In der vergangenen Woche bekam das Katastrophenministerium (MTschS) endlich den lange erwarteten Vorsitzenden – Präsident Janukowitsch ernannte für diesen Posten den ehemaligen „grauen Kardinal“ des ehemaligen Präsidenten Juschtschenko.
Gespräche über die Ernennung von Viktor Baloga wurden schon seit dem Sommer geführt. Der damals entlassene Nestor Schufritsch sprach mit leichter Beleidigung in der Stimme von der „wirklich unschönen Situation“, in der der Präsident den Chefsessel des MTschS „für Baloga“ faktisch „säuberte“ und im Gegenzug dazu die Abgeordneten der Partei Jedinyj Zentr/Vereintes Zentrum (EZ) der Koalition beitraten. Baloga selbst dementierte kategorisch Informationen über die Existenz von Übereinkünften und kommentierte seine mögliche Ernennung durchaus geringschätzig: „Ich hatte nicht beabsichtigt, beabsichtige nicht und werde nicht beabsichtigen, in diesem Ministerium zu arbeiten. Jeder beliebige Mensch kann dem Ministerium vorstehen, nur nicht Baloga“.
Der Grund für die Entlassung von Schufritsch bleibt bis heute ein Rätsel. Dies umso mehr, weil über den Zeitraum all dieser Monate Gerüchte über eine Wiedereinsetzung des Ex-Ministers im Umlauf waren, was seine Stellvertreter offensichtlich dazu veranlasste, den Dienst nicht gleich nach ihm zu quittieren.
Janukowitsch beabsichtigte jedoch nicht, Schufritsch zurückzubeordern, obwohl seine Beziehungen zu ihm formell gute sind und er den „hitzigen Nestor“ von Zeit zu Zeit vor den Angriffen eifriger Untergebener schützt, die in Schufritschs Entlassung den Anlass für die Zerschlagung des ihm nahe stehenden Gas- und Öl-Business sehen. Womöglich ist die Ursache des Problems in der Freundschaft Schufritschs mit Viktor Medwetschuk zu suchen, dem Janukowitsch, ebenso wie Kutschma, seine Niederlage in den Wahlen von 2004 bis heute nicht verziehen hat.
Wie dem auch sei, nicht einmal ein halbes Jahr ist vergangen, und der neu ernannte Minister Baloga nimmt aus den Händen des Premiers Asarow Blumen und Antrittsbescheinigung entgegen. Jetzt hält er nicht länger geheim, dass er Gespräche über seine Ernennung sofort nach der Inauguration Janukowitschs begonnen hat.
Viktor Baloga ist nicht erst seit kurzem in der Politik. Dank seiner Arbeit mit der Sozialdemokratischen Partei der Ukraine (SDPU), mit „Unsere Ukraine“ und nun auch mit der Partei der Regionen hält man ihn für einen prinzipienlosen Menschen ohne ideologische Überzeugungen. Während seiner Einsetzung erwuchsen Baloga, wie jedem Politiker, weitaus mehr Gegner als Freunde. Jedoch bestätigen sowohl die einen als auch die anderen, dass er ein effektiver Manager, Profi und mutiger Kombinierer mit Ambitionen nach oben ist. Doch Baloga muss diese Qualitäten auch als seine Mängel ansehen. Denn so wie er durch diese Qualitäten den Ministersessel bekam, so bekam er Dank ihrer nicht den Posten des Gouverneurs von Transkarpatien, den er lang und hartnäckig anstrebte.
Quellen bestätigen, dass Janukowitsch von einer Ernennung Balogas zum Vorsitzenden der staatlichen Gebietsadministration (ODA) abgeraten wurde, auch wünschte der Präsident selbst diese Ernennung eigentlich nicht. Die Übertragung eines offiziellen Status auf eine Person, die auch ohne denselben praktisch unbegrenzten Einfluss auf die Region hat, könnte zur Entstehung eines „Staates im Staate“ führen, in dem niemand die Macht im Zentrum beachten würde. Transkarpatien ist eine Region mit eigenen Traditionen und Spezifika. Deshalb wäre es naiv anzunehmen, dass die von oben gesandten Gebietsmachthaber einen Baloga in der Funktion des Gouverneurs effektiv „im Zaum“ halten könnten. Fehlende Kontrolle über die Region Transkarpatien könnte unter anderem die Befürchtungen Kiews betreffs einer Öffnung der praktisch vor Kurzem gestoppten Schmuggelströme an der Westgrenze Wahrheit werden lassen. Dies würde seinerseits den Hauptwarenstrom über die Häfen von Iltschewsk und Odessa dämpfen …
Desweiteren ist man in der Residenz des Präsidenten der Meinung, dass die von Baloga finanzierten und kontrollierten Russinen Transkarpatiens, wenn sie wünschen, dem Zentrum durchaus Schaden zufügen können.
Wie bekannt ist, sollte die Kandidatur des Nachfolgers von Schufritsch die Unterstützung der parlamentarischen Mehrheit gewinnen. Doch schon damals weigerten sich zwei Koalitionsfraktionen kategorisch Baloga zu unterstützen. Nach der Wiederannahme der Verfassung im Jahre 1996 erwarb der Präsident jedoch das Recht faktisch als Einzelperson die Minister zu benennen, was er, genau genommen, auch tat. Deshalb ist die Frage nach Übereinkünften zwischen Baloga und Janukowitsch erneut aktuell geworden.
Quellen bestätigen, dass die Zusammenarbeit Balogas mit der Staatsmacht „Arbeit mit Perspektive“ ist und aus zwei Etappen besteht. In der Ersten soll der Leader des EZ entweder den Beitritt von fünf seiner Abgeordneten in die Mehrheitsfraktion oder wenigstens die Abstimmung über Gesetzesprojekte im Interesse der regierungstreuen Fraktionen gewährleisten. Die Abgeordneten sind allerdings keine einfachen Leute und nicht auf monatliche Fürsorge der Partei der Regionen angewiesen. Deshalb werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach ausschließlich mit wirtschaftlich für diese Zusammenarbeit entschädigt werden und somit in der Lage sein, auf die Frage, wie die Geschäfte laufen mit „Gut!“ zu antworten, ohne zu lügen.
Die Partei der Regionen hofft auf diese Weise ihre Rechnungen mit den Fraktionen der Kommunisten und des Litwin-Blocks zu verbilligen bzw. sich mit Perspektive auf politische Gruppen wie die Balogas endgültig von teuren Partnern zu lösen. Das Programm zielt auf ein Maximum – es sollen 300 Stimmen für die verfassungsmäßige Mehrheit gewonnen werden. Die Notwendigkeit dafür kann schon im Februar eintreten, insbesondere im Interesse der endgültigen Legalisierung der Entscheidung des Verfassungsgerichtes über das Datum der Wahlen.
Wer weiß schon, welche Verfassungsplastik die Chirurgen des Präsidenten entwerfen? Sie brauchen ein Machtinstrument.
In der zweiten Etappe hofft die Partei der Regionen, dass die Zusammenarbeit mit Baloga mindestens eine zusätzliche Ressource in den regelmäßigen Parlamentswahlen mobilisiert.
Zum Einen geht es um eine Reihe von wichtigen Wählerkreisen im Gebiet Transkarpatien, die zu gewinnen Baloga der Partei der Regionen wohl für 2012 versprochen hat. Zum Anderen kann das „Vereinte Zentrum“ zusammen mit anderen Mini-Parteien Teil eines Mechanismus zur Transformation des Obersten Rates in ein Pro-Kutschma-Parlament nach dem Vorbild des Jahres 2002 werden. Die Aufgabe besteht darin, um Janukowitsch herum einen spezifischen Pool kleiner und politisch verschieden ausgerichteter, aber kontrollierbarer Gruppen von Abgeordneten zu schaffen, und dabei den Lobbyismus in der Partei der Regionen zu unterspülen.
Man nimmt an, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtes die Wahlen für den Oktober 2012 anzusetzen, dadurch begründet ist, dass es unmöglich ist, die kleinen Parteien bis zum März 2011 in Bewegung zu setzen. Es zirkulieren sogar Gerüchte, dass das EZ mit der Zeit vollständig der Partei der Regionen beitreten wird, was die Abgeordneten des EZ jedoch kategorisch bestreiten, indem sie auf den selbständigen Wahlsieg in den wichtigen Wahlkreisen Transkarpatiens hinweisen.
Wendet man sich wieder den Akteuren zu, so ist anzumerken, dass Viktor Baloga praktisch ideal auf den Posten des Ministers passt. Er kann loyal in den Beziehungen zu höheren Machtebenen sein, beschränkt sich nicht, beleidigt alte Genossen nicht, und ist dabei ein hartnäckiger Manager, was der ausführenden Gewalt so sehr fehlt. Im Ganzen gesehen stellt die Ernennung Balogas lediglich den Anfang einer großangelegten Umstrukturierung des Kadersystems innerhalb der Exekutive dar. Die umfassenden Austauschmaßnahmen im Bestand des Ministerkabinetts werden nach der Bestätigung der Konzeption der Verwaltungsreform vor sich gehen. Dies wird nach dem Plan der Machtzentrale in Kiew Ende November bis Anfang Dezember der Fall sein. Genau für diesen Zeitpunkt beabsichtigt Janukowitsch die Elefanten, die sich nach der Wahl ausgebreitet haben, durch Arbeitspferde zu ersetzen.
Oxana Denissowa
Quelle: Serkalo Nedeli
Forumsdiskussionen
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