"Doppelwahlen": Der Teufel verbirgt sich in den Details
Eines der populärsten politischen Themen der letzten Zeit – ist die Zweckmäßigkeit und die Möglichkeit der gleichzeitigen Durchführung von Präsidenten- und vorgezogenen Parlamentswahlen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Diskussion über die Notwendigkeit oder die Lästigkeit der Verbindung von zwei Wahlkampagnen.
Viel weniger Aufmerksamkeit, und das ist absolut falsch, schenkt man den Rechtsaspekten der Durchführung von den „Doppelwahlen“. In den juristischen Nuancen verbergen sich gerade viele Probleme und Widersprüche, die entweder unüberwindbare Hindernisse für den Vollzug der Wahlen darstellen oder einen Grund für findige politische Missbrauchsverfahren bereiten können.
In der Diskussion über die „Doppelwahlen“ beachten die Juristen in der Regel die Prozedurwidersprüche und die Schwierigkeiten der gleichzeitigen Durchführung von zwei Wahlkampagnen. Es geht sowohl um die unterschiedliche Dauer von diesen Wahlkampagnen als auch um die wesentlichen Unterschiede von Normen und Verfahren der Durchführung.
Trotzdem ziehen die Befürworter der „Doppelwahlen“ den Schluss der prinzipiellen Möglichkeit einer gleichzeitigen Durchführung von zwei Wahlkampagnen/Wahlkämpfen: „Das ist nicht einfach, aber es ist möglich“, so Justizminister Nikolaj Onischtschuk in der Nacht vom 10. auf den 11. April in der Sendung „Swoboda“ (d.h. im Russischen – Freiheit) im Fernsehprogramm Inter.
Es ist wirklich so, aber nur in dem Fall, wenn die vorgezogenen Parlamentswahlen gleichzeitig mit den fälligen Präsidentenwahlen stattfinden.
Die vorgezogenen Parlamentswahlen und die vorgezogenen Präsidentenwahlen gleichzeitig durchzuführen ist unmöglich.
Es liegt daran, dass im Fall der vorfristigen Amtsniederlegung des Präsidenten die Befugnisse des Staatschefs der Ukraine für die Zeit bis zur Wahl und dem Amtsantritt eines neuen Präsidenten an Vorsitzenden der Werchowna Rada (Obersten Rat) delegiert werden.
Dennoch kann der Parlamentssprecher, der die Befugnisse des Präsidenten der Ukraine ausübt, laut Artikel 112 der ukrainischen Verfassung eine Reihe der Befugnisse des Staatschefs nicht ausüben, darunter der Auflösung der Werchowna Rada (den Obersten Rat), in den von der Verfassung vorgesehen Fällen, und die Ansetzung vorgezogener Parlamentswahlen.
Dabei muss man sich daran erinnern, dass von der Verfassung für die Durchführung vorgezogener Präsidentenwahlen drei Monate und von vorfristigen Parlamentswahlen – zwei Monate vorgesehen sind.
Das heißt, um gleichzeitig vorfristigige Präsidentschaftswahlen und vorgezogene Parlamentswahlen durchzuführen, sollte man erst den Präsidenten aus dem Amt entfernen, danach kann man den Beschluss fassen, das Parlament aufzulösen.
Darum geht es auch, dass der amtierende Staatschef laut Verfassung so einen Beschluss nicht verabschieden kann. Eine Sackgasse.
Deswegen haben entweder die Vertreter der Partei der Regionen und des „Jedinyj Zentr“ (des „Einheitszentrums“), die uns dazu aufrufen, die Staatsmacht komplett zu „reloaden“, indem gleichzeitig vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden, keine Ahnung von der Verfassung, oder sie verstellen sich.
Wir riskieren zu vermuten, dass es in der Tat beabsichtigt ist, erst die vorfristigen Parlamentswahlen und danach die fälligen Präsidentenwahlen zu vollziehen. Im Notfall kann man die vorfristigen Parlamentswahlen zeitlich mit den fälligen Präsidentenwahlen abstimmen.
Mit der Position des Präsdienten ist es nicht so einfach.
Als das Parlament den 25. Oktober 2009 als Termin für die fälligen Präsidentenwahlen bestimmt hatte, hat der Präsident diesen Entscheid kritisch eingeschätzt, immerhin hat er mitgeteilt, dass er „bereit ist, die Möglichkeit für die gleichzeitige Vollziehung der vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu prüfen“.
Man muss sich kaum wundern, dass der Präsident mit den Verfassungsnuancen betreffs der Vollziehung der vorgezogenen Wahlen nicht vertraut ist. Wiktor Juschtschenko hat nie eine besondere Ehrfurcht vor den Rechts- bzw. Verfassungsdetails erwiesen.
Es kann sein, dass die Public-Relations-Leute des Präsidenten darauf auch nicht geachtet haben, die ihm diese originelle politisch-technologische Aktion vorgeschlagen haben. Vielleicht haben die es doch gewusst, und haben es als Manöver mit Verhandlungen über die vorgezogenen Parlamentswahlen mit Absicht angestellt.
In jedem Fall sollte niemand eine Illusion haben: Wiktor Juschtschenko hat nicht vor, vorfristig das Präsidentenamt niederzulegen. Das hat vor kurzem Igor Popow bestätigt, der neulich zu dem stellvertretenden Chef des Präsidentensekretariats der Ukraine ernannt wurde. Kaum jemand anderer außer dem ehemaligen Chef des Wählerkomitees der Ukraine kennt so gut die Nuancen der Wahlgesetzgebung.
„Die Doppelwahlen“ können nur in dem Fall stattfinden, wenn verfassungsgemäße Gründe für die vorgezogenen Wahlen der Werchowna Rada entstehen – die sind noch nicht da, auch wenn ihnen die Regierung von Julija Timoschenko zustimmt.
Höchstwahrscheinlich ist das Thema der „Doppelwahlen“ nur ein Anlass für die Legalisierung der Idee der vorgezogenen Wahlen der Werchowna Rada (Oberster Rat d.h. Parlament) der Ukraine. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Initiatoren der vorgezogenen Parlamentswahlen auf die Wiederholung des „Ternopil Szenarios“ im allukrainischen Ausmaß setzen können.
Wenn Julija Timoschenko plötzlich den „Doppelwahlen“ zustimmt, dann muss man die Prozedere der Durchführung zweier Wahlkampagnen abstimmen.
In diesem Zusammenhang wird einem pikanten Detail des Gesetzes zu den Präsidentschaftswahlen der Ukraine besondere Aufmerksamkeit schenken. Laut Artikel 56 dieses Gesetzes kann dem Kandidaten für die Präsidentenwahlen das Recht auf die Wahlteilnahme aberkannt werden, falls er als Abgeordneter des ukrainischen Parlament, als Abgeordneter des Obersten Rat der Autonomen Republik Krim oder als Abgeordneter in einem lokalen Rat kandidiert, wenn diese Wahlen gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen der Ukraine durchgeführt werden.
Bereits jetzt beziehen sich die Kritiker der „Doppelwahlen“ auf diese Norm und behaupten, dass diese Norm es sinnlos macht, zwei Wahlkampagnen gleichzeitig durchzuführen. Tatsächlich bringt sie allen Führern der politischen Kräfte ernsthafte Probleme.
Aus der logischen Sicht des Wahlverfahrens müssen sie sowohl an den Präsidentenwahlen teilnehmen als auch die Stimmlisten oder Stimmblöcke ihrer Parteien bei den Parlamentswahlen führen. Und das Gesetz verbietet das.
Es ist doch viel einfacher eine Norm des Gesetzes als eine Norm der Verfassung abzuändern. Und man wird es sicher tun, wenn man eine abgestimmte Entscheidung über die „Doppelwahlen“ treffen wird.
Doch mittlerweile gibt es zwischen den politischen Schlüsselspielern weder eine Zustimmung bezüglich der „Doppelwahlen“ noch betreffs der vorgezogenen Parlamentswahlen, noch sogar betreffs des Termins für die fälligen Präsidentschaftswahlen.
Es gibt auch keine Übereinstimmung hinsichtlich der anderen viel wichtigeren Fragen für unser Land, die mit dem Ausweg aus der wirtschaftlichen und politischen Krise zu tun haben. Und das bringt uns auf traurige Gedanken an der Schwelle der Präsidentschaftswahlkampagne.
13.04.2009___ Wladimir Fesenko, Zentrum der politischen Analyse “Penta”
Quelle: Ukrajinska Prawda