Wir haben die Apfelsine aufgeteilt ...



Nach dem Skandal „Abromavičius – Kononenko“, wurde „Jazenjuk Unsterblich“ zum zweiten Schlag, der Petro Poroschenko in einem Monat versetzt wurde. 194 Stimmen, die auf der Anzeigetafel aufleuchteten, gebaren zwei Versionen der Geschehnisse. Gemäß der ersten, wurde dieses Resultat vom Präsidenten erdacht, der mit den Oligarchen ein Komplott einging, die am Erhalt Jazenjuks auf dem Posten des Ministerpräsidenten interessiert sind. Die zweite – weniger verbreitet, doch nicht weniger peinlich für das Image Poroschenkos, besteht darin, dass erstmals in der Geschichte der Ukraine der Präsident, der es auf den Regierungschef absah, es nicht vermochte ihn im Parlamentssaal „den Todesstoß zu geben“. Ich kann mir nur vorstellen, wie beleidigend es für Petro Oleksijowytsch (Poroschenko) sein muss, all diese, von der Sache her, oberflächlichen Anschuldigungen zu vernehmen. Denn er weiß ja, dass er weder ein Komplottschmieder noch ein Schwächling ist, denn tatsächlich ist er eine Marionette.

Die Entscheidung in der Frage des Regierungschefs fiel dem Präsidenten schwer. Zog sie in die Länge, legte sie weg, verwarf sie, kombinierte, improvisierte, beriet sich mit dem „Opfer“ … Und schlussendlich beschloss er: Jazenjuk soll zurücktreten. „Bolivar hält zwei nicht aus“ (Zitat aus sowjetischem Western bzw. „Roads We Take” von O. Henry, A.d.Ü.). Blieb nur eine Aufgabe zu lösen: die getroffene Entscheidung Washington beizubringen. Es schien nur eine Formalität zu sein. Erstens, weil die Amerikaner seit dem Herbst aufhörten, den persönlichen Wert Jazenjuks zu betonen und stattdessen die Aufmerksamkeit auf die Unzulässigkeit des Zerfalls der Koalition, vorgezogenen Wahlen und eine Destabilisierung richteten. Zweitens, das vierstündige Treffen Petro Poroschenkos mit Joseph Biden in Davos, währenddessen es Petro Oleksijowytsch angeblich gelang mit vielen Problemen beim Vize-Präsidenten vorzudringen, die mit den Minsker Vereinbarungen zusammenhängen, flößte dem ukrainischen Präsidenten die Hoffnung darauf ein, dass er zu seinem gegenüber vertrauliche Beziehungen aufgebaut habe. Um die „Götter“ gnädig zu stimmen, wurde die Entscheidung getroffen (Generalstaatsanwalt) Wiktor Schokin zu opfern. Denn der Westen wollte bereits seit langem diese „Hauptursache“ auf dem Pfade des Antikorruptionskampfes beseitigen. Biden sollte das Paket „Jazenjuk – Schokin“ in Empfang nehmen. Im Gespräch, das am 11. Februar stattfand, legte Petro Poroschenko dem Vizepräsidenten seinen Plan dar. Den Informanten des Dserkalo Tyschnja nach zeigte sich Biden nicht bereit, inhaltlich zu reden. Tatsächlich interessierte er sich dafür, welche Kandidaten für den Posten des Regierungschefs Kiew hat. Den Angaben der gleichen Quellen nach nannte der Präsident diese Familiennamen: Saakaschwili, Jaresko, Schymkiw, Klimkin. Sie vereinbarten, das Gespräch am Freitag fortzusetzen. Petro Poroschenko war optimistisch und erwartete ein Einverständnis. Doch im zweiten Gespräch am 12. Februar trat Biden kategorisch gegen die Entlassung Jazenjuks auf, und die Entlassung Schokins nahm er als etwas auf, was selbstverständlich ist. Das war ein Schlag.

„Alle waren einfach finster“, charakterisierte einer seiner Vertreter den Zustand der Umgebung des Präsidenten. So lange eine Entscheidung suchen, sich entscheiden und dann ein Verbot erhalten. „Der Gegner bleibt und den Genossen muss man aufgeben“, jammerte man im Präsidialamt, dabei den geistigen Zustand Poroschenkos erklärend.

Was mit dieser Situation tun? Jazenjuk lassen, kommt nicht infrage. Das Volk möchte ihn allen Umfragen nach nicht auf seinem Posten sehen. Die Präsidentenfraktion entgleitet sichtlich der Kontrolle und empört sich im Falle einer Weigerung Poroschenkos Jazenjuk abzulösen. Heißt es muss eine präsidiale Rücktrittsinitiative gespielt und dabei die Überzeigung der Gesellschaft und der Fraktion des Petro-Poroschenko-Blocks von der Aufrichtigkeit und Entschlossenheit der Absichten des Präsidenten sichergestellt werden. Diesen Zielen dienten zuallererst das Treffen des Präsidenten mit der Fraktion des Petro-Poroschenko-Blocks und das in diesem Treffen geborene „Umgehungsblatt“ für die Unterschriftensammlung zur Entlassung des Ministerpräsidenten, zweitens die Erklärung Petro Poroschenkos mit dem Aufruf an Wiktor Schokin seinen Rücktritt einzureichen, die Regierung komplett neu zu starten und Jazenjuk das Recht zu geben selbst zu wählen „Messer oder Seil“. Gemäß dem Plan wird es für die Fraktion ein Gaudium, das Volk freut sich am Feldzug des Präsidenten gegen den zum Halse raushängenden Ministerpräsidenten und für den Misserfolg – frag das Parlament – dieses eben vergeigte die Entlassung!

Kurz gesagt, dass es am Dienstag keine resultative Abstimmung über die Entlassung von Arsenij Jazenjuk geben wurde, war bereits am Freitagabend bekannt. Von Samstag an begannen die Verhandlungen im engen Kreis darüber, wer wie viel Stimmen für ein negatives, doch glaubwürdiges Abstimmungsresultat, geben/nicht geben sollte. Jedoch kennen die Verhandlungsseiten einander so lange, dass das Wort „Vertrauen“ in der Charakteristik ihrer Beziehungen fehlt. Im Ergebnis des abgesprochenen Spiels, sicherten sich beide Seiten ab und machten jeweils ein „Eigentor“: die Fraktion des Petro-Poroschenko-Blocks gab 39 Stimmen nicht für die Entlassung; die Fraktion des Oppositionsblocks 35. Und das alles dabei, dass für die Annahme der Entscheidung über den Wechsel des Ministerpräsidenten und der Regierung 32 Stimmen fehlten. Dieser gegenseitig aufdeckende Fehler gab Anlass dafür sowohl den Präsidenten als auch den Oppositionsblock bei der Imitation eines politischen Orgasmus zu ertappen. Peinlich vor den Partnern und der Wählerschaft …

Hätte Poroschenko gegenüber dem Vizepräsidenten der USA ungehorsam sein können? Der Oligarch Nr. 1 – nein. Der Präsident der Ukraine – ja. Vom Prinzip her hätte er auch an das leicht zerknüllte Budapester Memorandum oder an die unter den Schreien der Partner: „Stehen bleiben! Nicht provozieren!“ preisgegebene Krim und an ausgewählte wirtschaftskillende Perlen des IWF erinnern können … Doch so etwa hätte nur ein Präsident sagen können, der alle seine Kräfte, sein Können und seine Energie auf reale Reformen und die Verteidigung der Subjektheit des Landes aufwendet und nicht für PR-Charme und Geldflussaneignung. Im Ergebnis fand das am Dienstag statt, was stattfand. Und den Posten des Ministerpräsidenten bewahrte sich ein Mensch, der seinen Auftritt im Parlament mit einer Tirade endete, in der jedes Wort Lüge ist: „Wir hinterlassen das Land mit einer vollen Kasse, mit einer bewaffneten ukrainischen Armee, mit abgeschriebenen Schulden …“

Am Vorabend, am Freitag, ließ der Botschafter der USA, sich mit jungen Parlamentsabgeordneten treffend, im Übereifer alle Zurückhaltung fallen und versuchte emotional zu den Trotzköpfen vorzudringen: „Ihr springt ohne Fallschirm in den Abgrund!“. Dabei war das Fehlen eines klaren Handlungsplanes für die Beibehaltung der Koalition nach der Entlassung Jazenjuks und des Kandidaten für den Ministerpräsidenten gemeint. Einerseits erinnerte das Verhalten Geoffrey Pyatts leicht an die Ausrufe des polnischen Außenministers Sikorski, der mit „Ihr werdet alle umgebracht!“ dazu zwang das Memorandum mit Janukowitsch am 21. Februar 2014 zu unterzeichnen. Andererseits muss man auch anerkennen, dass die Taktik des ukrainischen Präsidenten „stürzen wir uns in den Kampf und schauen wir dann weiter“ im derzeitigen Chaos verantwortungslos erscheint. Die Demokraten, die sich im Finish der Vorwahlen zur US-Präsidentenwahl befinden, müssen sich damit abfinden, dass sie in der Ukraine ein latentes Fiasko erleiden. Ein offensichtliches, in Form von Fernsehbildern bei CNN – Flüchtlinge, Aufstände und Brände – möchten sie überhaupt nicht. Doch das alles kann geschehen, wenn die ohnehin bereits infantile und gierige politische Klasse sich auf den Populismus und die Aggression vorgezogener Wahlen stürzt, anstatt Stein für Stein die staatliche Lenkung und die Wirtschaft wiederherzustellen und wenigstens, punktweise, unter dem Druck des Westens und der Zivilgesellschaft Reformen durchzuführen.

Als ernsthaftes Argument hätte Poroschenko in den Verhandlungen mit den Amerikanern und anderen westlichen Spielern die Kandidatur eines vernehmlichen Ministerpräsidenten werden können. Doch aus Gewohnheit Saakaschwili für den Liebling der amerikanischen Demokraten halten, können nur politisierte, sich aber vor Elektrizität fürchtende Omas. Jaresnko weigert sich kategorisch, was allgemein richtig ist. Denn ihr Kopfnicken während des Auftritts von Serhij Sobolew (Abgeordneter von Tymoschenkos Vaterlandspartei, A.d.Ü.), der erklärte, dass sie nicht einmal in ihrem Ministerium weder die Steuer noch den Zoll kontrolliert, zwingt dazu sich auf ihren Verzicht mit Dankbarkeit zu beziehen. Dmytro Schymkiw (Stellvertreter des Präsidialamtsleiters, A.d.Ü.), ist genauso wie Pawlo Klimkin (Außenminister, A.d.Ü.), ein Name, der angeblich auf dem im Präsidentenärmel verborgenen Joker geschrieben steht, eher ein Bewohner der Sektion für Plüschtiere, mit dem man anstrebt, die bevorstehende harte Plünderung zu überdecken.

Jetzt ist Petro Poroschenko gezwungen einige Zeit (der Verfassung nach, bis zur nächsten Sitzungsperiode, die im September beginnt) sich mit der Anwesenheit Arsenij Jazenjuks in der Führung der Exekutive abzufinden. Ist der Präsident dazu bereit? Ich denke nicht. In der Kette der Treffen, die nicht mit den Ereignissen des 16. Februars abriss, wurden mit Jazenjuk verschiedene Varianten der Trennung diskutiert. Arsenij Petrowytsch (Jazenjuk) wird einmal angeboten der Chef des eigenen Ministerpräsidentenkabinetts zu bleiben, während gleichzeitig das Kabinett des Ersten Vizeministerpräsidenten und der Mehrzahl der Minister von Leuten des Präsidenten besetzt werden. Oder droht mit der Gewährung der Möglichkeit für Jazenjuk selbst seine Regierung zu bestimmen, ihm dabei versprechend, dass die Kritik der Präsidentenfraktion nicht weniger gnadenlos sein wird, als die von Saakaschwili generierte. In den Pausen gestattet man Auserwählten sich mit dem Ministerpräsidenten zu prügeln und danach wird er mit dem Posten des Generalstaatsanwalts gelockt, und wenn man ganz gemütlich beieinander sitzt, dann den des Zentralbankchefs.

Leitmotiv ist das Zureden selbst zurückzutreten. Infomationen des Dserkalo Tyschnja nach gelang es Oleksander Turtschynow in einer bestimmten Phase Arsenij Jazenjuk zu einer Rücktrittserklärung zu überreden. Ihm dabei sagend, du hast noch alles vor dir – aus dem nicht nachtragenden Herzen der ukrainischen Wählerschaft sind nicht wenige Phönixe geschlüpft. Der Fall und der Aufstieg der Umfragewerte von Tymoschenko, Janukowytsch, eben jenes Jazenjuks und in erster Linie Poroschenkos – ist bei weitem keine erschöpfende Liste der Beweise dafür. Doch Achmetow, Kolomojskyj und Martynenko brachten augenblicklich Änderungen in die Anleitung des Pastors ein. Der schwankende Arsenij Petrowytsch (Jazenjuk) wurde von drei Seiten gestützt und unter dem strengen Blick Victoria Nulands gewann er erneut die Haltung eines Spießes für Kassenzettel.

Und zweifellos entfaltet sich parallel dazu, die Geschichte mit dem Zerfall der Koalition. In einem Land, dessen Parlament in seinem Reglement keine klare Beschreibung des Prozesses sowohl der Zusammenstellung als auch der Auflösung der Parlamentskoalition hat – ist das eine äußerst interessante Beschäftigung. Sogar heute, wenn theoretisch die Radikale Partei, Batkiwschtschyna (Vaterland) und Samopomitsch (Selbsthilfe) aus der Koalition aussteigen – kann man nicht sagen, ob in ihr 226 Abgeordnete verblieben oder nicht. Die Radikalen präsentierten eine Abschrift des Sitzungsprotokolls der Fraktion. Und darauf beschränkten sie sich. Die Teams von Tymoschenko und Sadowyj stiegen aus der Koalition, einen Parlamentspräzedenzfall nutzend, so aus, wie sie einstiegen – mit namentlichen Erklärungen der Abgeordneten und einer Verlesung des Parlamentssprechers. Wer hat recht? Man kann es nicht sagen: die Normen der Geschäftsordnung der Werchowna Rada, die die Ordnung der Bildung und des Zerfalls der Koalition regeln wurden 2010 aus der Geschäftsordnung nach der Verfassungsänderung durch das Verfassungsgericht entfernt. Und seither hat niemand diese Normen wiederbelebt.

Doch die Sache ist nicht die, ob es 225 … 226 … 300 sind. Von der Sache her gibt es in der ukrainischen Staatsmacht drei Gruppen von Politikern, die von unterschiedlichen Zielen vereint werden.

Die „Jüngeren“ wollen Veränderungen. Oft unsystematisch, manchmal verantwortungslos, keine Vorstellung davon habend, wozu ihre Schritte führen. Doch trotzdem Veränderungen.

Den „Mittleren“ erscheint die ukrainische Wirtschaft weiter als saftige Apfelsine, deren Scheiben traditionell den Fraktionen als Nahrung dienen, die sich in der Koalition befinden. Doch allein, wie ein Chef einer der größten einheimischen Staatsunternehmen bemerkte: „Es gibt bereits keine Apfelsine mehr. Es gibt eine vertrocknete, verkrustete Mandarine. Die Tropfen ihres Saftes sind nicht mehr in der Lage, den Durst aller zu löschen.“ Und hier ein anderer Dialog: „Den Zoll des Kiewer Gebietes und der Stadt zusammenlegen? Unter deinen Vertreter? Er wird dich nicht hängen lassen?“ – „Sind für dich die UkrPoschta (Ukrainische Post) und das Staatliche Landkomitee zu wenig? Speist du schlecht?“

Ach und diese „ideologischen“ Differenzen zwischen den Sprechern, Führern und Aufsehern der Fraktionen. Und es zieht sie, zieht sie zu den Säften von Ukrhasdobytscha (staatliches Gasförderunternehmen A.d.Ü.), dem Landwirtschaftsministerium, dem Umweltministerium (verwaltet auch Bodenschätze, A.d.Ü.), dem Gesundheitsministerium, Ukroboronprom (staatlicher Rüstungskonzern, A.d.Ü.), dem Transportministerium, der Umweltpolizei … Nicht deswegen, weil sie Spezialisten haben, die fähig sind, die Tätigkeit dieser wichtigen und ressourcenreichen Organe und Unternehmen zu reformieren. Sie sind Apfelsinen-Vampire, sie wollen essen. Zumal ihnen nichts in den zwei Jahren zeigte, dass es anders sein könnte.

Und zum Schluss die „Großen“. Bei den aufflackernden Leidenschaften verlieren sie das Hauptziel nicht aus den Augen – die große Privatisierung für winzig kleines Geld. Sie haben sich darauf vorbereitet, sie haben dafür gekämpft. Und daher möchte niemand einem anderen den Platz an der Fahrkartenkasse abtreten, welche die Regierung ist. Strategische Häfen, einträgliche Fabriken, die Silos der Staatsreserve, den besten Landbesitz der Akademie der Wissenschaften und der Unternehmen des Landwirtschaftsministeriums, die im Energiebereich übriggebliebenen Stücke der Erzeugung und Verteilung, Anteile an den Staatsbanken …

Sie haben überhaupt nichts verstanden. Und davon ist einem unfassbar, hilflos, sengend schmerzhaft und beschämend. Heute ist der 20. Februar (2. Jahrestag der Todesschüsse auf der Instytutska-Straße in Kyjiw, A.d.Ü.).

20. Februar 2016 // Julia Mostowa

Quelle: Dserkalo Tyschnja

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 2070

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