Über das Leben Wladimir Bukowskis hätte man wie über das Leben eines Siegers schreiben können. Und tatsächlich erhielt er nach zwölf Jahren Haft in sowjetischen Lagern und Psychiatrien nicht nur die Freiheit zurück, sondern auch weltweite Anerkennung, war mit den berühmtesten Politikern und gesellschaftlichen Größen der modernen Welt befreundet, hatte einen realen Einfluss auf die Haltung des westlichen Establishments gegenüber Russland.
Er wurde zur historischen Figur, was soll man da sagen. Er war seiner Zeit so weit voraus, wie er ihr voraus sein konnte. Heute schätzen wir in der Ukraine die Unterstützung, die uns Vertreter der russischen Gesellschaft nach dem Überfall Putins erweisen.
Aber Bukowski unterstützte die Freiheit der Ukrainer schon im Jahr 1977, als diese Freiheit der Mehrheit der Einwohner der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik ziemlich egal war.
Eben zu diesem Zeitpunkt unterzeichnete er eine Deklaration, die vom Chefredakteur der Pariser „Kultura“ Jerzy Giedroyc vorgeschlagen wurde und in der er aufzeigte, „dass es keine wirklich freien Polen, Tschechen oder Ungarn geben wird, solange es keine freien Ukrainer, Weißrussen und Litauer und letztendlich keine freien Russen gibt.“ Wladimir Bukowski selbst hätte das Ergebnis seines Lebens nicht so zusammengefasst, gerade deshalb, weil er ein völlig ehrlicher, nicht selten bis zur Verärgerung seiner Umgebung, und kompromissloser Mensch war.
Wenn ich Bukowski nach dieser Deklaration gefragt hätte, hätte er wahrscheinlich daran erinnert, dass heute viele Vertreter der Eliten und der Gesellschaft in Ungarn, Polen und Tschechien überzeugt sind, dass sie auch ohne eine freie Ukraine hervorragend leben können und die Ukraine sich um ihre Richtungsentscheidung kümmern sollte. Ich höre das so oft in vielzähligen Diskussionen sogar mit Ukraine-Freunden in Warschau oder Prag, dass ich es satthabe, völlig offensichtliche Dinge zu erklären. Aber Bukowski hätte mir mit Sicherheit Vorwürfe gemacht, auch für die Illusionen meiner eigenen Mitbürger, die glauben, dass man mit Putins Russland reden und ruhig und frei leben könne, nicht verstehend, dass die Ukraine ohne ein demokratisches Russland dazu verurteilt ist, das Theater kriegerischer Handlungen der Diversion, im besten Fall eines „hybriden Krieges“, und des Triumphes einer billigen politischen Clownerie zu sein. Und ich wäre genötigt, ihm zum wiederholten Male recht zu geben.
Bukowski wäre jedoch noch kritischer gegenüber den Russen selbst. Für ihn wäre es unmöglich nicht zu bemerken, dass der Großteil seiner Landesbrüder in Russland sogar jetzt – und womöglich noch einige Jahrzehnte – nicht versteht, wofür er lebte, seine Sicherheit und Gesundheit riskierte, wofür er sich in Lagern quälte und die Zwangsbehandlung der Meister in der „forensischen Psychiatrie“ ertrug. Ein Großteil seiner Landleute – und wenn es nur seine Landsleute wären! – denken bis heute nostalgisch an das sowjetische Regime, an einfache Entscheidungen und das „WirsinddochBrüder“. Dem Großteil seiner Landsleute – und wenn es nur seine Landsleute wären! – erscheint die Sklaverei, in der wir lebten, immer noch nicht als Sklaverei. Und sie lehren diese dumme Weisheit ihren Kindern, die genauso in ihrer Mehrheit als hoffnungslose und nicht sehr weitsichtige „Sowjetleute“ aufwachsen, nur mit Kopfhörern. Putins Regime, das Regime Lukaschenkos, das Regime Nasarbajews, die Ergebnisse der Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Ukraine 2019, sind klare Beweise dafür, dass es Bukowski nicht gelungen ist.
Diejenigen, die sagen, dass ich die Ukraine hier nur der schönen Worte wegen anführe, dass die Ukraine doch schließlich eine Demokratie sei und es nicht korrekt sei unseren neuen Präsidenten mit Lukaschenko und Putin zu vergleichen, erinnere ich daran, dass Wladimir Bukowski sich gegen autoritäre Tendenzen im Leben der russischen Gesellschaft keineswegs nur in Zeiten der Sowjetunion gestellt hat und bei weitem nicht erst, als sich das Putin-Regime formte. Er reagierte auch scharf auf den Autoritarismus Jelzins, damals als ein großer Teil der Bevölkerung und der Persönlichkeiten der Gesellschaft und der Journalisten – darunter auch ich – meinten, dass die Bewegung in die richtige Richtung geht und nur mitleidig lächelten, als wir seine Invektiven hörten. Im Ergebnis werden wir nun unser ganzes Leben lang diesen Ausgangspunkt suchen – und vielleicht sogar finden, vielleicht haben wir ihn sogar schon gefunden – an dem sich jeder von uns geirrt hat und es zuließ, sich benutzen zu lassen. Irgendwer hatte für diesen Fehler schon mit dem Leben bezahlt, irgendwer mit verdorbener Reputation und Karriere, irgendwer wurde marginalisiert. Und nur Bukowski konnte über diese Niederlage mit reinem Gewissen nachdenken. Und ich denke, vielleicht ist eben dieses reine Gewissen die Gewähr für den Erfolg des Lebens, auch dann, wenn deine politische Mission offensichtlich im Misserfolg endet?
28. Oktober 2019 // Witalij Portnikow, Journalist
Quelle: Lewyj Bereg
Zuerst der Geist dann der Rest.
Erst wenn die griechisch-katholische Kirche in der "Ukraine"
mehr als 25 Millionen Mitglieder hat,
dann kann die kleinrussische Oligarchie uns nichts mehr anhaben.
Semper Fidelis !
(Motto der ukrainischen Stadt Lviv
AMEN.
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