Das Kapitel “Widerstand” ist nun faktisch gesehen zu Ende gegangen. Dafür beginnt ein neues, ein eher Angst einflößendes, ein völlig unvorhersehbares – das Kapitel “Krieg”.
Es ist lediglich ein paar Jahre her, als ich während eines warmen Sommertages auf einer Bank im Zentrum Kiews saß und mich mit dem weltgewandten Juri Nikolajewitsch Schtscherbak über die Frage unterhielt, welcher Feind für unseren jungen Staat wohl gefährlicher sei: der innere oder der äußere? Ich war mir bei dem Thema – das ich schon lange durchdacht und das für mich völlig klar war -, damals sicher, dass die größte Gefahr für die Ukraine in uns selbst liegt. Juri Nikolajewitsch war ganz anderer Meinung: Russland sei unsere größte Gefahr, Putins Russland. Er hatte mich damals nicht überzeugen können. Mich innerlich über seine Überzeugung lustig machend, lenkte ich unser Gespräch auf ein anderes Thema.
Heute ist mir gar nicht mehr zum Lachen zumute. Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, als wir unseren russischen Freunden, die es erneut mit dem Zwiedenken und der Doppelzüngigkeit aus Sowjet-Zeiten zu tun hatten, rieten, die geschürten Sowjet-Ängste zu überhören. Meine russischen und Petersburger Kollegen beneideten uns aufrichtig für unsere Rede- und Meinungsfreiheit. Einige teilten das sogar in ihren E-Mails mit. Heute schreibt niemand mehr. Niemand. Ich verstehe sie. Akzeptiere ihre Angst.
Recht hatte Juri Nikolajewitsch damals, und wie er recht hatte. Übrigens, nehmen Sie auch folgendes zur Kenntnis: kein Kind, kein Enkel aller vier ukrainischen Präsidenten hat sich als Wehrpflichtiger gemeldet oder dient in der Nationalgarde. Das ist nicht ihr Krieg. Die, die ihn jetzt gewonnen haben, werden es schwer haben. Die Gefahr, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, zu verstehen, welchen Platz man eingenommen und welche Rolle man gespielt hat in der Geschichte des Landes, all das wird ihr alltägliches Leben verändern. Einsam waren wir und schwer hatten wir es damals auch – damals, als Lagerhäftlinge. Wie haben wir uns nach Freunden im Lager gesehnt, nach klaren Verhältnissen. Jetzt kehren sie zurück, nehmen Abstand von ihrer und unserer menschlichen Güte, von ihrer und unserer europäischen Zukunft, lenken mit langweiligen Alltagsthemen ab, wie ihrer Familie, ihrer Arbeit, ihren Nachbarn auf dem Hof und im Haus. Voll beeindruckt von ihren Treffen und Geschehnissen, wollen sie vielleicht noch überschwänglich alles und jedem aus ihrem Leben erzählen. Aber den einen oder anderen werden diese Details nicht interessieren. Und dazu kommt, nicht alle von uns haben das Talent, zu sprechen.
Es ist bitter und peinlich zu beobachten, wie sich schon jetzt – gerade mal eine Woche, nachdem die blutigen Auseinandersetzungen beendet worden sind -, Fremde in den Kreis der “Majdan-Verteidiger” mischen. Kluge, praktische Menschen, die darin einen konkreten Nutzen für sich und ihre nahe Zukunft entdeckt haben. So war das schon immer: Die einen, die ihre Heimat verteidigen, sterben auf dem Schlachtfeld; die anderen bezeichnen sich als Soldaten und Partisanen. So war das auch in den Niederlanden und in Frankreich: Umso weiter sich der Zweite Weltkrieg von dort entfernte, umso mehr bezeichneten sich die Holländer und Franzosen als Teilnehmer des Widerstandes. Ich kann mich noch genau an die Tage nach der Niederlage des berüchtigten Staatlichen Komitees für den Ausnahmezustand erinnern, an den Sieg Jelzins und an die tausenden, jubelnden Menschen, die die demokratische Zukunft der UdSSR durchfochten hatten (wenn sie doch nur gewusst hätten, was für eine Zukunft sie erwartet…). Einige Monate später mischten sich unter die Verteidiger der Demokratie eine Reihe von “Teilnehmer an den Ereignissen”, die in Wirklichkeit nie an etwas teilgenommen hatten. So war das auch in Kiew im Jahr 2005, als sich die ewigen Kletten den Sieg der “Orangenen Revolution” anhefteten, sich zig orangene Bänder umhangen.
Es wird ein weiterer Monat vergehen, dann werden Zehntausende heute noch unbekannte “Helden des Majdans” Aufmerksamkeiten benötigen, vor allem materielle. Aber die, die wirklich gelitten haben, verletzt und verarztet wurden, dort, auf dem Majdan, die, die der Berkut tatsächlich Wunden zugefügt haben, werden mit ihrer Vergangenheit allein gelassen, allein gelassen mit ihrer Enttäuschung. Mit ihren warmen und beklemmenden Erinnerungen an ihre Freunde, den lebenden und toten. Sie litten alle nicht des Geldes wegen, nicht ihrer Stellung wegen. Eigenartig sind diese Menschen, die bereit waren, für eine Idee zu sterben, für eine Idee ins Gefängnis zu gehen…
So sieht’s aus – das ist das post-revolutionäre Syndrom, das sich bei uns breit macht.
31. März 2014 // Semjon Glusman
Quelle: LB.ua
Forumsdiskussionen
robosebi in Nützliche und interessante Sachen • Re: Buchempfehlung "Die Freiheit in uns" - Die ersten Tage des Maidan.
„Lieber @Bernd D-UA , ich will nicht leugnen, dass es sich bei diesem Post um Werbung handelt. Nach Rücksprache mit den Admins, ist dieser Teil des Forum ja genau dafür geeignet. Meine Idee war ja auch,...“
Anonymer Gast in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Friedensvertrag
„Ich habe gerade eine Doku zum Thema Nordvietnam und Südvietnam und die darin verwickelten Parteien gesehen. Im Norden der Kommunismus, unterstützt unter anderem von Russland, im Süden die Demokraten...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Ukraine auf "unumkehrbarem Weg" in die NATO
„Die Frage nach dem Willen ist sehr berechtigt! Ich wünsche mir Respekt und Haltung gegenüber den Interessen der Ukraine.“
Bernd D-UA in Nützliche und interessante Sachen • Re: Buchempfehlung "Die Freiheit in uns" - Die ersten Tage des Maidan.
„So ernst das Thema ist und so sehr mich der Maidan und die Menschen damals bewegt haben, sie hab3n meinen tiefsten Respekt und meine Unterstützung, aber lieber robosebi, Dein Beitrag wirkt wie eine Werbeveranstaltung...“
Anuleb in Politik • Re: Ukraine auf "unumkehrbarem Weg" in die NATO
„Die Willensbekundungen zur Aufnahme der Ukraine in die NATO und der EU dienen doch einzig und alleine dem Zweck, die Moral der Bevölkerung und der Armee etwas aufzubessern. Wenn es denn mal akut werden...“
robosebi in Nützliche und interessante Sachen • Buchempfehlung "Die Freiheit in uns" - Die ersten Tage des Maidan.
„Wer den Krieg in der Ukraine verstehen will, muss den Maidan verstehen! Kyjiw , November 2013. Eine überraschende Entscheidung der ukrainischen Regierung löst eine Welle von Protesten aus, die das Land...“
HannesJ69 in Hilfe und Rat • Re: Derzeitige Lebensqualität in Odessa
„Vielen Dank für die Information“
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„Hallo ! Ich überlege ob ich nach Odessa in die Ukraine Fahre um ein paar Bekannte zu Besuchen. Kann mir jemand genau sagen, wie zur Zeit das Leben in Odessa ist ? Wie ist die Verfügbarkeit vom Strom...“
lev in Berichte und Reisetipps • Re: Günstig tanken in der Ukraine - Tipps?
„In der Region Lwiw, wo ich unterwegs bin, sind 10 Hrywen unterschied je Liter keine Seltenheit. Ausgangs Lwiw z.B., kostete ein Liter Diesel 58,5 UAH und in Jaworiw habe ich für 49 UAH getankt. Tanke...“
Naru in Berichte und Reisetipps • Günstig tanken in der Ukraine - Tipps?
„Hallo, Ich wollte einmal fragen ob ihr Tipps zum günstigen Tanken in der Ukraine habt? Gibt es Apps zum Preise vergleichen? Bei meiner Suche habe ich soetwas nicht gefunden. Oder gibt es spezielle Marken...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„@naru gut zu wissen, dass die EU Privilegien weiter gelten, ich war mir nur nicht sicher, allerdings geht es eben nur wenn man mit EU Pass reißt und kein ukrainische Staatsbürger mit im Auto sitzt. Mir...“
Sokon in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Friedensvertrag
„Das ist mit klar. Es gibt keinen Friedensvertrag mit Putin. Darum sollte es auch gar nicht mehr gehen. Der einzige Zweck eines Angebotes eines Vertrages durch die Ukr. soll die moralische Überlegenheit...“
Naru in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
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Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„@naru also damit ich Deine Frage aber genau beantworte, ich gehe aber davon aus, dass Du mit ukrainischen Staatsbürgern im Auto diesen Service, sprich EU Spur wirst NICHT wahrnehmen dürfen. Habe mich...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Aus eigener Erfahrung muss ich jetzt aber noch einen Einwand machen, zum Grenzübergang Dorohusk–Jahodyn (Ягодин) In beide Richtungen gab es 2021 noch eine EU Spur, die waren beide erheblich schneller,...“
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„So schlecht ist der Vorschlag sicherlich nicht! Die Abrüstung der Waffen/Militärgeräte könnte die Ukraine und Helfer... Nato in der Art umgehen, dass das ganze Material z.B. in Polen eingelagert wird,...“
lev in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Von der Ukraine kommend und nach Polen ( EU) einreisend, gibt es keine direkte EU Spur. Alle stehen, außer CD, in einer Schlange und wie von Handrij geschrieben, wird man in einer Abfertigsspur zugewiesen....“
Frank in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Seit den visumfreie Reisen in den Schengenraum für Ukrainer sind mir da gar keine speziellen EU-Spuren mehr aufgefallen. Gibts das überhaupt noch?“
Naru in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Kurze Frage. Muss man bei der Einreise in die EU, an der polnischen Grenze, mit deutschen Fahrer und deutschen Kennzeichen, aber weiteren Ukrainern im Auto, auf die Spur für alle, oder darf man auf die...“
Sokon in Allgemeines Diskussionsforum • Friedensvertrag
„Zur Diskussion - könnte so ein realistisches Angebot der Ukraine an Russland aussehen? Wie würde Russland reagieren - auf einige Forderungen/(fiktiven) Ängste Russlands wird hier ansatzweise Rücksicht...“
Frank in Politik • Re: Westliche Waffen auf Ziele in Russland? - „Direkter Konflikt mit Russland rückt immer näher“
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Anuleb in Politik • Re: Westliche Waffen auf Ziele in Russland? - „Direkter Konflikt mit Russland rückt immer näher“
„Den direkten Konflikt mit Russland gibt es doch schon lange. Natürlich ist das kein heißer Konflikt. Aber, gesprengte Pipelines, diverse Hackerangriffe, Morde an in Europa lebenden russischen Migranten...“
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„Die Einwanderung ist inzwischen leichter geworden. Siehe: unbefristete-aufenthaltsgenehmigung-ein ... 48448.html Ansonsten halt der übliche Kram: Ehe, KInd, ukrainische Ahnen, Ostfronteinsatz. Aber dann...“
lapinoskoff in Recht, Visa und Dokumente • Re: Führerschein umtauschen
„Die temporäre Aufenthaltsgenehmigung hat vor allem den Nachteil, dass du für die jeweilige Erneuerung jedes Mal eine Grundlage brauchst, deren Bedingungen sich ändern können. Mit einer befristeten...“
lapinoskoff in Recht, Visa und Dokumente • Re: Führerschein umtauschen
„In der Praxis habe ich auch noch von keinem Einwanderer hier gehört, dass er seinen ausländischen Führerschein umgetauscht hat. Allenfalls, dass sich Leute einen zweiten ukrainischen zugelegt haben....“
lapinoskoff in Recht, Visa und Dokumente • Führerschein umtauschen
„Liebe Alle ich habe an anderer Stelle einiges zum Thema gelesen, jedoch nicht die wirklich passende Antwort gefunden. Vielleicht hier? Muss man wirklich, wenn man eine Aufenthaltserlaubnis für die Ukraine...“
Trick in Hilfe und Rat • Fahrrad Transport nach krementschuk
„Hat jemand eine Idee wie ich mein Bike von köln beispielsweise nach krementschuk schicken kann? Gibt es jemanden der Transporte in die Ukraine macht? Dankeeee“
lev in Berichte und Reisetipps • Re: Straßenverkehr, Straßenzustand, Verkehrsregeln, Verkehrskontrollen in der Ukraine
„Hatte gestern so eine Situation. Nach einer Mautstelle, stand polnische Policia und verfolgte mich anschließend mit Blaulicht. Bitte folgen, das war in Kattowitz. Sie meinten, ich hatte kein Licht an,...“
lev in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Hallo Forengemeinde, bin heute früh 6 Uhr über Korczowa in die Ukraine eingereist. 1,5 h ohne Probleme. Straßen, sind teilweise sehr marode“