Schon den zweiten Tag berichten Medien über die Möglichkeit eines schnellen Rücktritts der Vorsitzenden der Nationalbank der Ukraine (NBU) Walerija Gontarewa. Nach Informationen vieler Quellen hat die Chefin der NBU tatsächlich eine solche Absicht. Nur wird diese nicht von der Bankowa-Straße (Sitz des Präsidenten) geteilt. Im Umfeld des Präsidenten wird betont, dass mit einem Abgang in unmittelbarer Zukunft trotzdem nicht zu rechnen sei.
Sie ist müde
Am Vorabend hatten die Medien „RBK-Ukraina“ und die „Ukrainskaja Prawda“ über einen Abgang Gontarewas geschrieben. Nach Quellen der „Ukrainskaja Prawda“ sollte die Rücktrittserklärung quasi bis zum 2.März verlautbart werden.
Zwei Tage lang kommentierte Gontarewa die Gerüchte nicht.
In dieser Zeit dementierte der Pressedienst der Nationalbank einen Rücktritt in nächster Zukunft.
„Wie Sie wissen, informiert die NBU traditionell einen Monat im Voraus über anstehende Wechsel in der Führungsriege. Eine solche Erklärung hat es nicht gegeben, und das bedeutet, dass die Informationen nicht der Wahrheit entsprechen“, erklärte der Pressedienst der NBU.
„Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass sie sich zu gehen anschickt, aber dieses Mal ist es ernster“, sagte eine der hohen Staatsbeamten aus dem Umfeld des Präsidenten.
Nach seinen Worten glaubt Gontarewa, „dass sie sich allein im Kampf mit Kolomojskij (= Igor Kolomojskij, Oligarch) um die ‚PrivatBank‘ befindet, und sie will dabei nicht zur ‚neunten Kompanie‘ werden“ (= Anspielung auf den Film „Die neunte Kompanie“, in dem eine Kompanie der sowjetischen Armee beim Einsatz im Afghanistan-Krieg völlig aufgerieben wird).
Den Wunsch zu gehen, bestätigen auch Quellen in Bank-Kreisen und im Minister-Kabinett. „Dass sie gehen will und darüber spricht, ist wahr, aber nicht unmittelbar sofort. Doch zu den Gerüchten über bevorstehende Wechsel kann ich nichts sagen…von allen Kandidaten habe ich erst aus der Presse erfahren, und nicht von den Kandidaten selbst“, sagte der Vorsitzende des ökonomischen Blocks des Minister-Kabinetts dieser Zeitung.
Von einem Abgang Gontarewas in nicht unmittelbar bevorstehender Zeit sprach auch ein Vertreter aus dem Wirtschaftsumfeld des Präsidenten.
„Sie wird gehen, aber nicht direkt morgen. Ich würde das einen kontrollierten Abgang nennen, aber das ist keine schnelle Frage“, sagte ein Gesprächspartner dieser Zeitung. Er lehnte es ab, detaillierter über die Gründe ihres Abgangs zu sprechen.
Noch nervöser reagierte die Bankowa-Straße auf die Frage nach dem Abgang Gontarewas. „In Wirklichkeit bittet sie schon lange darum. Aber man lässt uns nicht und hat entsprechend nervös auf den Vorschlag reagiert, Gontarewa wie einen Knochen den Schakalen hinzuwerden, die heftig bellen“, erzählt der Gesprächspartner aus der Verwaltung des Präsidenten.
Ein anderer hochrangiger Beamter antwortete, dass er nichts über einen Abgang weiß. „Mich würde interessieren, wie sie sich vorstellen, die NBU-Chefin wegzuräumen, ohne die fällige Tranche des IWF erhalten zu haben?“, fragte der Vertreter der Präsidialverwaltung.
Am Montag wurde bekannt, dass bis zum 6.März die ukrainische Frage nicht auf der Tagesordnung des IWF steht. (am 20. März steht die Entscheidung auf der Tagesordnung, A.d.R.)
Und obwohl der IWF Informationen über eine Verlängerung der Gespräche mit der Ukraine über die nächste Tranche bestreitet, klingen die nächsten Worte der IWF-Vertreter nicht sehr konkret und positiv.
„Man hat einen bedeutenden Fortschritt erreicht in der Annahme der Entscheidungen, die Bedingung für die Vollendung der dritten Begutachtung durch den IWF waren. Man wird weiter sich über die Fragen verständigen, die noch anstehen“, heißt es in einer Erklärung des Fonds.
Im übrigen stößt sich die Frage nach einem Abgang Gontarewas ebenso so sehr an der Zusammenarbeit mit dem IWF – denn schließlich arbeitet auch Finanzminister Aleksander Daniljuk mit diesem zusammen – wie an dem Fehlen eines möglichen Nachfolgers.
Für den Grafen de La Fère ist das wenig
Die Gerüchte über einen Abgang Gontarewas aus ihrer Position kursieren noch keinen Monat. In der letzten Zeit gesellte sich zu ihnen das Gerücht, dass auf den Posten Arsenij Jazenjuk zurückkehren werde.
Aber gestern Abend erklärte der Führer der Volksfront über den Äther der Talkshow „Swoboda Slowa“ (Redefreiheit), dass er nicht auf diesen Posten zurückkehren werde.
„Ich werde nicht den Vorsitz der NBU übernehmen. Und zwar deswegen, weil ich glaube, dass die Leitung der NBU eine vollständig apolitische Figur übernehmen solle“, sagte Jazenjuk und erinnerte daran, dass er genau das im Jahr 2004 war.
Er erinnerte auch daran, dass der Präsident die Entscheidung über die Entlassung und Berufung des NBU-Vorsitzes fälle.
Jazenjuk sprach sich auch dafür aus, dass die Funktionen der NBU erweitert werden sollten. „Jetzt ist es die Sicherung des Hrywnja-Kurses und die Preissteigerung“, erinnerte der Ex-Ministerpräsident. Nach seinen Worten sollte die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Finanzierung von Krediten dazu kommen.
Außerdem sagte er, dass jetzt 80 Banken aufgelöst seien und der Staat der wichtigste Banken-Besitzer sei. Deshalb schlug Jazenjuk vor, dass jede Bank sich hochgradig spezialisieren sollte. „Sber- und PrivatBank sollten die kleinen und mittleren Unternehmen finanzieren, und die Ukrgas-Bank die großen“, führte Jazenjuk als Beispiel an.
Bis zu dieser offiziellen Erklärung Jazenjuks wurde schon in seinem Umfeld dementiert, dass er auf den Posten zurückkehren könnte. „Warum sollten wir das tun? Wir waren dort doch schon“, lachte ein Vertreter des Umfelds von Jazenjuk und verwies darauf, dass dieser schon aus dem Posten herausgewachsen sei.
Die Weggefährten aufseiten der Nationalen Front sind mehr als skeptisch in dieser Hinsicht: „Es wird schon lange über den Chefsessel der NBU gesprochen. Aber Arzenij Jazenjuk antwortet jedes Mal, dass er keinen Rückwärtsgang habe. Er empfindet das als Degradierung.“
In der Präsidialverwaltung bezweifelt man ebenfalls, dass Jazenjuk auf diesen Posten zurückkehrt.
„Nein, ich glaube nicht“, sagt ein Gesprächspartner aus dem Umfeld des Präsidenten.
„Sehen Sie, der Erste (= Präsident Poroschenko) hat vorgeschlagen, dass Jazenjuk nach seinem Rücktritt in den Aufsichtsrat der NBU geht. Dieser Posten war vakant. Er hat sein Beispiel angeführt, als er Vorsitzender des Aufsichtsrats der NBU war und die ganze NBU geführt hat. Aber jener hat schon damals abgesagt. Er sagte, dass „das für den Grafen de la Fère (= Figur aus Alexandre Dumas „Drei Musketiere“) zu wenig wäre“, erzählt der Gesprächspartner aus der Präsidialverwaltung.
Irgendwelche anderen Kandidaten, die Ansprüche auf diesen Posten erheben könnten, wurden in der Präsidialverwaltung nicht genannt.
1.März 2017// Sergej Schtscherbina und Tatjana Nikolajenko
Quelle: The Insider
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