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Thema Adoption: „Mama vs. Mother“ oder „Über die Zentrifugalkraft des Anti-Magnitski-Gesetzes“

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Am 1. Januar 2013 trat in Russland das Gesetz „Über Sanktionen für Personen, die fundamentale Menschrechte und Freiheiten von Staatsbürgern der Russischen Föderation verletzen“ in Kraft, in dessen Rahmen ein Adoptionsverbot russischer Waisenkinder für amerikanische Staatsbürger eingeführt wurde. Das Gesetz, das die russische Staatsduma als Antwort auf den amerikanischen „Magnitski-Akt“ verabschiedete, der Visa-Sanktionen für russische Beamte vorsieht, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, ist in den Medien schnell mit Namen wie „Anti-Waisenkinder-Gesetz“, „Schurkengesetz“ oder auch „Dima-Jakowlew-Gesetz“ – benannt nach dem zweijährigen russischen Jungen, der im Jahr 2008 von amerikanischen Eltern adoptiert worden war und vier Monate später durch Verschulden des Adoptivvaters zu Tode kam – versehen worden1. Das absurde und unlogische „Anti-Magnitski-Gesetz“ hat sowohl in Russland selbst, wo sich in einem „Marsch gegen die Schurken“ mehrere Zehntausend Protestierende zusammengefunden haben und über 100.000 Unterschriften für die Nichtunterzeichnung des Gesetzes gesammelt werden konnten, als auch über die Landesgrenzen hinweg hohe Wellen in der Gesellschaft geschlagen und teils heftige Debatten nach sich gezogen. Für viele Länder stellten diese Entwicklungen zudem einen Anlass dar, die Aufmerksamkeit auch auf die Situation der Waisenkinder und der Sozialwaisen [Kinder, deren leibliche Eltern zwar noch am Leben sind, letztere jedoch ihren Erziehungsauftrag aufgrund sozialer oder anderer Umstände nicht wahrnehmen] in ihren eigenen Ländern zu richten. Russland, in dessen Datenbanken sich die Profile von 128.000 Waisenkindern befinden, beabsichtigt nun, den Adoptionsprozess für russische Staatsbürger zu vereinfachen, die Fristen zu verkürzen und die Anforderungen an potenzielle Eltern zu senken. Bedauerlicherweise wird dabei jedoch häufig das (Waisen-)Kind mit dem Bade ausgegossen, wie Aleksandr Gesalow, russischer Staatsbürger, der früher als Erzieher in einem Kinderheim gearbeitet hat und gegenwärtig als Experte für Waisen und Sozialwaisen in den GUS-Staaten tätig ist, bildlich erklärt: Bei dem Versuch, das Bett der Kinder zu richten, werden nur allzu oft die darin liegenden Kinder und deren Belange vergessen.

Auch in der Ukraine hat das Thema zuletzt neue Wellen geschlagen.

So hat Präsident Janukowitsch am Dienstag der Werchowna Rada den Gesetzesentwurf Nr. 2002 zur Ratifikation des „Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption“ vorgelegt2. Zur Erinnerung: Ähnliche Gesetzesentwürfe sind in der Vergangenheit von der Werchowna Rada bereits dreimal abgelehnt worden. Unbehagen hatte dabei insbesondere der Artikel 32 der Konvention hervorgerufen, der vorsieht, dass „Kosten und Auslagen, einschließlich angemessener Honorare an der Adoption beteiligter Personen, in Rechnung gestellt und gezahlt werden dürfen“, da die kommerzielle Vermittlungstätigkeit auf dem Gebiet der Adoption laut bestehender ukrainischer Gesetzgebung eigentlich verboten ist. Die Gegner einer Ratifikation befürchten ferner, dass eine nicht hinreichend strenge Verordnung zur Akkreditierung ausländischer Agenturen, die Adoptionen vermitteln – und solche Agenturen sieht die Konvention vor –, Missbrauch Vorschub leisten und den gewünschten Vorrang der Adoption durch ukrainische Staatsbürger im Endeffekt konterkarieren könnte. Im Gegensatz hierzu befinden die Befürworter der Konvention, dass die Ratifizierung des Abkommens den Ablauf der „internationalen Adoption“, d.h. der Adoption durch nicht-ukrainische Eltern, nicht nur transparenter gestalten, sondern auch die Qualität der Kontrolle über bereits bestehende Dienstleister, die sich um die Adoption ukrainischer Kinder durch Ausländer kümmern, verbessern würde (bekanntlich bleiben diese Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Staatsbürger der Ukraine). Gegenwärtig ist diese Aufgabe den ukrainischen Botschaften und Konsulaten zugewiesen.

Generell ist die internationale Adoption kein einfaches Thema. Und es gibt durchaus verschiedenartige Wege, sich diesem Thema anzunähern. So lautet etwa der zehnte Punkt des Artikels IV („Staatsbürgerschaft und Migration. Recht auf Heimat und Schutz des Lebensraumes“) des mit „Zum Schutz der Ukrainer“ überschriebenen Programms der „Allukrainischen Opposition Swoboda“: „Einführung eines Adoptionsverbotes ukrainischer Kinder durch Ausländer“3.

Zu den damit zusammenhängenden Plänen der Partei erläutert deren Anführer, Oleg Tjagnybok: „Die Allukrainische Vereinigung Swoboda hält sich grundsätzlich an die im Parteiprogramm festgelegten Positionen. Insbesondere werden wir auch künftig auf ein Adoptionsverbot ukrainischer Kinder durch Ausländer bestehen. Unser Programm ist Ausdruck unserer Ideologie, und als ideologisch konsequente Partei werden wir unser Programm nicht ändern, nur um irgendwelche auf politisches Kalkül zurückzuführende Vorteile zu erhalten, und das gilt auch dann, wenn man sich die gegenwärtige politische Lage im Hinblick auf die Adoptions-Thematik in anderen Ländern vor Augen hält.

Wir sind überzeugt, dass wir vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden demografischen Krise und den Schrecken der Hungersnöte, die die Ukraine durchleben musste, nicht einfach einen der wichtigsten Schätze der Nation, nämlich unseren Genpool, den Ausländern überlassen dürfen. Darüber hinaus ist uns völlig klar, dass zuallererst viele Jahre unter einer gut geführten Regierung vergehen müssten, um die staatlichen ukrainischen Behörden in die Lage zu versetzen, zu kontrollieren, unter welchen Bedingungen unsere von Ausländern adoptierten Kinder dort eigentlich leben. Gegenwärtig gibt es praktisch keine Garantie dafür, dass die abgegebenen Kinder nicht zum Beispiel zum Objekt der Aufmerksamkeit illegaler Organhändler werden.

Es ist offensichtlich, dass dieser Punkt innerhalb unseres Programms im Kontext mit anderen dort verankerten Positionen betrachtet werden muss. Wir schätzen und achten das Leben eines jeden einzelnen ukrainischen Kindes und schlagen eine ganze Reihe an Maßnahmen vor, mittels derer das gesamte Problem der Adoption behoben werden könnte. Dies betrifft etwa Punkt 6 des Abschnitts 3 unseres Programms, in dem wir vorschlagen, „ein staatliches Wohnungsbauprogramm zu genehmigen, in dessen Rahmen Familien mit drei Kindern einen staatlichen zinslosen Kredit erhalten sollen; Familien mit vier Kindern sollen ebenfalls mit einem staatlichen zinslosen Kredit ausgestattet werden, der später nur zu 50% zurückgezahlt werden muss; Familien mit fünf oder mehr Kindern sollen schließlich kostenlosen Wohnraum vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen.“ Punkt 60 des Abschnitts 2 sieht vor, „arbeitsunfähigen Bürgern und Waisenkindern einen staatlichen Mietzuschuss mindestens in Höhe der minimalen Lebenshaltungskosten zu gewähren“ und so weiter.

Hinsichtlich des Gesetzesentwurfes, der in Einklang mit unseren anderen im Programm dargelegten Positionen ein Adoptionsverbot für Ausländer vorsieht, muss gesagt werden, dass dieser Punkt für uns nicht an erster Stelle steht. Das Adoptionsverbot soll erst dann eingeführt werden, nachdem zunächst weitaus dringlichere Gesetzesinitiativen eingeführt worden sind. Diese betreffen insbesondere die Absetzung des derzeit herrschenden antiukrainischen Regimes und damit verbundene, grundlegende Veränderungen mit dem Ziel der nationalen, sozialen und historischen Gerechtigkeit. Zunächst müssen wir die Lebensqualität des statistischen Durchschnittsukrainers verbessern – damit werden sich sowohl der Wille und die Bereitschaft als auch die finanziellen Rahmenmöglichkeiten zur Adoption von Waisenkindern verbessern.“

Zugleich haben die hiesigen ukrainischen Beamten, die für das Wohlergehen der Kinder zuständig sind, die Statistiken zur internationalen Adoption in Russland und der Ukraine studiert und dabei auch versucht zu analysieren, inwieweit ein Adoptionsverbot russischer Kinder die „Nachfrage“ potenzieller Adoptiveltern nach ukrainischen Kindern beeinflussen und eventuell erhöhen könnte. „Serkalo Nedeli“ hat daher Ljudmila Wolynez, Büroleiterin des nationalen Beauftragten für den Kinderschutz, gebeten, über die Situation zu sprechen und die statistischen Daten zu kommentieren, hinter denen schließlich das Schicksal vieler ukrainischer Kinder steht.

Folgt man ihren Ausführungen, dann wird die internationale Adoption in der Ukraine durch das „Anti-Magnitski-Gesetz“ nicht beeinflusst und die Zahl der Adoptionen durch Ausländer nicht zunehmen, was vor allem damit zusammenhängt, dass 80% der in der Vergangenheit von Amerikanern adoptierten russischen Kinder zur Gruppe der „gesunden Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren“ gehörten, während Kinder mit Behinderungen lediglich sieben bis acht Prozent der Gesamtzahl darstellen (Tabelle 1).

In der Ukraine ist bereits seit 2010 ein Verbot wirksam, das es Ausländern untersagt, gesunde Kinder unter fünf Jahren zu adoptieren. Die Priorität des Gesetzgebers liegt auf der nationalen Adoption.

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Serkalo Nedeli: Ljudmila Semjonowna (Wolynez), es überrascht mich, dass in der Liste derjenigen Länder, deren Bürger am häufigsten ukrainische Kinder adoptieren, Israel nicht unter den ersten fünf zu finden ist.

Ljudmila Semjonowna: Israel war vormals ein Land, das sehr aktiv ukrainische Kinder adoptierte. Damals waren es insbesondere ganz junge und gesunde Kinder, die adoptiert werden konnten. Heute ziehen sich die Israelis aus der Ukraine zurück, weil solche Kinder nicht mehr zur Adoption zur Verfügung stehen.

Sieht man sich die Statistik an, lässt sich, was die Gesamtzahl der Adoptionen ukrainischer Waisenkinder und Sozialwaisen betrifft, ein Scheitelpunkt im Jahr 2008 ausmachen (Tabelle 2). Womit hängt diese Zahl zusammen?

Zunächst einmal wurde im Jahr 2008 das „Jahr der Adoptiveltern“ ausgerufen. Es wurden Änderungen in der Gesetzgebung eingeführt, die darauf hinausliefen, dass die Adoption eines Kindes der Geburt eines leiblichen Kindes gleichgestellt wurde, dass also eine Familie, die ein Kind adoptiert, vom Staat ebenso viel Geld erhält wie eine Familie, die ihr erstes leibliches Kind zur Welt bringt. Am 30. September wurde der „Tag der Adoptiveltern“ ausgerufen. Denjenigen Bürger, die Waisenkinder adoptieren, sollten auf allen Ebenen des Staates und der Gesellschaft Anerkennung erfahren. So erklärt sich die Statistik.

Ist die im Vergleich zu den vorausgehenden Jahren äußerst geringe Anzahl internationaler Adoptionen im Jahr 2012 (803) mit irgendwelchen künstlich herbeigeführten Einschränkungen verbunden?

Die Anzahl der internationalen Adoptionen hat sich seit 2006 stetig verringert. Im Jahr 2008 wurden zwei Einschränkungen eingeführt. Zum einen durften ukrainische Kinder von diesem Zeitpunkt an nicht mehr durch alleinstehende bzw. nicht verheiratete Ausländer adoptiert werden. Zum anderen wurde eine Beschränkung hinsichtlich des Alters, das die Adoptiveltern von den Adoptivkindern trennt, eingeführt – der Altersunterschied durfte künftig nicht mehr als 45 Jahre betragen, während zuvor Kinder mitunter von Ausländern adoptiert wurden, die sich bereits im hohen Rentenalter befanden. Diese Einschränkung wurde zwar im Jahr 2011 aufgehoben, dafür aber wurde festgelegt, dass Kinder im Alter von unter fünf Jahren generell nicht zur internationalen Adoption zugelassen werden. Eine Ausnahme gilt hingegen für diejenigen Waisenkinder, bei denen man davon ausgeht, dass sie keine Chance haben, ukrainische Adoptiveltern zu finden, da sie an jenen Krankheiten leiden, die im Erlass 973 des Gesundheitsministeriums vom 27.12.2011 aufgeführt sind.

Dabei ist anzumerken, dass die rückläufige Anzahl internationaler Adoptionen in erster Linie gar nicht auf Einschränkungen hinsichtlich der Adoption ukrainischer Kinder durch Ausländer zurückzuführen ist. Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl derjenigen Kinder, die von ukrainischen Familien adoptiert werden. Entsprechend sinkt die Anzahl an Kindern, welche für die internationale Adoption zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass auch in der Ukraine, wie in jedem anderen Land, ein Waisenkind innerhalb des ersten Jahres als Waise nur von Staatsbürgern des Geburtslandes adoptiert werden darf.

Je aktiver die Ukrainer selbst Kinder in ihre Familien aufnehmen, desto geringer sind die Chancen für Ausländer, insbesondere diejenigen Kinder zu adoptieren, die sie am liebsten hätten, also möglichst junge und gesunde Kinder.

Gegenwärtig gibt es in unserem Land 95.956 Waisenkinder und Sozialwaisen. In der offiziellen Datenbank befinden sich die Profile von 26.000 Kindern. Unter ihnen sind 1.500 im Alter von bis zu fünf Jahren, die unter derart schwerwiegenden Krankheiten leiden, dass sie nicht nur von ukrainischen, sondern auch von ausländischen Adoptiveltern nur ungern aufgenommen werden. 11.000 Kinder sind derzeit in sogenannten „Kinderheimen familienähnlichen Typs“ untergebracht [darunter wird ein Modell verstanden, in dem ein Ehepaar oder unverheiratete Einzelpersonen zum Zwecke der Erziehung und des gemeinsamen, familienähnlichen Zusammenleben mindestens fünf Waisenkinder oder Sozialwaisen aufnehmen. Die Gesamtzahl der Kinder darf dabei die Anzahl von zehn nicht überschreiten, eventuelle leibliche Kinder mit eingerechnet. Die Bestimmungen hierzu werden nach dem Beschluss № 564 des Ministerkabinetts der Ukraine vom 26. April 2002 „Über die Zulassung von Kinderheimen familienähnlichen Typs“ geregelt]4. Diese Kinder stehen gemäß Artikel 24 des Gesetzes „Zum Schutz der Kindheit“ ebenfalls nicht für die internationale Adoption zur Verfügung, was in vollkommener Übereinstimmung mit Artikel 21 der Konvention der Vereinten Nationen über das Kinderrecht steht. 5.000 Kinder sind erst seit weniger als einem Jahr Waisenkinder und können daher ebenfalls nur von Ukrainern adoptiert werden. 3.000 Kinder vollenden noch in diesem Jahr ihr 18. Lebensjahr, während beispielsweise in den USA Kinder nur bis zur Vollendung ihres 16. Lebensjahres adoptiert werden dürfen. Nimmt man diese Zahlen zusammen, dann verbleiben in den Datenbanken noch die Profile von etwa 6.000 Waisenkindern, die prinzipiell von Ausländern adoptiert werden dürfen. Dies sind hauptsächlich entweder kranke oder verhältnismäßig alte Kinder, wobei man der Gerechtigkeit halber anmerken muss, dass Amerikaner pro Jahr etwa 30 ukrainische Kinder mit Down-Syndrom adoptieren. In der Regel handelt es sich dabei um Eltern, die zuvor selbst ein Kind mit Down-Syndrom verloren haben. Ukrainische Eltern nehmen solche Kinder nicht auf, während es in den Vereinigten Staaten sehr gute Programme zur gesellschaftlichen Eingliederung derart erkrankter Kinder gibt.

Gegenwärtig werden in der Ukraine pro Jahr 2.500 Kinder von Gast- oder Adoptiveltern aufgenommen. Wir müssen noch stärker als bislang daran arbeiten, ukrainischen Familien Bedingungen zu schaffen, die es ihnen erlauben, den Kindern ihr Recht auf eine gute familiäre Erziehung zu gewährleisten, so dass es zu einem Verbot der internationalen Adoption gar nicht erst kommen muss.

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Die offizielle Zahl der Annullierung bereits bestätigter internationaler Adoptionen im Jahr 2012 ist nicht sehr hoch, gleichwohl ist sie höher als in früheren Jahren (Tabelle 3). Hängt dies mit dem verbesserten Kontrollsystem für internationale Adoptionen zusammen?

Nein. Ich möchte daran erinnern, dass noch im Jahr 2005 lediglich etwa 1.000 Kinder in Kinderheimen familienähnlichen Typs und Gastfamilien erzogen wurden. Heute sind es hingegen bereits etwa 12.000 Kinder. Diese Kinder stehen für die internationale Adoption nicht zur Verfügung. Das heißt, einfach gesprochen: Ja mehr Waisenkinder in familienartigen Formen in der Ukraine leben, desto weniger Kinder stehen für ausländische Adoptiveltern zur Verfügung. Auch ukrainische Adoptiveltern wünschen sich am häufigsten möglichst junge und gesunde Adoptivkinder. Dies führt dazu, dass die Kinder, die ins Ausland abgegeben werden können, zumeist älter als zehn Jahre sind. Unter dieser Gruppe ist die Anzahl an nachträglichen Annullierungen recht hoch. Während bei ganz kleinen Kindern das Risiko besteht, dass sie an einer Erkrankung leiden, die zum Zeitpunkt der Adoption noch nicht diagnostiziert werden konnte, lassen sich Annullierungen von bereits bestätigten Adoptionen älterer Kinder zumeist darauf zurückführen, dass es diesen bisweilen sehr schwer fällt, sich in einem neuen Umfeld und einer neuen Familie zu adaptieren. Da kann es dann passieren, dass Kinder, deren Adoption durch ausländische Eltern von ukrainischen Gerichten bewilligt worden ist, sich letztlich weigern, in das entsprechende Gastland zu ziehen.

Vor vier Jahren wurde in den Medien der Fall einer angeblichen Festnahme einer amerikanischen Staatsbürgerin am internationalen Flughafen Kiew-Boryspil hochgekocht, die mit einem zwölfjährigen ukrainischen Mädchen ausreisen wollte. Dabei ist aber überhaupt keine Straftat begangen worden. Nachdem das Mädchen zuvor ihr Einverständnis zur Adoption nach Amerika geben hatte und am Flughafen angekommen war, weigerte sie sich letztlich schlichtweg, mit nach Amerika zu fliegen. Je älter die Adoptivkinder sind, desto häufiger kommen solche Fälle vor.

Ferner ist in den letzten sieben Jahren mindestens einmal pro Jahr der Fall eingetreten, dass ein von Ausländern, zumeist von Amerikanern, adoptiertes Kind wieder zurück in die Ukraine gekehrt ist. Während es Kindern im Alter zwischen fünf und neun Jahren verhältnismäßig leicht fällt, sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, stellt die Eingewöhnung für Kinder, die erst im Alter von 15 oder 16 Jahren in ein neues Land kommen, oft eine große Schwierigkeit dar. Diese Kinder kommen mitunter als amerikanische Staatsbürger wieder zurück in die Ukraine. Dabei handelt es sich nicht um Annullierungen. Solche Fälle hat es, wenngleich es wenige waren, schon immer gegeben.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Anti-Magnitski-Gesetz?

Das staatliche Projekt der Russischen Föderation heißt „Russland ohne Waisen“. Ich kann derlei Namensgebungen für Projekte, wie sie immer häufiger in verschiedenen Organisationen auftauchen, nicht nachvollziehen. Waisenkinder und Sozialwaisen wird es immer geben, und zwar in jedem Staat. Leider lassen sich tragische Vorkommnisse wie der Tod der Eltern oder deren asoziales Verhalten nicht einfach per Dekret abschaffen. Vielmehr geht es um ein ehrliches Verhältnis zwischen den staatlichen Institutionen und diesen Kindern. Wenn nun einmal der Fall eintritt, dass ein Kind ohne Sorgeberechtigten verbleibt, dann ist der Staat verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, damit dieses Kind trotz allem nicht in einer (staatlichen) Einrichtung, sondern in einer Familie bzw. in familiären Verhältnissen aufwachsen kann. Und wenn es ernste Probleme bei der Bereitstellung dieser Bedingungen gibt, dann ist der Staat verpflichtet, sich an ausländische Staatsbürger zu wenden, die diesen Kindern ein Zuhause anbieten. Wenn der Staat dieses Problem aber aus eigener Kraft in den Griff bekommt, dann braucht es die internationale Adoption nicht.

Die Situation in der Ukraine hat sich innerhalb der letzten sieben Jahre drastisch verändert. Heute leben 35.000 adoptierte Kinder in ukrainischen Familien. Trotz allem leben nach wie vor 12.000 Waisenkinder und Sozialwaisen in staatlichen Einrichtungen. So stellt sich die gegenwärtige Situation dar. Die Aufgabe, vor der die Ukraine steht, liegt nun genau darin beschlossen, all denjenigen Kinder, die derzeit in staatlichen Einrichtungen leben, die Möglichkeit zu bieten, in familiären Verhältnissen aufzuwachsen. Damit würden sich all die Probleme, die gegenwärtig mit der internationalen Adoption verbunden sind, gleichsam von selbst lösen. Die internationale Adoption könnte somit im Gesetz verankert sein, während die Notwendigkeit gar nicht mehr gegeben wäre.

An wie viele Versuche, ein Moratorium für die Adoption ukrainischer Kinder durch ausländische Familien einzuführen, können Sie sich erinnern? Und womit hingen diese Versuche zusammen?

Ein solches Moratorium gab es bei uns in den Jahren von 1994 bis 1996, damals entwickelte sich gerade ein Rahmensystem für die Adoption. Im Jahr 2009, als die Werchowna Rada zum wiederholten Male die Ratifizierung des Haagener Abkommens ablehnte, erklärte der damalige Familienminister Jurij Pawlenko sinngemäß im Plenarsaal: Wenn wir einerseits nicht in der Lage sind, für den Schutz unserer von Ausländern adoptierten Kinder zu sorgen, andererseits aber die Haager Konvention über den Schutz von Kindern nicht unterzeichnen, dann muss dieses Problem durch ein Adoptionsverbot gelöst werden. Daraufhin wurde ein Gesetzeswurf, der ein Moratorium für internationale Adoptionen vorsah, eingebracht. Wenngleich der Gesetzesentwurf scheiterte, erhitzte er doch die Gemüter vieler Leute. Soweit ich weiß, ist der Entwurf in der darauffolgenden Woche abgelehnt worden.

Was den Programmpunkt der Partei „Swoboda“ hinsichtlich eines Adoptionsverbotes ukrainischer Kinder für Ausländer betrifft, mag das Ziel, das damit verbunden ist, ja richtig und gut sein. Der Weg aber ist es nicht. Ich wiederhole noch einmal: Der Weg hin zum Ziel darf nicht über ein Verbot oder ein Moratorium führen.

Auf welche Art würde die Verabschiedung eines solchen Moratoriums heute das Schicksal der ukrainischen Waisenkinder beeinflussen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ukraine gegenwärtig bereit ist, ein solches Moratorium einzuführen. Ich glaube an die Einsichtsfähigkeit unserer Volksvertreter. Und ich glaube, dass sie sich eher für eine Erhöhung der Subventionen für Gastfamilien und Kinderheime familienähnlichen Typs entscheiden werden, für die Unterstützung derjenigen Familien, die grundsätzlich Kinder adoptieren möchten. Ein solcher Gesetzesvorschlag ist bereits vorgelegt worden. Heute gilt es, darüber nachzudenken, wie es uns gelingt, mehr Gastfamilien zu schaffen, darunter auch Familien für ältere Kinder sowie für Kinder, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind oder verhaltensauffälliges Benehmen an den Tag legen. Denn solche Kinder werden in der Regel von Adoptiveltern nicht sonderlich gewollt. Ich bin dafür, dass Kinder von ukrainischen Familien aufgenommen werden sollen, und dafür arbeite ich nun schon viele Jahre lang. An die Perspektive eines Moratoriums glaube ich nicht.

Tabelle 1

Anzahl der von Ausländern adoptierten ukrainischen und russischen Kinder im Jahr 2011

UkraineRussland
970Gesamt3400
521USA956 (davon Kinder mit Behinderung: 89)
292Italien798 (30)
41Spanien685 (28)
37Frankreich283 (8)
2Deutschland215 (5)
0Irland129 (5)
23Israel87 (0)
29Kanada68 (2)
0Großbritannien48 (1)

Tabelle 2

Anzahl der Waisenkinder, die im Laufe eines Jahr in Familien oder familienähnlichen Gemeinschaften aufgenommen wurden

JahrGastfamilien und „Kinderheime familienähnlichen Typs“Nationale AdoptionInternationale Adoption
20051311.4192.156
20061.092
20071.670
20082.351
20092.381
2010
20111.388
20122.4072.016803

Tabelle 3

Anzahl der Annullierungen bereits bestätigter Adoptionen

Ukrainische StaatsbürgerJahrAusländer
7520062
3420072
2820084
2420093
3620103
4420114
2520127

Anmerkungen:

1 Zum Hintergrund des „Magnitski-Aktes“ und des „Anti-Magnitski-Gesetzes“:
http://russland.boellblog.org/2013/01/21/sergej-magnitskij-dima-jakowlew-und-der-aufstand-der-anstandigen/

2 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Vollständiger Text)
http://www.blja.bayern.de/textoffice/gesetze/haager/index.html

3 Programm der „Allukrainischen Opposition Swoboda“:
http://www.svoboda.org.ua/pro_partiyu/prohrama/

4 Zu den „Kinderheimen familienähnlichen Typs“:
http://uadeti.com/infoob/39-2012-01-06-21-00-10

Seit dem Erscheinen dieses Artikels ist die Debatte über die internationale Adoption in Russland und der Ukraine durch einen weiteren – politisch brisanten – Aspekt ergänzt worden.

So legten zwei Abgeordnete der „Allukrainischen Opposition Swoboda“, Igor Miroschnitschenko und Aleksandr Mirnij, einen Gesetzesenwurf vor, der es homosexuellen Paaren verbieten soll, ukrainische Kinder zu adoptieren.
http://korrespondent.net/ukraine/politics/1489904-svoboda-predlagaet-zapretit-usynovlenie-ukrainskih-sirot-gej-parami
Auch in Russland wird die Frage nach dem Recht auf Adoption oder Leihmutterschafte gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften diskutiert.
http://www.bbc.co.uk/russian/russia/2013/02/130205_astakhov_gays_adoption.shtml

19. Januar 2013 // Alla Kotljar

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzer:   Patrick Will — Wörter: 3414

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