Die so genannte Genfer Erklärung zur Beilegung der Ukrainekrise impliziert mit erstaunlicher Eindeutigkeit, dass die Krim nicht länger ukrainisches Staatsgebiet ist. Wie schon im Falle der russischen Protektorate Transnistrien, Abchasien und Südossetien, findet sich der Westen aus Angst und Desinteresse mit Russlands Zerlegung ehemaliger Sowjetrepubliken ab. Besonders skandalös sind die nichtsdestoweniger engen Handels- und Investitionsbeziehungen der EU und nicht zuletzt Deutschlands zum multiplen Völkerrechtsverletzer und Okkupanten mehrerer Länder – Russland.
Durch eine Kombination von diplomatischem Pokerspiel, Medienmanipulation und politischer Chuzpe hat der russische Präsident Wladimir Putin erreicht, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten in schriftlicher Form de facto Russlands Hoheitsrecht über die Krim akzeptiert haben. Die Gemeinsame Genfer Erklärung der EU, USA, Ukraine und Russischen Föderation vom 17.4.2014 besagt u.a.: „alle illegal okkupierten Straßen, Plätze und andere öffentlichen Räume in ukrainischen Städten und Siedlungen müssen geräumt werden“.
Dieser Satz sollte zuerst und vor allem für die russischen Truppen gelten, die „öffentliche Räume“ in der Autonomen Republik Krim bereits vor dem Pseudoreferendum vom 16. März 2014 inkognito „illegal okkupiert“ hatten und nun offen besetzt halten. Das einzige Gebiet der Krim, in welchem sich russische Truppen bis 2017 legal aufhalten dürfen, ist die russische Flottenbasis Sewastopol, für deren Existenz Russland an die Ukraine Mietzahlungen entrichten muss. Nach der Genfer Erklärung sieht es allerdings so aus, dass der Westen zufriedengestellt wäre, wenn sich die von Russland angefachte Separationsbewegung in der Ostukraine wieder zurückzieht. Damit befindet sich die Genfer Erklärung von 2014 in direktem Widerspruch zum Budapester Memorandum von 1994, in welchem die USA, Großbritannien und Russland die staatliche Souveränität der Ukraine bei Abgabe des drittgrößten Nuklearwaffenarsenals der Welt zugesichert hatten. Das damalige und seither durch mehrere völkerrechtliche Verträge nochmals anerkannte Staatsgebiet der Ukraine schloss und schließt die Halbinsel Krim ein.
Mehr noch: Russland wird die Genfer Erklärung dazu nutzen, die postrevolutionäre ukrainische Regierung zu beschuldigen, die verbliebenen mehr oder minder stark bewaffneten Selbstverteidigungseinheiten des Euromaidans, insbesondere des Rechten Sektors, nicht vollständig aufgelöst zu haben bzw. nicht zu kontrollieren. Die Propagandamaschine Moskaus hat nun einen neuen Bezugspunkt, den sie weidlich ausnutzen dürfte. Der Westen liefert der Moskauer Autokratie eine Steilvorlage und macht die junge Kiewer Demokratie noch stärker zur Geisel der sozialen Unordnung und politischen Fragilität, die nach einem so tiefgehenden und blutigen Regimewechsel, wie er in der Ukraine stattfand, historisch kaum überrascht. Vor allem aber wird der Kreml sicherstellen, dass die Genfer Erklärung von der russischen Bevölkerung und anderen Unterstützern als Zeichen westlicher Akzeptanz der politischen Wirklichkeit und historischen Rechtmäßigkeit der Krimannexion verstanden wird. Ja der Text der Genfer Erklärung könnte so ausgelegt werden, dass der Westen die völkerrechtliche Zulässigkeit der russischen Einverleibung der Schwarzmeerhalbinsel anerkennt.
Viele im Westen und insbesondere die Pazifisten Europas – nicht zuletzt Deutschlands – werden erfreut sein, dass, wie schon nach dem Russisch-Georgischen Krieg 2008, der Weltfrieden gesichert scheint. Wie schon im Falle Transnistriens, Abchasiens und Südossetiens, erscheint die Aufgabe eines für den europäischen Normalbürger letztlich bedeutungslosen Landstriches wie der Krim kein allzu hoher Preis für die Verhinderung eines Krieges bzw. sogar eines Atomkrieges mit Russland. Die russische Verletzung der Souveränität postsowjetischer Staaten ist quasi schon ein Gewohnheitsrecht Moskaus.
Russland verletzt seit Jahren Artikel 19 der 1999er Istanbuler Gipfel-Deklaration der OSZE, der den Abzug russischer Truppen aus dem transnistrischen Teil Moldovas bis 2002 festhielt. Seit mehr als fünf Jahren ignoriert Moskau ebenso hartnäckig den entscheidenden Punkt 5 des so genannten Sarkozy-Plans, welcher den Russisch-Georgischen Krieg im August 2008 beendete und den Rückzug der russischen Invasionstruppen aus Georgien in ihre Ausgangspositionen im russischen Staatsgebiet vorsah.
Deutschland „belohnte“ zudem quasi noch das Verhalten Moskaus bezüglich Moldova und Georgien. 2001, als bereits vermutet werden konnte, dass Russlands Truppen in Transnistrien bleiben, erhielt Putin Gelegenheit, eine stürmisch gefeierte Rede im Deutschen Bundestag zu halten. Nur wenige Wochen nach der Moskauer Desavouierung des Sarkozy-Plans und der offiziellen Verwandlung Abchasiens und Südossetiens in russische Protektorate wurde auf dem 8. Treffen des Petersburger Dialogs im Herbst 2008 die deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft offiziell verkündet. Die Genfer Erklärung vom 17.4.2014 erkennt de facto an, dass die Krim nicht mehr zur Ukraine gehört und stellt eine indirekte schriftliche Zustimmung des Westens zur Fortsetzung russischer Völkerrechtsverletzung im postsowjetischen Raum dar.
Damit wird auch die störungsfreie Fortsetzung der zahlreichen laufenden, teils kleineren, teils größeren Handelsverträge, Investitionsvorhaben und Joint-Venture-Projekte zwischen der EU und Russland sichergestellt. Vor allem werden die EU-Staaten, allen voran Deutschland, zumindest in näherer Zukunft ihre allmonatliche Auffüllung des russischen Staatsbudgets mit Petro-, Gas- und Kohle-Euros fortsetzen. Der Kreml ist auf den enormen Geldstrom aus Europa angewiesen. Er benötigt Mittel nicht zuletzt zur adäquaten Entlohnung seiner Truppen, Agenten, Kollaborateure, Propagandisten, Hacker usw. in Moldova, Georgien, der Ukraine und anderswo.
Der Status quo ante ist wiederhergestellt. Die europäische Ordnung nach Ende des Kalten Krieges ist oder scheint zumindest wieder intakt. Die EU-Bürger können wieder ruhig schlafen – häufig in Gazprom-gelieferter Wärme. Die demnächst durch Großverträge mit Brüssel „assoziierten“, angeblichen EU-Partnerländer Moldova, Georgien und Ukraine zahlen die Zeche.
Ein redaktionell bearbeitete Fassung des Textes erschien zuvor auf ZEIT ONLINE.
[Siehe auch die scharfe, manchmal zu scharfe Kritik Andreij Illarjonows, der die Genfer Erklärung als eine Wiederholung des Münchener Abkommens von 1938 betrachtet: Андрей Илларионов: Женевские соглашения – это Мюнхен 2014]
Forumsdiskussionen
stammtisch-bot in Termine • Einladung ins Ministerstvo Desertiv (Metro Zoloti Vorota)
„Liebe Freundinnen und Freunde der gepflegten Sonntagabendunterhaltung, diesen Sonntag ziehen wir weiter. Es geht ins Ministerstvo Desertiv auf der Bohdana Khmel'nyts'koho 32 (50.4466, 30.5107; ... )....“
Haertig in Hilfe und Rat • Re: 2 Ukrainische Freundinen möchte nach Mariupol um Ansprüche zu machen…
„Du hast mich sehr geholfen. Vielen Dank“
Haertig in Hilfe und Rat • Re: 2 Ukrainische Freundinen möchte nach Mariupol um Ansprüche zu machen…
„Vielen Dank für dein Antwort. Dennoch gefällt mir das nicht wenn ich bedenke das Die nach Mariupol wollen. Werden die bei der Einreise eine Lügendetektor unterzogen? Kann ich denen nicht einfach ein...“
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„Hi. Zwei Ukrainische Freundinen (Mutter, Tochter) musste aus Mariupol nach Deutschland flüchten. Hatte Eigentumswohnung und Bankkonto. Jetzt wollen die für ca. 3 Wochen über Moskau nach Mariupol um...“
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„Wundert mich dass ein beschädigtes E-Auto überhaupt über den Deich transportiert wird.“
stammtisch-bot in Termine • [Sonntagsstammtisch Kyjiw/Kiew] Einladung ins Gogi (Metro Ploshcha Ukrainskykh Heroiv)
„Liebe Freundinnen und Freunde der gepflegten Sonntagabendunterhaltung, diesen Sonntag geht es noch einmal ins Gogi auf der Hetmana Pavla Skoropadskoho 13 (50.4403, 30.5103; ... ). Ab 19.00 Uhr ist ein...“
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„was schluckst du für Zeug? das will ich nicht haben ...“
Anonymer Gast in Wirtschaft • Re: Ukraine-Hilfe: Vorreiterrolle für Deutschland schwierig
„Wird Scholz von Putin erpresst? Kann er deshalb Taurus nicht liefern? Hat Putin nicht nur Generäle abgehört sondern auch Scholz und verfügt über vernichtende Details aus Cum Ex und Wirecard Sünden...“
Bernd D-UA in Hilfe und Rat • Re: Rechtlich: volljaehriges Kind eigene Wohnung?
„Will mit der Freundin zusammenziehen? Ist also nicht allein! Mein Sohn ist 23 Jahre alt, hat eine Freundin seit er 17 Jahre alt ist, er ist ebenfalls Student, und beide, also Sohn und Freundin wohnen Zuhause,...“
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„Alles relativ, wir sind der zweit größte Waffenlieferant nach den USA! Grundsätzlich hätte natürlich alles erheblich besser und schneller ablaufen können, allerdings läuft die Taurusdiskussion ins...“
bootsmann67 in Hilfe und Rat • Rechtlich: volljaehriges Kind eigene Wohnung?
„Halloechen! Ich wollte nachfragen, ob einem volljaehrigen Kind einer ukrainischen Fluechtlingsfamilie eine eigene Wohnung zur Miete zustehen wuerde. Die Situation: eine 4 koepfige Familie auf Mariupol...“
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„Habe gerade einen Aufsatz von DIJuF Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. ein Forum für Fachfragen gelesen, mit dem Thema "Ukrainisches Abstammungs- und Sorgerecht– Anerkennung...“
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„Stimmt. Meine Idee weicht etwas ab. Aber ggf. kein Grund, das noch einmal auszudiskutieren. Es verwundert mich aber doch sehr, dass diese Idee noch nicht in den großen Medien angekommen ist, um sie dort...“
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„Ihre "Verdächtigen" sind doch auch nur eine Lüge. Da ist einiges nicht wirklich logisch“
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„Oberkasper Putler hat wieder mal versagt. Da sagen die Amis schon dass sowas passieren könnte und der hat wie immer keine Ahnung. Lächerlich. Einzige was er kann Widersacher umbringen zu lassen sonst...“
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„..... Na, da bin ich mal gespannt. Russland hat recht genaue Ziele und wird ganz sicher nicht mehr nach der westlichen Pfeife tanzen. ..... Ich denke mal, dass die Russen selber darauf gespannt sind, welche...“
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Frank in Ukraine-Nachrichten • Re: Die Unternehmen von DTEK haben in den ersten beiden Monaten des Jahres drei Kohlemähdrescher hergestellt
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Frank in Politik • Re: Die Anzeichen verdichten sich, dass Putin bald gewinnt
„.... Na, da bin ich mal gespannt. Russland hat recht genaue Ziele und wird ganz sicher nicht mehr nach der westlichen Pfeife tanzen.... Als der Sklave von China ist natürlich viel besser“
Frank in Vermischtes • Re: Interview: «Ja, ich schäme mich» – junge Ukrainer im Ausland werden die Frage nicht los: Soll ich zurückkehren, kämpfen und vielleicht sterben? Oder bleiben und leben?
„Ich sage ja, Opfer in jeder Hinsicht. Sogar der billigsten ukrainischen und westlichen Propaganda. Du ergötzt dich dran wenn Menschen umgebracht werden, Privateigentum vernichtet wird, Existenzen zerstört....“
Minimax in Vermischtes • Re: Interview: «Ja, ich schäme mich» – junge Ukrainer im Ausland werden die Frage nicht los: Soll ich zurückkehren, kämpfen und vielleicht sterben? Oder bleiben und leben?
„Ich sage ja, Opfer in jeder Hinsicht. Sogar der billigsten ukrainischen und westlichen Propaganda.“
Frank in Vermischtes • Re: Interview: «Ja, ich schäme mich» – junge Ukrainer im Ausland werden die Frage nicht los: Soll ich zurückkehren, kämpfen und vielleicht sterben? Oder bleiben und leben?
„Dass du doof bist ist offensichtlich, manche Opfer, wie auch das in den Bildern, sind nicht mehr zu retten. Warum haben Russen so das Verlangen Kinder und Frauen umzubringen? Zumal fest steht dass auch...“
Minimax in Vermischtes • Re: Interview: «Ja, ich schäme mich» – junge Ukrainer im Ausland werden die Frage nicht los: Soll ich zurückkehren, kämpfen und vielleicht sterben? Oder bleiben und leben?
„Dass du doof bist ist offensichtlich, manche Opfer, wie auch das in den Bildern, sind nicht mehr zu retten.“
Minimax in Politik • Re: Die Anzeichen verdichten sich, dass Putin bald gewinnt
„Die ukrainische Regierung ist mittlerweile in ihrer Kriegsführung weitgehend abhängig von ausländischer Hilfe. Das bedeutet: Auch ohne militärische Niederlage hat das Land weite Teile seiner Souveränität...“