Der Präsident ist sich selbst mal wieder treu geblieben. Nach einer Reihe öffentlicher Erklärungen über die Unumgänglichkeit einer Beschränkung der politischen Ausgabenerhöhungen im öffentlichen Budget unterschrieb er wenig später vorhersehbar das Gesetz zur Erhöhung der sozialen Standards.
Er unterschrieb, ungeachtet des Fehlens von Einnahmen zur Budgeterhöhung im Umfang von 10 Milliarden, ungeachtet der Anfrage von Regierung und IWF, gegen dieses Dokument ein Veto einzulegen.
Es stellt sich die Frage, warum vorhersehbar? Ja, die ganze Tätigkeit Wiktor Juschtschenkos auf dem Präsidentenstuhl ist zu einer Garnitur von Widersprüchen geworden und hat zur Entstehung eines ganz eigenen Systems seiner Arbeit geführt.
Politik nach Kurs – ist der Präsident heute kategorisch gegen etwas, so trifft er morgen mit einem hohen Grad an Glaubwürdigkeit die genau entgegengesetzte Entscheidung.
Denn es war unser – damals noch zukünftiger – Präsident, der 2004 Gegner der konstitutionellen Reformen war, seine Fraktion jedoch überredete, dafür zu stimmen und sich selbst am Ende der Stimmte enthielt. Er versicherte, dass die Veränderungen in der Verfassung direkt nach seiner Einführung ins Präsidentenamt erfolgen würden, um dies bald wohlbehalten zu vergessen.
Es war unser Präsident, der sich als kategorischer Gegner Julia Timoschenkos als Premierministerin gerierte, dabei zweimal ihre Kandidatur für das Amt förderte, um dann vom ersten Tag ihrer Wahl Partisanenkriege gegen sie zu organisieren.
Es war unser Präsident, der seiner Partei mehrfach die Unzweckmäßigkeit von Blockbildungen zu Parlamentswahlen erklärte und danach zweimal selbst Blöcke organisierte.
Es war unser Präsident, der es anfangs ablehnte, die Parteiführung zu übernehmen und sich völlig vom Parteileben distanzieren wollte, der sich dann aber doch entschied, sie zu führen und mit kleinsten Details zu steuern, um letztendlich selbst befördert zu den Präsidentschaftswahlen anzutreten.
Es war unser Präsident, der die Idee des Übergangs vom Mehrheitssystem zu Parteilisten hatte und dann deren Hauptkritiker wurde.
Es war unser Präsident, der dauernd die Legitimation der handelnden Koalition anzweifelte, dabei aber darauf verzichtete, seine Minister aus dieser Koalition abzuberufen.
Es war unser Präsident, der einen Freund zum Taufpaten seines Sohnes machte und dann intensiv den Entzug dessen Staatsbürgerschaft betrieb.
Es war unser Präsident, der nicht nur eine Lektion über die Notwendigkeit eines bescheidenen Lebensstils gab, um dann in der Öffentlichkeit ausschließlich in Anzügen von „Zilli“ aufzutauchen.
Es war unser Präsident, der versprach, für jedes staatliche Amt öffentliche Wettbewerbe auszuschreiben, und am Ende von tausenden Bestimmungen nicht eine einzige überprüfte.
Es war unser Präsident, der die Notwendigkeit betonte, das Budget vor übermäßigen Ausgaben zu schützen, und gleichzeitig ein Gesetz unterschrieb, dass diese Ausgaben erheblich in die Höhe trieb.
Am Ende war es unser Präsident, der zweimal gar nicht zu den Wahlen antreten wollte, sich dann aber „überreden“ ließ. So vereinigen sich in unserem Präsidenten der aufrichtige Verzicht auf Macht und der aktive Kampf für eben diese.
Leider verstehen jene, die glauben, Juschtschenko zu einem zweiten Anlauf auf das Präsidentenamt überredet zu haben, nicht, was sie diesem damit antun. Sie können sich die tiefe Depression eines von seinem Status und seiner messianischen Rolle so tief überzeugten Menschen nicht vorstellen, wenn nach der ersten Runde der Wahlen bekannt wird, dass der regierende Präsident nur 3% erreichen konnte, dabei Timoschenko 1,5%, Jazenjuk 1% und Tjagnibok weitere 0,5% abnehmend.
Irgendwann einmal hing vom Willen des Präsidenten sehr viel ab und hätte er einen solchen gezeigt, so wäre wahrscheinlich alles anders. Heute, nach Ablauf einer fünfjährigen Enttäuschung, hat Wiktor Andrejewisch wahrscheinlich nur noch eine Chance, diesen Willen letztlich zu zeigen – im Handgemenge bleiben und sich nicht in das verwandeln, gegen das er solange gekämpft hat.
Möglicherweise muss er dafür noch eine widersprüchliche Entscheidung treffen, aber in diesem Falle wird ihm deswegen wohl kaum jemand Vorwürfe machen.
P.S. Ich erinnere mich, wie ich einmal zu einem hohen Staatsbeamten ging, um zum Geburtstag zu gratulieren. Einige Tage vor seinem Geburtstag wurde er entlassen.
Im Vorzimmer war es erstaunlich leer. Der Tisch war mit Essen und Getränken eingedeckt, aber es saß niemand daran. Der erwartete Besucherstrom ließ sich nicht beobachten – nach der Entlassung hatte sich der Kreis der „aufrichtig Wohlwollenden“ auf zauberhafte Weise verkleinert.
An diesem Tag konnten wir über all jenes ruhig sprechen, dessen Erwähnung während seiner Amtszeit nicht möglich gewesen war.
Sehr bald wird sich auch für Wiktor Andrejewitsch die beste Möglichkeit bieten, die Aufrichtigkeit der Haltungen sowohl jener, die ihn kritisieren, als auch jener, die ihn unterstützen, zu überprüfen.
Aleksander Morosow
Forumsdiskussionen
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