Viktor Wechselberg: Das russische Business genießt keine Vorteile
Wie auch Boris Beresowskij stammt der Vorstandvorsitzende der Unternehmensgruppe „Renova“, Viktor Wechselberg, aus wissenschaftlichen Kreisen. Nichtsdestoweniger gestaltete sich das Schicksal beider Oligarchen sehr unterschiedlich.
Beresowksij suchte die Konfrontation mit dem russischen Ex-Präsidenten, Wladimir Putin, hat fast alles verloren und war gezwungen, nach Großbritannien zu emigrieren.
Sein Partner, Badri Patarkatsishvili, starb unter rätselhaften Umständen, nicht ohne Mithilfe der Geheimdienste, wie man sagt.
Auch in Richtung Wechselbergs machten die Machthaber seinerzeit Anstalten, aber er vollzog eine wohlwollende Geste. Der Oligarch ging in die Geschichte ein, indem er eine Sammlung von Fabergé-Eiern im Wert von neunzig Millionen Dollar kaufte und sie nach Russland zurückholte.
Darauf folgte der Aufkauf von Werken des putinschen Lieblingsdenkers, Iwan Iljin, und vieler anderer Schmuckstücke. Formell bleiben diese Dinge im Besitz Wechselbergs, aber es herrscht die allgemeine Überzeugung, dass es sich auch um ein Freikaufen aus einer möglichen Verfolgung durch die Machthaber handelt.
Es lohnt sich, zu kämpfen. Wechselberg gehört zu den zehn reichsten Leuten Russlands. Er ist zusammen mit der „Alfa-Gruppe“ und seinem früheren Partner, Leonard Blawatnik, Aktionär der „TNK-BP“-Holding.
Außerdem ist er neben Oleg Deripaska Miteigentümer der Aluminium-Holding „UC RUSAL“. Der persönlichen Holding Wechselbergs, „Renova“, gehören eine Reihe von Unternehmen in der Ukraine und Russland an. In den Jahren 2006/2007 gewann sie auch die Kontrolle über die schweizerischen Hochtechnologieunternehmen „Oerlikon“ und „Sulzer“.
Die Schweizer waren wenig begeistert darüber, von einem Russen aufgekauft worden zu sein, und verfolgten Wechselberg noch bis vor kurzem gerichtlich. Im Übrigen wurden die Ermittlungen eingestellt, nachdem sich die russische Regierung eingeschaltet hatte und die Unternehmen „Zepter“ und „Nestle“ – durch puren Zufall – seltsame Probleme in Russland bekamen.
Seit Mitte des Jahres beschäftigt sich der Oligarch mit einem anderen Projekt der russischen Machthaber – dem Aufbau eines russischen „Silicon Valley“ im Moskauer Vorort Skolkowo.
Dieses Mal beweist Wechselberg seine Loyalität zum jetzigen, russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew. Der Geschäftsmann selbst wird natürlich darauf bestehen, dass er sich mit dem Aufbau dieses Mekkas der Wissenschaft als Bürger verwirklichen wolle.
Obwohl sich in Russland wohl kaum jemand finden wird, der dazu fähig wäre, einem Unternehmer unnötige Katzbuckelei vor den Machthabern vorzuwerfen. alle Oligarchenkollegen tun das gleiche. Wladimir Potanin erklärte, dass er sein Vermögen dem Staat überlassen wird.
Alisher Usmanow kaufte eine Kollektion Mstislaw Rostropowischs. Oleg Deripaska führt Projekte im Bereich der Bildung, Gesundheit und Wissenschaft durch. Michail Prochorow bewarb sich auf die Rolle des Kurators von Sklokowo. Es gibt hier also eine Tradition.
In der Ukraine ist Wechselberg schon seit langem aktiv. 2005 versuchte er, dem in Ungnade gefallenen Geschäftsmann Dmitrij Firtasch das Titangeschäft abzunehmen.
Heute verfügen die Unternehmen des Oligarchen über fünf regionale Gasversorger. Einer von ihnen stand im Zentrum des Skandals nach der Gasexplosion in einem Wohnhaus in Dnjepropetrowsk. Außerdem kontrolliert Wechselberg die gemeinsamen Projekte mit Deripaska – das Saporoschjer Aluminiumkombinat und „TNK-BP“.
Die Figur des Geschäftsmanns wird in der Ukraine dämonisiert. Man sieht ihn nach jedem Aufsehen erregenden Ereignis, wie beispielsweise nach der Privatisierung des Odessaer Hafenwerks oder von „Ukrtelekom“.
Wechselberg gab der „Ekonomitscheskaja Prawda“ am 15. November dieses Interview, als er auf Einladung des Journalisten Dmitrij Kisseljow durch die Ukraine reiste. Unmittelbar nach dem Gespräch traf er sich, nach Information der Zeitung, in einem Kiewer Café mit Vertretern der ukrainischen Geschäftswelt und verschiedenen Politikern.
Mit wem genau wird wohl ein Geheimnis bleiben. Man kann nur vermuten, dass es dieselben Leute sind, mit denen sich auch der vorige Gast Kisseljows, der Chef der „Sberbank“, German Gref, getroffen hatte.
Kürzlich hat die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie Ihnen 68% der Aktien des Saporoschjer Aluminiumkombinats abnehmen und in Staatseigentum zurückführen will. Sind sie bereit, der Ukraine das Kombinat zurückzugeben?
Soweit ich mich erinnere, wird darüber nicht zum ersten Mal spekuliert. Deswegen sehe ich keine Gründe für eine „Auslese“ des Kombinats, umso mehr im Kontext eines „die Generalstaatsanwaltschaft nimmt ab“. (Nach dem Interview ging die Nachricht ein, dass Deripaska Käufer für das unrentable Kombinat sucht, Anm. d. Red.)
Wie beabsichtigen Sie das Hauptproblem des Kombinats – einen niedrigeren Tarif für Elektroenergie zu erreichen – zu lösen?
Wir haben mehrfach über dieses Thema gesprochen und es ist seltsam, dass dies von der Regierung nicht vernommen wurde, besonders von der vorherigen. Die jetzige wird hoffentlich eine konstruktivere Position beziehen.
Die Aluminiumindustrie genießt auf der ganzen Welt besondere Präferenzen, was die Energiepreise betrifft. Natürlich nur, wenn der Staat auch eine Aluminiumindustrie haben will.
Man muss verstehen, dass man, wenn ein angemessenes Tarifniveau erreicht ist, aus dem Wachstum der Produktionsumfänge und den vielfältigen Steueraufkommen der Nebenindustrien größeren Nutzen ziehen kann, als aus der direkten Tarifanhebung, die im schlimmsten Falle zum Produktionsstopp führen kann.
Ich denke, dass jeder Eigentümer – wir oder jeder andere, auch ukrainische – dieses Problem unbedingt lösen wird. Denn es gibt ein vernünftiges Maß an Ausgeglichenheit zwischen dem Energiepreis und dem Marktpreis für Aluminium.
In der Ukraine zeichnet sich eine Privatisierung von generierenden Unternehmen und regionalen Energieversorgern ab. Beabsichtigen Sie, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen?
Regionale Gasversorger gehören nicht zu den strategischen Aktiva von KES („Komplex Energetische Systeme“, Energie-Holding Wechselbergs, Anm. d. Red.). Deshalb wird sich KES wahrscheinlich nicht an der Privatisierung beteiligen.
Die generierenden Unternehmen sind da schon interessanter. Wir prüfen detailliert und ernsthaft alle Optionen, die auf dem Markt existieren werden.
Wird es Ihnen für 2011 gelingen, ein Abkommen mit „Naftogas“ über die Verpachtung der Gasverteilernetzwerke zu treffen? Es geht um die fünf regionalen Energieversorger, die sie kontrollieren.
Wie ich bereits sagte, hat das für uns keine strategische Priorität. Ich sehe diese Angelegenheit sehr gelassen. Ich denke, es wird irgendeine geschäftliche Einigung geben. Ich sage es nochmals: Das liegt nicht im Zentrum unserer Interessen.
Sind Sie noch an der ukrainischen Titanbranche interessiert?
Nein.
Hat sich auch die Frage nach „SumyChimProm“ erledigt?
Ja.
Mitte des Jahres 2010 hat eines Ihrer Unternehmen versucht, die Ausschreibung für eine langfristige Verpachtung des Flughafens Kiew-Schuljany zu gewinnen. Interessiert Sie dieses Projekt noch?
Das war eine schwierige Situation, in der sich die Initiativgruppe, im Grunde, der Marke unseres Unternehmens außerhalb unserer Interessen bediente.
Das bedeutet, das waren nicht Sie?
Nein und wir werden uns auch künftig nicht damit beschäftigen.
Wer unterstützt Sie in der Ukraine? Ich führe einige bekannte Fakten an. Erstens: Sie waren schon vor Verkündung der Wahlergebnisse im Stab von Viktor Janukowitsch. Zweitens: Sie waren auf dem Jaltaer Forum, das von Viktor Pintschuk organisiert wird. Drittens: Man brachte sie irgendwann mit Konstantin Grigorischin und „Privat“ in Verbindung, mit dem sie ein Logistikprojekt durchführten.
Schreiben Sie mir bitte nicht eine solche Gruppe von Unterstützern zu. In Bezug auf Pintschuk kann ich sagen, dass mich mit ihm langjährige, freundschaftliche Beziehungen verbinden.
Im Moment haben wir keine gemeinsamen Geschäftsprojekte. Er war seinerzeit Partner in unserem Ölprojekt, ist aber schon lange ausgestiegen. Das ist auch schon alles.
Welche Beziehungen haben Sie zum Präsidenten? Haben Sie bereits den Dialog gesucht?
Das klingt ein wenig übertrieben – „den Dialog mit dem Präsidenten suchen“. Das ist wahrscheinlich nicht ganz korrekt.
Sie sind ein einflussreicher Geschäftsmann.
Ich habe großen Respekt für ihn, denn der derzeitige Präsident der Ukraine ist ein Mensch mit großer, industrieller Erfahrung, der über die Willenskraft verfügt, schwierige Entscheidungen zu treffen.
Und die Ukraine braucht heute eine konstruktive und konsequente Politik. Ich hoffe, dass Viktor Fjodorowitsch mit dieser Aufgabe fertig wird, denn er ist sicher ein großer Politiker.
Unsere Treffen verliefen immer in einer sehr freundschaftlichen und konstruktiven Atmosphäre. Ich sehe ihn mit großer Sympathie und großem Respekt.
Heute sind viele in der Ukraine der Meinung, dass das russische Großkapital unter der Protektion der ukrainischen und russischen Regierung agiert und Vorteile genießt. Insbesondere in der Flugzeugindustrie, der Atomenergie und vielen anderen Richtungen. Haben Sie Projekte, die Sie in der Ukraine realisieren wollen?
Ich unterstreiche nochmals, dass unsere Gruppe solche Projekte derzeit nicht hat. Ich möchte auch gleich etwas anderes klarstellen. Die von Ihnen geäußerte Meinung, dass russische Business würde irgendwelche Vorteile genießen, scheint mir übertrieben. Mit den Informationen, über die ich verfüge, kann ich einen solchen Trend nicht feststellen.
Es ist eine andere Sache, dass die von ihnen aufgezählten Branchen – sowohl der Atom-, als auch der Flugzeugsektor – historisch eine Kooperation der russischen und ukrainischen Industriebereiche bedeuteten. Heute ist es auch eine Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Unternehmen.
Und es ist doch positiv, dass nach den intensiven Gesprächen zwischen den beiden Präsidenten eine normale Plattform für den Wiederaufbau und die Entwicklung der Beziehungen geschaffen wurde.
Russland ist, wie ich sagen würde, ein weit natürlicherer Markt für die Ukraine, als irgendwelche dritten Alternativen. Es ist eine Situation der für beide vorteilhaften Zusammenarbeit, besonders in den genannten Branchen.“
Sie leiten das Projekt „TNK-BP“, dass die Förderung von Grubengas in der Ukraine beinhaltet?
Bis jetzt ja.
Wann wird es beginnen?
Es hat schon begonnen. In den nächsten zwei Jahren führen wir detaillierte, geologische Möglichkeitsstudien durch, die mit der Förderung von unkonditioniertem Gas zusammenhängen. Früher als in zwei Jahren wird sich uns wohl kaum die Möglichkeit bieten, eine letztendliche Konfiguration des Projekts zu bewerkstelligen.
In dieser ersten Periode werden die Mittel hauptsächlich zur Erforschung der geologischen Basis eingesetzt. Das kann, ehrlich gesagt, ein sehr umfangreiches Projekt werden, denn BP verfügt über große Erfahrung bei der Realisierung solcher Vorhaben, sowohl in den USA als auch in Drittländern.
Heute hat sich der Binnenmarkt für Gas in Amerika stark verändert. Der Preis ist deutlich gefallen, denn man hat effektiv mit der Verarbeitung unkonditionierten Gases begonnen.
Sie sprechen von Schiefergas?
Es gibt Schiefergas, aber auch schwer zugängliche, andere Arten. Zusammen wird daraus unkonditioniertes Gas und nicht das Naturgas, welches mit traditionellen Methoden gewonnen wird.
Das hat in der weltweiten Gasbranche seine Spuren hinterlassen. Die verringerten Förderumfänge von Flüssiggas wurden dadurch hervorgerufen. Amerika ist heute einer der Weltmarktführer dieser Branche.
Indem sie diese Technologien gewinnt, und wir besitzen sie über unsere Partner, kann die Ukraine eine bedeutende, innere Gasressource gewinnen. Für eine so große Ökonomie wie die ukrainische kann dies zu einem wichtigen Faktor werden.
Womit hängt die Umstrukturierung des Geschäfts von „TNK-BP“ in der Ukraine zusammen? Zielt sie auf eine Expansion oder haben sie festgestellt, dass das Modell uneffektiv ist?
Der ukrainische Erdölsektor ist immer noch ausgefüllt von verschiedenen, „grauen“ Schemen, mit denen sich die Regierung auseinandersetzen muss.
Weiterführende Investitionen in diesen Sektor sind nur unter einer kardinalen Veränderung des Milieus und der Regeln möglich, unter denen er funktioniert. Ich hoffe, die Regierung versteht das, und führt in naher Zukunft ernstzunehmende Veränderungen durch.
Sie haben ein großes Projekt zur Herstellung von Solarzellen auf den Weg gebracht. In der Ukraine sieht eines der nationalen Projekte den Bau von Sonnenkraftwerken vor. Haben Sie sich für dieses Vorhaben interessiert und ihre Dienste angeboten?
Ja wir haben uns dafür interessiert und tun dies auch weiterhin. Ich hoffe, wir finden eine Möglichkeit, unsere Teilnahme am Bau von Solargeneratoren zu realisieren.
Die Ukraine ist dafür aus zwei Gründen ein guter Ort. Ersten wurden in der Ukraine richtige Gesetze hinsichtlich der Tarifgestaltung für alternative Energieformen angenommen. So wie in den europäischen Ländern ist dies ein gutes Beispiel. Zweitens ist die Ukraine ein sonnenreiches Land.
15. November 2010 // Sergej Ljamez
Quelle: Ekonomitschna Prawda