Nach dem Brand auf einer Müllhalde im Mai letzten Jahres ist das Problem noch immer nicht gelöst
Das Lwiwer Müllproblem, von dem schon vor einem Jahr das ganze Land erfahren hat, wurde nicht nur nicht gelöst, sondern hat sich sogar verschärft. Ende Mai letzten Jahres, nach einem Brand und dem Tod von vier Menschen wurde die Müllhalde in Hrybowytschi bei Lwiw geschlossen. Seit dem werden Tonnen des Mülls aus Lwiw über die ganze Ukraine verteilt und aus dem Lwiwer Bürgermeister Andrij Sadowyj wird eine Witzfigur gemacht. Aus einem unbedeutenden kommunalen Problem ist längst eine politische Frage gesamtukrainischen Maßstabs geworden.
Wegen des Abfalls hat sich Lwiw mit Kiew zerstritten, und die Spannungen nehmen zu. Sadowyj fand sich kurz vor der Absetzung und als Beschuldigter in polizeilichen Ermittlungen wieder. Der Bürgermeister und die Staatsführung beschuldigen sich gegenseitig der Müllblockade und politischen Erpressung. Die Hauptstadt Galiziens selbst befand sich im Vorfeld des Sommers am Rande einer ökologischen Katastrophe und des Ausbruchs von Epidemien wie im Mittelalter. Die Stadt erstickt in Tonnen von Müll, und wenn auch das Zentrum noch einigermaßen gereinigt wird, so lohnt es sich, ein Stück weiter zu fahren. Dort wuchsen stinkende über mannshohe Haufen, von denen die Abfälle seit Ostern nicht mehr abtransportiert wurden.
Ratten wie Pferde
„Ratten, so groß wie Pferde, rennen herum, wegen des Gestanks kann man die Fenster nicht öffnen, und nebenan ist ein Kindergarten. Kopfschmerzen plagen mich“, beklagt sich die Lwiwer Einwohnerin Chrystyna Kuryljak von der Wolodymyr-Welykoho-Straße in einem Wohngebiet der Stadt.
Der Leiter der Lwiwer städtischen Gesundheitsabteilung Wolodymyr Sub warnt vor Ausbrüchen von Darmerkrankungen und anderen Infektionen. „Wir nähern uns einer Situation, in der die Stadt womöglich den Ausnahmezustand ausrufen muss“, sagt der Beamte.
Wegen des Mülls reift in Lwiw ein ernsthafter Aufstand: die Menschen versperren schon Straßen als Zeichen des Protests und drohen damit, Säcke mit Abfällen zum Haus des Bürgermeisters und den Läden von „Roshen“ zu fahren. Viele geben sowohl Sadowyj als auch Poroschenko die Schuld für die Vermüllung.
Abmachung mit Hrojsman dennoch gescheitert
Die Abmachung des Bürgermeisters mit dem Premierminister Hrojsman vom April über den Abtransport des Mülls in benachbarte Städte des Gebiets ist gescheitert. Die hiesigen Führungen weisen massenhaft den Müll aus Lwiw ab, selbst gegen Geld, man sagt, die Mehrheit ist gegen ein „zweites Hrybowytschi“.
Von fast zwanzig Halden haben sich nach den Worten Sadowyjs nur drei bereit erklärt, Abfälle anzunehmen, und das ist das Problem. „Jeden Tag fallen in Lwiw 600 Tonnen Müll an, aber es werden nur 80 Tonnen abtransportiert“, präzisiert der stellvertretende Bürgermeister für die kommunale Wohnungswirtschaft Serhij Babak. „Die Lufttemperatur steigt, die Situation ist kritisch, am Rande der ökologischen Katastrophe.“
In den Reihen Sadowyjs sagt man, dass die massenhafte „Ignoranz“ der Nachbarstädte angeblich von ganz oben abgesegnet sei. „Die Situation klärt sich im Handumdrehen mit einem Anruf aus Kiew. Aber den örtlichen Bürgermeistern hat man, im Gegenteil, befohlen, den Müll nicht anzunehmen. Aber zu denen, die einverstanden sind, schickt man die Kontrollorgane. Man hat beschlossen Sadowyj „einzuheizen“. Ein Schlüsselpunkt: Die Partei „Samopomitsch“ (Selbsthilfe – A.d.Ü..) will man dazu bringen, nach dem Befehl des Präsidenten abzustimmen, dann wäre das Müllproblem gelöst“, versichert man „Strana“ gegenüber im Rathaus.
Der Bürgermeister selbst beklagt sich über mangelnde Unterstützung seitens des Staates. „Der Staat hilft uns in keiner Weise und wirft uns noch Knüppel zwischen die Beine. Man hat uns mit dem Unglück allein gelassen. In der Ukraine gibt es tausende Müllhalden, der Großteil der Abfälle im Land wird vergraben, aber Lwiw hat nichts, wo es den Müll hinbringen kann“, beklagt sich der Bürgermeister. Geplant ist, mit den Franzosen ein Müllwerk zu bauen, aber bis dahin muss man, wie man sagt, noch ein Weilchen leben.
Die Leute des Gouverneurs Oleh Synjutka, eines ehemaligen Mitstreiters Sadowyjs, aber jetzt Unterstützer Poroschenkos, beschuldigen dagegen den Bürgermeister bei allem. „Warum gibt es so etwas in anderen Städten nicht und nur Lwiw blamiert sich im ganzen Land? In den elf Jahren seiner Amtszeit hätte Sadowyj das Problem schon längst lösen können. Jetzt versucht der Bürgermeister nicht nur nicht, sich mit den örtlichen Gemeinden zu einigen, sondern boykottiert auch noch die Initiativen der Regierung“, versichern Informanten in der Gebietsverwaltung.
Der Lwiwer Parlamentsabgeordnete Ihor Wasjunyk, dessen Namen man unter Kandidaten als zukünftigen Bürgermeister Lwiws handelt, ist sich sicher, das es in der Sache nicht nur um Politik, sondern auch um Geld geht: „Im Rathaus verdient man gut an dem Müll. Es gibt dort eine „schwarze Kasse“. Aus Lwiw werden Tonnen von Abfällen abgefahren. In den Papieren kommen sie nicht vor und aus dem Staatshaushalt werden dafür Millionen zugeteilt.“
Bei Sadowyj versichert man, dass der gesamte Müll registriert ist.
Gift für die Lwiwer
Inzwischen tickt in der geschlossenen Halde in Hrybowytschi eine weitere Bombe mit Zeitzünder. Ein Jahr nach dem schrecklichen Ereignis hat man die mit Müll gefüllte Halde noch nicht in Ordnung gebracht. Die von dort austretende giftige Brühe verseucht die umliegenden Siedlungen.
„Diese ganze „Chemie“ sickert durch den Boden in die Wasserleitungen und Brunnen. Grünzeug aus den örtlichen Gärten, Milch und Fleisch der Tiere, die das dreckige Wasser trinken, wird auf den Basaren in Lwiw verkauft, da findet sich das ganze Periodensystem“, sagt der Ökologe Ihor Murawskyj, Abgeordneter des Kreisrats von Schowkwa. Und das ungeachtet dessen, dass man nach den Worten Murawskyjs in diesem Jahr 10 Millionen Hrywnja für die Säuberung der Halde in Hrybowytschi zur Verfügung gestellt hat. „Die Gelder werden ausgegeben, doch ohne Sinn und Verstand.“
31. Mai 2017
Quelle: Strana.ua
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