Es sind vierzig Jahre vergangen, aber ich erinnere mich. Das war immer da: ein kleiner dunklen Flur hinter dem Eingang zu den Baracken, dunkle Gesichter alter Häftlinge, Lichter billiger Zigaretten oder Selbstgedrehter, ein ruhiger, höflicher und immer hilfsbereiter Woloschin, der 15 Jahre zu sitzen hat. Und fast immer, vor allem in den kälteren Monaten, hat es neben ihm zwei Katzen gegeben – Mary und Mascha.
Das sind seine, Woloschin’s, zwei Katzen. Er streichelt sie, redet mit ihnen. Und sie hören ihm aufmerksam zu, als ob sie etwas verstehen würden. Irgendwie auf eigene Katzenart verstehen sie ihn. Woloschin sitzt „wegen des Krieges“, er war bei der Polizei, entweder in der von Deutschen besetzten Ukraine oder in Weißrussland. Er befindet sich „auf dem Weg der Besserung“. So wie sie alle, ehemalige Polizisten, gewöhnliche sowjetische Bauern, die vom Schicksal vor die Wahl gestellt wurden, selbst zu sterben oder ihresgleichen zu ermorden. Ob Woloschin jemanden ermordet hat, weiß ich nicht. Darüber redet man hier im Gefängnis WS 389/36 nicht. Ich weiß nur, dass er aus der Polizei desertiert ist und zu der vorrückenden sowjetischen Armee ging, leicht verletzt wurde und mit der Sieger-Armee bis Berlin kam. Dann ist er in sein Dorf, in die hungrige Kolchose der Nachkriegszeit zurückgekehrt, hat geheiratet, hatte zwei Kinder. Und nun, in seinem Alter kam er ins Lager. Seine guten Augen, besonders, wenn er mit Mary und Mascha spricht. Wenn er sie mit Gemüse aus der Kantine füttert. Die Katzen fressen fressen gern, sogar Brot, wenn er; Woloschin, das Brot mit Borschtsch getränkt hat. Hier im Gefängnis gibt es viele Katzen, nicht weniger als zehn. Aber nur Mary und Mascha haben einen Freund und Ernährer. Alle anderen kann man in den Ecken des Gefängnisses sehen, verstecken sich hinter den Baracken, hinter der Medizinecke. Diese Katzen sind hier geboren worden, werden hier auch sterben. Sie können nicht aus dem Gefängnis rauskommen. Zäune, Stacheldraht. starke böse Hunde – das alles spricht gegen sie. Allerdings, anfänglich gegen uns, den Menschen. Ich verstehe nicht, wie der grausame stellvertretende Leiter des Gefängnisses Major Fjodorow diese große Zahl an Katzen im Gefängnis erträgt. In der Hausordnung des Gefängnisses ist es nicht vorgesehen.
Katzen vermehren sich. Im Gegensatz zu uns, zu Häftlingen. Wenn es ihrer zu viel gibt, wird der alte Mann, ebenfalls ein ehemaliger Polizist, angewiesen: alle Katzen in einen Sack und ab in den Ofen. In den Kesselraum und verbrennen. Woloschin ist mit ihm befreundet, gibt ihm Tee, teilt mit ihm Essen aus den Paketen, die ihm seine Frau regelmäßig sendet. Sie beide, die sich auf den Weg der Besserung befinden, haben gesetzliche Privilegien. Und über außergesetzliche ist hier nicht die Rede. Der alte Mann informiert Woloschin über den Befehl. Woloschin „kauft Mary ab“, mit ihrer Tochter Mascha klappt es nicht. Entweder hat Woloschin Probleme mit dem Essensnachschub oder der alte Mann hat Angst vor dem Zorn des Majors Fjodorow. Es bleibt nur Mary. Abends weint Woloschin, versucht, sich zurückzuziehen, Aber wo kann man sich im Gefängnis zurückziehen.
Nach Monaten kann man im Gefängnis wieder Katzen sehen. Junge, aktive und hungrige Kater, die weder den Geschmack von Fleisch noch von frischen Fisches kennen. Genauso wie wir Menschen. Erstaunliche Tiere, diese Katzen, im Gefängnis 389/35. Sobald man Wärter in der Nähe der Baracke sieht, reagieren die Katzen sofort, sie verstecken sich. In abgelegenen Ecken, in beliebigen Löchern. Wie erfahren sie von der drohenden Gefahr? Dutzende von Menschen gehen in den Baracken ein und aus, klopfen mit den Füßen, schlagen den Schnee und Schlamm ab, und die Katzen sitzen und schlafen ruhig. Und plötzlich – bricht Panik aus! Vielleicht ist es der Geruch, vielleicht stoßen die Wärter bestimmte Duftstoffe ab?
Vierzig Jahre. In diesem Lager gibt es schon lange keine Häftlinge mehr. Dort ist jetzt ein Museum: Fotos, Dokumente, Bücher, irgendwelche Sachen der Häftlinge. Gibt es denn dort Katzen, ferne Nachkommen der legendären Mary? Und verstecken sie sich vor dem Wärter des Museums, unseren ehemaligen Aufseher Iwan Kukuschin?
02. September 2013 // Semjon Glusman
Quelle: Lewyj Bereg
Forumsdiskussionen
Frank in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„"§ 107 Wahlbehinderung (1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt eine Wahl oder die Feststellung ihres Ergebnisses verhindert oder stört ..." Hat mit seinem Anliegen irgendwie gar nix zu tun na...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Toleranz ist das Stichwort und im Grunde befindet er sich zum großen Teil unter Gleichgesinnten und erkennt es nicht, sehr schade, allerdings sind seine Umgangsformen etwas eingeschränkt, was ebenso...“
Bernd D-UA in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi Die Meinung anderer zu achten ist nicht so Dein Ding, Du musst sie ja nicht teilen. Dies ist aber eine grundlegende Regel einer Diskussion, daher macht die Diskussion mit Dir wenig Sinn, offensichtlich...“
Frank in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„... keine macht den Drogen ... such dir mal Hilfe“
Tombi in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Soweit alles Verstanden? Aha, wieder so ein Widerling der...“
Tombi in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Handrij, ich vermute Du bist ein FSB-Agent, da ich mit Euch Moördern nicht zusammen arbeiten möchte, und mir Deine Zensur zu peinlich ist: gehe ich, ich verlasse Dich & Deine Desinformation, deine...“
Tombi in MDR • Re: Ukraine-News: Russland meldet Rückeroberung von Großteil besetzter Kursk-Region
„Wer ist eigentlich so naiv, und verbreitet immer noch putinsche Propaganda Meldungen, in diesem Forum? Ihr wisst doch genau, dass der keinen mehr hoch bekommt. Ausser Lügen stemmt der doch gar nichts...“
Tombi in Ukraine-Nachrichten • Re: Kellogg muss Putin überzeugen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen
„Quatsch, Kellogs muss nur Putin überzeugen, die Ukraine zu verlassen, und sein Morden einzustellen. wer schreibt diesen hinterhältige Putinschen Propaganda Artikel eigentlich, sind diese dämlich? Geht...“
Obm100 in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“
Awarija in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“
Obm100 in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Mich würde es Interessieren, ob die Amis sich auch raushalten, wenn der Zwerg Alaska besetzt oder Teilbesetzt. Es könnte ja zu einem Atomkrieg kommen, wenn die Amis Truppen schicken. Sie senden anscheinend...“