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Die Büchse der Pandora

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Archiv mit KGB-AktenArchiv mit alten KGB-Akten
Das Gesetz über den Zugang zu den Archiven des KGB kann die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von drängenden Problemen ablenken.

Ich habe überhaupt keine Einwände gegen die Gesetze über die „Entkommunisierung“, die das ukrainische Parlament jüngst verabschiedet hat. Früher oder später mussten die Ukrainer den endgültigen Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit wagen, also eine Entkommunisierung oder besser Entideologisierung der Öffentlichkeit durchführen, das Siegel der Verschwiegenheit von allen Archivdokumenten aus der Sowjetzeit lösen und sich von all ihren Helden und Antihelden verabschieden. All das ist in Ordnung, wäre da nicht das bekannte „aber“.

Heute diskutiert man das Gesetz der Ukraine „Über den Zugang zu den Archiven der Organe des totalitären kommunistisches Regimes der Jahre 1917-1991“. Liest man das Gesetz, so versteht man, dass es 1991 außerordentlich effektiv und aktuell gewesen wäre. Es hätte geheime Informationen über die Kollaboration vieler damaliger Staatsangestellter, Bürgerrechtler und Politiker und selbst Oppositioneller mit den sowjetischen Geheimdiensten öffentlich gemacht. Damals wäre dies ein ernsthaftes Hindernis gewesen für verschiedene „Sonderprojekte“, die leider sich so leicht im neuen Regierungsapparat der unabhängigen Ukraine breitmachten. Die Verabschiedung eines solchen Gesetzes hätte die alte sowjetische partei-politische Nomenklatur daran gehindert, schnell ihre Farbe zu wechseln und sich neue nationale Elite zu nennen.

Außerdem hätten diese Nachfolger des KGB wie des SBU (Sicherheitsdienst der Ukraine) oder schlimmer noch der FSB nicht alle 23 Jahre der Unabhängigkeit nicht auf beinahe alle Zweige der ukrainischen Macht und Politik Einfluss gehabt und mit kompromittierenden Informationen über viele Akteure und staatliche Führer Macht gehabt. Aber was soll man machen, die Zeit ist unwiederbringlich verloren. Jetzt aber ist für die Gesellschaft eine andere geheime Information wichtig. Zu allererst eine Dokumentierung über die Geheimdienste der Regierungszeit von Kutschma und Janukowytsch. Uns aber zieht man irgendwie hartnäckig zurück ins 20. Jahrhundert, um noch einmal rückwirkend die „historische und soziale Gerechtigkeit“ wiederherzustellen. Genau davon spricht die Präambel des neuen Gesetzes.

Gerade die Präambel verfassten die Autoren des Gesetzesentwurfs in bester sowjetischer Tradition. Dies betrifft sowohl die Behauptung, dass „ein besseres Verstehen der neuesten Geschichte helfen kann, Konflikte und Feindschaft vorzubeugen“ als auch die Anklagen darüber, dass gerade „der Umstand, dass die Archive verschlossen waren, eine der Voraussetzungen für die Annexion der Halbinsel Krim und des Konfliktes auf den Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk war“. Man möchte darauf „Ja!“ sagen. Aber nicht die Verschlossenheit der Archive, von der das Gesetz spricht, sondern der uns viel näheren: Diejenigen, als der SBU – so der Ausspruch von Präsident Poroschenko – eine Filiale des russischen FSB war. Aber die Initiatoren des Gesetzesentwurfs hatten sicherlich ein anderes, viel edleres Ziel: „Förderung der Etablierung eines Dialogs in der Gesellschaft“, „Erneuerung historischer und sozialer Gerechtigkeit“. Nun, wie kann man einen Dialog in der Gesellschaft etablieren, wenn man solche reichen und einflussreichen Menschen der Gegenwart zur Rechenschaft zitieren muss, die Milliarden Dollar besitzen, Medienmehrheiten und nicht gerade kindliche Beziehungen mit der jetzigen Macht?

Lassen wir die Vorstellung dieses Dokuments sowjetischer Rhetorik hinter uns und versuchen wir herauszufinden, warum die Verabschiedung dieses Gesetzes so neu und dringlich wurde. Nach Ansicht der Leitung des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedächtnis (UINP) war es höchste Zeit, einen allgemeinen Zugang zu allen Archiven der sowjetischen Repressions-Organe zu schaffen. Zugestanden, in Hinblick auf die Öffnung der Archive hat niemand Zweifel. Es beunruhigte aber das Verfahren und die „Kampagne“ rund um die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs. Insbesondere als durch die sozialen Medien eine Welle zynischer Manipulationen und Verdrehungen fegte. Alle, die es wagten, das völlig unscheinbare und an vielen Stellen mit der ukrainischen Gesetzgebung nicht abgestimmte Projekt zu kritisieren, bezeichnete man als Verräter, Gegner der Öffnung der Archive und – geheime Agenten sowjetischer und russischer Geheimdienste, die vermutlich etwas zu verbergen haben. Zugegeben, kaum jemand möchte das Feuer der erhitzten „Bürgerschaft“ heraufbeschwören und sich dem Verdacht der Teilnahme an feindlichen Geheimdiensten aussetzen.

Diese „Kampagne“ zeugt entweder bei den Autoren des Gesetzesentwurfs von einem Mangel anderer Erfahrung als der sowjetischen, oder sie wollten etwas besonders gut verbergen. Über die Verflechtung mit sowjetischen und gegenwärtigen russischen Ansätzen zeugen stärker noch andere Gesetze der „Entkommunisierung“ als dieses „Archivgesetz“. Zentrales „Highlight“ des Gesetzes ist aber die Bestimmung über die Errichtung einer Zweig-Abteilung des Staats-Archivs im UINP. Hier liegt also das „Detail“, in dem der Teufel versteckt ist. So virtuos konnte nur Wolodymyr Wjatrowytsch die gerechte Forderung nach Zugang zu den Archiven der sowjetischen Repressions-Organen mit der Schaffung eines Archiv-Imperiums unter der Leitung des Vorsitzendes des UINP verbinden.

Tatsächlich wird es dann, wenn der Präsident und der Parlamentsvorsitzende das Gesetz unterschreiben (das Gesetzpaket wurde am 15. Mai vom Präsidenten unterzeichnet, A.d.R.), dem unkontrollierten Verfügungsgewalt des Vorsitzenden der UINP vier Millionen Fälle zufallen, deren Inhalt für die Umsetzung persönlicher und politischer Strategien verwendet werden kann. Es bleibt unklar, warum es für die Öffnung des Zugangs zu den Archiven des Geheimdienstes gerade notwendig sein soll, diese Dokumente nach Kiew zu überführen und sie alle an einem Ort zu konzentrieren. Bereits technisch wird die Auswahl und Überführung den Zugang zu gewünschten Informationen um Jahre hinauszögern. Außerdem gibt es in Kiew für ein neues riesiges Archiv weder entsprechende Räumlichkeiten noch Personal noch ist hierfür Geld im Staatshaushalt der Ukraine vorgesehen. Warum also die Dringlichkeit eines solches Gesetzes und besonders die Schaffung eines Hyper-Archivs unter Leitung des UINP? Wäre es nicht besser, wie auch die Vereinigung der Archivare der Ukraine meint, alle Archive und entsprechenden Fonds genau an den Orten zu lassen, wo sie bislang waren? Und die Gelder, die für die Überführung notwendig wären, für die schnellstmögliche Digitalisierung der Fälle und ihre Online-Freigabe zu verwenden? Oder verfügt möglicherweise nur die Leitung des UINP über solche unfehlbaren Fähigkeiten und einzigartige Kenntnisse, die es ermöglichen, im Land nach der Öffnung der Geheimdienst-Archive einen vollständigen sozialen Frieden zu beherrschen?

Wenn die Initiatoren des Gesetzentwurfs sagen, dass sie nach dem Beispiel des polnischen Instituts für Nationales Gedenken vorgegangen sind, dann möchte ich daran erinnern, dass diese Institution eine Menge von Funktionen hat, die das UINP nicht teilt. So arbeiten im polnischen Institut für Nationales Gedenken Staatsanwälte, die die Fälle untersuchen, die nicht zeitlich verjährt sind. Anschließend übergeben sie die Untersuchungsmaterialien an Gerichte, die auch in alten Kriminalfällen Strafen verhängen. Im „Statut“ über das UINP sehen wir nichts Vergleichbares. Das polnische Institut für Nationales Gedenken vollzieht noch eine andere wichtige Funktion: es führt die Lustration der Amtsträger in Bezug auf ihre Kollaboration mit dem Geheimdienst der Volksrepublik Polen durch.

Die polnische Lustrations-Gesetzgebung gab allen Bewerbern für den öffentlichen Dienst die Möglichkeit freiwillig zu erklären, ob sie mit irgendeinem der kommunistischen Geheimdienst-Organe kollaborierten. Nach einer solchen Erklärung wurde für jeden Einzelnen persönlich eine Entscheidung gefällt. Hatte eine Person eine solche Angabe verheimlicht, die Mitarbeiter des Instituts aber Tatsachen nachgewiesen, so wurde diese Person umgehend von ihrem Posten entlassen und ihr verboten, in Zukunft im Staatsdienst zu arbeiten. Im ukrainischen Fall betrifft die Bestimmung über die Lustration der Staatsbeamten ausschließlich die Zeit der Präsidentschaft Wiktor Janukowytschs, nicht aber die Zeiten des Sowjetregimes (das ist nicht ganz korrekt, KGB-Mitarbeiter und Führungspersonal der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und ihrer Verbündeten sind ebenfalls von der Lustration betroffen, A.d.R.). Daher stellt sich die Frage, womit konkret wird sich das UINP beschäftigen und wofür möchte es unter sich alle Archive konzentrieren? Dafür, um die Zeit der kommunistischen Unterdrückung zu kontrollieren, muss man nicht unbedingt den Status eines zentralen Organs der Machtausübung haben. Aus der Perspektive eines Historikers wäre es noch besser, wenn sich mit der Erforschung politisch nicht-engagierte, vor allem aber nicht mit großen Machtbefugnissen überlastete Leute beschäftigten.

Hier aus folgt, dass es für die Schaffung einer Zweig-Abteilung eines Staatsarchiv (HDA) beim UINP keine Notwendigkeit gibt. Die Schaffung eines solchen Mega-Archivs ist unvernünftig aus der Perspektive staatlicher Ordnung und in Hinblick auf die hierfür notwendigen Ausgaben. Mag sein, dass die Leitung des Instituts diese Büchse der Pandora überführen möchte in die persönliche handhabbare Leitung. Aber die Gesellschaft ist daran überhaupt nicht interessiert und man sollte Sicherheits-Barrieren errichten. Hierfür muss man aber das UINP vollständig neu organisieren. Um für die Zukunft eine „Partei“-Leitung des HDA auszuschließen, mögliche politische Einwirkungen auf das UNIP zu verhindern, ist es nötig, das „Statut“ über das Institut zu ändern. Wenn das UINP früher ohne Archiv wie eine teure Modeerscheinung aussah, das der Gesellschaft nicht sonderlich schaden konnte, so ist es nach der Verabschiedung des genannten Gesetzes notwendig, seine Tätigkeit obligatorisch unter öffentliche Kontrolle zu stellen. Dies ist allein schon in Hinblick auf die polnische Erfahrung unerlässlich, wo einer nach dem anderen der Reihe nach der Kollaboration verdächtigt wurde und politische Skandale ausbrachen. Das zeigt allein der Fall des Präsidenten Wałęsa.

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Deshalb ist es nötig, nach der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Präsidenten der Ukraine sofort das „Statut“ über das UINP zu ändern. Es wäre logisch, wenn nicht weiter der Minister-Minister der Ukraine den Leiter des UINP ernennt, und sei es selbst auf Vorschlag des Kultusministers, sondern beispielsweise das Parlament ihn wählt. Er dürfte nicht ohne Kontrolle in seinen Hände absolute Macht konzentrieren, Stellvertreter ernennen und persönlich Mitarbeiter für Forschungsprojekte auswählen. Es inakzeptabel, wenn es kein Aufsichtsgremium gibt, das den überparteilichen und unpolitischen Charakter der Tätigkeit der Einrichtung beobachtet. Um eine „Parteilichkeit“ der Arbeit des UINP auszuschließen, wäre es notwendig, dass das Institut eine öffentliche Ausschreibung für jedes einzelne Forschungsprojekt durchführt. Den Zuschlag bei einer solchen Ausschreibung müssen dann professionelle Historiker aus bereits bestehenden akademischen Einrichtungen erhalten, die institutionell nicht von der Leitung des UINP abhängen.

Schon jetzt werden, wenn man die wissenschaftlichen Ergebnisse der Leitung des UNIP und einiger ihrer ständigen Mitarbeiter beurteilt, in ihrer Arbeit konkrete politische Sympathien und sogar die Bewunderung bestimmter historischer Formationen erkennbar. Um nicht Porzellan zu zerschlagen und die schöne Idee zu kompromittieren, wäre es nötig, die Grundsätze und Regeln der Arbeitsweise des veränderten UINP klar zu definieren.

Im Gesetz sind die Funktionen und Pflichten der Verantwortlichen für die Archiv-Bestände und Benutzerrechte klar beschrieben. Außer den Bestimmungen, dass der Benutzer „informiert“ wird über die Benutzungsregeln des HDA ist im Text nirgendwo beschrieben, welches die Strafe bei Regelverletzung sein soll. Es geht dabei darum, dass der unbeschränkte Zugang zu Personendaten – mit einzelnen Ausnahmen und wenn Sie den Zugang für 25 Jahre beschränken – neugierigen Liebhabern eine wahre Büchse der Pandora öffnen kann, besonders dann, wenn sie dafür nicht bestraft werden.

Im Allgemeinen gibt es ein verständliches und berechtigtes Interesse an diesen Archivalien bei zwei Kategorien von Menschen: professionelle Historiker und Angehörige von Opfern der Repression. Nach den Bestimmungen des Gesetzes sollen aber alle Unterlagen ohne Ausnahme jedem, der das wünscht, ausgehändigt werden, der eine Erklärung ausfüllt und einen Pass vorlegt. Man kann sich bereits vorstellen, wie viel Sensationslust Dilettanten in die Archive spült und wie viel Schmutz eine Chance erhalten wird, in unsere Öffentlichkeit zu schwemmen. Und was erst mit denen machen, die nicht einmal Verdacht schöpfen, dass in den Archiven des KGB kompromittierende Materialien gesammelt sind? Ich habe zum Beispiel nicht den geringsten Wunsch zu erfahren, wer von meinen Freunden aus der Studienzeit Informant des KGB war. Und ich möchte ebenfalls nicht, dass jemand anderes in meiner schmutzigen Wäsche wühlt, indem er diese Berichte liest.

Ferner entsteht auf der Basis verschiedener Arten von Informationen und Aussagen von Experten die Frage: Wie weit kann man diesen präparierten Archiven glauben? Nach den Worten des Menschenrechtlers Jewhen Sacharow sind in den Archiven der sowjetischen Geheimdienste wichtige Unterlagen fast nicht geblieben, nicht nur über die Agentur, sondern sogar über die Dissidenten. Außerdem ist allgemein bekannt, dass die außerordentlich wichtigen Archiv-Dokumente und sicherlich nicht die über die ferne Vergangenheit, General Holuschko [im November 1991, Anm. d. Übers.] mit sich nach Moskau genommen hat, der anschließend erfolgreich den Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation leitete. Es ist auch bekannt, dass man eine längere Zeit im Filial-Archiv des ehemaligen KGB wichtige Dokumente zerstörte, Fälle „säuberte“. Das heißt, das Fehlen wichtiger und für unsere Zeit aktueller Dokumente, Fonds-„Säuberungen“ und möglicherweise Fälschungen geben einem Liebhaber keine Möglichkeit, selbst einfachste Schlussfolgerungen zu ziehen, und nichts was hilft bei der „Wiederherstellung der nationalen Erinnerung des ukrainischen Volkes“.

Noch ein paar Worte zur Terminologie. Am meisten beleidigt am Dokument den professionellen Historiker das Wort über die „Erneuerung des nationalen Gedächtnisses“, „Stärkung des nationalen Gedächtnisses“ usw. Es geht darum, dass der Begriff „Platz des Gedächtnisses“, „Gedächtnispolitik“, „Geschichtspolitik“ und „nationales Gedächtnis“ eine klare Bedeutung haben, damit kann man nicht willkürlich um sich werfen, wie dies zum Beispiel zur Sowjetzeit geschah mit absolut idiotischen Parolen der Art wie: „Friede der Welt“, „Das Proletariat – eine Avantgarde der Arbeiterklasse“ und ähnlichem. Wenn sie im Gesetz über „Erneuerung des nationalen Gedächtnisses“ schrieben, muss man also verstehen, dass die Verfasser des Gesetzesentwurfes glauben, dass es also bereits einmal ein wahres nationales Gedächtnis gab, welches aber die Kommunisten verdorben haben, uns es aber obliegt, den alten Kanon wieder herzustellen. Das ist allerdings ein sehr vulgärer und unwissenschaftlicher Ansatz zur Bestimmung dessen, was nationales Gedächtnis ist. Irgendwie hat es den Anschein, dass die Gesetzgeber nicht darüber nachgedacht haben, was denn nationales Gedächtnis ist, nämlich ein Ort des Gedächtnisses und historisches Wissen, die in einem kollektiven historischen Bewusstsein zu einer bestimmten Zeit funktionieren. Sieht es also danach aus, dass erneut jemand um unsere Köpfe zu kämpfen beschlossen hat?

Wenn wir zusammenfassen, kann man davon ausgehen, dass der Hype um „historische“ Gesetze ein Manöver ist, von den besonders wichtigen Herausforderungen und Aufgaben abzulenken, die vor der gegenwärtigen ukrainischen Gesellschaft stehen. Erstens gibt es gar keine Probleme mit der Öffnung der Archive der alten sowjetischen Repressions-Organe, weshalb es auch keine praktische Notwendigkeit gibt, ein eigenes Mega-Archiv in Kiew zu errichten. Die Aufregung um dieses Thema ist nichts anderes als eine Spekulation mit dem Ziel, leichtgläubige und sensationslustige Menschen politisch zu mobilisieren. Zweitens verspürt man den Wunsch, die Notwendigkeit, eine Lustration der leitenden Beamten, die eng mit dem Janukowytsch-Regime zusammenarbeiteten oder seine Grundlage waren, zu ersetzen durch einen pseudo-historischen Lärm über Vorgänge längst vergangener Tage. Drittens lenken sie die politischen Kräfte der Ukraine von den dringenden Problemen ab und orientieren sie um auf die ferne Vergangenheit. Sie verwenden die gleiche Technik, mit der es gelungen ist, gegen die Regierung Wiktor Juschtschenkos 2005 Erfolg zu haben. Diese Technik hat Präsident Juschtschenko zu einem bloß nominellen Präsidenten verwandelt, der in die Geschichte abgeschoben und vollständig von der Entscheidung dringender staatlicher Aufgaben abgehalten wurde. Viertens ist das explosive Potenzial der Geschichte des 20. Jahrhunderts für die gegenwärtige ukrainische Nation bekannt und man wirft nun erneut die These von der Notwendigkeit der Wiederherstellung der „historischen Gerechtigkeit“ in die Gesellschaft, die ein beachtlicher Teil der Bürger als Versuch der Revanche eines der Mitläufer wahrnimmt.

Es ist bereits ein festes Muster: Sobald in der Ukraine eine reale Chance und Hoffnung auftaucht, aus dem postsowjetischen Raum auszubrechen, erscheinen unerwartet barmherzige Patrioten mit ihrer Büchse der Pandora, die in unserem Fall Geschichte heißt.

13. April 2014 // Wassyl Rassewytsch

Quelle: Zaxid.net

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Literaturhinweise des Übersetzers:

Über die Archive der Ukraine informieren allgemein die Beiträge der Zeitschrift „Archivy Ukrainy“. Kiev 23, 1969 ff., über die Geheimdienstarchive die der Zeitschrift „Z archiviv VČK, GPU, NKVD, KGB“. Kiev 1, 1994 ff.

Eine bereits etwas ältere Einführung ist: Iryna Matjaš/Kateryna Klymov (Red.), Narysy istoriï archivnoï spravy v Ukraïni. Kyïv (KM Akademija) 2002.

Zugang zu den Archiven der Ukraine und ihren Archivführern findet sich über die Webseite http://www.archives.gov.ua/Eng/

Das Ukrains’kyj instytut nacional’noi pam’jati (UINP) findet sich unter der Adresse http://www.memory.gov.ua/

Übersetzer:    — Wörter: 2554

Christian Weise trägt seit 2014 übersetzend und gelegentlich schreibend bei zu den Ukraine-Nachrichten. Im Oktober 2020 erschienen von ihm zwei literarische Übersetzungen: Vasyl’ Machno, Das Haus in Baiting Hollow. Leipziger Literaturverlag und Yuriy Tarnawsky, Warme arktische Nächte. Ibidem, Stuttgart. Im Januar 2020 bereits erschien seine Übersetzung des Bandes Verfolgt für die Wahrheit. Ukrainische griechisch-katholische Gläubige hinter dem Eisernen Vorhang. Ukrainische katholische Universität, Lwiw.

Mit ukrainischen Themen ist er seit 1994 vertraut, als er erstmals Kiew und Lemberg besuchte und sich zunächst mit kirchengeschichtlichen Fragen beschäftigte. Wenn nicht Pandemien hindern, bereist er etwa fünfmal im Jahr die Ukraine.

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