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Wyschywanka-Mimikry: Die Manipulation mit Hilfe nationaler Symbole zeugt von der Primitivität unserer Gesellschaft

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Oleh Ljaschko und Iryna Luzenko beim Wyschywanka-Tag in der Werchowna Rada im Mai 2018, Foto: Serhij Kowaltschuk, rada.gov.uaDie ehemaligen Abgeordneten Oleh Ljaschko und Iryna Luzenko beim Wyschywanka-Tag in der Werchowna Rada im Mai 2018. Foto: Serhij Kowaltschuk, rada.gov.ua

Ich betone gleich, dass ich die ukrainische Wyschywanka [traditionell besticktes Bauernhemd, A.d.Ü.] für eines der markantesten nationalen Symbole halte, die warme Gefühle wecken und positive Assoziationen hervorrufen. Doch dabei muss man innehalten und über die Instrumentalisierung der nationalen Symbole durch draufgängerische und oft primitive Leute reden. Menschen, die nicht nur zu imitieren lernten, sondern auch sich zu verstellen. Und durch diese Mimikry/Täuschung haben sie nicht geringe Gewinne.

Verzeihen Sie den vulgären Biologismus, doch ohne diesen geht es in dieser Erzählung überhaupt nicht. Es geht um die Aufteilung in eigene und fremde. Das Leben in einer natürlichen Umgebung gibt den Arten nicht nur gemeinsame äußere Anzeichen, sondern formt auch über die Wiederholung der Verhaltenspraktiken Normen und Standards der Art. Das heißt Insekten, die einen grellen gelben Unterleib haben, sind giftig. Die Schildkröte kann Kopf und Beine im Panzer verbergen. Und nur im Märchen über die sieben Geißlein gelang es dem Schmied, die Stimme des Wolfes in die Stimme der Ziegenmutter umzuschmieden. Und diese Märchengeschichte ist auch für uns die interessanteste, denn sie bestätigt am besten das, zu welcher Täuschung Menschen greifen können, um an etwas Köstliches zu gelangen.

Wenn die Gesellschaft nach ethnischen und sprachlichen Anzeichen segmentiert ist, und zumal sie nach antagonistischen historischen Narrativen geteilt ist, steht die Frage, wie die eigenen identifiziert werden können? Die Bürger der Ukraine haben sich in den vergangenen hundert Jahren derart stark untereinander vermischt, und die Nachkommen sind oft Widersprüche zur Linie der Vorfahren, dass man von einer Reinheit der Art nicht reden kann. Und das genauso von einem ethnischen Nationalismus. Denn wie sonst will man die untereinander besungenen und märchenhaften Ukrainer, die Haare schwarz wie Teer haben, die groß und schlank mit einem Grübchen unter dem Kinn sind mit den rothaarigen Wolhyniern, den blonden und unterdurchschnittlich großen Galiziern und den grobgliedrigen Sloboda-Ukrainern einigen? Der Anthropologe muss hier passen.

Es gibt noch ein gemeinsames Moment der Wechselwirkung – die Sprache. Doch auch hier kam es nicht zustande. Noch härtere Auseinandersetzungen als um die Sprachfrage, kann man in der Ukraine nicht finden. Ja und auch die Sprache kann ein entfernter Fremder imitieren, und über einen Feind, der sich die entsprechende Aufgabe gestellt hat, braucht man nicht zu reden. Also kann, wenn es notwendig ist, jeder den „Katalog“-Ukrainer imitieren. Es ergibt sich also, dass die Identifizierung anhand von äußeren Kennzeichen fehlerhaft ist. Ebenso als fehlerhaft muss angesehen werden, dass nur ein ethnisch reiner Ukrainer ein aufrechter Patriot sein kann, der zu Verrat, Diebstahl und Betrug unfähig ist. Dass ein Mensch, der von ukrainischen Eltern geboren wurde, sofort einen Erlass für die Sünden seines ganzen weiteren Lebens erhält.

Eben diese Ansätze gebaren die massenhafte Nachäfferei bei den nach Macht und Geld strebenden Ukrainern. Um die wahren Absichten, vergangene Schandtaten, und zumal auch Diebstahl zu verbergen, kleidete sich das aktive Volk massenhaft in Wyschywankas. Als ob es nicht die gegeben hätte, die bei Ausschreibungen, bei der Verteilung von Geldern aus staatlichen, regionalen und städtischen Budgets sich etwas „abgekocht“ hätten. Bei pseudorationalisierenden Erfindungen für die Ukrsalisnyzja [Eisenbahn], bei der Kontrolle des Monopolisten Ukrspyrt [Alkoholmonopolist], beim Handel mit Posten, Gerichtsurteilen, dem Scheiternlassen von Strafverfahren und der Verteidigung von Pseudodissertationen. Die Wyschywanka hat alle gleichgemacht und alles bedeckt. Also wie weiter? Was sollte das Identifikationskriterium sein?

Mit dieser Geschichte kann man das erste Zwischenresümee ziehen: Manipulation mit Hilfe nationaler Symbole, im konkreten Fall der Wyschywanka, zeugt von der Primitivität unserer Gesellschaft. Bedeutet, dass die reflexartige Wahrnehmung der umgebenden Realität eine kritische Analyse verhindert. Es ergibt sich, dass die Unschuld überhaupt nicht bewiesen, Gerichtsurteile nicht widerlegt und ein eigenes Handlungsprogramm für die Zukunft nicht vorgelegt werden müssen. Es reicht sich eine schöne und teure Wyschywanka überzustreifen, damit der Stamm dich als den eigenen akzeptiert und für die nächsten Leistungen im Namen und zum Wohle des Stammes segnet.

Merken Sie die Momente, wenn die Welt um uns beginnt, vor Wyschywankas überzuschwelgen? Richtig, während des Wahlkampfs, während Rechenschaftsberichten der Staatsbediensteten, Pressekonferenzen anlässlich von „ungerechterweise“ eingeleiteten Strafverfahren. In diesen Situationen hörst du nicht auf über die Ukrainer zu staunen, die so leicht die Täuschung mit dem Kleiderwechsel „kaufen“. Der einzige Ausweg aus dieser hypnotischen Situation ist die Herausbildung der Fähigkeit bei den Menschen andere nicht nach ihrer Kleidung, sondern ihren vorherigen Taten zu beurteilen. Also danach, wie viele Hüllen der Politiker wechselte? Woher der gewöhnliche Funktionär, der niemals in der Wirtschaft arbeitete, Multimillioneneinkünfte hat. Woher der Sekretär des Kyjiwer Stadtrats Hunderte Wohnungen in der Hauptstadt hat? Woher der einfache NGO-Aktivist, vom Beruf Journalist, Dutzende Wohnungen in der Hauptstadt hat? Kurz gesagt: Ihr angemalten Patrioten, woher ist Euer Millionenvermögen?

Sie haben sicherlich bereits erraten, dass dieses Mal die Rede vom ukrainischen ethnonationalen Projekt mit seiner Gott gegebenen Erde, der nachtigallenhaften Sprache, der blutbeerigen Schönheit, also all der pastoralen Idylle geht, welche die bösen Feinde zerstören wollen. Doch das Tragen der Wyschywanka beinahe jeden Tag dient dem Schutz und hilft angeblich auch den Menschen in der sie umgebenden Welt sich zu orientieren, besser zu erkennen, wo die eigenen und wo die fremden sind. Die Methode ist, offen gesagt, sehr archaisch. Sie wird für die Demonstration der Gemeinde-Solidarität während der religiösen Feste angewandt, denn wo kann man noch besser die Treue gegenüber den Traditionen demonstrieren? Jedoch passt diese Uniform nicht sehr für Politiker, bei der Jurisprudenz und akademischer Tätigkeit.

Stellen wir uns vor, dass die Beschlussfindung bei der Generalversammlung der UNO nur möglich wäre, wenn die Repräsentanten jedes Volkes nur in nationalen Kostümen zugelassen würden. Ja, es geschehen einige exotische Vorfälle. Doch wie reagieren wir darauf? Stellen wir uns vor, dass ein Gericht irgendwo weit entfernt in Schottland ein angenehmeres Urteil über diejenigen fällt, die auf der Anklagebank im Kilt sitzen? Oder ein Richter wird vom Fall abgezogen, weil er nicht im nationalen Kleidchen und mit dem Dudelsack auf der Schulter erschien? Oder ein japanischer Manager kann nicht zum Leiter einer großen Gesellschaft werden, wenn er nicht im Kimono auf Arbeit geht? Doch der ukrainische Student, der zum Examen eine Wyschywanka anzieht, rechnet aus irgendeinem Grund mit einer besseren Note vom Prüfer. Und der Angeklagte kommt zum Prozess in der Wyschywanka weswegen? Wofür ist der Wyschywanka-Wettbewerb in der Werchowna Rada, wenn die Abgeordneten lügen, betrügen und stehlen?

Natürlich, die ukrainischen Wyschywankas sind unglaublich schön, doch sie hören auf ihre ästhetische Funktion dann auszuführen, wenn sie Schufte als Schutzuniform anziehen. Die mit diesem nationalen Symbol versuchen, ihr überhaupt nicht edles Treiben zu verdecken. Die Entsakralisierung dieses Symbols ist leider gegenseitig. Hier sind nicht nur diejenigen wichtig, die sich als anständige und aufrichtige Patrioten verstellen, sondern auch diejenigen, die auf diesen ekelhaften Zirkus hereinfallen.

Zu guter Letzt: Es wäre ungerecht die eigene Kritik nur auf den ethno-nationalen Teil des ukrainischen Projekts zu konzentrieren. Es gibt auch einen anderen – den arbeiter-proletarischen Teil. Und genauer: den oligarchisch-proletarischen Teil. Nur dort tritt in der Rolle dieses Symbols keine Kleidung auf, sondern Schlüsselwörter. Er ist auf einem oxymoronhaften Populismus errichtet, wenn die Starken dieser Welt in Brioni-Anzügen Tränen wegen des Schicksals der Menschen vergießen, die in den Schächten und den illegalen Gruben arbeiten. Das Einzige, was beide Projekte eint, ist der Versuch zu betrügen, die Aufmerksamkeit abzustumpfen und den einzigen Wert zu nehmen, der den Bürgern bleibt – die Stimme bei den Wahlen.

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3. April 2020 // Wassyl Rassewytsch

Quelle: Zaxid.net

Übersetzer:   Andreas Stein — Wörter: 1208

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