvorbereitung ein philosophischer sein. Für die Kiewer Elite, aber auch für Teile der breiten Bevölkerung der Ukraine – etwa die studentische Jugend – ist das offizielle Ja oder Nein der EU zur Beitrittsperspektive des Landes allerdings bedeutsam. Die Antwort auf diese Frage ist darüber hinaus für die Integrität des ukrainischen Staatswesens relevant.
Ist doch das Streben nach einer Vollmitgliedschaft in der EU eine jener wenigen Visionen, welche die meisten politischen Führer aber auch große Bevölkerungsgruppen im West- und Ostteil des Landes teilen. Bezüglich solcher Fragen, wie eine mögliche NATO-Mitgliedschaft des Landes, Ukrainisch als einzige Staatssprache oder die Ukraine-Russland-Beziehungen zieht sich ein tiefer Riss durch das Land. Dagegen findet die Idee eines Beitritts zur Europäische Union auch im Osten (weniger dagegen im Süden) des Landes und nicht zuletzt bei den mächtigen Industriemagnaten des Donezker Beckens (Donbass) breite Unterstützung. Zwar hat sich – nicht zuletzt aufgrund der fortgesetzten Distanziertheit sowie illiberalen Visapolitik der EU – in den vergangenen Jahren die Einstellung der einst EU-enthusiastischen Ukrainer gegenüber der Union deutlich verschlechtert.3
Trotzdem stellt die Erlangung einer EU-Beitrittsperspektive weiterhin ein Band dar, welches die ansonsten tief zerstrittenen politischen Hauptlager Kiews miteinander verbindet. Diese bisher wichtige Klammer könnte sich allerdings lockern, wenn die EU ihre offenbar bewusst uneindeutige Rhetorik gegenüber der ukrainischen Führung und Öffentlichkeit auch für die kommenden Jahre beibehält – mit schlimmstenfalls nicht nur für die Ukraine, sondern auch europäische Sicherheit schwerwiegenden Folgen.
Die Alternativlosigkeit einer Integration der Ukraine in die EU
Die Ukraine ist wirtschaftlich, militärisch und politisch zu schwach, um langfristig als neutraler Staat in einer geopolitischen Pufferzone zwischen dem Westen und Russland zu existieren. Das auch in Kiew gelegentlich diskutierte „Schweizer Modell“ scheint im Lichte der geographischen Lage des Landes sowie der neuen weltanschaulichen Diskrepanz zwischen dem Westen und Russland für die heutige Ukraine irrelevant. Das Land wird sich früher oder später für den einen oder anderen wirtschaftspolitischen Block entscheiden müssen. Es kann nicht auf Dauer die bisherige Mehrvektorenaußenpolitik fortsetzen, obwohl es weiterhin durch die EU in eben dieses perspektivlose Handlungsmuster hineingedrängt wird. Die NATO wiederum dürfte in absehbarer Zukunft kaum als alternativer westlicher Integrationsrahmen Kiews realistisch sein, da die Ablehnung einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft (im Unterschied zur EU-Mitgliedschaft) sich seit Jahren bei deutlich mehr als 50% der Bevölkerung des Landes hält.
Im Falle eines weiteren Reputationsverlustes der EU in der Ukraine könnten sich Teile insbesondere der ost- sowie südukrainischen Elite auf das Schmieden einer neuen – wie auch immer gestalteten – wirtschaftlichen und politischen Allianz der Ukraine mit Russland umorientieren. Diese Option wäre womöglich für einige westliche Beobachter und Akteure akzeptabel oder gar wünschenswert, bei ihrer Umsetzung allerdings fatal. Sitzt doch die Aversion insbesondere der Westukrainer aber auch großer Teile der Kiewer politischen und kulturellen Eliten gegenüber Russland aufgrund der umstrittenen gemeinsamen Geschichte der beiden Nationen tief. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine einen wachsenden Kreis junger Leute, welche eine neuerliche Anbindung an Russland nicht nur aus nationalhistorischen Gründen ablehnen würden. Dieser wachsende postkommunistisch sozialisierte Bevölkerungsteil hat pluralistische Grundüberzeugungen und erkennt die Perspektivlosigkeit des heutigen russischen Entwicklungsmodells sowie die Unzuverlässigkeit Russlands als langfristiger Bündnispartner. Im Falle einer Annäherung der Ost- und Südukraine an Russland wäre somit eine Spaltung des Landes vorprogrammiert.
Sowohl sich selbst als „Realisten“ verstehende westliche, als auch einzelne „pragmatisch“ denkende ukrainische Kommentatoren verlauten gelegentlich, dass sich in diesem Fall die Ukraine auch formal spalten könnte bzw. sogar solle. Eine offizielle Aufspaltung des ukrainischen Staates ist auch eine in Moskau gern diskutierte Alternativlösung. Derart zynische Pläne einer „Zweistaatenregelung“ sind allerdings bestenfalls auf den ersten Blick praktikabel. Würde doch im Falle einer Spaltung des Landes die letztlich unlösbare Frage auftauchen, wo die Grenze zwischen den zwei neuen Staaten zu ziehen wäre. Wo genau der „prowestliche“ und „prorussische“ Teil der Ukraine anfängt bzw. endet ist letztlich nicht klar bestimmbar. Manchmal wird etwa vergessen, dass die beiden maßgeblichen Protagonisten der Orange Revolution – Wiktor Juschtschenko und Julia Tymoschenko – nicht aus der West-, ja nicht einmal der Zentralukraine, sondern aus den ostukrainischen Regionen Sumy und Dnipropetrowsk stammen. Es scheint unrealistisch, dass z.B. diese beiden Politiker sich mit einem gepopolitischen Deal abfinden würden, in welchen ihre Heimatregionen „an Russland fallen“. Die Idee einer Spaltung des Landes ist somit nicht nur absurd, sondern gefährlich, da sie in einem Worst-Case-Szenario einen Bürgerkrieg unter wahrscheinlicher Beteiligung Russlands mit unabsehbaren Folgen über die Grenzen der Ukraine hinaus bedeuten würde.
Trotz dieses alarmierenden Ausblicks erscheint eine dahin führende Entwicklungsdynamik wenn auch weiterhin unwahrscheinlich, so doch nicht mehr gänzlich ausschließbar. Eine Verschärfung der derzeit bereits tiefen Krise des Landes im Verbund mit einer fortgesetzten Verschlossenheit der EU könnte einen weiteren Verlust an Vertrauen der Bevölkerung nicht nur in das demokratische System des Landes nach sich ziehen. Es könnte bei einer zunehmenden Zahl von Ukrainern auch die Frage nach der Überlebensfähigkeit ihres offenbar dauerhaft isolierten Staates nach sich ziehen. Solch eine Infragestellung der Zukunftsperspektive der Ukraine wiederum wäre ein Rezept für separatistische Tendenzen z.B. auf der Krim, deren mehrheitlich russischen Bevölkerungsteile die Zugehörigkeit der Halbinsel zum ukrainischen Staat 1991 ohnehin nur teilweise bzw. mit Widerwillen akzeptierten. Aufgrund von Separationsbestrebungen entstehende Spannungen würden bei einer Eskalation, in welche ethnische Russen oder gar Staatsbürger Russlands involviert wären, zweifellos den Kreml auf den Plan rufen.
Dieses Horrorszenario ist freilich keineswegs vorbestimmt. Vertreter des russischen politischen Mainstreams kokettieren zwar gelegentlich mit der Idee, dass die Krim oder zumindest Sevastopol „eigentlich zu Russland gehören“. Allerdings scheint es im Kreml kein ernsthaftes Interesse an der Umsetzung einer „Wiedervereinigung“ der Krim mit der Russischen Föderation zu geben – nicht zuletzt, da der Preis eines solchen Anschlusses enorm sein würde bzw. so hoch wäre, dass ein Erreichen dieses Ziels mehr Schaden als Nutzen für den russischen Staat zur Folge hätte. Während die heutige russische Führung als international weitgehend rational agierend eingestuft werden kann, darf nicht vergessen werden, dass es in der politischen Landschaft Russlands weiterhin ultranationalistische Gruppierungen mit Verbindungen in die Staatsduma bzw. den Kreml gibt. Die beiden bedeutendsten, wenn auch keineswegs einzigen derartigen Strukturen sind die sog. Liberal-Demokratische Partei Russlands des berüchtigten Nationalpopulisten Wladimir Shirinowskij sowie die Internationale Eurasische Bewegung des SS-Verehrers Alexander Dugin. Auch diesen Akteuren mag die Aussichtslosigkeit einer militärischen Konfrontation mit der Ukraine etwa um die Krim bewusst sein. Allerdings würden solche Gruppierungen erheblichen innenpolitischen Nutzen aus einer Eskalation in der Ost- oder Südukraine, anschließenden militärischen Intervention Russlands und darauffolgenden Konfrontation mit dem Westen ziehen. Die Logik des innenpolitischen Wettbewerbs zwischen den nach wie vor existenten ideologischen Lagern in Moskau könnte russische Rechtsextremisten dazu veranlassen, ein aktives Schüren innerukrainischer Spannungen durch ihre zahlreichen Frontorganisationen bzw. Bündnispartner auf der Krim oder im Donbass zu betreiben.
Schlussfolgerungen
Dies illustriert, dass für die EU die Frage nach der Zukunft der Ukraine nicht nur eine entwicklungs- und außenpolitische, sondern auch eine – bisher unzureichend als solche wahrgenommene – sicherheitspolitische Dimension hat. Die fortgesetzte Unbestimmtheit der europäischen Ukrainepolitik nach dem Motto „die Tür ist weder offen, noch geschlossen“ widerspricht nicht nur den Wünschen Kiews. Die sich mit dieser Politik verbindenden, oben gezeigten Risiken laufen auch Kerninteressen der Union und ihrer Mitgliedsstaaten zuwider. Die Reduktion der Frage nach den EU-Ukraine-Beziehungen auf ein Abwägen ukrainophiler und ukrainoskeptischer Positionen beruht auf einem Unverständnis der gesamteuropäischen Bedeutung des Landes. Angesichts der beschriebenen unerfreulichen Alternativen zu der Eröffnung einer EU-Mitgliedschaftsperspektive für die Ukraine wirkt die Politik der Union myopisch. Weder Neutralität noch eine Wiederanbindung an Russland oder gar Spaltung stellen plausible Entwicklungsperspektiven für den ukrainischen Staat dar. Desintegrative Tendenzen in der Ukraine würde russischen Irredentismus anfachen und schlimmstenfalls die von Brzezinski befürchtete Wiedererrichtung des Moskauer Imperiums mit einschneidenden Rückwirkungen für die europäische, ja Weltsicherheit nach sich ziehen.
Insofern bleibt der EU gar nichts anderes übrig, als die Ukraine besser früher als später „unter ihre Fittiche zu nehmen“. Eine plausible Aussicht auf EU-Betritt in nicht allzu ferner Zukunft könnte nicht nur die politisch zerstrittene Elite und das kulturell gespaltene Volk der Ukraine unter einem Banner zusammenführen. Das Zuckerbrot der Mitgliedschaftsperspektive würde es der EU auch erlauben, stärker die Peitsche der Forderung nach zügigen Verfassungs-, administrativen, Wirtschafts- und Bildungsreformen zu schwingen. So könnte die EU z.B. die Abschaffung des derzeitigen Präsidentenamtes und die Etablierung einer parlamentarischen Republik zur Bedingung für eine EU-Kandidatur der Ukraine machen. Die EU würde mit ihrer Öffnung gegenüber der Ukraine sowohl sich selbst als auch der Verbreitung ihres Wertekatalogs einen Gefallen tun.
2 Robert Elgie, Sophia Moestrup (Hgg.): Semi-Presidentialism in Central and Eastern Europe. Manchester/New York 2008.