Ich habe einmal einen sehr beliebten ukrainischen Fernsehmoderator gefragt: „Warum behandeln Sie in Ihren Beiträgen nur politische Themen? Ich helfe Ihnen gerne dabei, die Zuschauer auf sozialpolitische Probleme aufmerksam zu machen. Das ist näher an den Menschen…“ Die Antwort war einfach und offen: „Solche Themen aufzubereiten ist sehr schwer. Ukrainische Politiker sind absolut vorhersehbar, man kann sie leicht dazu bringen, offen und offensichtlich zu lügen…“
Das ist schon lange her, gegen Ende der Herrschaft Leonid Kutschmas. Die Jahre vergingen, es erschienen pseudosoziale Programme, primitive und emotionale. Intelligente Experten traten nur selten in ihnen auf, dort wurden schmutzige Themen und schmutzige Fälle behandelt. Ich verstehe, warum das Fernsehprogramm heute mit pseudosozialen Informationen überfüllt und von allen möglichen Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten überbevölkert ist. Wie im alten Rom will das Volk Brot und Spiele. Aber heute, im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt, steht es in der Ukraine immer schlechter um das Brot, deswegen will man uns mit Spielen satt machen. Die sind wenig intellektuell, grob und in der Regel abscheulich. In ihnen schwadronieren sogenannte Bürgerrechtler mit getilgten Vorstrafen über Moral und Recht.
Um das ukrainische Gesundheitsministerium zieht sich seit Längerem ein Skandal. Das heißt, nicht nur um, sondern auch in ihm. Mit Strömen von Lügen, Versprechen unwahrscheinlicher Erquickungen und dem Verschweigen der Arbeit der Vorgänger. Ich verstehe, es ist sehr leicht und einfach etwas zu glauben, worin man kein Spezialist ist. An die spekulative, schlecht erkannte „Reform“. Oder, umgekehrt, an die kaum verständlichen Argumente der „Feinde des Gesundheitsministeriums“, die längst nicht immer ehrlich artikuliert werden. So war es immer, wir werden ohne Schwierigkeiten zu Experten, wenn wir Probleme aus Politik und Medizin behandeln. Und niemals Themen der Astrophysik und Molekularbiologie diskutieren.
Voller Abscheu verfolge ich den andauernden Konflikt zwischen der Leitung des Gesundheitsministeriums und ihren Opponenten. Einen schweren, schmutzigen Konflikt, der Argumente vermeidet. Viele Lügen, viel Verschwiegenes, sehr viele unaufrichtige Emotionen. Weil ich im Gesundheitssystem arbeite, sehe ich all das aus größerer Nähe und deutlicher.
Es gibt keine Korruption? Ach, schön wär’s… Da wird um die Wette abkassiert, dreist und widerlich.
Ehrlicher und transparenter internationaler Einkauf? Von wegen, von wegen. Pharmazie-Mafiosi (unser ukrainisches Gut…) haben früher innerhalb des Gesundheitsministeriums dreist geklaut, heute machen sie es außerhalb. Ich kenne die Namen, ich kenne die Details, aber ich verrate sie nicht. Weil ich, im Unterschied zu Pjotr Aleksejewitsch (Poroschenko), keinen Schutz habe. Überhaupt keinen. Leben will ich aber trotzdem noch. Soll es doch die Leitung unseres allwissenden Ukrainischen Sicherheitsdienstes sagen. Zusammen mit dem Antikorruptionsbüro und der Generalstaatsanwaltschaft. Sie wissen Bescheid. Wahrscheinlich wollen sie genau wie ich ein ruhiges und langes Leben.
Ich verstehe, viele von uns wollen unbedingt an das Gute und Helle glauben. Wir haben gelernt zu ignorieren, was wir nicht ändern können. So haben unsere Vorfahren unter Stalin gelebt. Das Offensichtliche ignorieren aus Angst davor, sich selbst die Angst vor der Staatsmaschinerie einzugestehen. So haben unsere Eltern unter Breschnew und Andropow gelebt.
Das normale Leben des gutgläubigen Sklaven eben. Es ist gut, das Gute zu glauben, und schlecht, das Schlechte zu glauben, auch wenn es die Wahrheit ist, und am schlechtesten ist es, das zu glauben, was schlecht zusammengelogen ist. Diese Weisheit stammt aus der alten „Sage von Gurmanda Arason“.
6. Februar 2017 // Semjon Glusman, Psychiater
Quelle: Lewyj Bereg
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