Im Abstand von zwei Wochen fanden vor dem Gebäude der Werchowna Rada zwei Streikationen von Bergarbeitern statt, die aus der gesamten Ukraine dorthin fuhren. Die Teilnehmer der Aktion vom 5. Juli, und das waren einige hundert Menschen, traten mit einer Reihe von Forderungen auf, von denen die wichtigsten die Begleichung von Lohnschulden über eine Milliarde Hrywnja (etwa 32,7 Millionen Euro) und die Stärkung der staatlichen Unterstützung der Kohlebranche waren. Dem gingen Widerstandsaktionen in den Regionen voraus: Schachtarbeiter von Lwiwuhol sperrten einen Grenzübergang nach Polen, die Arbeiter der Zeche Kapustina fuhren nicht in den Schacht ein und die Bergmänner von Nowowolynsk traten in einen unterirdischen Streik, was zur Hospitalisierung eines der Bergarbeiter führte. LB.ua bietet an, sich die gesamte Forderungsliste der Streikenden anzuschauen, ihre Vorgeschichte und Möglichkeiten der Umsetzung.
1. Begleichung der Rückstände bei den Lohnzahlungen in den kohlefördernden Betrieben
Nach Angaben der Streikenden betragen die Rückstände bis zu 1,1 Milliarden Hrywnja. In verschiedenen Betrieben stehen Löhne für zwei bis drei Monate aus. Unter den Gründen befinden sich die „unbegründete und deutliche Reduktion der Branchenfinanzierung“ und die „totale Korruption in der Kohleindustrie“.
Im Übrigen hat der Streik vor den Mauern der Werchowna Rada schon minimale Erfolge gebracht. Nach Informationen auf der Facebook-Seite von Michail Wolynez, Vorsitzender der Unabhängigen Berufsvereinigung der Bergmänner der Ukraine werden auf Beschluss des Ministers für Energie und Kohleindustrie Mittel ausgezahlt, und zwar für
- die Begleichung der zurückgehaltenen Löhne in Höhe von 324 Millionen Hrywnja
- die technische und materielle Versorgung der Schächte in Höhe von 243 Millionen Hrywnja
2. Beschluss der Gesetzesinitiative Nr. 8362
Die Gesetzesinitiative Nr. 8362 des Abgeordneten Michail Bondar schlägt Veränderungen im Haushalt für das Jahr 2018 sowie die Zuteilung von 2,8 Milliarden Hrywnja (circa 92 Millionen Euro) zur Finanzierung der Kohlebranche vor.
Ziel der Gesetzesinitiative ist, wie man im Dokument zur Erläuterung nachlesen kann, „die Unterstützung der Kohleindustrie der Ukraine bis zum Abschluss ihrer Reform.“ Das Ignorieren des Dokuments durch die Parlamentarier provozierte am 19. Juni einen Zusammenstoß zwischen Sicherheitskräften und Bergmännern, die eine Protestaktion vor den Mauern der Werchowna Rada organisierten. Damals setzte man die Gesetzesinitiative nicht auf die Tagesordnung.
Am 4. Juli beriet der Haushaltsausschuss das Dokument außer der Reihe, versagte aber die Unterstützung, indem es auf die Entscheidung des Finanzministeriums der Ukraine verwies. Am nächsten Tag, als vor den Mauern der Werchowna Rada eine neue Protestwelle rollte, wurde der Gesetzestext den Abgeordneten zur Prüfung vorgelegt.
„Ich sehe die Aussagen von [Energieminister] Igor Nassalik nicht besonders optimistisch. Wo doch der Minister schon vor zwei Wochen mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit versprach, dass der Gesetzentwurf Nr. 8362 von der Werchowna Rada beschlossen wird. Er wurde jedoch noch nicht einmal beraten. Sehen wir, wie es diesmal wird“, schrieb Michail Wolynez, Vorsitzender der unabhängigen Vereinigung der Bergarbeiter der Ukraine auf seiner Facebook-Seite.
3. Rückführung der unrechtmäßig angeeigneten Kohleflöze in Staatseigentum
Es geht um die Schächte Kotljarewskaja und Nowogrodowskaja 1-3 (Staatsbetrieb Selidowugol im Gebiet Donezk), die 2012-2013 zur Nutzung an private Firmen übergeben wurden. Die „verdeckte Privatisierung“ bringen die Kohlearbeiter mit dem Sohn des Ex-Präsidenten Aleksander Janukowitsch in Verbindung, in dessen Einflussbereich sie übergingen. So fand auch keine Auktion statt, der Staatliche Dienst für Geologie und Boden argumentierte damals mit der „Erschließung neuer Lagerstätten“.
In dem Fall, so berichteten es Kohlearbeiter, übernahm der Staat die Kosten für den Schacht, die privaten Firmen die Einnahmen aus dem Kohleverkauf. Die Schachtarbeiter selbst übernehmen in dieser Kombination die Rolle der Auftragnehmer und nennen sich selbst „Geiseln der Privatfirmen“.
Bestehende Probleme sind unter anderem Korruption, Verzögerung der Gehaltszahlungen, fehlende soziale Sicherung der Bergarbeiter, insbesondere der Verlust der Versicherungsbeiträge, nicht rechtzeitige Pensionierung.
Nach Ermittlungen von „Naschi hrosich/Unser Geld mit Denis Bihus“ wurden die Flöze in der Folge an Personen überschrieben, die mit dem Kohle-Geschäftsmann Witali Korpatschewyi in Verbindung stehen.
Interessant ist, dass die Polizei 2016 ein Ermittlungsverfahren im Bezug auf die widerrechtliche Übergabe der Kohleflöze an die Firmen eröffnete, die der Kontrolle Alexander Janukowitschs standen. Ungeachtet dessen wechseln sie regelmäßig die Eigentümer und die Erlaubnis zur Ausbeutung der Flöze wurde nicht zurückgenommen.
Im März 2018 wurde auf der Seite des Präsidenten der Ukraine eine Petition registriert mit der Forderung, die Kohleflöze der Schächte Kotljarewskaja und Nowogrodowskaja 1-3 in Staatseigentum zurück zu überführen. Doch diese brachte es gerade mal auf 136 von 25.000 Stimmen, die für die Beratung durch das Staatsoberhaupt notwendig sind.
4. Liquidierung des Einflusses von „Überwachern“
Die Schächte werden in letzter Zeit nicht mehr in private Hände gegeben, dafür werden sie an sogenannte „Aufseher“ übermittelt. Diese sind für inoffizielle Kontrollen für staatliche Schächte im Interesse privater Strukturen verantwortlich. Die Einrichtung der „Aufseher“ wurde, wie Michail Wolynez früher sagte, noch unter der Präsidentschaft von Leonid Kutschma geschaffen.
Als „Hauptüberwacher“ für die Kohleindustrie der Ukraine tritt am heutigen Tag nach Meinung der Bergarbeiter der Ex-Regionale Witali Kropatschow auf, früher wurde der Name Sergej Trigubenko genannt, ein Abgeordneter aus dem Block Pjotr Poroschenkos. Die Schächte des Lwiwer-Wolhynischen Beckens werden im Interesse des Abgeordneten des Blocks Pjotr Poroschenko Igor Kononenko verwaltet, erzählte uns Wolynez (Wolynez selbst war von 2002 bis 2012 Abgeordneter für den Julia-Timoschenko-Block, A.d.R.) früher.
Die Existenz der „Aufseher“ bestreitet auch Ministerpräsident Wladimir Groisman nicht. Im Mai dieses Jahres gab er dem Minister für Energie und Kohleindustrie Igor Nassalik die Augabe „sie aus den ukrainischen Schächten zu schmeißen“, sie „ins Gefängnis zu werfen“ und „ihnen nicht zu erlauben, Verbindungen zu Fragen der Kohleförderung zu haben“.
Unter den Forderungen der Streikenden werden außerdem folgende genannt:- Beschluss von Programmen zur Entwicklung des Kohlesektors für zehn Jahre
- Benennung eines kompetenten Spezialisten mit makelloser Reputation für das Amt des Generaldirektors von Selidiwugol
- Inbetriebnahme des Schachtes in Nowowolynsk, dessen Bau seit 1989 dauert. Nach den Worten von Michail Wolynez sind für die Fertigstellung des Begonnenen lediglich 500 Millionen Hrywnja (16,4 Millionen Euro) notwendig.
6. Juli 2018 // Diana Manutscharjan, Journalistin
Quelle: Lewyj Bereg
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