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Nächste Station – Sanktionen

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Der ukrainischen Führung ist es bis dato nicht gelungen, die Amerikaner dermaßen zu verärgern. Keine leichte Angelegenheit, wenn mehr Interesse dafür besteht, was aus der Wirtschaft der USA werden wird, sogar eine recht schwierige. Hätte Janukowitsch Obama während des Treffens unter vier Augen lediglich mit einem Hinweis auf die Marschrichtung gekränkt, wäre der Effekt wahrscheinlich geringer. Nun wird auf dem Kapitolshügel die Zukunft der Ukraine vom Ausgang der Sache Timoschenko abhängig gemacht. Nein, nicht die „europäische“, sondern die Zukunft allgemein. Und das Problem lässt sich nicht nur an Julia Wladimirowna festmachen, die zu einem Symbol der Willkür des Regimes geworden ist – die ukrainische Führung hat dem Westen ins Gesicht gespuckt. Und ich würde vor der Freude über die „Demonstration einer starken Position“ der Anhänger des prorussischen Vektors warnen – Moskau hat auch seinen Teil Spucke abbekommen. Nur diejenigen, die sich daran gewöhnt haben, die Löwen im Zoo zu ärgern, haben vergessen, dass es in freier Wildbahn besser ist, sich angemessener zu verhalten. Aber was geschehen ist, ist geschehen. „Sanktionen“ – noch vor einem halben Jahr hat niemand in der amerikanischen Hauptstadt daran gedacht, diesen Ausdruck ernsthaft zu erwähnen. Mittlerweile ist dieser bei jedem Treffen zu hören und beinahe immer dann, wenn die Ukraine erwähnt wird. Gewiss auch wegen des Urteils gegen Timoschenko, aber nicht nur aus diesem Grund.

Zum Einen lieben sie es in Washington zu analysieren und verstehen sich auf Prognosen. Weshalb die Vergangenheit des vom FBI gesuchten Semjon Mogilewitsch diese nicht gerade optimistisch hinsichtlich des möglichen zukünftigen Gebarens seiner Partner in der ukrainischen Regierung sowie im näheren Umkreis Janukowitschs stimmt. Nach den Auseinandersetzungen zum Schicksal Julia Wladimirownas und, offensichtlich, nach spezifischen Zusagen ukrainischer Amtskollegen auf hoher Ebene sowie dem Ausgang des Gerichts begann die Führung der USA, sich um das hoch angereicherte Uran in der Ukraine zu sorgen. Insbesondere beunruhigt der Unwille der Ukraine, das Uran bis zum Nuklear-Gipfel in Korea zu übergeben, was der Wunsch Obamas wäre, sowie der Versuch, diesen feierlichen Augenblick bis 2014-2015 hinauszuzögern. Die Amerikaner bewerten dieses Missverständnis als „technischen Moment“, aber es ist bereits ersichtlich, dass dies eine diplomatische Auslegung ist. Dem Weißen Haus nahestehende Experten, die mehr preisgeben können, als Stabsangehörige, sind nicht mehr davon überzeugt, dass die ukrainische Führung nicht anfängt, mit dem zu handeln, mit dem sie nicht handeln sollte und zwar mit denen, mit denen sie nicht handeln sollte. Explizite Signale existieren zwar heute noch nicht, aber das Verhalten des offiziellen Kiews lässt Washington an der Vorhersagbarkeit der Handlungen Janukowitschs und erst recht seines Umfelds zweifeln. Und sollten sich diesbezüglich, wovor Gott bewahre, die entsprechenden Signale abzeichnen, kann man die Auswirkungen anhand früherer kleptokratischer Regime ausmachen. Der Boden hierfür ist bereits bereitet.

Zum Zweiten, wie Zbigniew Brzezinski anmerkte, sind Wirtschaft und Gewinne zwar gut, aber der Westen fußt trotz allem auf demokratischen Werten, die für diesen explizit nicht verhandelbar sind. Die Verurteilung Timoschenkos, die offene Verspottung Luzenkos und Iwaschtschenkos, die Verfolgung der Opposition auf allen Ebenen, all dies wird in einem gemeinschaftlichen Brief der Senatoren und Kongressmitglieder beider Parteien an den ukrainischen Präsidenten zu finden sein. All diejenigen, die verstehen möchten, worum es in dem Brief geht: Lesen Sie die Erklärung des Weißen Hauses nach der Blamage im Petschersker Bezirksgericht durch, verschärfen Sie den Ton und Sie erhalten den Tenor des Dokuments. Solange dieser noch nicht versendet wurde, darf man nicht aus diesem zitieren. Aber auf die Briefform wird man sich im Kapitol nicht beschränken, vielmehr wird es auf Anhörungen mit Senatsresolutionen hinauslaufen. Und dass man dort den Ausdruck „Sanktionen“ nicht umgehen können wird, ist bereits deutlich. Ebenso gewiss ist, dass die USA keine Restriktionen für die gesamte Ukraine einführen wollen. Sie verstehen, dass das Land eine Sache ist, und eine andere die temporäre Führungsspitze. Deshalb werden sie bevorzugt zu punktuellen Schlägen übergehen, statt zu Flächenbombardements.

Mögliche Sanktionen, über deren Ausgestaltung momentan sehr ernsthaft diskutiert wird, können sogar klassifiziert werden. Die Einen schlagen vor, die Finanzhilfen für staatliche Institutionen einzustellen. Und zwar speziell die staatlichen, NGOs werden vielmehr mit einer Unterstützung ihrer Programme rechnen können. Das heißt, es wird sich um eine Umorientierung handeln, was erneut das Verstehen um den Unterschied zwischen der ukrainischen Gesellschaft und Macht verdeutlicht. Und im Grunde genommen, wozu Geld für nichts und wieder nichts geben? Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Hilfe bei der Ausarbeitung gesetzlicher Antikorruptionsbestimmungen. Wie viele Experten wurden eingesetzt, eine parlamentarisches Kommission wurde durch die ganze Welt geschickt, um sich Sachwissen anzueignen, Konferenzen, Seminare … Im Sommer 2009 wurde das Gesetzespaket gegen Korruption vom Parlament verabschiedet und vom Präsidenten unterschrieben. Die Gesetze wurden beinahe als die besten in Europa bezeichnet. Aber mit der neuen Führungsspitze wurden alle abgeändert. Und der Kampf gegen die Korruption ging verloren, während Hilfen für den Antikorruptionskampf überflüssig wurden. Also, wozu sich bemühen, wenn die Möglichkeit besteht, jenen zu helfen, die diese Hilfe auch tatsächlich benötigen? Gesetzesvorhaben können schließlich auch Nichtregierungsorganisationen ausarbeiten, um dann, wenn in der Werchowna Rada nicht von einer Bande von Knopfdrückern entschieden wird, keine Zeit zu verlieren.

Eine weitere Möglichkeit für die diskutierten Sanktionen wäre schmerzhaft für bestimmte Persönlichkeiten. Wobei die Liste der Persönlichkeiten die Opposition der amerikanischen Seite bereits in dieser Woche übergeben hat. Sie enthält Vertreter der höchsten Führungsebene, sowohl des Landes, als auch der Staatsanwaltschaft, Minister, die Ermittlungsbeamten des dünnen Falls gegen Timoschenko, Luzenko und andere, Staatsanwälte, Richter, Beamte, die falsche Dokumente und Gutachten von „Experten“ ausgestellt haben, sowie die unermesslich grausamen Mitarbeiter des Strafvollzugssystem. Insgesamt um die 70 Familiennamen. Tatsächlich ist es noch zu früh davon zu reden, dass alle auf die „schwarze Liste“ kommen werden. Aber viele habe Chancen, und zwar gute. Darüber hinaus könnte diese Liste auch von Europa übernommen werden, womit für jene namentlich genannten Personen, die „nicht vorhaben, nach Amerika zu reisen“, ein Verbot der Seebäder an der Cote d’Azur, der Pariser Restaurants sowie Londoner Boutiquen ein schmerzhafter Schlag werden könnte. Aber das ist nicht alles. Die Auserwählten könnten durchweg zum Gegenstand von Sonderermittlungen werden. Ein Anlass genügt. Eine Verbindung zu Mogilewitsch beispielsweise eignet sich hierfür vollkommen, vor allem angesichts des jüngsten Erlasses Obamas zum Kampf gegen die Mafia. Und das ist immer noch nicht alles – die Amerikaner wollen nicht zu früh alle ihre Karten offenlegen. Und welche Trümpfe werden sie noch hervorzaubern können?

Sehr unangenehm könnte für Janokowitsch auch die erhöhte Aufmerksamkeit Washingtons hinsichtlich der Parlamentswahlen in der Ukraine werden, was deutlich während des Jahres vor diesen spürbar wird. Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht nur auf die Gesetze zu diesen Wahlen, an deren Integrität die Amerikaner stark zweifeln. Zweifel bestehen auch darin, dass die Wahlen selbst integer durchgeführt werden. Entsprechend wird im Herbst 2012 die Aufmerksamkeit hinsichtlich ukrainischer Ereignisse am stärksten sein, worüber Klartext gesprochen wurde.

Die Repräsentanten der ukrainischen Führung, die in dieser Woche zur jährlichen Konferenz zu Fragen zur Ukraine in Washington waren, haben es spürbar erlebt. Freunde haben sie nun keine mehr. Wie ein bekanntes Kongressmitglied sagte, falle es sowohl Repräsentanten der Demokraten wie auch Republikaner äußerst schwer, die ukrainische Führung zu verteidigen. Und dass es für Janukowitsch nun äußerst schwer werden wird, zwischen Washington, Brüssel und Moskau zu einen Ausgleich zu finden – er hat sich selbst den Lenkkreisel entwendet. Und dies bedeutet, dass der Raum für Manöver extrem restringiert ist. Wenn Sie nicht auf die Warnungen hören, bereiten Sie sich auf die schlimmsten Folgen vor. Auf der anderen Seite denken die Amerikaner, entgegen sämtlicher Klischees, ganz und gar nicht daran, die Ukraine in die russische Umarmung zu stoßen. Das Weiße Haus und die Staatsanwaltschaft fordern die Freilassung Timoschenkos. Amerika glaubt daran, dass bei Janukowitsch die Ratio schließlich über die Emotio obsiegen wird.

Daran, dass die ukrainische Führung die liebenswerterweise gegebene Pause nutzen wird, bestehen Zweifel. Daran gewöhnt im Bulldozer zu sitzen, schenkt sie Entwicklungen um sie herum keine Beachtung. Auch nicht auf stärkere Mechanismen. Eigentlich müsste Janukowitsch nicht so viel machen – außer seine Versprechungen erfüllen und aufhören, auf Kosten des Landes mit persönlichen Phobien zu kämpfen. Eine andere Sache ist die, dass diese Aufgabe lediglich etwas für einen starken Menschen ist. Ein kluger hätte es nie soweit kommen lassen.

21. Oktober 2011 // Wladimir Arjew

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzerin:    — Wörter: 1341

Jahrgang 1978. Yvonne Ott hat Slavistik und Wirtschaftswissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg studiert. Seit 2010 arbeitet sie als freie .

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