Spekulieren Juschtschenko und die Partei der Regionen auf vorgezogene Parlamentswahlen?
Gestern konnte die Werchowna Rada, ungeachtet vorheriger Absprachen zwischen den großen Fraktionen der Partei der Regionen und des Blockes Julia Timoschenko (BJuT), ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen – Vertreter der Partei der Regionen weigerten sich die Parlamentstribüne freizugeben. Bei BJuT fand man sofort eine Erklärung dafür. Ihren Informationen nach, führte der Vorsitzende der Partei der Regionen Wiktor Janukowitsch Verhandlungen mit Präsident Wiktor Juschtschenko, der ihm angeblich empfahl, um eine Grundlage für die Auflösung der Werchowna Rada zu erhalten, die Blockade fortzusetzen. Der ständige Vertreter des Präsidenten in der Werchowna Rada, Igor Popow, erklärte, dass das Staatsoberhaupt bereit ist, das Parlament aufzulösen.
Die Parlamentsabgeordneten konnten gestern nicht die außerordentliche Sitzung der Werchowna Rada durchführen, obwohl sie über die Voraussetzungen für eine produktive Arbeit verfügten. Am Vortag einigten sich die zwei größten Fraktionen – die Partei der Regionen und BJuT – auf die Freigabe der Tribüne. Wie bekannt ist, war der offizielle Grund für die Blockade der Arbeit des Parlaments, welche sich seit dem 26. Juni hinzieht, das Fehlen von Garantien für die Unterstützung des Gesetzesentwurfes von Michail Papijew (Partei der Regionen) zur Erhöhung des Existenzminimums und des Mindestlohnes (durchschnittlich um 200 Hrywnja auf 808 Hrywnja und 825 Hrywnja entsprechend) durch die Koalition. Am Montag wurde diese Hürde beseitigt – der Vorsitzende der Partei der Regionen, Wiktor Janukowitsch, erklärte, dass “das Leben Lösungen auch anderer Probleme (neben dem Beschluss des Gesetzesentwurfes von Michail Papijew) fordert”, und Premierministerin Julia Timoschenko verkündete, dass sie einverstanden ist von der Tagesordnung die Frage der Personalumstellungen im Kabinett “für eine Senkung der Temperatur im Parlament” zu nehmen. Dabei erklärte der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden der Werchowna Rada, Alexander Lawrinowitsch, erklärte dem “Kommersant-Ukraine“, dass der Gesetzesentwurf, welcher die Sozialtransfers erhöht, später unter der Bedingung “des Erreichens von Absprachen mit der Regierung bezüglich aller Kennziffern und Berechnungen” (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“).
Zweifel daran, dass die Rada trotzdem zu arbeiten anfängt, traten bereits gestern morgen auf. Wiktor Janukowitsch, der es vorzieht mit den Wählern zu kommunizieren und nicht mit den Abgeordneten, erklärte, sich auf einem Arbeitsbesuch in Dnepropetrowsk befindend: “Wir stellen heute in dieser Reihenfolge Fragen: erstens betrifft die Erhöhung des Mindestlohnes und des Existenzminimums. Die nächste, die wir prüfen könnten sind die drei Fragen, zu denen von den anderen Fraktionen Vorschläge gemacht wurden”, erklärte er, hinzufügend, dass die Partei der Regionen die Erfüllung all ihrer Bedingungen fordern wird, dabei beliebige Methoden nutzend. “Wir haben keinen anderen Weg. Für uns hat das Leben unserer Leute oberste Priorität”, sagte er Journalisten, auf die Frage zu der Möglichkeit der Blockade der Parlamentsarbeit antwortend.
Die Erklärung von Janukowitsch wurde zum Handlungsleitfaden für die Mitglieder der Fraktion der Partei der Regionen: gegen 16:00 Uhr, als die außerordentliche Sitzung der Rada beginnen sollte, erwiesen sich die Tribüne und das Präsidium von den “Regionalen” blockiert. Im Saal änderte sich vom Moment des Beginns der Blockade fast nichts – es tauchte lediglich ein neues Transparent mit der Aufschrift “Jura (Jurij Luzenko), wo ist Losinskij (des Mordes verdächtigter Rada-Abgeordneter des Blockes Julia Timoschenko aus der Oblast Kirowograd, der sich der Verhaftung durch Flucht ins Ausland entzogen hat. Er wird in Transnistrien vermutet.)?”
“Sagen sie direkt: wozu blockieren sie erneut die Tribüne”, wandte sich der Korrespondent des “Kommersant-Ukraine“ an den Parlamentsabgeordneten Wladislaw Lukjanow (Partei der Regionen).
“Wir möchten eine Erhöhung des Lebensniveaus unserer Menschen, doch Julka will das nicht!”, antwortete er.
“Hören Sie, hat nicht Wiktor Janukowitsch verkündet, dass man sich auch anderen Problemen widmen muss. Was ist mit ihm über Nacht passiert?”, hakte der “Kommersant-Ukraine“ nach.
“Das gab es nicht, er so etwas nicht gesagt oder gesagt, doch man hat ihn nicht richtig verstanden”, erklärte Lukjanow die Fassung nicht verlierend.
Bei den Vertretern von BJuT fand sich eine eigene Antwort auf diese Frage. Und diese wurde Journalisten vom Ersten Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden Andrej Koshemjakin mitgeteilt. Seinen Worten nach, ist die Weigerung der Partei der Regionen das Parlament freizugeben direkt mit Erklärungen von Präsident Wiktor Juschtschenko verbunden, in denen er die Möglichkeit der Auflösung der Rada bekräftigte.
“Ich habe mich direkt an Alexander Jefremow (den Ersten Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden der Partei der Regionen) und Alexander Lawrinowitsch gewandt und sagte ihnen: ihr Vorsitzender hat sich erneut mit dem Präsidenten getroffen und sie haben abgesprochen, dass sie diese Belagerung bis zum 24. Juli halten werden”, gab Koshemjakin sein Gespräch mit den “Regionalen” wieder. “Und falls ihr heute nicht die Möglichkeit zur Eröffnung der Sitzung gewährt, dann planen wir eine außerordentliche Sitzung für den 16. Juli”.
Damit legalisierte Andrej Koshemjakin faktisch die Information, die derzeit aktiv im Parlament diskutiert wird – die “Regionalen” blockieren die Tribüne dafür, damit das Parlament keine Plenarsitzung im Verlaufe von 30 Tagen einer Sitzungsperiode durchführen kann. Wie bekannt ist, ist, falls dies stattfindet, gemäß des Teils 3 des §90 der Verfassung der Präsident das Recht die Rada aufzulösen. Aber diese Vermutung wäre nur gerechtfertigt, wenn die Rechnung vom 26. Juni geführt würde, jedoch die letzte Plenarsitzung wurde am 3. Juli durchgeführt, als die Vertreter der Partei der Regionen zeitweilig die Tribüne freigaben und die Möglichkeit gaben dem ehemaligen Mitglied der Fraktion von BJuT, Wiktor Losinskij, die Abgeordnetenvollmachten zu entziehen. Auf diese Weise läuft die 30 Tagesfrist am 3. August ab, doch falls man sich von den Berechnungen des Vorsitzenden der Werchowna Rada, Wladimir Litwin, leiten lässt, die auf den Normen der Verfassung basieren, nach denen der Präsident ein halbes Jahr vor Ende seiner Amtszeit kein Recht mehr hat das Parlament aufzulösen, wird der Präsident im August nicht mehr berechtigt sein dies zu tun. Die äußerste Frist für den Präsidenten ist, der Meinung des Sprechers nach, der 24. Juli (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 7. Juli).
Übrigens, den Verdacht der Abgeordneten der Fraktion des Blockes Julia Timoschenko bestätigte gestern indirekt der Stellvertreter der Präsidialamtsleiterin und Vertreter des Präsidenten in der Werchowna Rada, Igor Popow, der erklärte, dass die Situation im Parlament zu einer “Pattsituation werde”.
“Leider hat das Parlament eine der letzten Möglichkeiten verloren, die Arbeit wieder aufzunehmen. Es wird kaum gelingen die Arbeit in dieser Sitzungsperiode wieder aufzunehmen”, sagte er. “Die 30 Tage abzählend, verstreichen die Stunden, nach deren Auslaufen man bereits mit Verhandlungen mit der Leitung der Werchowna Rada, der Leitung der Fraktionen dafür beginnen muss, um die für alle schmerzvolle Entscheidung zur Auflösung des Parlamentes zu fällen”.
Popow drückte ebenfalls seine Zweifel daran aus, dass Wiktor Juschtschenko nach dem 24. Juli das Recht zur Auflösung des Parlamentes verliert.
“Der Geist des Gesetzes zeigt, dass der Präsident dieses Recht auch später hat, da seine Vollmachten nicht nur bis zum 18. Januar gelten, sondern bis zum 18. Februar des Jahres 2010, da bis dahin wahrscheinlich die Inauguration des neuen Präsidenten nicht stattfindet”, sagte er, anmerkend, dass das Staatsoberhaupt im August das volle Recht haben wird das Parlament aufzulösen und sogar Anfang September diesen Jahres.
Übrigens weist man bei der Partei der Regionen alle Verdächtigungen bezüglich geheimer Absprachen zwischen Wiktor Janukowitsch und Wiktor Juschtschenko zur Auflösung des Parlamentes kategorisch zurück.
“Das ist alles unwahr, das sind Unterstellungen und Intrigen unserer Opponenten”, erklärte dem “Kommersant-Ukraine“ der Parlamentsabgeordnete Jurij Miroschnitschenko (Partei der Regionen). “Es wird keine Auflösung der Rada bis zu den Präsidentschaftswahlen geben”.
Walerij Kutscherk
Quelle: Kommersant-Ukraine