Die Freiwilligenbataillone, die aus dem Donezbecken zurückkehren werden, werden sich wohl kaum mit der Rolle von Fernsehzuschauern in einem korrumpierten, oligarchischen Land zufriedengeben.
In Kiew konnte man Andrej Krawez sehen, der Haushaltsführer von Janukowitsch, ehemaliger Leiter der Managementagentur des Öffentlichen Dienstes und der Gestalter der privaten Janukowitsch-Residenz Meschyhirja war. Gennadij Kernes [seit 2010 Bürgermeister von Charkow, Anm. d. Übers.] wurde mit Triumph und Applaus einer extra dafür zum Flughafen gebrachten Statistentruppe zurück in Charkow empfangen. Die alten Schemen der Finanzinspektion, des Zolls und im Landwirtschaftssektor werden wiederhergestellt. Die Exekutive verlangt wieder Schutzgeld von Unternehmern und in die Regionen kehren die alten Aufseher zurück, die sich neue Herren gesucht haben. Das Gerichtssystem wehrt sich erfolgreich gegen Veränderungen und das Oberhaupt des Lustrationskommitees Jegor Sobolew, der sich mit ihrer Säuberung befasst, wird zu Verhören vorgeladen.
Die Menschen, die in der einen oder anderen Weise mit der Regierung verbunden sind, sprechen darüber, dass das System Janukowitschs viel früher aus seinem Schlaf erwacht, als das entsprechende System Kutschmas im Jahr 2005. Die Persönlichkeiten, die den Staat in seinen heutigen, bemitleidenswerten Zustand gebracht haben, stellen sich in Reih und Glied und hoffen, noch ein wenig am Leib der Ukraine zu nagen. Die Regierung scheint den Kurs von Abmachungen mit dieser Klientel eingeschlagen zu haben.
Zur Hochzeit des Maidan schrieb der Journalist Witalij Portnikow: „Die französische Revolution hat deswegen gesiegt, weil sie die Guillotine und kein Facebook hatte“.
Der Maidan gleicht der Mutter aller Revolutionen. Die große französische Revolution musste mit äußerer Aggression und Restaurationsversuchen im Zuge des Aufstand der Vendée umgehen und überlebte mehrere Komplotte innerhalb ihrer Koalition. Und sie endete in einem inneren Umsturz und der Diktatur Napoleons. Nach ähnlichen Szenarien verliefen auch viele andere Revolutionen, die dem Beispiel der französischen gefolgt sind. Und das vor allem in den Ländern, die Krieg führten oder kurz davor geführt hatten. Der verschneite Februar in Russland wurde durch den blutigen Oktober abgelöst. Die Wirren in Griechenland und die vielzähligen politischen Pakte und Verrate, die der Beschränkung der Befugnisse des Monarchen folgten, endeten in dem Regime der Obristen.
Die Militärdiktaturen kamen dort an die Macht, wo bürgerliche postrevolutionäre Regierungen in ihrer Schwäche, Korruption und Prinziplosigkeit die Verteidigungsfähigkeiten des kriegsführenden Landes zerstörten.
Der äußere Faktor, der eine Diktatur hervorrufen könnte, ist in der Ukraine gegeben: Die Gegenrevolution und eine faktische Militäraggression wird durch Russland betrieben, das die Wiedergeburt einer bipolaren Welt anstrebt. Man kann sich daran erinnern, dass Militärregimes dort an die Macht kamen, wo die bürgerlichen, postrevolutionären Regierungen nicht den gesellschaftlichen Anforderungen nachkamen, den Hoffnungen der Gesellschaft hinterherhinkten, wo sie durch ihre Schwäche, Korruption oder Prinziplosigkeit die Verteidigungskapazitäten des im Krieg steckenden Landes zerstörten und den Herausforderungen der nationalen Sicherheit nichts entgegenzusetzen hatten.
Doch was ist mit der Innenpolitik? Das Verhalten vieler Vertreter der ukrainischen Elite im Hinterland wird von der Armee und insbesondere durch die Freiwilligentrupps offen Verrat genannt. Die Maidan-Aktivisten und Patrioten, die in den Osten gezogen sind, um den von Russland entfachten Hybridkrieg abzuwehren, sind nicht mit dem Niveau der Führung, der Versorgung, der Korruption und der Feigheit der obersten Offiziere und Beamten zufrieden. Dabei sollte man sagen, dass die Freiwilligen es sind, die das größte Vertrauen der Gesellschaft genießen und ihre Meinung wird am meisten durch die soziale Basis des Maidan respektiert. Diese Tatsache ist zumindest am Beliebtheitsgrad der Kommandanten der Freiwilligenbataillone und ihrer Medienpräsenz sichtbar.
Diese Menschen formen in der Praxis eine neue militärpolitische Elite der Ukraine, die diszipliniert ist, Kampferfahrung hat und den Kampf kommerziellen Abmachungen bevorzugt. Im Gegensatz zu den angestellten Militärs, die sich all die Jahre nach der Unabhängigkeit zersetzten und erst jetzt zu sich kommen, ist diese neue Elite ausgezeichnet motiviert. Sie hat eine Sicht auf die Zukunft des Landes, denn die Freiwilligen sind durch die Maidan-Bewegung hervorgegangen, die gegen die neue ukrainische Feudalherrschaft auftrat.
Nach der Rückkehr aus dem Krieg werden sie ein aktives Instrumentarium für die Realisierung ihrer Ideen besitzen. Angefangen mit der Kampfbruderschaft der Veteranen zu einer koordinierten Durchführung von Aufgaben und bis zum Zugang zu Waffen. Die Fähigkeit zu einem gewaltsamen politischen Protest, die sich erst im finalen Stadium des Maidan zu entwickeln begann, wird dann nur gefestigt und verfeinert.
Was würde wohl passieren, wenn Tausende von Patrioten aus dem Krieg in ihre Städte zurückkehren und sehen, welche Willkür und Korruption die Regierung in ihrer Abwesenheit wiederbelebt hat? Es ist eine rhetorische Frage.
Der Umsturz der Regierung oder des Präsidenten würde wahrscheinlich nicht sofort passieren. Wahrscheinlicher ist es, dass die gestrigen Freiwilligen und aktuellen Aktivisten zu punktueller Gewalt gegen die schlimmsten Willkürstifter greifen: Polizeichefs, Richter, Steuerbeamte oder Staatsanwälte. Dann werden die Behörden entweder reagieren oder die Patrioten bekriegen. Zuerst durch ihre Anwaltschaft, dann durch die Mittel von formalen und loyalen Sondereinheiten, die auch im Zuge des Kriegs im Donezbecken gebildet werden. Es wird eine weitere Spirale der Eskalation im Land geben, die schließlich unweigerlich entweder zum Sturz der Regierung und dem Aufkommen einer echten militärischen oder semimilitärischen (bei einem kontrollierbaren Parlament) Diktatur führt. Die Junta, die den Kreml-Propagandisten heute vorschwebt, wird zur Realität. Der innere Konflikt der Ukraine als Staat wird garantiert durch Russland ausgenutzt werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach den Plan zur Annexion des Südens und Ostens des Landes wieder aufrollt. Die Ukraine in ihren heutigen Grenzen wird einen Zusammenbruch erleben und ihre Entwicklung wird um Jahrzehnte zurückgeworfen werden.
Ein düsteres Szenario, nicht? Doch in der Perspektive von zwei-drei Jahren ist es unvermeidlich, wenn Präsident und Regierung nicht radikale Reformen durchführen und das System der totalen Korruption demontieren, soziale und politische Veränderungen einleiten und echte Patrioten am Prozess beteiligen, Menschen, die bereit sind, nicht am Staat zu profitieren, sondern ihr Leben für die Ukraine zu lassen. Pjotr Poroschenko, Arsenij Jazenjuk und andere Regierende von heute sollten begreifen, dass sie, als sie ihre Positionen dank des Maidans erhielten, auf die schwarze Slalompiste gerieten. Einen Weg zurück gibt es nicht, der Hang ist steil und die Skier schlecht gewachst. Am Ende der Piste steht eine Eiswand, hinter ihr ein Abgrund. Das ist ein Weg in eine Richtung. Er wird sie zu Siegern machen oder vernichten. Doch dann auch uns alle mit.
22. Juni 2014 // Sergej Wyssozkij
Quelle: Liga.net
Übersetzung: Trajectus
Forumsdiskussionen
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„@lev dann wünsche ich Dir eine gute Reise, es war sehr schön in LVIV, muss unbedingt nochmals so eine Rundreise machen. Ich habe so wundervolle Menschen kennengelernt, ich bin zutiefst beeindruckt! Es...“
lev in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Danke Bernd für deine Eindrücke. Ich fahre Ende Mai wieder für mehrere Wochen nach Lviv. Nicht um Urlaub zu machen, sondern in unsere Wohnung. Hatte sie ja vor dem Krieg, aufwendig saniert und möchte...“
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Hallo liebe Forengemeinde und Mitleser, ich bin gerade auf einem Kurztripp durch die Ukraine. Es ist wunderschön wieder hier zu sein. Es fehlen die Touristen, gestern habe ich einen persönlichen und...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Kurzer Bericht, hab dann doch den Wachwechsel erwischt, bei den Polen ging dann bestimmt 45 Minuten gar nix. Und dann wurde in zwei Schüben eingelassen, ich finde, dann ging es in einem guten Tempo voran....“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Bin jetzt da, 10 PKW vor mir, das ist akzeptabel, ist ja auch der 1.Mai. Bin zufrieden mit der Situation. @Frank Fahre immer noch ein schwarzes Auto... kennst doch meine Erfahrung mit der Polizei in UA...Kaffeebraun...“
Frank in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Probier doch einfach. Wenn der offen ist doch alles ok. Bin da glaube mal zurück drüber gefahren. War dann nur eine ewige Kurverei bis zur A4. Bin da aber eh erstmal bis Krakau. Kann natürlich auch...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Schade, dass es keine Info´s zu Zosin gibt, wer aber noch was weiß, bitte schreiben, ich fahre jetzt in 30 Minuten los und kann immer noch in ca. 10h bei einem Stopp nochmals nachlesen. Google Maps schickt...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“
bernhard1945 in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Hallo Bernd Es hängt etwas davon ab, wohin Du in Ukraine fahren möchtest. So wie es scheint möchtest Du (wie ich normalerweise) in Richtung Kiew fahren. Ich benütze deshalb seit Jahren den Übergang...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Möchte morgen über Nacht in die Ukraine fahren und plane die Ankunft an der Grenze sehr früh am Morgen. Fahre entweder über Polen oder ggf. über Tschechien, je nachdem was google maps empfiehlt. Normalerweise...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Visa D14
„Das ist ein simples D-Visum, wie man es auch in Deutschland für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung braucht. Man benötigt dazu keine Mindestaufenthaltszeit. Auch bei der Aufenthaltserlaubnis...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Mit dem Zug in die Ukraine
„Zunächst möchte ich sagen, daß die PKP für die Sitzplatzzüge, die zum Beispiel von Kattowitz bis nach Przemysl fahren, die Preise nicht erhöht hat. Allgemein gilt die Polnische Staatsbahn eher als...“
MHG1023 in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„"Warum verlangt die PKP von den Fahrgästen solch einen Preis ?" - Weil sie es können ... Die Nachfrage dürfte weiter hoch sein und weil es keine vergleichbaren Alternativen gibt (Buslinien über Nacht...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„Die Polnische Staatseisenbahn PKP Intercity S.A. erhöhte für den Schlafwagen-Zug D 68 am 1. Februar 2025 die Fahrpreise um + 38 Prozent. : Vom Warschauer Ostbahnhof fährt abends um 17.49 Uhr der Schlafwagen-Zug...“
HelloMick in Hilfe und Rat • Brauchen Hilfe bei Diia Registrierung
„Hallo. Meine Ex-Frau ist schon über 22 Jahre in Deutschland. Jetzt benötigt sie einen Termin für das Konsulat. Aber es werden nur Termine über Diia vergeben. Kann uns jemand erklären wie das genau...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Visa D14
„Hallo..... Ich benötige nochmals euer Schwarmwissen.... Bin seit Dezember letzten Jahres in der Ukraine verheiratet worden Jetzt meine Frage.....ich habe auf der Seite der ukrainischen Botschaft einen...“