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Vitalij Klitschko: Selbstverwaltung heißt nicht Eigenmächtigkeit

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Wenn ich abends nach dem Training traditionell die Nachrichten im Internet durchschaue, merke ich, wie die Anzahl der negativen Nachrichten aus der Ukraine langsam immer größer wird.

Schon wieder sehe ich die gewöhnliche „Serie“ über den Konflikt zwischen dem Präsidenten und der Premierministerin. Diesen „Film“ schauen die Ukrainer schon seit mehreren Jahren.

Jetzt gibt es auch eine neue Version der alten Tragikomödie „Die Fremden in Kiew“. Typisches Repertoire von Tschernowezkij und seinem Team. Wobei der Bürgermeister von Kiew keine dermaßen wichtige Figur ist, die von besonderem Interesse außerhalb unseres Landes wäre. Deshalb berichtet die europäische Presse in ihrer Mehrheit nicht über die Streiche aus Kiew.

Hier, in dem politisch wohlbehaltenen Europa, sehen die Besonderheiten der Kiew-Politik von Tschernowezkij wie „angsteinjagende Märchen“ aus. Damit könnten die europäischen Politiker, genauso wie die einfachen Bewohner etwa von Wien oder Hamburg erschreckt werden. Dadurch werden sehr gut die Gründe für die Probleme in Kiew und in der Ukraine ersichtlich.

Jeder von uns kennt das Sichtschärfegefühl. Wir sehen alle Sachen, die Leute und gewöhnliche Lebensweise anders, wenn wir das Umfeld ändern. Genau so wenn ich jetzt über die Ukraine lese, sehe ich alles unter einem anderen Winkel und mit einer anderen Schärfe.

Während oben immer weiter geklärt wird – wer und wann die Hauptperson im Land sein wird, wird lokal eigene Politik durchgeführt, ohne auf das Ergebnis von oben zu warten. Kiew ist das beste und das anrüchigste Beispiel der lokalen Politik, die im Widerspruch zu allen Gesetzen, allen gesunden Sinnen und moralischen Prinzipien aufgebaut wird.

Ich will nicht sagen, dass in Mykolajiw, Odessa, Dnepropetrowsk und in den anderen ukrainischen Städten die Stadtverwaltungen sich in der gleichen Weise benehmen, wie das Team von Tschernowezkij es tut. Es wäre aber einfach anzunehmen, dass sie sich fragen könnten – warum darf er, und wir nicht? Dann können eigene Steuern eingeführt werden, die Entscheidungen von Räten ignoriert und der Druck auf die Opposition ausgeübt werden.

So, wie Tschernowezkij das macht… Kiew ist letztendlich die Hauptstadt, von dort aus weht der Wind über die ganze Ukraine. Die anderen Städte orientieren sich an der Hauptstadt.

Wenn es so auch weitergeht, wird die zentrale Regierung einen zerstückelten Staat bekommen, in dem jeder lokaler Anführer seine Linie führen würde und eigene Anordnungen verabschieden würde, die über alle Gesetze im Land und über die Verfassung stehen würden.

Leonid Tschernowezkij zeigte schon das Beispiel davon, wie das Gesetz und die Gerechtigkeit verachtet werden können. Es kann natürlich über den „Bürgermeister aller Kiewer“ gelacht werden, und, als Witz, die CDs mit den „musikalischen Flops“ des Bürgermeisters gekauft werden. Das alles dient aber genau dem Ziel der Stadtregierung von Kiew, die völlig rationell handelt.

Während das Volk unterhalten, erschreckt und verblüfft wird, löst in der Wirklichkeit das große und gierige Team von Tschernowezkij seine Probleme auf unsere Kosten, indem sie die Taschen der Bewohner von Kiew leeren.

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Als wir endlich die Augen und die Ohren aufgemacht haben, hat sich herausgestellt, dass das Budget von Kiew leer ist, dass die Tarife für alles erhöht worden sind und sogar noch mehr – dass der Bürgermeister vorhat, Kiew selber manuell zur Walzermusik zu steuern… Ohne ein Budget, ohne die Entscheidungen vom Kiewer Stadtrat…

Eine solche Perspektive erschrak alle – die Bürger, sowie die Zentralregierung. Aber nicht für lange.

Die neulich statt gefundene Konferenz beim Präsidenten zeigte, dass Tschernowezkij keine Angst mehr weder vor Gott, noch vor Teufel, noch vor dem Präsidenten hat. Bericht – was für ein Bericht?! Die Vertreter sollen zur Berichterstattung gehen, der Bürgermeister wird keine Zeit für Erklärungen verschwenden.

Der schlaue Spitzbube Tschernowezkij versteht sehr gut, dass das Team vom Präsidenten daran interessiert ist, eine gute Beziehung mit ihm zu behalten, da er ein Feind von Julia Tymoschenko ist. Deshalb wird er seinen Posten trotz allen Streichen behalten.

So passiert es auch – weder das direkte Ignorieren der Stellung des Präsidenten zu der Frage der Tarife, noch das Fehlen eines Stadtbudgets für das Jahr 2009 oder die verrückten Ideen über die Einführung der Gebühren für alles Mögliche in Kiew – nichts hatte den Status des Bürgermeisters vor der drüber stehenden Regierung verschlechtert. Tschernowezkij wurde getadelt und bekam 10 Tage um die Ordnung wiederherzustellen. Die Diskussionen über die Enthebung vom Posten des Bürgermeisters blieben nur Vermutungen der Presse.

Eine gesplitterte Staatsmacht ist die profitabelste Variante für solche lokalen Göttchen wie Tschernowezkij. Die Situation kann immer für den eigenen Profit ausgenutzt werden. Genau dies macht der Bürgermeister von Kiew, und zwar erfolgreich.

Bis in dem Land eine Ordnung ganz oben eingeführt wird, werden örtlich die neuen Tschernowezkijs erscheinen, die eigene Macht aufbauen werden und eigene, den Gesetzen und den Interessen der Bürger entgegen gesteuerte Politik durchführen werden.

Was bedeutet Ordnung?

Der Präsident sagte einmal, dass das Gesetz für alle gleich gilt, inklusive der Abgeordneten, der Bürgermeister und der Premierminister… Keiner darf das Gesetz brechen.

Wie kann dies erreicht werden?

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Erstens – zumindest müssen die Handlungen von Tschernowezkij objektiv in der Generalstaatsanwaltschaft untersucht werden. Es gibt genügend Fakten, um den Bürgermeister seines Postens zu entheben, so wie unsere Fraktion es auch forderte. Zweitens, schon heute könnten das Parlament, der Präsident und die Regierung Entscheidungen bezüglich der Gesetzgebung treffen, die es erlauben würden, die Situation in Kiew zu verändern.

Es gibt Vorschläge bezüglich eines Gesetzes „Über die Hauptstadt“. Sie werden schon diskutiert. Aber die Idee, die Vollmachten des Administrationsvorsitzenden und des gewählten Bürgermeisters zu trennen – gefällt mir überhaupt nicht. Als Resultat derartiger Trennung, kann sich genau so ein Krieg um die Macht auf dem lokalen Niveau ergeben, wie er jetzt auf dem Gesamtnationalniveau zwischen dem Präsidenten und der Premierministerin statt findet.

Klar ist es auch, dass in solchem Krieg der Vorsitzende der Administration gewinnen und die Stadtselbstverwaltung verlieren würde. Die Verfassung erklärt kaum die Vollmächte der Selbstverwaltung, dafür aber explizit die Vollmächte der Administrationen.

Wir werden aber das Gesetz an das Phänomen Tschernowezkij nicht anpassen. Es ist es wert, die Zusammenschlüsse daraus zu ziehen, aber keine raschen Entscheidungen zu treffen – so, wie es öfters bei uns passiert – mal passen wir die Verfassung an einen konkreten Präsidenten an, mal das Gesetz „Über die Hauptstadt“ an einen konkreten Bürgermeister.

Wir sollten nicht über eine konkrete Person, sondern über die Spielregeln nachdenken. Was für die Stadt und für das Land besser wäre.
Der Bürgermeister soll in konkrete Gesetzesrahmen versetzt werden und dazu verpflichtet werden, mit dem lokalen Rat zusammenzuwirken. Beiden sollen Verpflichtungen erteilt werden, denen der Rat sowie der Bürgermeister nachzugehen haben.

Es müssen eine Balance und eine gegenseitige Kontrolle existieren, und kein Kampf und Streitigkeiten. Dann gibt es auch Ergebnisse. Es ist es wert, daran zu arbeiten.

The last, but not least – damit der lokale Rat für die Stadt und nicht für die Parteien arbeitet, bedarf es einer Änderung des gesetzlichen Wahlvorgehens schon heute, damit die nächsten Wahlen keine zufälligen Passanten zur Macht führen, sondern diejenigen, für die die Änderungen wichtig sind, diejenigen, die im Zustande sind, sich mit den Lösungen der ernsten Probleme auf dem lokalen Niveau auseinanderzusetzen, und die die Politik nicht als Futtertrog und Teilung sehen.

Vitalij Klitschko

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzerin:   Iryna Mosina — Wörter: 1157

Iryna Mosina stammt aus Mykolajiw erwarb einen Bachelor in Philologie an der Ukrainischen Staatlichen Petro-Mohyla-Universität in Mykolajiw, studiert momentan an der Universität Stuttgart technisch orientierte Betriebswirtschaft und trägt von Zeit zu Zeit zu den Ukraine-Nachrichten bei.

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