Anmerkung der Redaktion von LB.ua: Der Artikel wurde von einem Krim-Bewohner geschrieben, daher werden die Begriffe sehr vorsichtig verwendet, damit der Autor keine Probleme mit den russischen Sicherheitsbehörden bekommt. LB.ua ist der Meinung, dass die Krim ukrainisches, aber temporär von Russland okkupiertes Territorium ist.
Es sind schon drei Jahre seit der „Angliederung“ von der Krim an Russland vergangen. Was haben die Bewohner der Halbinsel in diesem Zeitraum geschafft und erreicht?
Vor drei Jahren fand auf der Krim das sogenannte Referendum über die Angliederung der Halbinsel an Russland statt. Dieser in der gegenwärtigen Geschichte beispiellosen Aktion ging eine Reihe von Ereignissen voran, die große Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Ende Februar 2014 wurden die Gebäude des Parlaments und des Ministerrates durch die Streitkräfte der russischen Spezialeinheiten besetzt. Danach stimmten die Abgeordneten des Parlaments für den Wechsel der Regierung der Autonomen Republik und die Festsetzung des Datums des Referendums. Gleichzeitig verlegte Russland einige Tausende Militärs und Technikeinheiten ohne Insignien auf die Halbinsel.
An den Wahlen am 16. März 2014, laut des de-facto von Moskau kontrollierten Wahlausschusses, nahmen 83 Prozent der Krim-Bewohner teil. Für den „Beitritt“ der Republik in die Russische Föderation haben angeblich 96,7 Prozent abgestimmt. In der Ukraine hat man diesen Zahlen nicht geglaubt und die Abstimmung als gesetzwidrig bezeichnet.
Nach dem Beschluss von Wladimir Putin, die Krim in die Russische Föderation einzugliedern, folgte die Reaktion der Weltgemeinschaft. Europäische Union, die USA, Kanada und andere Ländern führten Sanktionen ein, die sich auf Investitionen, den Dienstleistungssektor und den Handel der Krim erstreckten. Ende März 2014 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution über die territoriale Integrität der Ukraine. 100 Länder von 193, die für das Dokument abstimmten, bestätigten die Souveränität der Ukraine und erkannten die Legitimität des Referendums nicht an.
Politische Stabilität
Das Tandem des Chefs der Krim Sergej Aksjonow und des Parlamentssprechers Wladimir Konstantinow ist seit drei Jahren an der Macht. Zwei Politiker, die den russischen Status der Halbinsel unterstützt haben, vermeiden einander zu kritisierenr. Vor dem Hintergrund des langen Konflikts in der Verwaltung von Sewastopol, zu dessen Lösung Moskau viele Anstrengungen unternommen hat, demonstrieren Aksjonow und Konstantinow ein gewisses gegenseitiges Verständnis.
Gleichzeitig bleiben in der Region ein hohes Korruptionsniveau und ein niedrigeres Lebensniveau im Vergleich zu den Regionen Russlands. Die häufige Auswechslung der Leiter von Verwaltungsbehörden löst Misstrauen gegenüber der Staatsmacht bei der Bevölkerung aus. Solide Finanzierung, die aus dem föderalen Budget zugeteilt wird, schafft die lokale Verwaltung nicht fristgemäß zu verteilen. Als Folge wird das Geld in aller Eile verwendet, wonach aufsehenerregende Skandale entstehen. Das letzte markante Beispiel ist die Reparatur der Straßen von Simferopol. Wegen der aufwendigen und nicht qualitativen Renovierungsarbeiten bei Frostwetter mussten die Arbeiter, als es wärmer geworden war, die Problemstellen überarbeiten.
Experten aus dem russischen Komitee der gesellschaftlichen Initiativen haben zum ersten Mal die Krim und Sewastopol in die Liste der meist politisch ungünstigen Regionen Russlands eingeschlossen. Laut der Forscher befinden sich die Krim und Sewastopol in der Risiko-Zone wegen der schlechten politischen Gestaltung und der großen Anzahl an öffentlichen Protesten.
Beobachter haben mehrfach eingeräumt, dass alle diese Faktoren eine Grundlage für einen Machtwechsel auf der Krim sind. In privaten Gesprächen wurden die Namen von hochgestellten Beamten aus Moskau genannt, die an der Spitze der Republik stehen könnten. Jedoch genießen Aksjonow und Konstantinow nach wie vor das Vertrauen der zentralen russischen Macht. Und ein Jahr vor den Präsidentenwahlen scheinen solche Veränderungen auf der Krim kaum wahrscheinlich.
Das Fehlen der Freiheit
Nach dem Übergang unter die Kontrolle von Russland verloren die Krim-Bewohner die Möglichkeit, ihre Meinung frei zu äußern. Jegliche nicht genehmigte Aktionen werden hart von den Ordnungskräften unterbunden. Die Initiatoren der Aktionen werden festgenommen und Verwaltungsprotokolle erstellt. Nach einem Gerichtsverfahren werden Strafen von zehn- bis zwanzigtausend Rubel verhängt (circa 170-300 Euro). In besonderen Fällen können die Beteiligten einer Aktion für eine längere Zeit verhaftet werden. Die Grundlage dafür würde aber nicht mit einem öffentlichen Protest verbunden, sondern, zum Beispiel mit einem Strafverfahren wegen Nötigung. Das bestätigt der Fall des Abgeordneten des Stadtrates in Aluschta, Pawel Stepantschenko, und des Redakteurs einer Internet-Zeitschrift „Twoja Gaseta“ („Deine Zeitung“), Aleksej Nasimow, die im Oktober 2016 verhaftet wurden.
Im Laufe von drei Jahren üben die Sicherheitskräfte Druck auf Aktivisten aus, die Unterstützung der Krimtataren genießen. Im April 2016 erklärte das von Russland kontrollierte Oberste Gericht der Krim den Medschlis (Selbstverwaltung) des Krimtatarischen Volkes für eine extremistische Organisation und verbot seine Tätigkeit auf dem Territorium der Russischen Föderation. In den Gerichten der Krim findet der Rechtsweg des lauten Gerichtsfalls statt, der mit den Ereignissen neben dem Parlament der Krim am 26. Februar 2014 verbunden ist. Ähnliche Methoden werden gegen die Anhänger der Ukraine angewandt, die ihre Position öffentlich zeigen.
Unter einem Teil der Einwohner der Republik wächst die Unzufriedenheit. Sie glauben, dass die Krim innerhalb der letzten drei Jahre keine spürbaren Ergebnisse im sozialen und ökonomischen Bereich erreicht hat. Die Preise auf den lokalen Märkten und in den Läden sind oft höher als die in Moskau. Das Prinzip der Auszahlung der Löhne den Mitarbeitern des öffentlichen Sektors löst Empörung aus. Das Niveau der Lehrergehälter wird zum Anlass für Proteste. Zum Beispiel haben sich die Mitarbeiter der einzigen Kosaken-Kadettenanstalt auf der Krim im Februar ein Herz gefasst, eine seltene Aktion mit der Forderung der Auszahlung der ihnen zustehenden Mittel durchzuführen.
„Die Baustelle des Jahrhunderts“
Besondere Erwähnung verdienen die großen Bauprojekte, denen nicht nur auf der Krim Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das wichtigste in dieser Reihe ist die Brücke über die Straße von Kertsch. Es wird geplant, dass diese 19 Kilometer lange Konstruktion die Halbinsel mit Russland verbinden wird. „Die Baustelle des Jahrhunderts“ wird von der Firma des russischen Geschäftsmanns Arkadij Rotenberg, den man als engen Freund Putins ansieht, „Strojgazmontasch“ durchgeführt. Die Projektkosten betragen 228 Milliarden Rubel. Die Fertigstellung des Autoteils der Brücke ist für Ende 2018 geplant, ein Jahr später sollte der Eisenbahnteil fertig sein.
Die Inbetriebnahme der Kertsch-Brücke wird die politische und wirtschaftliche Verbindung der Halbinsel mit Russland noch mehr festigen. Alle die Jahre davor wurde die Entwicklung der Krim dank der Ressourcen vom ukrainischen Festland für möglich gehalten. Aber nach der Wasser-, Lebensmittel- und Stromblockade hat Russland Möglichkeiten gefunden, den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Auf die Krim wurde eine neue Elektrizitätsleitung aus der Region Krasnodar gezogen und neue Gasleitungen gelegt. Danach haben die Gegner der „russischen“ Krim ihre „Trumpfkarte“ bezüglich der Existenzunfähigkeit der Halbinsel ohne ukrainische Unterstützung verloren.
Noch zwei große Objekte sollen nach dem Plan in kurzer Zeit in Betrieb gesetzt werden. Das ist die 280 Kilometer lange Fernverkehrsstraße „Tawrida“. Die vierspurige Straße wird von Kertsch bis Sewastopol gehen. Die Kosten des Infrastrukturprojektes liegen bei 140 Milliarden. Rubel (knapp 2,3 Milliarden Euro). Ab Mai 2016 wurde der Bau des neuen Terminals des Flughafen „Simferopol“ begonnen. Unter den Investoren des Objektes, das 32 Milliarden Rubel (etwas mehr als 500 Millionen Euro) kostet, sind die Bank „Rossija“ und private Personen. Tatsächlich können wegen der Sanktionen und der internationalen Verbote nur Flugzeuge aus Russland im Simferopoler Flughafen landen.
Während der ganzen Zeit in der sich die Krim unter der Kontrolle Russlands befindet, fanden komplexe politische und sozial-ökonomische Prozesse statt. Die Krim-Bewohner waren gezwungen, sich der neuen Realität schnell anzupassen. Das impliziert die Einbürgerung seitens des anderen Staates, die Änderung der Dokumentation, der Währung, die Einführung der russischen Standards und der Gesetzgebung. Bis heute entstehen in einigen Angelegenheiten unklare Situationen. Deswegen wurde in besonderen Fällen die Übergangszeit bis 2019 verlängert.
Die Bewohner der Halbinsel, die die Ukraine unterstützen, verbinden voraussagbar die alltäglichen Probleme mit dem Übergang der Krim unter russische Kontrolle. Aber sie können ihre Position nicht offen verlautbaren. Die anderen Krim-Bewohner, die sich über den russischen Status der Republik freuten, sind bereit, die „vorübergehenden Schwierigkeiten“ geduldig zu ertragen. Es ist naiv zu behaupten, dass alltägliche Probleme sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.
5. April 2017 // Nikita Gromow
Quelle: Lewyj Bereg
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