Die Geschichte hätte anders sein können. Zum Beispiel hätte Symon Petljura auf das Proskuriwer Pogrom (das Judenpogrom, das am 15. Februar 1919 in der Stadt Proskuriw, heute Chmelnyzkyj stattfand) hart reagieren – und als einer der fortschrittlichsten Heerführer des damaligen Europas gelten können. Er reagierte jedoch nicht – und infolge des Pogroms starben etwa 1.500 Juden.
Zum Vergleich: Infolge der Pazifizierung 1930, als die polnische Armee die Sabotageaktion der OUN (Organisation der ukrainischen Nationalisten) unterdrückte, starben mehrere Dutzend Ukrainer. Dennoch ist diese Pazifizierung immer noch der Eckstein des Hasses bei ukrainischen Nationalisten in Bezug auf das Piłsudski-Regime. Im berüchtigten Gefängnis in Beresa Kartuska gab es nur wenige hundert Gefangene, von denen nicht alle Ukrainer waren. Trotzdem rechtfertigt Beresa zusammen mit der Pazifizierung immer noch die „Aktion der Vernichtung der Polen“ von Bandera.
Ich wiederhole: Allein bei dem Proskuriwer Pogrom wurden in ein paar Tagen 1500 Juden getötet. Und das Pogrom war nicht das einzige. Und neben den Toten gab es noch Verkrüppelte, Ausgeraubte und Gedemütigte. Symon Petljura reagierte darauf nicht. Die Pogrome gingen weiter.
Und als die Juden wegen des Petljura-Denkmals im ehemaligen jüdischen Bezirk von Winnyzja empört waren – kam im Umfeld der nationalistisch orientierten Ukrainer ein Sturm auf: Sie werden uns niemals erlauben, unsere eigenen Helden zu haben!
Dann stellt sich die Frage: Warum brauchen wir überhaupt eigene Helden? Um mit ihnen alle in der Umgebung zu reizen? Unwahrscheinlich.
Um von ihnen zu lernen? Und was können wir von denjenigen lernen, die verloren und in einem fremden Land getötet wurden?
In der Tat können wir von ihnen etwas lernen. Solche Helden können nur dann nützlich sein, wenn wir, anstatt perfekte Idole aus ihnen zu bilden, sorgfältig alles analysieren würden, was sie taten, und wenn jeder Schritt der strengsten Kritik unterzogen würde.
Zum Beispiel Symon Petljura. Wir wissen ja, dass er kein überzeugter Antisemit war. Wie kam es dazu, dass seine Truppen Massenmorde auf ethnischer Basis verübten und er nicht protestierte und die Täter nicht bestrafte? Ich würde annehmen, dass der Haupt-Otaman die geringe Motivation seiner Soldaten begriff. Die Ukrainer in der Mehrheit (obwohl es auch eine bewusste Minderheit gab) verstanden nicht ganz, dass sie Ukrainer waren, und noch weniger, warum sie für die Ukraine kämpfen sollten. Unter solchen Umständen wagte Petljura einfach nicht, seinen Soldaten vielleicht das Einzige wegzunehmen, womit ihnen für ihre Beteiligung in der Armee der UNR (Ukrainische Volksrepublik) gedankt werden konnte – das Recht auf willkürliche Gewalt. Grob gesagt bezahlte Petljura mit den jüdischen Leben seinen Soldaten für ihre Loyalität, weil es nichts mehr gab. Was ergab sich im Endeffekt? Die jüdische Bevölkerung neigte den den Bolschewiki zu. Die Länder der Entente wandten sich schließlich von der UNR ab, die ihnen sowieso unangenehm war. Die Ukraine konnte nicht befreit werden. Bereits im nächsten Jahr gab Petljura Polen die westukrainischen Gebiete ab – wodurch sich auch die Galizier von ihm abwandten. Polen half Petljura, Kyjiw zu erobern, aber er konnte es nicht halten. Sogar das postume Urteil verlor Petljura – lesen Sie das Stenogramm, es ist wirklich interessant.
Dabei habe ich persönlich keine Ansprüche gegenüber der Ideologie von Petljura (im Gegensatz zur Ideologie von (Stepan) Bandera oder (Andrij) Melnyk), aber es gibt einen konkreten und begründeten Anspruch auf seine tatsächliche Politik. Zumindest verdient er es, wegen krimineller Fahrlässigkeit verurteilt zu werden.
Lohnt es sich, so einer Persönlichkeit ein Denkmal zu errichten? Lohnt es sich, es insbesondere in einem Stadtgebiet zu errichten, in dem die Truppen unter ihrem Befehl die Bürger der UNR für ihre jüdische Herkunft vernichteten?
Ich denke, diese Fragen sollte alle unsere Gesellschaft beantworten, aber nur nachdem sie die objektiven historischen Tatsachen sorgfältig studiert hatte. Und die Einrichtung, die „Institut für Nationales Gedenken“ genannt wird, müsste diese Tatsachen der Gesellschaft zur Verfügung stellen – und keine Ausreden für diejenigen erfinden, die sie gerne als nationale Helden sehen würde. Aber natürlich geht es nicht um die moderne Ukraine.
Sie können entweder zustimmen, oder nicht – aber meiner Meinung nach ist die Ukraine, die keine Angst hat, über die unangenehme Wahrheit ihrer Geschichte zu sprechen, in der Tat eine viel bessere Ukraine. Das ist die stärkere Ukraine. Und das ist genau die Ukraine, die das Gegenteil der russischen Welt und nicht eine seiner regionalen Varianten ist.
Ja, die Geschichte hätte anders sein können. Leider war sie es nicht. Und wir müssen uns überlegen, wie wir mit ihr leben können.
14. November 2017 // Pawlo Subjuk
Quelle: Zaxid.net
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