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1932–1933: zwischen sieben und zehn Millionen Opfer

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Als man sich Hitler nach dessen Machtergreifung Anfang 1933 in der Sowjetunion gerade erst begann näher anzuschauen, genossen die deutschen Diplomaten noch Vertrauen bei den bolschewistischen Beamten. Letztere wurde deshalb zu den Informationsquellen über die Zahl der Holodomoropfer 1932-1933 in der Ukraine, was auch in Dokumenten des politischen Archivs des deutschen Außenministeriums festgehalten wurde – zwischen 7 und 10 Millionen.

[Eine Replik auf diesen Artikel findet sich im Beitrag Die Opferzahl des Holodomor: Wissenschaft oder Ideologie?

Hungeropfer in CharkiwOpfer der Hungersnot, Charkiw

Auf dieser Ansicht bestand auch unsere gesamte Emigration – lediglich sie konnte, bis weit in die Zeit der Perestroika hinein, über dieses Verbrechen Moskaus sprechen. Der in den USA arbeitende ukrainische Forscher T. Sosnowyj berechnete, dass die Zahl 7,521 Millionen Menschen betragen müsse.

In der UdSSR wurde all das verständlicherweise geleugnet: angeblich hätte es nie irgendeine Hungersnot gegeben, das seien Lügenmärchen bourgeoiser Falsifikatoren. Genau in diesem Stil haben im Jahr 1988 vier Kyjiwer Wissenschaftler – zwei Historiker und zwei Juristen – einen Brief an den schwedischen Professor Jakob Sundberg geschrieben, damals Leiter der Internationalen Juristenkommission, die dieses Verbrechen nach einer speziell ausgearbeiteten Methode untersucht hat.

Die offensichtlichen Fakten, die dieses eigentümliche Tribunal sowie eine Kommission des Kongresses der USA zusammentrug, haben den Kreml schließlich dazu gezwungen, die mit aller Sorgfalt verheimlichten Dokumente ein wenig zu lüften. Der erste, der in die Moskauer Archive vorgelassen wurde, war der Kyjiwer Professor Stanislaw Kultschyzkyj. Er veröffentlichte daraufhin eine von der kommunistischen Zensur genehmigte Zahl: dreieinhalb Millionen. Diese Zahl verteidigt er bis heute, von unseren Demografen wird sie auf 3,9 Millionen korrigiert.

Zweifel an der Richtigkeit dieser Schlussfolgerungen, wie sie von einzelnen unserer Historiker und Demografen gezogen wird, ruft jene Tatsache hervor, dass sie sich dabei auf offizielle Angaben stützen, die ihrerseits bereits längst Skepsis auf sich gezogen haben, unter anderem auch von russischen Forschern. Insbesondere, wenn von den unionsweiten Volkszählungen der Jahre 1937 und 1939 die Rede ist, muss betont werden, dass sie erstens aufgrund des Fehlens einer entsprechenden Frage nicht die Möglichkeit geben, Migrationsströme der Bevölkerung zu bestimmen (wie in vorangegangenen Volkszählungen von 1897 und 1926 möglich) und sich zweitens beträchtlicher Ungenauigkeiten in der Erfassung schuldig gemacht haben.

Das betrifft besonders die zweite Zählung. Laut offiziellen Regierungsdokumenten ist bekannt, dass zu Beginn des Jahres 1939 die Bevölkerungszahl der Ukraine 11.195.620 städtische Bevölkerung und 19.755.848 ländliche Bevölkerung umfasst hat – insgesamt also 30.946.218 Menschen. Ein völlig anderes Bild gibt der Leiter der Verwaltung für wirtschaftliche Statistik der USSR [Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik] Rjabytschko in seinem geheimen Bericht an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der USSR Korotschenko vom 30. Januar 1939: städtische Bevölkerung – 10,6 Millionen, Landbevölkerung – 18,6 Millionen, insgesamt – 29,2 Millionen.

Wie wir sehen, wurden der Bevölkerungszahl der USSR 1939 mehr als anderthalb Millionen Menschen hinzugefügt, was es den Demografen schon nicht mehr ermöglicht, korrekte Daten zu erhalten. Was die aus Moskau präsentierten Angaben der Volkszählung von 1937 betrifft, die überhaupt für geheim erklärt wurden, so ergibt sich laut unseren Berechnungen und im Vergleich zu den ursprünglichen Dokumenten, die sich in Kyjiw befinden, dass die Zahl um 402.000 erhöht wurde – auf 28.387.609 Menschen.

Neben den Zweifeln über die Verwendung von Daten gefälschter Volkszählungen, besonders jener von 1939, halten wir es für fehlerhaft, die Jahre 1937-1938 in die Berechnungen mit aufzunehmen. Die unionsweite Volkszählung hat zu Beginn des Jahres 1937 stattgefunden und die Daten für die Zeit bis zur nächsten im Jahr 1939 spiegeln schon ganz andere Ereignisse wider. So umfasst etwa der Abtransport von Gefangenen über die Grenzen der Republik bis einschließlich des Jahres 1938 den Zeitraum, als aus der USSR auch jene Personen verschickt wurden, die man zu „Volksfeinden“ erklärt hat – jedoch nicht aufgrund der „Verbrechen“, die den hungernden Menschen in Verbindung mit dem am 7. August 1932 erlassenen, sogenannten „Gesetz der fünf Ähren“ zur Last gelegt wurden.

Ähnliches lässt sich sagen sowohl über die Migration von 57.000 Juden über die Grenzen der USSR im Zeitraum von 1928 bis 1938, als auch über die Rekrutierung von Arbeitskräften aus ländlichen Ortschaften für die Großbauprojekte außerhalb der Ukraine von 1935 bis 1938.

Die ukrainische Industrie hat aber nicht alle hungernden Bauern aufgenommen, sondern lediglich einen unbedeutenden Teil. Der Gesamtzuwachs der städtischen Bevölkerung in der genannten Zeit um 4,3 Millionen fand dank des eigenen natürlichen Wachstums und des Zustroms von Arbeitskräften, unter anderem aus Russland, statt. Das hat bereits mit dem Bau des Dnipro-Kraftwerks 1927 begonnen. Als die neuen Betriebe in der USSR dann ihre Arbeit aufgenommen haben, war vorgesehen, sie mit qualifizierten Kräften eben gerade aus Russland (Russen und russifizierte Vertreter anderer Nationen) zu versorgen. Zumindest wuchs die Zahl der Russen in der USSR im Jahre 1937 im Vergleich mit 1926 von 2.667.000 auf 3.221.898.

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Nachdem klar wurde, welche großen Verluste die ukrainischen Dörfer zu erleiden hatten, begann die bolschewistische Führung der USSR bereits zu Beginn des Jahres 1933 die tatsächlichen Daten über die Bevölkerungsbewegung in der Republik zu verheimlichen. So wird in den vom Rat der Volkskommissare der USSR zu jeder Oblast herausgegebenen territorial-administrativen Handbüchern, in denen sich sogar Angaben über die im Winter 1933 erfüllten Getreideabgaben aus der Ernte des Vorjahres finden, die Bevölkerungszahl mit dem Stand vom 1. Januar 1932 angegeben. Gleichzeitig wurden aus den für den Druck vorbereiteten Übersichtstabellen die Daten über die Zahl der ländlichen Bevölkerung entfernt. Im 1936 herausgegebenen Handbuch „Rajone der USSR“ wird die Bevölkerungszahl mit dem angeblichen Stand vom 1. Januar 1933 angegeben, obwohl sich die hier angeführten Werte kaum unterscheiden von den bereits im Oktober 1932 erschienenen Daten über die Anzahl an Personen, die mit Salz und Streichhölzern versorgt werden sollten.

So hörte die stalinsche Statistik bereits im Jahr 1933 auf, in Bezug auf die Bevölkerungsbewegung der USSR ehrlich zu sein, was den Demografen nicht die Möglichkeit gibt, genaue Daten über die Verluste während des Holodomor 1932-1933 aufzustellen. Unter diesen Umständen ist es unserer Meinung nach unerlässlich, die Bevölkerungsbewegung in der USSR für den Zeitraum 1932-1936 sorgfältiger zu erforschen, wodurch sich die Opferzahl dieser Tragödie genauer bestimmen lassen könnte. Da zudem die Quellenbasis zu den Migrationsprozessen 1929-1931 bei weitem nicht vollständig ist, muss die Bevölkerungsstatistik mit dem Stand vom 1. Januar 1932 als Grundlage genommen werden.

In jedem der acht vom Rat der Volkskommissare der USSR herausgegebenen Handbücher zu den grundlegenden statistischen Wirtschaftsdaten der Rajone sowie der Autonomen MSSR [Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik] wird der erste Abschnitt – „Gebiet und Bevölkerung“ – begleitet von speziellen Erklärungen und Tabellen: „Angaben über Gebiet und Bevölkerung mit Stand vom 1. Januar 1932, zusammengestellt nach den Materialien der Zentralen Gebietsverwaltungskommission des Allukrainischen Zentralen Exekutivkomitees, die diese von den Exekutivkomitees der Rajone erhalten hat“. Entsprechend den Handbüchern betrug die Bevölkerungszahl der USSR zu jener Zeit insgesamt 32.680.700 Menschen: 7.127.700 städtische Bevölkerung, 25.553.00 ländliche.

Warum ist es wichtig, Daten von Anfang des Jahres 1932 zu bekommen? Ganz einfach deshalb, weil die Hungersnot in der Ukraine bereits im Frühjahr 1932 wütete – davon zeugen Dokumente aus ukrainischen Archiven. So berichtet der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Ukraine (ZK KPU) Stanislaw Kossior in einem Brief an Stalin vom 15. März 1932, dass die Oblast Dnipropetrowsk am stärksten von der Hungersnot betroffen ist, dass „uns von dort die meisten Informationen über die Hungersnot erreichen, über Sterbende usw., wohingegen es, beispielsweise, sehr wenige Meldungen aus der Oblast Odessa gibt. Mehr als 70 Prozent aller Todesfälle fallen auf die Oblast Dnipropetrowsk. Von den 49 Rajons dieser Oblast sind 35 schwer betroffen (Kossior korrigierte auf 21 – W.S.). Auf dem zweiten Platz ist die Oblast Kyjiw, hier sind 31 Rajons schwer betroffen.“

Besonders ernst war die Lage, wie Kossior hervorhebt, der sogenannten Rückkehrer, das heißt jener Personen, die zur Zeit der Kollektivierung zusammen mit ihrer Familie umhergewandert sind und nun in beträchtlicher Zahl in ihre Dörfer und Kolchosen zurückkehrten. Aus diesem Grund, bekennt er, gibt es Hungernde in quasi allen Rajons.

Infolge der Hungersnot ausgestorbenes Dorf, Gebiet CharkiwInfolge der Hungersnot ausgestorbenes Dorf, Gebiet Charkiw

Und so war es tatsächlich. In der Auskunft des verantwortlichen Inspekteurs des ukrainischen ZK Manjurin heißt es über die Situation im Rajon Babanskyj im Oblast Winnyzja im Frühjahr 1932, dass „im Dorf Nerubajka im März und in der ersten Aprilhälfte 75 Personen verstarben, im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 11 Personen. Im Dorf Ostriwez starben zur gleichen Zeit 60 Personen vor Hunger, im Dorf Kam’janetscha 37, im Dorf Wyschnopoli 61. Insgesamt starben in den acht Dörfern des Rajons, in denen Fälle von Hungertod registriert wurden, entsprechend zwar ungenauen, aber wohl kaum übertriebenen Angaben, innerhalb von anderthalb Monaten 250 Personen. Ungefähr ebenso viele Kinder wurden zu Vollwaisen.“

Aus dem benachbarten Umanskij Rajon berichtete am 21. Mai 1932 Arsen Rytschyzkyj, ein bekannter Aktivist der bolschewistischen Partei: „In schwer betroffenen Dörfern gibt es bis zu 100 Todesfälle, vereinzelt sogar mehr. Die Zahl derjenigen, die vor Hunger ganz angeschwollen sind, geht in die Hunderte. Ich war in 13 Dörfern, davon sind 7 schwer betroffen gewesen.“

Schon im Frühjahr 1932 trieb der Hunger eine große Zahl unglücklicher ukrainischer Bauern über die Grenzen der USSR, wo vielen von ihnen ihre letzte Ruhe fanden. Insbesondere bestätigte der Sekretär des Rajonskomitees Kantemirowskij [Oblast Woronesch, Südrussland] Schurilow dem Sekretär des Komitees des Zentralen Schwarzerde Oblast Warejkis in einem Brief vom 1. April 1932, dass in Kantemirowka „allein innerhalb der letzten Tage 12 Personen begraben wurden, die für Brot aus den benachbarten ukrainischen Dörfern herübergekommen sind“.

Dennoch sollte die Ernte des Todes, wie bekannt, so richtig erst ab Herbst 1932 aufgehen und sich bis zur neuen Getreideernte im Sommer 1933 fortsetzen.

Wenn man natürlich die allgemeinen Daten zur Bevölkerungsbewegung in der USSR von 1926 bis 1937 nur am Rande analysiert, so scheinen die Ergebnisse von Professor Stanislaw Kultschizkij bzw. einiger Forschungsgruppen aus den Reihen der Historiker und Demografen in der Tat begründet. Ein völlig anderes Bild von den Verlusten durch den Holodomor ergibt sich hingegen, wenn man die Werte des Jahres 1937 mit der Zahl der ländlichen Bevölkerung der USSR mit Stand vom 1. Januar 1932 vergleicht:

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Oblast1926193219371937 in Prozent zu 1926 / 1932
Kyjiw4.748.2375.257.8003.786.939 79,2 / 72,0
Tschernihiw2.444.0222.581.4002.194.46289,7 / 85,0
Winnyzja3.829.8314.233.8003.456.66990,2 / 81,6
Charkiw4.747.2825.035.9003.469.45673,0 / 68,8
Dnipropetrowsk2.916.4263.116.9002.152.85973,8 / 69,0
Odessa2.455.2912.637.4001.899.48577,3 / 72,0
Donezk2.032.3862.157.6001.392.84568,6 / 64,5
Moldawische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik489.638536.200473.12796,6 / 88,2
Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik23.663.11325.550.30018.825.84279,5 / 73.6

Entsprechend diesen Daten beträgt der Verlust der ländlichen Bevölkerung 6.724.500 Menschen. Wenn man das Wachstum der Landbevölkerung bis 1937 (von 1934 – 1936) mit einer Mindestgröße von 700.000 hinzufügt, dann erhalten wir 7.424.500 Personen. Es ist unserer Meinung nach deshalb gerechtfertigt, bis zur Feststellung einer konkreten Zahl durch die sorgfältige Überprüfung aller Umstände dieser Tragödie, von einer Mindestzahl von 7 Millionen für den Verlust unter der ukrainischen Bauernschaft im Zeitraum 1932-1933 auszugehen.

Gleichzeitig ist es notwendig, die zielgerichtete Suche nach vielen bis heute nicht erfassten Todesfällen fortzuführen, um sie dieser bisher nur ungefähr bestimmten Opferzahl hinzuzufügen. Die Rede ist nicht nur von jenen, die vor Hunger in den ukrainischen Schwarzerdegebieten starben, sondern auch von den anderweitig im Zuge des Holodomor hervorgerufenen Opfern.

Erstens schweigen wir aus irgendeinem Grund über die Migrationsströme von 1932-1933, die eine regelrechte Flucht nach Westen darstellten: Tausende hungernde ukrainische Bauern, die versuchten, durch die Prypjatsümpfe, über den Sbrutsch und den Dnister nach Polen und Rumänien zu gelangen. Sie wurden von sowjetischen Grenzern erschossen oder konnten das rettende Ufer nicht erreichen, wo sie darauf hofften, das ersehnte Brot zu bekommen.

Heute ist bekannt, dass 1932 insgesamt 5.450 hungernde ukrainische Bauern von sowjetischen Grenzsoldaten erschossen wurden. Wie viele 1933 starben oder ertrunken sind, bleibt noch zu erforschen. Jene, die mehr Glück hatten, kehrten bis zur Volkszählung 1937 schon nicht mehr in die Heimat zurück. Ihre Zahl geht ebenfalls in die Tausende. Das heißt, sie waren keine Bürger ihres Landes mehr und sind somit ebenfalls als Bevölkerungsverlust für die Ukraine infolge des Holodomor zu betrachten.

Zweitens werden jene Bauern nicht erfasst, die aufgrund der Nichterfüllung der unerreichbar hohen Getreideabgabequoten Opfer gerichtlicher Repressionen wurden. Diese waren so organisiert, „um mit der dazu gehörenden Härte, Schnelligkeit und Politisierung des ganzen gerichtlichen Druckes den höchsten Effekt der gerichtlichen Einmischung zu gewährleisten“. Worauf das hinauslief, lässt sich aus den Berichten des Generalstaatsanwalts und Volkskommissars für Justizwesen der USSR W. Poljakow erfahren: nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 7. August 1932 wurden bis zum 25. November 1932 bereits 37.000 Bauern verurteilt. 500 von ihnen erhielten die Todesstrafe: in der zweiten Augusthälfte wurde sie an 27 Verurteilten angewandt, im September an 193, im Oktober an 121, im November an 159. In der Zeit vom 26. November bis zum 7. Dezember wurden weitere 137 Personen zum Tod durch Erschießen verurteilt.

Ähnliches setzte sich auch 1933 fort. Im Januar wurden in der Oblast Ckarkiw 117 Personen zur Erschießung verurteilt. In den ersten fünf Februartagen erhielten 44 Personen in der Oblast Dnipropetrowsk die Todesstrafe.

In den Arbeitsbesserungslagern (ITU) der USSR gab es zu dieser Zeit 43.645 Gefangene, was deren Kapazität fast um das dreifache überschritt. Vereinzelt war dieser Wert noch höher. In der Industriekolonie Krementschuk befanden sich, bei einer Gesamtzahl von 127 Plätzen, 1100 noch nicht verurteile Gefangene (870%), in Luhansk entsprechend 841 Gefangene auf 167 Plätze (560 Prozent), in Sumy 1307 auf 120 Plätze (über 1000 Prozent!). Eine ähnliche Lage ließ sich in den Untersuchungshaftanstalten beobachten: in Berdytschiw wurden 1548 Beschuldigte festgehalten, obwohl der Platz hier nur für 360 ausgelegt war, in Lubny 1250 Beschuldigte auf 116 Plätze, in Uman 1379 auf 200. Außer diesen Gefangenen befanden sich ungefähr weitere 36.000 außerhalb der Mauern der ITU, auf sogenannten Außenarbeitseinsätzen.

Eine solche Ansammlung führte zum massenhaften Sterben im Freiheitsentzug. Nur hat niemand die Toten jemals gezählt. Im Arbeitsbesserungslager in Sinowjewsk [heutiges Kropywnyzkyj] waren das im Dezember 1932 insgesamt 20, im Januar 1933 schon 117, im Februar 163 und innerhalb der ersten dreizehn Märztage 105. In den Einrichtungen in Charkiw, Dnipropetrowsk und Kyjiw starben innerhalb von acht Monaten im Durchschnitt 400 Menschen an Hunger. Was, wenn man das gesamte ITU-System der USSR berücksichtigen würde?

Am 31. März 1933 meldete Poljakow an den Generalsekretär des ukrainischen ZK Kossior, dass seit der Zeit vom 27. November 1932 im Norden 86.884 Gesetzesbrecher aus der Bauernschaft abtransportiert worden sind. Man hat ihnen Verbrechen vorgehalten wie „Angriff auf sozialistisches Eigentum“ oder böswillige Nichterfüllung der Getreideabgabequoten. Wie viele von ihnen starben an Hunger, Krankheit und unangemessener Arbeit? Es ist bekannt, dass 1932 aus den Reihen der „verbannten Kulaken“ 87.700 Menschen umgekommen sind. 1933 waren es 151.600. Wie viele von ihnen Ukrainer gewesen sind, hat nie jemand gezählt.

Zu den Opfern des Holodomor sollten auch jene gezählt werden, die aufgrund der ungezügelten Konfiszierung von Lebensmitteln gestorben sind. Der Bauer Bolochowez aus der Oblast Tschernihiw etwa hat sich erhängt, nachdem man vom ihm, obwohl er sein Soll zum 16. Dezember 1932 bereits erfüllt hatte, weiter verlangte Brot abzugeben und die gesamten Lebensmittel der Familie, die bis zur nächsten Ernte hätten reichen müssen, beschlagnahmt wurden (116 Kilo Saatgut, 19 Kilo Kartoffeln, 11 Kilo Hirse, 3 Kilo Bohnen, 10 Kilo Sonnenblumen und 10 Blüten Mohn). Die Frau eines Mitglieds der Genossenschaftsverwaltung „Woschod“ im Rajon Wolnowacha in der Oblast Donezk, die wegen der angeblichen Veräußerung von Brot aus dem Eigentum der Kolchose zur Rechenschaft gezogen werden sollte, erschlug zwei ihrer Kinder mit einer Axt und versuchte sich selbst zu erhängen.

Der Bauer Kolomiez aus Nowowolodymyriwka im Rajon Oleksandriwka, Oblast Dnipropetrowsk, bei dem man am 10. Januar 1933 Lebensmittel requirieren wollte, tötete mit einem Gewehr den Leiter der Kommission sowie eine Aktivistin und verschwand zusammen mit seiner Frau aus dem Dorf.

Wo finden wir eine Statistik solcher Fälle? Sind sie etwa nicht die Folge des organisierten Holodomor?

Seit einem Vierteljahrhundert schweigen wir außerdem über eine weitere Richtung, in der es zu suchen gilt: faktisch unerforscht geblieben sind die Massengräber neben den Eisenbahnstationen, in denen namenlose Brotsuchende liegen, deren Leichen ohne eine ordnungsgemäße Registrierung in die Gruben geworfen wurden. Wie viele solcher Begräbnisse neben Eisenbahnstationen haben in der Ukraine stattgefunden? Oder neben Flusshäfen, wie in Hradysk, Krementschuk und Saporischschja?

Und als ob die Kinder gezählt worden wären, die man in Waisenheime gebracht hat, die dort aber nicht durchgehalten haben bis Hilfe kam. Für weinende Säuglinge hat man erst gar nicht die Tür geöffnet. Jene aber, die aufgenommen wurden, hatten sie etwa alle eine Chance zu überleben? In Saporischschja zum Beispiel verstarben 1932-1933 im Säuglingsheim 755 namenlose Kinder, die von zur Verzweiflung getriebenen Bauernfrauen dorthin gebracht worden sind.

Ebenso furchtbar ist es, sich an eine weitere Gruppe nicht erfasster Holodomoropfer zu erinnern: den unbekannten bettelnden Kindern, die auf ihrer Suche nach Essbarem umhergeirrt sind, oder jene, die Opfer kannibalischer Akte wurden. Es gab Bettler aus weit entfernten Dörfern, die mitten auf der Straße gestorben sind. Wer hat schon den Tod eines Unbekannten registriert? Natürlich wurden sie von niemandem identifiziert und es wurde nie gezählt, wie viele es gewesen sind, die auf der Straße starben und deren Leichen von verwilderten Hunden fortgeschleppt wurden.

Die unvollständige Statistik der Todesfälle erklärt sich auch dadurch, dass die gesunden Mitglieder einer Familie die dörfliche Obrigkeit oftmals lange nicht vom Tod ihrer Angehörigen in Kenntnis gesetzt haben, wenn sie für diese, gerade im Falle von Kindern, Lebensmittelrationen erhalten haben, die sie selber essen konnten. Es kam sogar vor, dass Verstorbene in den Keller gebracht und mit Müll überschüttet wurden, oder dass ganze Familien, wie jene der Brüder Iwan und Frank Kurjatiw aus dem Dorf Denyschi in der heutigen Oblast Schytomyr, in den Brunnen geworfen und dieser mit Erde zugeschüttet wurde.

Niemand hat jene Gräber gezählt, die in den Gemüsegärten ausgehoben und in welchen ganze Familien bestattet wurden, wie es in Piskiw in der Nähe von Krasnohrad in der Oblast Charkiw geschehen ist. Von diesem aussterbendem Dorf und jenen, die in ihren Häusern lagen, war bis weit in den Frühling nichts bekannt, bis aus Krasnohrad Leute für die Frühjahresarbeiten kamen. Erst dann begann man, die schon nicht mehr wiederzuerkennenden Leichen zu begraben.

Es sind all diese Fakten, dass gilt es noch einmal zu unterstreichen, die für uns die Grundlage dafür bilden, über einen Verlust von mindestens sieben Millionen Leben während des Holodomor 1932-1933 in der USSR zu sprechen. Es ist aber auch unsere Pflicht, ebenso die Verluste der ukrainischen Nation außerhalb der Staatsgrenzen nicht zu vergessen. Laut der Logik jener Forscher, die versuchen, das katastrophale Schrumpfen der ländlichen ukrainischen Bevölkerung mit deren Abwanderung nach Russland zu erklären, müsste sich die Zahl an Ukrainern dort ganz erheblich vergrößert haben. Tatsächlich wurden es dort auch mehr – an „nicht allzu entlegenen Orten“: in Karelien um ein 30-faches (von 700 Personen 1926 zu 22.000 im Jahr 1937), in Gebiet Krasnojarsk um ein 3,5-faches (entsprechend von 15.000 auf 52.000), in der Oblast Nowosibirsk fast um ein 2,5-faches (von 60.000 auf 141.000), in der Oblast Tscheljabinsk um mehr als ein 6-faches (von 12.000 auf 73.000), in der Oblast Tschita von 7000 auf 38.000 und im Gebiet Ferner Osten von 315.200 auf 328.286.

Wohin aber sind demgegenüber jene Ukrainer aus den schon seit jeher auch von ihnen bewohnten Regionen verschwunden: aus dem Gebiet Krasnodar (hier blieben von 1.583.000 lediglich 170.115 übrig!), aus den Oblasten Woronesch (von 1.078.552 nur 482.774), Kursk (von 554.700 nur 191.239) und Saratow (von 202.300 nur 93.583) und aus Kasachstan (von 860.800 nur 549.859).

Während 1926 die Zahl der Ukrainer in der RSFSR 6.948.381 betrug, so waren es 1937 nur noch 3.087.022 (trotz des natürlichen Bevölkerungswachstums zwischen 1927-1936). Wohin also verschwanden mindestens 4 Millionen Ukrainer in der Weite Russlands? Sollen sie etwa 1932-1933 in die Ukraine abgewandert sein, wo der Hunger wütete?

Letztendlich gilt es irgendwie zu erklären, warum die Zahl der Russen in der UdSSR in den Jahren zwischen 1926 und 1937 von 77.791.124 auf 93.933.06 angestiegen ist, die der Ukrainer sich aber im selben Zeitraum von 31.194.976 auf 26.421.212 verringert hat. Und das, obwohl entsprechend den Ergebnissen des bekannten Demografen A. Chomenko in den 1920er Jahren der Anteil der Ukrainer sowohl in der Ukraine, als auch in der UdSSR insgesamt prozentual immer größer wurde, wohingegen jener der Russen langsamer anstieg.

Es sollte zu den Verpflichtungen der Ukraine gehören, sich aller Opfer unserer Nation zu erinnern – den sieben bis zehn Millionen! Ebenso wie man sich um die namentliche Feststellung aller durch den Holodomor-Genozid unschuldig Ermordeter bemühen sollte.

8. Oktober 2016 // Wolodymyr Serhijtschuk

Quelle: Dserkalo Tyschnja

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Matthias Kaufmann - Studium der Geschichte und Ethnologie in Leipzig und Kasan. Im Anschluss längere Stationen in Berlin, Ufa, Barnaul und Regensburg. Derzeit als Mitarbeiter im International Office an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“

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„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“

„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“

„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“

„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“

„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“

„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“

„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“