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IWF legt Pause ein

Die Ukraine konnte sich mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht auf eine Revision des Kooperationsprogramms und die Bereitstellung einer neuen Kredittranche einigen. Der Fonds nahm sich eine weitere Verhandlungspause und gewährte der Ukraine Zeit für eine Übereinkunft mit Russland in der Frage der Senkung der Gaspreise. Parallel fordert der IWF von Kiew den Haushalt für 2012 auf der Grundlage der realistischen Wachstumsprognose von 4% neu zu berechnen, was eine Reduzierung der Einnahmeerwartungen bzw. eine Kürzung der Ausgaben um 3 Mrd. Hrywnja (ca. 273 Mio. €) erfordert. Außerdem wird vorgeschlagen, die Vertreter der Mittelschicht mit einer Steuer in Höhe von 19% zu belasten.

Am Freitag endete der Besuch der IWF-Mission, die in Kiew vom 25. Oktober bis zum 3. November arbeitete. Im Ergebnis teilte man bei der IWF-Vertretung mit, dass man, ungeachtet „des Fortschritts in der Diskussion der Maßnahmen der Wirtschaftspolitik, die für den Abschluss der zweiten Revision des Programmes notwendig sind“, beschlossen hat eine Pause „für die Überarbeitung technischer Fragen“ einzulegen. Die Rede geht vom Gaspreis und dem Niveau der Anhebung Gaspreise. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir nach dem Abschluss der Gespräche mit Russland, darunter über den Gaspreis und andere Abmachungen, mit einer engen Zusammenarbeit mit der IWF-Mission über eine Korrektur des Kooperationsprogramms für 2012 beginnen“, erklärte Premierminister Nikolaj Asarow am Freitag.

Wie dem “Kommersant-Ukraine” ein Informant mitteilte, der mit dem Verlauf der Verhandlungen vertraut ist, bestand der IWF auf einer einmaligen Gastarifanhebung für die Bevölkerung um 30% und für die kommunalen Wärmeversorger um 60%. „Der Währungsfonds hätte einer allmählichen Tarifanhebung zustimmen können. Jedoch rechnet man beim Kabinett mit einem erfolgreichen Ergebnis der Gasverhandlungen mit Russland, daher ist eine Tarifkorrektur im jetzigen Moment unerwünscht“, sagte er. Wenn man berücksichtigt, dass Erdgas etwa 70% in der Tarifstruktur für die Wärmeversorgung ausmacht, dann erhöht die Anhebung um 60% für die kommunalen Wärmeversorger den Tarif für die Zentralheizung um Schnitt um 42%. Insgesamt könnte der Preisanstieg für Gas, Wärme und Warmwasser der Verbraucherpreisinflation bis zu 2,1 Prozentpunkte hinzufügen.

Die Frage der Korrektur der Tarife in der Wohnungswirtschaft erwies sich nicht als das einzige Problem im Verlauf der Verhandlungen. Beim IWF besteht man auf Änderungen im Haushalt für 2012 und schlägt dabei vor, diesen auf der Basis eines Wirtschaftswachstums von 4% und nicht auf den vorher zugrunde gelegten 5% zu berechnen. „Der Umfang des nominalen BIP wird 2011, selbst im Falle eines vierprozentigen Wirtschaftswachstums, höher als erwartet ausfallen und das von uns geplante Niveau erreichen. Daher ist eine Korrektur nicht notwendig“, erklärte ein Informant des “Kommersant-Ukraine”. Jedoch überzeugte dieses Argument den IWF nicht. Im Ergebnis wurde vorgeschlagen, die Einnahmen des Staatshaushaltes auf der Basis einer realistischeren Prognose des BIP-Wachstums neu zu berechnen, wonach der Einnahmenteil um 3 Mrd. Hrywnja (ca. 273 Mio. €) gesenkt werden müsste. Außerdem wurde als Alternative die Möglichkeit einer Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen des Staatshaushalts geprüft, fügte der Gesprächspartner hinzu. In der letzten Woche gab die Stellvertreterin des Präsidialamtsleiters, Irina Akimowa, zu, dass der Umfang des Haushaltsdefizits diskutiert wird: „Sobald die Höhe des Defizits klar wird, werden wir diskutieren, auf welche Weise wir es decken werden: über eine Senkung der Staatsausgaben oder eine Erhöhung der Einnahmen“.

Der Informant des “Kommersant-Ukraine” präzisierte, dass der IWF vorschlug, den Reservefonds des Staatshaushalts von 3 Mrd. Hrywnja auf 5 Mrd. Hrywnja zu erhöhen und ebenfalls den Satz der progressiven Besteuerung von physischen Personen zu erhöhen. Bis 2011 wurden in der Ukraine 15% der Einnahmen von den Bürgern erhoben. Vom 1. Januar an wurde ein Satz von 17% für die Fälle eingeführt, in denen die monatlichen Einnahmen das Zehnfache des Mindestlohnes vom Anfang des Jahres (941 Hrywnja; ca. 63 €) übersteigen – also mehr als 9410 Hrywnja (ca. 855 €). „Der Währungsfonds fordert den Satz der Einkommenssteuer um 2% für wohlhabende Bürger zu erhöhen, deren Einkünfte das Existenzminimum um das 15-fache übersteigen“, sagte der Informant. Berücksichtigend, dass das Existenzminimum zum 1. Dezember sich auf 1.004 Hrywnja erhöht (ca. 91 €), könnte der erhöhte Satz die Mittelklasse betreffen, die legal mehr als 15.060 Hrywnja (ca. 1.369 €) verdienen. Merken wir an, dass man im Finanzministerium bereits im September die Zweckmäßigkeit einer Erhöhung des Steuersatzes für die reichsten Bürger, deren Einnahmen sich auf mehr als das Hundertfache des Mindestlohnes (also 100.400 Hrywnja; ca. 9.124 €) belaufen, auf 20% zu prüfen begonnen hatte. Dies würde es erlauben in die lokalen Budgets 93,3 Mio. Hrywnja (ca. 8,5 Mio. €) zu überweisen.

Für die Regierung wird es nicht einfach sein den Einnahmenteil des Haushalts um 3 Mrd. Hrywnja zu erhöhen, meinen Experten. „Im Unterschied zu einer Ausgabenkürzung, ergibt die Suche nach zusätzlichen Mitteln niemals schnelle Resultate. Der einzige Ausweg in dieser Situation könnte die Einführung einer Luxussteuer sein – auf große Wohnungen, Häuser, Autos mit großem Motor. Für die Regierung würde es schwer werden diese Initiativen durch das Parlament zu bringen, doch wenigstens verursachen sie keine Proteste“, betont der Geschäftsführer des Bleyzer-Fonds, Oleg Ustenko. „Wahrscheinlich kann die Regierung auch weiter nicht den Weg der Ausgabenkürzung beschreiten. In dieser Situation könnte ein Ausweg die Erhöhung der Steuerbelastung sein“, konkretisierte der Direktor der Wirtschaftsprogramme des Rasumkow-Zentrums, Wassilij Jurtschischin.

Der Informant des “Kommersant-Ukraine” hält die Haushaltsfrage nicht für eine Schlüsselfrage. „Ausgehend davon, dass es neben den Gastarifen bei uns keine wesentlichen Konflikte gibt, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass die nächste IWF-Tranche in der Ukraine sogar noch 2011 eintrifft“. Das letzte Mal hatte die Ukraine im Dezember 2010 einen Kredit über 1,5 Mrd. $ vom IWF erhalten, wonach im Februar 2011 erfolgreiche Verhandlungen stattfanden. Jedoch zog sich die Erfüllung der IWF-Forderungen ständig hin, genauso wie der nächste Besuch der IWF-Mission. Bereits 2012 muss die Zentralbank dem Fonds 3,8 Mrd. Dollar zurückzahlen.

Jurij Pantschenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein — Wörter: 959

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