Die Bewohner der Oblast Odessa, ermüdet von den Konflikten, den lauten Skandalen, dem häufigen Personalwechsel und den großen Versprechungen erwarten keinerlei Wunder: kein georgisches, kein ukrainisches, kein europäisches. Sie erwarten die Wiederherstellung des regionalen Regierungssystems sowie das Abräumen der angehäuften Probleme und konstruktive Arbeit. Und deshalb haben sie auch den reservierten Optimismus des neuen Gouverneurs, der in kürzester Zeit Erfolge zu zeigen verspricht, mit Vorsicht aufgenommen.
Maksim Stepanow hat drei Monate Zeit, um ein Ergebnis zu liefern. Diesen Termin hat ihm der Präsident des Landes selbst gesetzt, als er am Donnerstag den Aktiven der Oblast den neuen Gouverneur als Super-Manager vorgestellt hat.
Der Gouverneur hat zwei Universitätsausbildungen im Gepäck: der staatlichen medizinischen Universität Donezk und der Kiewer Nationalen Wirtschaftsuniversität. Und Führungserfahrung in Strukturen wie der staatlichen Aktiengesellschaft Naftogas Ukrainy und der ukrainischen Steuerverwaltung. Sein wichtigster Moment: Unter der Führung von Maksim Stepanow hat das Polygrafische Kombinat Ukraina durch die Ausgabe von Aktien der wirklich gefährlichen Konfrontation mit dem berühmt-berüchtigten Konsortium EDAPS (=Konsortium zur Herstellung von Pässen, unter Korruptionsverdacht, 2016 aufgelöst) standgehalten und eine Reihe zuvor verlorener Bereiche in der Herstellung von streng vertraulichen Dokumenten dem Staat zurückgeholt (von Pässen, Urkunden, Steuermarken und Weiterem).
Indem er die Produktion im Polygrafischen Kombinat Ukraina erweiterte und ankurbelte, konnte Stepanow Zuversicht und Stabilität verbreiten. Aber er hat die „Challenge“ vorgezogen und sich auf den Chefposten der Odessaer Oblastverwaltung beworben. Selbstverständlich nicht ohne die Unterstützung der Bankowa-Straße (Sitz des Präsidenten, A.d.R.), aber mit einem scharfen Verständnis für die Schwierigkeit der Aufgaben. Stepanow kennt die Oblast Odessa gut. Von 2008 bis ins Frühjahr 2010 (während der Präsidentschaft Juschtschenkos) war er der erste Stellvertreter des damaligen Gouverneurs Nikolaj Serdjuk. Tatsächlich ist er aus dieser Zeit mit nichts Besonderem in Erinnerung geblieben, obwohl Stepanow einen Gutteil der Arbeit auf sich gezogen hat. So wird er nicht viel Zeit dafür brauchen, sich vertraut zu machen und in Schwung zu kommen. Nach den Worten des Präsidenten ist Stepanow jemand, der bereit ist, Verpflichtungen zu übernehmen und sie zu erfüllen. „Er ist ein Mensch, der in der Region arbeiten und nicht im Ausland herumreisen wird „, unterstrich der Präsident. Man muss betonen, dass die Vorstellung des neuen Gouverneurs, so wie der Präsident sie durchführte, eher daran erinnerte, dessen Vorgänger als Fußabtreter zu benutzen. Jegliche Einsprüche, zu denen sich die Anwesenden im Saal durchrangen, unterdrückte Pjotr Poroschenko unbarmherzig, berauscht vom eigenen Machtwort. Im Übrigen setzte das Staatsoberhaupt dem neuen Regionalchef nicht nur nebenbei eine Deadline, sondern brachte auch die Prioritäten in Reihenfolge.
Die Aufgaben sind nicht neu. Im Wesentlichen sind es Projekte, die Michail Saakaschwili nicht zu Ende gebracht hat. In erster Linie die Wiederherstellung der Trasse Odessa – Reni. Nach den Worten Pjotr Poroschenkos soll der Weg, der in die Heimat des Präsidenten führt, zu Ende gebaut und der Bau anderer Magistralen begonnen werden. Die Oblast hat nicht mehr als 300 Millionen Hrywnja (circa 10,3 Millionen Euro) ausgegeben, die ihm im Budget für die Reparatur von Straßen erteilt worden und die anderen Regionen des Landes blutig entrissen worden waren. „Mal gab es das Projekt nicht, mal haben sie die Ausschreibung nicht organisiert, mal haben sie keine Baufirma gefunden“, empörte sich das Staatsoberhaupt. Dabei stellten sich die Kosten für die Straße als mit die höchsten im ganzen Lande heraus.
Weiter. Fertig gestellt werden soll endlich das Terminal des Odessaer Flughafens, und die neue Landebahn soll gebaut werden. Zu den Prioritäten gehört auch der Kampf gegen die Kriminalität, die in bedrohlicher Geschwindigkeit wächst. Und das Zollamt. Pjotr Poroschenko erklärte, dass er Geld sehen wolle, das aus den überschüssigen Zolleinnahmen in die Staatskasse eingeht, und nicht Gefasel und billige PR. Als er über das Zoll-Experiment sprach, führte der Präsident Zahlen an, die bewiesen, dass der Zoll nach dem Abtritt der vorherigen Führung des Oblast die überschüssigen Budgetabführungen stark vergrößert hat. Von 68 Millionen Hrywnja im Oktober auf 200 Millionen und ein bisschen im Dezember. Dieses Tempo soll auch im Jahr 2017 gehalten werden.
Um von seiner Seite aus schnell gute Ergebnisse vorzeigen zu können, bereitet sich Stepanow darauf mit einem neuen Team vor. Aber er ist gewillt, dieses mit Hilfe von Auswahlverfahren zusammenzustellen. Und das ist erstens eine Prozedur, die lange dauert, und die zweitens, wie man ohne Wehmut konstatieren muss, schon ordentlich diskreditiert ist. Aber der Weg, um die Oblast zu neuen Ufern zu führen, liegt nicht nur in der personellen und wirtschaftlichen Ebene, sondern auch der politischen.
Diejenigen, die den neuen Gouverneur kennen, betonen, dass politische Unterdrückung und Spiele mit der derzeitigen Machtpyramide nicht zu seinen Plänen gehören, insofern er sich nicht in der Politik des heutigen, sondern des morgigen Tages sieht. Und deshalb ist er gewillt, Ergebnisse zu liefern, die in erster Linie die Menschen spüren. Wird es ihm gelingen, sich unter den Bedingungen eines anstehenden harten Machtkampfs im Lande von politischen Spielen und Bataillonen fernzuhalten? Wird es ihm gelingen, die schwierige Region zusammenzuhalten, die durch die Geschäfte und Besitzstände oligarchischer Clan-Strukturen und lokaler Kleinfürsten zersplittert ist? Wird er die Einflüsse untereinander zerstrittener Gruppen erfolgreich unterdrücken können? Diese Aufgabe erscheint noch um einiges schwieriger.
Nach dem Abgang Saakaschwilis ist es still geworden im Gezanke und der offenen Konfrontation zwischen der Odessaer Oblastverwaltung (OGA) und dem Rathaus, zwischen OGA und dem Gebietsrat. Und sogar zwischen Anhängern und Gegnern des Bürgermeisters. Aber wie lange noch? Der Vorsitzende des Gebietsrates Odessa, Anatolij Ubanskij, den der vorherige Gouverneur dem Ismailskij-Klan zugerechnet hat, hat die Überzeugung geäußert, dass es jetzt keine Konflikte mehr in der Oblast geben werde. Weil Maksim Stepanow ein „dem jetzigen System angemessener und richtiger Manager ist, der für die Odessaer Oblast und seine Menschen unverzichtbar ist“.
Übrigens erwartet niemand in Odessa eine Antwort auf die Frage: Von wem wird der neue Gouverneur das Geschenk „gelber Stiefel“ annehmen – das Symbol der Korrumpierbarkeit? Alle sind überzeugt, dass er schon nach Odessa im Fahrwasser von Kolomojskij (=Oligarch Igor Kolomojskij) gekommen ist. Stepanow für Odessa – das ist angeblich Teil einer größeren Verständigung rund um die Nationalisierung der Privatbank (Hauptaktionär war vor der Verstaatlichung Kolomojskij A.d.R.). Allerdings darf man es mit den Schlussfolgerungen nicht überstürzen. Erstens geriet Stepanow in das Unterstützungsteam des Präsidenten auf Vorlage von Boris Loschkin, dem Michail Brodskij den Chef des Polygrafischen Kombinats zuführte. Er kennt Stepanow gut aus seiner Zusammenarbeit während der Konfrontation mit dem Konsortium EDAPS. Zweitens unterhält Stepanow nach Informationen dieser Zeitung, wirklich freundschaftliche Beziehungen zu Igor Paliza (2014-2015 Gouverneur des Gebiets, A.d.R.). Während der Gouverneurszeit Igor Kolomojskijs organisierte Paliza ein Treffen Stepanows mit dem Gouverneur der gesamten Ukraine. Allein die Bedingungen des Machterhalts und Aufstiegs Stepanows zur Macht, die Kolomoijskij vorschlug, erwiesen sich als inakzeptabel für den damaligen Chef des Polygrafischen Kombinats Ukraina. Das erste Treffen war auch das letzte, und die Beziehungen zu Paliza verschlechterten sich. Was im Prinzip diesen allerletzten Unterstützer Kolomojskijs nicht davon abhielt, nach dem Sieg Stepanows im Auswahlverfahren eine Reihe von einflussreichen Leuten in Odessa mit der Botschaft anzurufen: Jetzt mit der Lösung aller Probleme zu mir!
Darauf antwortet der neue Gouverneur typisch odessitisch: Sagen auch Sie… In jedem Fall muss der Gouverneur jetzt durch seine Handlungen den Beweis erbringen, wer er eigentlich ist und wessen Interessen er zu verteidigen und durchzusetzen angetreten ist. Schon die ersten hundert Tage, die der Präsident dem Gouverneur als Termin gesetzt hat – und der Präsident hat versprochen, nach Odessa zu kommen und sich seinen Bericht anzuhören – werden zeigen, was die Oblast von dem neuen Gouverneur zu erwarten hat.
13.Januar 2017 // Nina Perstnjowa, Sonderkorrespondentin ZN, UA in Odessa und Oblast Odessa
Quelle: Serkalo Nedeli
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