Es gibt wohl keinen Teil der ukrainischen Geschichte, der so politisiert ist, wie jener der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA). In Abhängigkeit der eigenen Weltanschauung erklärt der eine die Kämpfer der UPA zu Engeln, der andere zu Dämonen. Aber sowohl die einen als auch die anderen sind geneigt, die Konfrontation von UPA und NKWD als einzigartigen Präzedenzfall zu betrachten.
Dabei unterschieden sich die Leute Schuchewitschs und Kuks nicht wesentlich von irgendwelchen anderen Partisanen – den sowjetischen, „Rächern des Volkes“, den afghanischen Mudschahidin, den lateinamerikanischen Guerillas, dem Vietkong, der algerische Befreiungsfront etc.
Im Übrigen ist das Aufzählen der verschiedenen Partisanenbewegungen des XX. Jahrhunderts eine undankbare Aufgabe. Es reicht, zu erwähnen, dass auf dem afrikanischen Kontinent ganze zwei aufständische Bewegungen unter dem Namen UPA agierten: Die Ugandas People’s Army (UPA) und die União dos Povos de Angola.
Man kann einen jeden Partisanen der gleichen Dinge beschuldigen. Im rechtsfreien Raum agierend, neigen die Waldbruderschaften zur Begehung von Kriegsverbrechen. Es stimmt auch, dass die Partisanen faktisch die friedliche Bevölkerung als Geisel nehmen, indem sie diese unter Bestrafungsdruck setzen.
Man muss jedoch das Offensichtliche einsehen: Die Kämpfer für Freiheit und Unabhängigkeit haben häufig keinen anderen Ausweg, als den Partisanenkrieg.
Der Mythos der UPA ist eng mit romantischen Vorstellungen vom Guerillakrieg verbunden. Aber die Mythen, welche die ukrainischen Rebellen umgeben, sollte man durch das Prisma der weltweiten Erfahrung mit Partisanen betrachten.
Mythos 1. Die Bevölkerung unterstützt die Partisanen , was bedeutet, dass diese keine Verbrechen begehen
Die Idealisierung der UPA gründet sich häufig auf folgendem Argument: „Wenn die Rebellen Gräueltaten verübt haben, warum hat die Bevölkerung der Westukraine sie dann unterstützt?“
Ja, ohne die Unterstützung der örtlichen Bevölkerung hätte die UPA den bewaffneten Kampf nicht über so viele Jahre fortsetzen können. Aber auch die schrecklichen „Roten Khmer“, die 1979 in den Dschungel gegangen waren, hätten ohne Hilfe aus dem Volk nicht bis Ende der neunziger Jahre weiterkämpfen können.
Wenn die Bevölkerung die Partisanen unterstützt, dann folgt daraus noch lange nicht, dass wir es mit Rittern in weißen Handschuhen zu tun haben. Eher bedeutet es, dass die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung die Mittel der Partisanen gutheißt oder billigt.
Die niederen, kambodschanischen Bauern waren vollkommen damit einverstanden, dass dem städtischen Händler oder Beamten der Kopf mit der Hacke abgeschlagen wurde.
Und viele Ukrainer aus Wolhynien betrübte die Ausrottung polnischer Familien nicht im Geringsten.
Als die Kämpfer für die Freiheit Algeriens – die Partisanen der FLN – ein Massaker an den französischen Kolonialisten in der Siedlung Philippeville begingen, wurden die Rebellen von improvisierten Gruppen örtlicher Frauen unterstützt. Die arabischen Damen begrüßten die Ermordung der Französinnen und ihrer Kinder mit Freudenschreien…
Der Partisanenkrieg ist ohne die Hilfe aus dem Volk zweifellos unmöglich. Aber leider befreit Massenunterstützung die Rebellen nicht von der Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Mythos 2. Die Partisanen terrorisieren keine Landsleute
Als wenn es die „eigene“, örtliche Bevölkerung nicht geben würde, entschließt sich ein gewisser Teil der friedlichen Bewohner zur Zusammenarbeit mit den Machthabern.
Die gnadenlose Abrechnung mit Loyalisten ist die Visitenkarte einer jeden Partisanenbewegung. So traten sowohl die Kämpfer der UPA auf, als auch die sowjetischen Partisanen, der Vietkong und die afrikanischen Rebellen. Sagen wir, dass 65 englische Soldaten, 32 weiße Kolonialisten und auch etwa 1800 zur britischen Kolonialherrschaft loyale Afrikaner zu Opfern der kenianischen Mau-Mau-Partisanen wurden.
Indem sie einen mächtigen, repressiven Apparat aufbaut, zwingt die offizielle Macht die Bevölkerung zur Zusammenarbeit. Und wenn die Partisanen nicht jede kleinste Erscheinung von Kollaboration unterbinden, zwingt der Druck der Regierung die Menschen dauerhaft dazu, auf die Unterstützung der Untergrundkämpfer zu verzichten.
Die Aufständischen müssen der Bevölkerung zwingend demonstrieren, dass die Rache der Partisanen schlimmer ist als jede Repression von Seiten der Machthaber. Deshalb die Ermordung ganzer Familien, grausame Hinrichtungen usw. Schwäche zu zeigen und in die Position des verängstigten Bauern überzugehen, würde weitergehender Kollaboration den Weg ebnen und ein Eingeständnis in die Niederlage bedeuten.
Eine Episode, über die ein rhodesischer Autor berichtet, beschreibt die Partisanenlogik hinreichend. Der Besitzer eines Dorfladens hilft der Polizei bei der Liquidierung zweier Rebellen der ZANLA (Zimbabwe African National Liberation Army), die seine kleine Tochter vergewaltigt hatten.
Der Partisanenführer fühlt mit dem Vater und trauert nicht um die ihm unterstellten Vergewaltiger, ist aber gezwungen, den Krämer hinzurichten: „Es geht hier um unsere Sache, darum zu siegen. Das ist das Wichtigste. Alles andere hat keine Bedeutung. Was mögen die örtlichen Bauern denken, wenn wir ihn laufen lassen? Ach, werden sie sagen, was kümmern uns die Freiheitskämpfer? Die Leute bewegt nicht, warum etwas so und so geschehen ist, sie bewegt nur das, was geschehen ist.“
Mythos 3. Die Partisanen töten nur jene, die dem Volk Böses wollen
Die koloniale Administration stärkt ihren Einfluss nicht nur mit der Peitsche, sondern auch mit dem Zuckerbrot: Sie bringt den Menschen Bildung und medizinische Versorgung, entwickelt die Infrastruktur usw. Jedes Positivum, das aus der Metropole kommt, muss in erster Linie deshalb zerstört werden, weil es im Volk den Wunsch nach Unabhängigkeit schwächt.
Die Ermordung von Ärzten, Lehrern, Agronomen und anderen friedlichen Spezialisten, welche der UPA zur Last gelegt werden, ist durchaus nichts Außergewöhnliches. Das ist eine gängige Praktik aller nationalen Befreiungsbewegungen.
Wer wurde zum ersten Franzosen, der von den algerischen Aufständischen der FLN umgebracht wurde? Der 23jährige Lehrer Guy Monnero, ein Liberaler, Idealist und Arabophiler. Im weiteren Verlauf töteten die Partisanen vorwiegend jene Vertreter der französischen Administration, die sich um eine Verbesserung der Situation der Araber bemühten.
Je mehr ein Kolonialbeamter mit der örtlichen Bevölkerung sympathisierte, desto stärker bedrohte er die Idee der Unabhängigkeit und umso schneller musste man ihn liquidieren.
Mythos 4. Alle Gräueltaten, die man den Partisanen zuschreibt, sind Provokationen der Geheimdienste
Viele Ukrainer wollen gern glauben, dass die grausamen Morde, die man der UPA zur Last legt, von verkleideten Tschekisten verübt wurden. Das ist die eigentümliche Verteidigung jener, die nicht bereit sind, den wirklichen Charakter der Partisanen anzuerkennen.
Die Existenz von Spezialgruppen des NKWD-MGB, die in Gestalt der UPA agierten, ist allgemein bekannt. Aber aus den Dokumenten geht hervor, dass die Hauptaufgabe der falschen Partisanen nicht in der Diskreditierung der UPA (die Effektivität einer solchen Methode ist ohnehin umstritten) bestand, sondern in der Aufklärung, dem Sammeln von Informationen, der Entdeckung von Partisanenbunkern und der Liquidierung wirklicher Aufständischer.
Eine ähnliche Taktik des Antipartisanenkampfes gehörte nicht nur zum sowjetischen Know-how. Anfang der fünfziger Jahre haben die Briten sie erfolgreich gegen die kenianischen Partisanen angewandt. So wie im Falle der Pseudo-UPA bildeten ehemalige Aufständische, die von der britischen Regierung amnestiert worden waren, das Gerippe der Pseudopartisanentrupps.
Die letztgenannte Methode wurde auch in Malaysia und Palästina angewandt, zur Vollendung brachten diese Taktik allerdings die „Selous Scouts“, die Spezialkräfte Südrhodesiens.
Mythos 5. Die Kämpfer gegen die Partisanen rühren die friedliche Bevölkerung nicht an
Der Lieblingsmythos derer, die die traditionelle, sowjetische Version verteidigen: Sie sagen, dass die UPA Banditentum betrieb und dass die Mitarbeiter des NKWD-MGB die Bevölkerung von den Waldbanditen befreit hätten.
Die gezielte Beseitigung von Partisanenabteilungen bringt nichts, solange die Partisanen nicht von ihren Versorgungsbasen abgeschnitten werden. Und deshalb wird der Kampf mit Aufständischen unausweichlich von Strafaktionen und Zwangsentvölkerung der Partisanengebiete begeleitet. Dabei denkt niemand daran, die friedlichen Bürger zu bemitleiden, die ja eine potenzielle Unterstützung der Partisanen sind.
Die Handlungen der Sowjets in der Westukraine waren nicht so sehr von der spezifischen Natur des stalinistischen Totalitarismus geleitet, sondern vielmehr von der elementaren Logik des Anti-Partisanen-Kampfes.
In den fünfziger Jahren geschahen ähnlich Dinge auch in anderen Teilen der Welt:
Kenia – die Auslöschung zweier Vorstädte von Nairobi im Zuge von Reinigungsaktionen gegen die Partisanen, die Schaffung entfremdeter Landstreifen, die gewaltsame Umsiedlung der örtlichen Bauern.
Malaysia – die Zwangsdeportation der chinesischen Gemeinde in so genannte „neue Dörfer“ unter Bewachung der britischen Streitkräfte.
Algerien – die schonungslose Säuberung von Siedlungspunkten, Massendeportationen von Ureinwohnern. Wenn die Partisanen in der Nähe eines arabischen Dorfes eine Telegraphen- oder Telefonlinie zerstört hatten, wurden alle Männer des Ortes in Konzentrationslager transportiert.
Und so ist die Konfrontation der UPA mit den sowjetischen Staatssicherheitsorganen das typische Beispiel eines Partisanenkampfes, der seines romantischen Flairs beraubt ist. Ein tragischer Krieg, in dem keine Konventionen gelten, in dem Selbstaufopferung wie selbstverständlich mit Brutalität einhergeht, und in dem sich die Bevölkerung zwischen Hammer und Amboss wieder findet.
Partisanen und offizielle Machthaber geben den friedlichen Bewohnern genau entgegengesetzte Befehle, verlangen unbedingten Gehorsam und bestrafen Ungehorsamkeit grausam. Eben jener, der Mitgefühl zeigt, ist zur Niederlage verurteilt.
Zum Partisanenkampf kann man stehen, wie man will, aber man sollte subjektive, moralische Bewertungen nicht mit historischer Wissenschaft verwechseln. Die Aufgabe des Historikers besteht nicht in der Verurteilung oder Verteidigung, sondern lediglich in Beschreibung.
15. Oktober 2010 // Michail Dubinjanskij
Quelle: Ukrainskaja Prawda
Forumsdiskussionen
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„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“
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„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“
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