FacebookXVKontakteTelegramWhatsAppViber

Der Kreislauf des „Verrats”

0 Kommentare
Kreislauf des Verrats - Wolodymyr Selenskyj / Wladimir Selenski

„‚Verratssanhänger‘ werden selbst, wenn du einen [ukrainischen] Dreizack auf dem Kreml errichtest, sagen, dass er schief steht.“ Vor dreieinhalb Jahren konnte Pjotr Poroschenko [ukr. Petro Poroschenko] mit seinen Emotionen an die Adresse der Kritiker nicht zurückhalten.

Man kann ihn verstehen. In diesem Moment teilte sich das Land endgültig in Anhänger des „Verrats“ und des „Siegs“. Erstere suchten Gründe für Unzufriedenheit sogar dort, wo es diese nicht gab. Zweite forderten Nachsicht aufgrund der Umstände und bestanden darauf, dass das Glas halbvoll ist.

Jedes Lager grub sich ein. Zwischentöne wurden zurückgewiesen. Auf der einen Seite der Barrikade war man überzeugt, dass sich die Ukraine nicht in die richtige Richtung entwickelt. Auf der anderen nahm man an, dass die Zeit für das Land arbeitet.

Jedes Lager warf den Gegnern Karrierismus und Käuflichkeit vor. Der Höhepunkt des Konflikts war im Frühling 2019, als die Hitze der Präsidentschaftswahlen alles bis zum äußersten verschärfte. Die Lager des „Verrats“ und des „Siegs“ gingen in den sozialen Netzwerken in den Nahkampf und machten keine Gefangenen.

Um zwei Jahre später die Plätze zu tauschen.

Diejenigen, die vor einigen Jahren das Verbot der russischen sozialen Netzwerke zur „Zensur“ erklärten, applaudieren jetzt den Sanktionen gegen die Medienholding von [Wiktor] Medwedtschuk. [Medwedtschuk war unter Präsident Leonid Kutschma Chef der Präsidialverwaltung. Aktuell ist er einer der Köpfe der größten russlandorientierten Oppositionspartei „Oppositionsplattform für das Leben“. Taufpate einer seiner Töchter ist der russische Präsident Wladimir Putin. Gegen Medwedtschuk, seine Frau Oxana Martschenko und drei ihm zugeschriebene Nachrichtensender wurden von Selenskyj im Februar Sanktionen erlassen. A.d.Ü.]

Und diejenigen, die den fünften Präsidenten [Poroschenko] für die Informationshygiene lobten, rufen dazu auf sich nicht über analoge Schritte des sechsten [Präsidenten Selenskyj] zu freuen.

Ein komplettes Déjà-vu-Gefühl: jedes Lager ruft zur Geschlossenheit auf und alle Abweichungen werden mit Ketzerei gleichgesetzt.

Wir messen die Entscheidungen erneut nicht an der „Agenda“, sondern am „Autoren“. Familien sind erneut wichtiger als Konsequenz. Selenski [ukr. Wolodymyr Selenskyj] wird von den Anhängern Poroschenkos beschimpft, lediglich dafür, dass er beginnt, seinem Vorgänger zu gleichen.

Und die Adepten des sechsten Präsidenten loben ihn für seine Taten, die sie dem fünften nicht verzeihen konnten. Der Führerkult hat gesiegt und Metastasen ausgebildet. Die (Nicht-)vertrauensvermutung lässt keinen Platz zur Analyse.

Übrigens ist die Hitze der Konfrontation erklärbar. Die letzten Entscheidungen von Wladimir Selenski ändern seine politische Positionierung. Das Brandzeichen des „Kapitulierers“ lässt sich schlecht mit der Kriegserklärung an die „fünfte Kolonne“ verbinden.

Den täglichen oder wöchentlichen Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!

Der Status der „Niederlage“ vereinigt sich schlecht mit der Bereitschaft die Konfrontation mit der Kreml zu verschärfen. Zum Ende seines zweiten Präsidentschaftsjahres erhebt Wladimir Selenski Anspruch auf die Lorbeeren des Falken in der ukrainischen Politik. Und all das schadet dem Image seines Vorgängers.

Vorher gehörte die Souveränitätsagenda ungeteilt dem fünften Präsidenten des Landes. Das Getane und Erreichte während seiner Amtszeit war ein zuverlässiger Schutz vor Kritik und Vorwürfen.

Doch nach den kürzlichen Entscheidungen Selenskis ist das Lager von Pjotr Poroschenko bereits gezwungen, die Natur des „Nichtgetanen“ zu erklären. Der nichtverhängten Sanktionen. Der unverkündeten Verdachtsmitteilungen. Der unbeschlossenen Einschränkungen.

Man kann natürlich die Strategie der Entwertung wählen. Davon reden, dass alles nicht wie es sein soll, nicht richtig und nicht rechtzeitig getan wurde.

Für das Kernauditorium der Partei kann dieser Ansatz funktionieren.

Doch es wird kann gelingen sie denjenigen zu verkaufen, denen die Souveränitätsagenda wichtig ist und nicht die Person, die diese verwirklicht. Und daher erklären die neuen Entscheidungen Selenskis nicht nur der „Kremlpartei“ den Krieg, sondern auch einen Krieg um die Wählerschaft der „Souveränitätspartei“. [Der Autor Pawel Kasarin hat als einer der ersten Krimbewohner im April 2014 die russische Staatsbürgerschaft beantragt und bekommen und hat diese erst nachdem es 2020 bekannt wurde in diesem Jahr abgegeben. A.d.Ü.]

Übrigens kann man das gleiche Ehrlichkeitsdefizit auch denjenigen vorwerfen, die heute den sechsten Präsidenten des Landes für Schritte rühmen, für die sie vor kurzem noch den Vorgänger kritisierten.

Noch vor kurzem schlug Selenski vor sich „in der Mitte zu einigen“. Nahm in seine Partei und seine Umgebung Menschen aus dem Lager des Antimaidan auf. Und es gibt nicht wenige Fragen an diejenigen, die mit der gleichen Inbrunst die frühere Bereitschaft des Präsidenten zu Kompromissen verteidigten, wie seine jetzige Bereitschaft mit der Tür ins Haus zu fallen.

Vor unseren Augen haben die Adepten von „Verrat“ und „Sieg“ ihre Plätze getauscht. Und das ist traurig. Denn eine Entscheidung ist nicht wegen des Autoren wichtig. Die Bewegungsrichtung nicht wegen des Familiennamens. Und die Farbe der Katze steht in keiner Beziehung zu ihrer Fähigkeit oder Unfähigkeit, Mäuse zu fangen.

Groß ist die Versuchung alle Sanktionen auf die „Washingtoner Gebietsverwaltung“ zu schieben. Die Entscheidungen des sechsten Präsidenten [der Ukraine] mit der Tatsache der Wahl des 46. Präsidenten [der USA] zu erklären.

Den täglichen oder wöchentlichen Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!

Die Entschlossenheit des offiziellen Kiews Joseph Biden und seiner Administration zuzuschreiben. Doch durch alles zieht sich der Unwille, die Fähigkeit ukrainischer Politiker zur Weiterentwicklung anzuerkennen.

Obgleich alle Präsidenten der Ukraine diese Transformation durchlaufen haben, mit Ausnahme vielleicht des vierten [Wiktor Janukowitsch/Janukowytsch].

Und zum Autoren dieser Veränderungen in den ukrainischen Präsidenten wird jedes Mal nicht so sehr der kollektive „Westen“, als eben jener „Osten“. Die Politik des Kremls dient als Prokrustesbett, das die ukrainischen Führer von überflüssigen Illusionen und rosa Brillen befreite.

Sogar übermäßige Zugeständnisse Kiews war Moskau bereit als unzureichend anzusehen, dabei unverändert in seinem Bestreben bleibend das Jahr 1991 zu überspielen. Früher oder später zwang das Begreifen dieses einfachen Fakts die ukrainischen Tauben dazu, Schnabel und Krallen wachsen zu lassen.

Wenn Selenski eben jene Evolution durchläuft – wird das Land auf etwas stolz sein können. Das wird lediglich das bedeuten, dass die Souveränitätsagenda in der Lage ist sogar den apolitischsten Einwohner, der durch zufällige Umstände im Präsidentensessel landete, umzuschmieden.

Wenn das sechste Staatsoberhaupt mit der Partei des Kremls ernsthaft und für lange kämpft, dann wird das bedeuten, dass im Land Gleise für eine komplett offensichtliche Bewegungsrichtung auftauchten.

Denn in einer Situation des offenen Konflikts mit dem „Osten“ ist die einzig zugängliche Richtungsoption für das Land der „Westen“. Mit einer unvermeidlichen Erfüllung der Reihe europäischer Forderungen. Mit der unvermeidlichen Perspektive von Reformen „trotz der Umstände“.

Derjenige, der es liebt das Porzellan mit Moskau zu zerschlagen, lässt sich selbst keine andere Wahl.

Und in dem Moment muss man eine Wahl treffen. Zwischen der Agenda und dem Familiennamen. Zwischen dem Kurs und Personen. Zwischen dem Wunsch selbst im Recht zu fühlen und der faktischen Situation.

Letztendlich ist es besser sich mit dem eigenen Pessimismus zu betrügen, als sich über das Talent die Katastrophe des Landes vorherzusagen zu freuen.

28. März 2020 // Pawel Kasarin

Quelle: Ukrainskaja Prawda

Übersetzer:   Andreas Stein — Wörter: 1077

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Bluesky, Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und täglich oder wöchentlich per E-Mail.

Artikel bewerten:

Rating: 5.0/7 (bei 1 abgegebenen Bewertung)

Kommentare

Neueste Beiträge

Aktuelle Umfrage

Werden die von Trump eingeleiteten Friedensgespräche erfolgreich sein?
Interview

zum Ergebnis
Frühere Umfragen
Kiewer/Kyjiwer Sonntagsstammtisch - Regelmäßiges Treffen von Deutschsprachigen in Kiew/Kyjiw

Karikaturen

Andrij Makarenko: Russische Hilfe für Italien

Wetterbericht

Für Details mit dem Mauszeiger über das zugehörige Icon gehen
Kyjiw (Kiew)-1 °C  Ushhorod0 °C  
Lwiw (Lemberg)-3 °C  Iwano-Frankiwsk-2 °C  
Rachiw-4 °C  Jassinja-3 °C  
Ternopil-3 °C  Tscherniwzi (Czernowitz)-1 °C  
Luzk-3 °C  Riwne-3 °C  
Chmelnyzkyj-3 °C  Winnyzja-3 °C  
Schytomyr-3 °C  Tschernihiw (Tschernigow)-3 °C  
Tscherkassy-3 °C  Kropywnyzkyj (Kirowograd)-4 °C  
Poltawa-4 °C  Sumy-4 °C  
Odessa-2 °C  Mykolajiw (Nikolajew)-3 °C  
Cherson-2 °C  Charkiw (Charkow)-5 °C  
Krywyj Rih (Kriwoj Rog)-4 °C  Saporischschja (Saporoschje)-3 °C  
Dnipro (Dnepropetrowsk)-5 °C  Donezk-4 °C  
Luhansk (Lugansk)-4 °C  Simferopol0 °C  
Sewastopol1 °C  Jalta1 °C  
Daten von OpenWeatherMap.org

Mehr Ukrainewetter findet sich im Forum

Forumsdiskussionen

„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“

„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“

„Mich würde es Interessieren, ob die Amis sich auch raushalten, wenn der Zwerg Alaska besetzt oder Teilbesetzt. Es könnte ja zu einem Atomkrieg kommen, wenn die Amis Truppen schicken. Sie senden anscheinend...“

„Klar, ist aber trotzdem auch heute noch - vielleicht gerade heute wo tausende Kinder Hilfe benötigen - ein Thema und wenn der Teilnehmer nicht gelöscht ist, kann man doch fragen, oder? Mehr als KEINE...“

„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Es ist Deine Entscheidung im Ausland zu leben, offensichtlich...“

„Hast aber schon gesehen dass das 8 Jahre alt ist?“

„Hello, Nico! If you are still interested my friends used ukrainian organization to addopt ukrainian kid, I could ask them for contacts of that company. How to connect you for questions?“

„Ja schade, jetzt ist Herr Erler, neuerdings 5685, wieder in der Versenkung verschwunden. Ich hoffte er könnte vielleicht auch noch ein paar themenbezogene Beiträge hier beisteuern.“

„.. Das erste Erdölvorkommen der DDR wurde 1961 in Reinkenhagen bei Grimmen, im heutigen Landkreis Vorpommern-Rügen, unweit von Greifswald, gefunden. ,... Du haust schon wieder alles sinnlos durcheinander....“

„Erst: "Was wenige wissen die DDR hatte bedenken und sIe versuchten eigene Gasvorkommen in Ostdeutschland zu suchen." Jetzt: "Das erste Erdölvorkommen der DDR wurde 1961 in Reinkenhagen bei Grimmen..."...“

„Aha Wiki links funktionieren nicht weisst aber was steht. Oh man. Noch mal: Während man in Thüringen und der Altmark beim Erdgas fündig wurde, lag das schwarze Gold unter dem pommerschen Boden an der...“

„Hallo. Ich möchte auf diesem Wege eine nette Frau zwischen 40 und 50 Jahren alt kennenlernen. Ich heiße Marek und komme ursprünglich aus Polen. Ich lebe Deutschland seit über 35 Jahren. Letztes Jahr...“

„Ich tippe da eher auf einen gewissen Dauerpegel .... Ist mir egal. Zum Glück gibt es hier sowas wie die Ignorfunktion, welche auch tatsächlich recht gut funktioniert.... Du kannst dieses Forum einfach...“

„Noch 15 Jahre so weiter und das Problem ist gelöst; Russland hat sich ausgelöscht. Ich fänd's ganz gut, schappt sich eben Deutschland das Jamal Feld, wenn keiner mehr da ist: greift man zu.“

„Schon wieder eine weitere leere Drohung von einem Putin-Sklaven ? Wie kam der Mann eigentlich an die Macht, ist die Slovakei so hinterfotzig.? Was jetzt? Hat er "einmal heisse Luft" geblubbert? Freut er...“

„Ich tippe da eher auf einen gewissen Dauerpegel .... Ist mir egal. Zum Glück gibt es hier sowas wie die Ignorfunktion, welche auch tatsächlich recht gut funktioniert....“

„Ein steriler Machthaber: hurrah, wir haben ihn kastriert. Hat der Wichser schon vor Jahren verdient: kastriert ihn einfach: schnipp schnapp, der Schniedelwutz ist ab. Nur f£ür die Zarenknecht nicht,...“

„Vielleicht tue ich den Bewohnern des Donbass ja unrecht mit meiner Einschätzung, wenn Du Tombi also belastbare Informationen .... Was willst Du denn noch: der Dombass hat mit Grosser Mehrheit für die...“

„Mein "ADSL" ist wesentlich langsamer geworden, durch diesen Windows 10/11 Schrott mit meinem Glasfaseranschluss. ADSL ist Kupferkabel, nix Glasfaser.“

„Da hat wohl jemand noch zu viel Restalkohol im Blut... Ich tippe da eher auf einen gewissen Dauerpegel ....“

„Vielleicht tue ich den Bewohnern des Donbass ja unrecht mit meiner Einschätzung, wenn Du Tombi also belastbare Informationen zur derzeitigen Situation bzw Stimmung dort hast immer her damit. Kein Grund...“

„Da hat wohl jemand noch zu viel Restalkohol im Blut. Wenn du wieder nüchtern bist, können wir uns ja gerne auf einem zivilisierten Niveau austauschen. Sollte dieses zur Schau gestellte Niveau jedoch...“

„Die Willensbekundungen zur Aufnahme der Ukraine in die NATO und der EU dienen doch einzig und alleine dem Zweck, die Moral der Bevölkerung und der Armee etwas aufzubessern. Deine Kleinpisserei steck Dir...“

„Sofern einige Prognosen Realität werden, wird das Mullahregime im Iran nächstes Jahr zum Teufel gejagd werden. Dann dürften so einige Blicke Richtung Iran bei vielen Russen noch deutlich mehr Besorgnis...“

„Die Telekom hat sich auch Jahrzehnte gegen Glasfaser gesträubt. Da ist D mit das Schlusslicht. .... Wozu braucht "man" eigentlich Glasfaser? Mein "ADSL" ist wesentlich langsamer geworden, durch diesen...“

„Ich will hier kein Spielverderber beim Putin-bashing sein, aber hoffentlich verrennst Du Dich da nicht in Deinem Weltbild: PUtin bashing, oder nicht bashing: das entscheidest nicht Du: er hat einfach den...“

„Ich will hier kein Spielverderber beim Putin-bashing sein, aber hoffentlich verrennst Du Dich da nicht in Deinem Weltbild: Man kann ihm viel nachsagen, aber bestimmt nicht daß er heutzutage noch ein Genosse...“

„Was soll daran so verdächtig sein wenn die DDR parallel zu den Importen auch die eigenen kleinen Reserven erschließt ? Beim Öl spielte damals zB auch die Qualität eine Rolle. Deine Links funktionieren...“

„Die Telekom hat sich auch Jahrzehnte gegen Glasfaser gesträubt. Da ist D mit das Schlusslicht. ....“