FacebookXVKontakteTelegramWhatsAppViber

Das Recht auf das eigene Gedächtnis

0 Kommentare

Zum 75, Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa haben der Schriftstellerverband PEN-Ukraine und die Nationale Universität „Kyjiwer Mohyla Akademie“ das internationale Projekt „Peace and War“ (Frieden und Krieg) organisiert, eine TV-Marathon-Konferenz, in der eine zeitgenössische europäische Sichtweise auf den Zweiten Weltkrieg besprochen wurde und gegenwärtige Herausforderungen, vor deren Angesicht die Ukraine steht, unter anderem auch der Krieg im Donbass, reflektiert wurden.

In Rahmen des Projektes veröffentlicht das Portal „LB.ua“ die Transkription der Rede des ukrainischen Dichters und Schriftstellers Serhij Schadan.

Es ist interessant und aktuell zu versuchen über unser Recht auf Gedächtnis zu sprechen und darüber, warum bei weitem nicht alle von uns bereit sind, dieses Recht zu nutzen. Das Problem oder die Frage scheint mir darin zu bestehen, dass wenn man über das Recht auf Gedächtnis spricht, meinen wir vor allem das Recht auf das eigene Gedächtnis. Gleichzeitig versucht man uns eine andere Variante unterzujubeln, eine andere Sichtweise, irgendein anderes Konzept unserer historischen Vergangenheit und unserer politischen Vergangenheit vorzuschlagen, was für uns nicht ganz akzeptabel ist.

Im Kontext der Beendigung des Zweiten Weltkrieges, der Tage, wenn wir aller in diesem Krieg ums Leben Gekommener gedenken, ist die Frage über das Recht auf das eigene Gedächtnis, meiner Meinung nach, mehr als aktuell. Viele unserer Mitbürger verbleiben auch weiterhin im postsowjetischen oder neurussischen Diskurs der Geschichtswahrnehmung. In dem es nicht um Respekt für die Opfer, nicht um Gedenken an diese geht, sondern um bloßen Revanchismus. Sogar schon in diesem Motto „Wir können es wiederholen“ geht es nicht um Respekt oder Gedenken, sondern mehr um die Demonstration eigener Macht, um Bedrohungen und um den Versuch den Dialog zum eigenen Vorteil zu lenken. Es ist klar, dass im Zusammenhang des russisch-ukrainischen Krieges, der bereits sieben Jahre dauert, das Motto „Wir können es wiederholen“, das so klingt, als ob es gegen den Nationalsozialismus gerichtet ist, größtenteils vonseiten Russlands gegen uns gerichtet ist, gegen die heutigen Ukrainer, die es gewagt haben, Widerstand zu leisten, eine eigene Sichtweise zu verteidigen und die Welt und sich selbst daran zu erinnern, dass wir ein Recht auf ein Gedächtnis haben.

Wir haben ein Recht auf die Vergangenheit und wir haben ein Recht auf Geschichte. Aber es muss unser Gedächtnis, unsere Vergangenheit, unsere Geschichte sein. Selbstverständlich passt es nicht in irgendwelche ideologische Konzeptionen russischer Polittechnologen und Politiker. Deswegen ist der Tag, der uns eigentlich vereinen sollte, weiterhin sehr geeignet und sehr bequem für politische und ideologische Manipulationen, was sehr schade ist.

Ich denke, dass dies sehr präzise den allgemeinen Zustand der ukrainischen Gesellschaft charakterisiert: zerrissen, desorientiert und unentschieden bezüglich der eigenen Vergangenheit. Und natürlich es ist sehr schwer für die Gesellschaft, sich weiterzuentwickeln. Aber ich glaube, dass wir das alles überwinden können und bei uns alles gut wird.

Ich erlaube mir auch ein paar Worte über den Vergleich zu sagen, wie wir in der Kunst beispielsweise über den Zweiten Weltkrieg und über den russisch-ukrainischen Krieg reden. Warum ist unser Narrativ bezüglich der heutigen Ereignisse im Osten des Landes, im Donbass, überzeugender, deutlicher und mehr in die Zukunft gerichtet? Im Gegensatz dazu sind unsere Versuche über die Geschichte zu reden sehr traumatisch und ziemlich problematisch. Worin besteht hier das Problem? Meiner Meinung nach liegt das Problem in der eigenen Sicht auf die Geschehnisse, die sich jetzt ereignen.

Wenn wir über den Krieg mit Russland reden, den Krieg mit dem Besatzer, dem Aggressor, dann reden wir darüber aus unserer eigenen Sicht. Wir hören nicht auf irgendjemandes Geflüster, wir lassen uns nicht durch irgendwelche Konzeptionen, die uns von außen angehängt werden, lenken. Das ist unsere Sicht, unser Land, das wir verteidigen, wir verteidigen unsere eigene Zukunft. In diesem Fall sind solche Sachen überzeugend genug und deutlich genug. Im Gegensatz dazu sind wir, wenn wir über die Geschichte reden, zwischen verschiedenen Konzeptionen unentschlossen. Wir können unsere eigene Perspektive weiterhin nicht finden, die ausschließlich unser Verständnis der Geschichte, unsere Geschichtswahrnehmung und unsere Bemühungen, uns mit unserem eigenen Gedächtnis auseinanderzusetzen, bezeugt. Selbstverständlich ist es ein sehr kompliziertes und traumatisches Verfahren. Jedoch müssen wir dieses Verfahren durchmachen, denke ich.

Solange wir selbst über unsere Geschichte aus unserer eigenen Sicht, aus der Sicht der Ukraine und Ukrainer nicht reden, solange werden das für uns unsere Nachbarn tun. Und dabei werden sie zweifelsohne unsere Interessen nicht berücksichtigen.

Serhij Schadan [international vermarktet als Zhadan, A.d.R.] ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und zivilgesellschaftlicher Aktivist. Er ist der Preisträger des Wassyl-Stus-Preises. Schadan ist auch der Frontmann der Bands „Schadan i Sobaky w kosmossi“ [Schadan und die Hunde im Kosmos] und „Linija Mannerheima“ [Mannerheim-Linie]. Er ist Autor der Romane „Depeche Mode“, „Woroschilowgrad“, „Mesopotamien“ und „Internat“, sowie auch der Gedichtsammlungen „Zytatnyk“ [Zitatensammlung], „Äthiopien“, „Schyttja Mariji“ [Das Leben von Marija], „Tampliiery“ [Der Templerorden] und andere. Schadan gehört auch zu den Mitgliedern des Schriftstellerverbandes PEN-Ukraine.

Das Transkript wurde von Iryna Harnez vorbereitet.

Den täglichen oder wöchentlichen Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!

14. Mai 2020 // Serhij Schadan, Dichter, Schriftsteller

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzerin:   Alina Onopriienko — Wörter: 812

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Bluesky, Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und täglich oder wöchentlich per E-Mail.

Artikel bewerten:

Rating: 5.0/7 (bei 1 abgegebenen Bewertung)

Kommentare

Neueste Beiträge

Aktuelle Umfrage

Werden die von Trump eingeleiteten Friedensgespräche erfolgreich sein?
Interview

zum Ergebnis
Frühere Umfragen
Kiewer/Kyjiwer Sonntagsstammtisch - Regelmäßiges Treffen von Deutschsprachigen in Kiew/Kyjiw

Karikaturen

Andrij Makarenko: Russische Hilfe für Italien

Wetterbericht

Für Details mit dem Mauszeiger über das zugehörige Icon gehen
Kyjiw (Kiew)20 °C  Ushhorod25 °C  
Lwiw (Lemberg)18 °C  Iwano-Frankiwsk20 °C  
Rachiw19 °C  Jassinja20 °C  
Ternopil18 °C  Tscherniwzi (Czernowitz)22 °C  
Luzk20 °C  Riwne22 °C  
Chmelnyzkyj20 °C  Winnyzja18 °C  
Schytomyr20 °C  Tschernihiw (Tschernigow)22 °C  
Tscherkassy24 °C  Kropywnyzkyj (Kirowograd)23 °C  
Poltawa26 °C  Sumy25 °C  
Odessa26 °C  Mykolajiw (Nikolajew)27 °C  
Cherson28 °C  Charkiw (Charkow)29 °C  
Krywyj Rih (Kriwoj Rog)28 °C  Saporischschja (Saporoschje)30 °C  
Dnipro (Dnepropetrowsk)29 °C  Donezk33 °C  
Luhansk (Lugansk)36 °C  Simferopol27 °C  
Sewastopol25 °C  Jalta27 °C  
Daten von OpenWeatherMap.org

Mehr Ukrainewetter findet sich im Forum

Forumsdiskussionen

„Ist wie immer Glückssache. Bin am 1. Juni, in Krakivets in 50 Minuten rüber. Gestern, waren es zurück 6 h.“

„Passt nicht ganz in diesen Thread, bin dieses Mal über Ungarn in die Ukraine eingereist. Grenzübergang Berehove/Luschanka, ich war das einzigste Auto, bin in 20 Minuten durch beide Kontrollen gekommen....“

„Und ja, Lutsk war schon mehrfach "unter Feuer " das Leben geht weiter, am Montag war Riwne dran, im Grunde gleich neben an, aber ich lasse mir mein Hirn nicht von Putin... F..., das ist mein Wiederstand!“

„Tanken ist kein Problem... Westukraine ist das komplett safe, Lwiw... oder unterwegs... kein Problem, morgen tanke ich in Lutsk wieder voll, kein Problem Bisher hatte ich keine Einschränkungen, bin aber...“

„Wasserstandsmeldung. In Lwiw habe ich eine tolle Nacht im Hotel verbracht, inkl. Restaurantbesuch, hab tief geschlafen und bin gut erholt aufgewacht. War dann heute nochmals Golf spielen, unweit von Lwiw......“

„"Toll und sicher in der Westukraine" ? - Das mag vielleicht noch für das unmittelbare Grenzgebiet um Mukatschewo gelten. Aber gerade Luzk ist doch schon mehrfach mit großen Luftschlägen angegriffen...“

„Flixbus fährt ab Kiew mir Umsteigen komplett Deutschland oder private Busse, das klappt auch oder " blablacar" App Mitfahrgelegenheit. Mache ich schon seit über 10 Jahren, da werden sicher Fahrten angeboten“

„Wiederum, vielleicht sitzt sie schon in D im Aufnahme..." Lager" und hat Langeweile und braucht Geld und Ablenkung...“

„Kollege, die sitzt in einen Bus und fährt nach D. Das ist so was von unseriös... lass Dich doch nicht verarschen.“

„Luhansk... wieder so ne "Geschichte "“

„Die Frage ist wo? In der Ukraine oder in Deutschland? In D geht es ein bisschen länger, so 4 bis 6 Wochen, aber sehr seriös und zuverlässig. Generalkonsulat in München und deren Außenstelle. 05.2025...“

„Nun, ich bin schon wieder in der Ukraine im Urlaub..., jaaa, das geht! Hängt natürlich etwas von der " Gegend " ab, wo man "abhängt". War gestern in Mukatschewo und in Irschawa (Zakarpatska). Bin heute...“

„Ich sehe gerade, das ich mich mit dem Bus Ticket vertan habe. Es sind 4600 Hrywnja, ca 100€“

„Also könnte sie nicht einfach mit ihrer ukrainische ID-Karte und dem Bus Ticket (siehe #2) für ca 250 Hrxwnja ( ca. 5,50€) die Reise durchführen?“

„Ergänzend der Hinweis: Falls Sie eine ukrainische ID-Karte (Modell 2015) besitzen, gilt diese bis zum 23.2.2026 als Passersatz. Sollten Sie uns glaubhaft nachweisen können, dass Sie keinen Reisepass...“

„Hey zusammen, ich habe soetwas ähnliches. Die Frau wohnt ebenfalls in charkiv und möchte nach Deutschland ausreisen. Sie besitzt aber keinen Reisepass. Ich denke das es sich um eine Betrugsmasche handelt....“

„Gibt es in der Ukraine inzwischen SWIFT? Habe eine UA… Kontonummer bekommen.“

„Guten Morgen, Ich bin in diesem Forum zufällig über die Information gestoßen, dass es offenbar Dienstleister gibt, die gegen Gebühr einen Reisepass für Ukrainer innerhalb von zehn Tagen ausstellen...“

„Das Geld soll schon in die Ukraine gehen. Aber nicht auf den Namen des Passes. Den sie mir gezeigt hat und mit Betreff GIFT. Konto gehört angeblich ihrer Mutter, die eines besitzt weil sie Rente bekommt....“

„Die Masche ist wohl wieder im Vormarsch. Gab doch erst letzte Woche so eine komische Anfrage. In welches Land soll denn das Geld gehen?“

„Liebe Forumsgemeinschaft, Ich hoffe auf eure Erfahrung und unvoreingenommen Urteilskraft. Ich habe über eine Partnerbörse eine ukrainische Grundschullehrerin kennen gelernt, die nach eigener Aussage...“

„Nächste Woche geht es durch den Kongress, Mehrheit ist vorhanden Saudi-Arabie hat auch schon die Produktion hochgefahren.: sagt schon eimal: Hasta la Vista, Putina.....“

„@Frank..., da wirst Du vermutlich nicht Unrecht haben! Züge fahren jedenfalls nach Kiew, auch von Kharkiv aus, eine Ukrainerin findet das selbst auch sehr viel schneller, da sie der Landessprache mächtig...“

„Habe gedient, allerdings hat es nur zum Obergfreiten gereicht, als Wehrdienstleistender die " Krönung", aber klar doch UA = Ukraine. Ich denke, da hat sich jemand nur einen Spaß gemacht. Panzer sind...“

„Soll das ein Witz sein? Die Dame aus Charkiv weis nicht wie sie nach Kyjiw kommt? Klingt doch wieder mal nach jemand der dir das Geld aus der Tasche ziehen will.“

„Ich benötige einmal Euer Schwarmwissen: Für den Besuch einer Bekannten aus Charkiv nach Hannover suche ich gerade nach Möglichkeiten der Reisemöglichkeit. Meines Wissens fahren Busse auf der Route...“