Das Referendum, ein Erfolgsrezept
Man nehme Kalaschnikows. Man schüre Angst und Hass. Man stürze die friedlich lebenden Städte ins Chaos. Man verkünde eine Volksrepublik. Man erkläre sich zu ihrem Präsidenten. Man stemple alle, die nicht einverstanden sind, zu Faschisten ab. Man führe eine Volksabstimmung durch. Man kopiere jede Menge Stimmzettel. Man verwende dazu ein gewöhnliches Kopiergerät. Man richte zwei Vorzeigelokale ein, damit das gewünschte Bild weltweit multipliziert werden kann. Man lasse ohne Ausweis und Wahlbenachrichtigung abstimmen. Man lasse eine Person abstimmen, soviel sie will – Hauptsache, sie kreuzt „Ja“ an. Man vervielfältige am besten so viele Stimmzettel als möglich, auf denen das „Ja“ bereits angekreuzt ist. Man mache die Ergebnisse bekannt, am besten noch, bevor die Wahllokale geschlossen werden, damit die Printmedien alles noch rechtzeitig einbringen können. Man brauche die Stimmzettel gar nicht auszuzählen, das Ergebnis steht längst fest: 90 Prozent sind dafür. So viel ist gewiss. Jeder, der nicht glauben will, ist ein Feind. Ein Feind der Volksrepublik. Und was man mit den Feinden einer Volksrepublik macht, das kennt man eh aus der Geschichte.
Die nicht aufgearbeitete Vergangenheit
Die Farce vom letzten Sonntag legt ein Problem offen, das weder in den ukrainischen noch in den Weltmedien angesprochen wird. In den meisten nach dem Zerfall der UdSSR entstandenen Ländern ist die sowjetische Vergangenheit nie aufgearbeitet worden, in manchen, wie beispielsweise in Russland, werden ihre schlimmsten Kapitel zum Fundament der aktuellen Politik gemacht.
In der Ukraine ist sie zum Spielbällchen der rhetorisch-ideologischen Übungen und noch mehr der Machtkämpfe geworden. Ihre wissenschaftliche Aufarbeitung wurde weder gefördert noch zur Kenntnis genommen. Die sowjetischen Mythen lebten weiter und wurden großzügig gefüttert – die sowjetischen Filme, größtenteils Propagandaschrott, füllen das Repertoire der meisten TV-Sender, zur Abwechslung ein bisschen Hollywood. Eigene Produktionen, seien es Seifenopern oder Art-House-Filme, fehlen.
Die wenigen nicht ideologischen Streifen, nach wie vor sehr beliebt, sind dennoch im semiotischen System der Sowjetzeit, aus der sie stammen, angesiedelt: man lebt entweder in zwei Wirklichkeiten oder gar an der Wirklichkeit vorbei. Die sowjetische Filmkomödie „S ljochkim parom“, die in der unabhängigen Ukraine zu jedem Jahreswechsel mitunter von drei-vier Sendern am gleichen Tag ausgestrahlt wird, wird einem Warlam Schalamow vorgezogen. Bei Schalamow muss man nachdenken, bei einer Fernsehkomödie entspannt man sich – man vertieft sich in die „guten alten Zeiten“, man versinkt dort.
Das heimtückische Gedächtnis
Das Gedächtnis tickt tückisch. „Damals“, „als wir noch jung waren“ – die ältere Generation, vor allem in der Ostukraine, erinnert sich gern an die „soziale Geborgenheit“ und die „Stabilität“ der Sowjetzeit. Die Erinnerung ist so beschaffen, dass sie das Angenehme behält und verklärt, das Unbequeme aber verdrängt, zumal diesem „Damals“ ein Teil des eigenen Ich gehört.
Dabei verteilen sich die Sympathien und Akzente der jüngeren Generationen grundsätzlich anders. Sämtliche in den letzten Jahren durchgeführten Umfragen zeigen, dass die Trennlinie nicht zwischen der Ostukraine und der Westukraine, wie es zahlreiche „Politiker“ in der Ukraine und vor allem in Russland suggerieren wollen, sondern zwischen den Generationen verläuft! Während die Rentnergeneration in der Westukraine eher prowestlicher und in der Ostukraine eher sowjetisch-nostalgischer eingestimmt ist, wird innerhalb der jüngeren Generationen eine hohe Homogenität zwischen den Regionen registriert – sie wollen in einer demokratischen, offenen, einheitlichen Ukraine leben.
14. Mai 2014 // Tymofiy Havryliv, geb. 1971 in Iwano-Frankiwsk, ist Schriftsteller, Blogger, Übersetzer und Literaturtheoretiker. Auf Deutsch ist sein Roman „Wo ist dein Haus, Odysseus?“ (Ammann Verlag 2009) erschienen.
Forumsdiskussionen
Frank in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„"§ 107 Wahlbehinderung (1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt eine Wahl oder die Feststellung ihres Ergebnisses verhindert oder stört ..." Hat mit seinem Anliegen irgendwie gar nix zu tun na...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Toleranz ist das Stichwort und im Grunde befindet er sich zum großen Teil unter Gleichgesinnten und erkennt es nicht, sehr schade, allerdings sind seine Umgangsformen etwas eingeschränkt, was ebenso...“
Bernd D-UA in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi Die Meinung anderer zu achten ist nicht so Dein Ding, Du musst sie ja nicht teilen. Dies ist aber eine grundlegende Regel einer Diskussion, daher macht die Diskussion mit Dir wenig Sinn, offensichtlich...“
Frank in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„... keine macht den Drogen ... such dir mal Hilfe“
Tombi in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Soweit alles Verstanden? Aha, wieder so ein Widerling der...“
Tombi in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Handrij, ich vermute Du bist ein FSB-Agent, da ich mit Euch Moördern nicht zusammen arbeiten möchte, und mir Deine Zensur zu peinlich ist: gehe ich, ich verlasse Dich & Deine Desinformation, deine...“
Tombi in MDR • Re: Ukraine-News: Russland meldet Rückeroberung von Großteil besetzter Kursk-Region
„Wer ist eigentlich so naiv, und verbreitet immer noch putinsche Propaganda Meldungen, in diesem Forum? Ihr wisst doch genau, dass der keinen mehr hoch bekommt. Ausser Lügen stemmt der doch gar nichts...“
Tombi in Ukraine-Nachrichten • Re: Kellogg muss Putin überzeugen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen
„Quatsch, Kellogs muss nur Putin überzeugen, die Ukraine zu verlassen, und sein Morden einzustellen. wer schreibt diesen hinterhältige Putinschen Propaganda Artikel eigentlich, sind diese dämlich? Geht...“
Obm100 in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“
Awarija in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“
Obm100 in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Mich würde es Interessieren, ob die Amis sich auch raushalten, wenn der Zwerg Alaska besetzt oder Teilbesetzt. Es könnte ja zu einem Atomkrieg kommen, wenn die Amis Truppen schicken. Sie senden anscheinend...“
Nicnac in Hilfe und Rat • Re: Adoption / Adoptieren eines ukrainischen Kindes
„Klar, ist aber trotzdem auch heute noch - vielleicht gerade heute wo tausende Kinder Hilfe benötigen - ein Thema und wenn der Teilnehmer nicht gelöscht ist, kann man doch fragen, oder? Mehr als KEINE...“
Bernd D-UA in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Es ist Deine Entscheidung im Ausland zu leben, offensichtlich...“