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Vater und Diener

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Sie starben fast zur gleichen Zeit. Kim Jong-Il und Václav Havel. Der erste ist aus dem Leben unter Tränen des eigenen bettelarmen Volkes geschieden , und der zweite ist dann gestorben, als die Mehrheit seines Volkes, ungeachtet seiner Popularität im Westen, ihn für einen Sonderling und einen Pechvogel hielten.

Kim Jong-Il hat die Macht vom Vater bekommen und seinem Sohn übertragen. Er lebte wie ein kommunistischer Prinz und starb wie ein kommunistischer König. Millionen von Bürgern seines Landes starben durch Armut und Hunger, während er seine Armee verstärkte und in Saus und Braus lebte. Davon gibt es viele Legenden zu erzählen. Gerade wegen seiner Macht und diesem Luxus verkündete Nordkorea die Politik der Orientierung auf die eigene Stärke. In den 90er Jahren erlebte sein Land eine Hungersnot: ca. 2 Millionen Menschen sind damals innerhalb von drei Jahren durch Verhungern gestorben. Das ist ein Zehntel der Bevölkerung des Landes. Zugleich wurde Kim Jong-Il unter den Spirituosenhändlern bekannt, weil er der größte individuelle Käufer des Kognaks «Hennessi» war. Er hat «Hennessi XO” für 650 Tausend US Dollar eingekauft. Kim Jong-Il liebte das gute Essen, die aus Italien einberufenen Köche haben für ihn das Essen zubereitet. «Der Lieblingsvater des Volkes» (das war ein offizieller Titel von Kim Jong-Il) liebte es, gerne sashimi zu essen, was nur ein japanischer Koch aus dem fangfrischen Fisch zubereiten konnte. Aus den ausländischen Ländern wurde eigens für ihn Blauhaifischleber und Löwenfleisch importiert. «Die Sonne des Sozialismus» (das war noch ein offizieller Titel von Kim Jong-Il) war auch ein großer Frauenliebhaber, er lud ausländische Tänzerinnen ein, die für ihn auf den Banketten nackt tanzen sollten.

Havel hatte ein ganz anderes Leben. Er entstammte einer einflussreichen großbürgerlichen Prager Familie. Bereits in seiner Kindheit wurde er mit einem Privatauto gefahren, was damals ein echter Luxus war. Havel aber ist normal aufgewachsen und hat sich als Schriftsteller und Dramatiker ausbilden lassen, für den die Freiheit den wichtigsten Wert verkörperte. In seinem Essay «Die Macht der Machtlosen» schrieb er, dass die aktive Minderheit sich der autoritären Gesellschaft widersetzen soll.

Nur einmal, bereits nach seinem Rücktritt, unterhielt ich mich mit Havel auf dem Forum im polnischen Krynica. Mit einem von meinen polnischen Bekannten kam er ohne Pomp, vom Regen durchnässt in die kleine Konditorei dieses Kurortes, um sich aufzuwärmen und etwas Warmes zu trinken. In seinem Auftreten, der Art und Weise zu sprechen schwang niemals Pathos. Und es war sehr einfach, sich mit ihm zu unterhalten, vielleicht auch deshalb, weil ich mich mit ihm als Bürger eines gemeinsamen Europas fühlte. Vor langer Zeit lebten ja mein Urgroßvater und seine Vorfahren in diesem geeinten Land – der Donaumonarchie..Im Jahre 1977 war er einer derjenigen, der die “Chartа 77” – die erste Deklaration für den Schutz der Menschenrechte in der kommunistischen Welt – unterschrieben hat. Das Wort, mit dem er die sozialistischen Länder Osteuropas bezeichnet hat, – “Absurdistan” – können wir heute leider auf uns beziehen. Niemals hielt sich Havel für den Vater des Volkes und nie betrog er sein Volk. Sein trockener, grotesker Humor kam sogar in der Rede nach der Präsidentenwahl zum Ausdruck, als er den Tschechen sagte, dass sie sich an den Betrug, an die Erzählungen über die großen Errungenschaften der Metallurgen und die hohen Ernten gewöhnt haben, und er ihnen derartiges niemals sagen würde. Havel hat auf den Reichtum zuliebe der Kunst, der Freiheit und der Wahrheit verzichtet. Und das, obwohl seine Freunde bis heute erzählen, dass sogar zu den allerschlimmsten Zeiten in seinem Raum immer „westliche Sauberkeit“ zu finden war und teure Importseife unbekannter Herkunft.

Es sind die Details zweier Menschen, zwischen deren Schicksalen wir das Schicksal des eigenen Landes sehen können. Wir haben alles: ehrliche einstige Dissidenten, die Appelle gegen die Korruption und den Verstoß der Menschenrechte unterschreiben, als auch heutige politische Häftlinge sowie Hunderte von Hektar in Meshyhirja mit Sträußen und Kängurus hinter hohen Zäunen. Wir haben unser eigenes ukrainisches “Absurdistan” erfunden, das sich infolge seiner Absurdität weder Europa, noch Russland anschließen kann.

Gestern hat jemand in Facebook geschrieben, dass es in der Ukraine keine eigenen Havels gibt. Solche Menschen gibt es natürlich! Aber wir selbst, die Ukrainer, sollten sie heute unterstützen, sollten selbst das eigene Land verändern und ihnen anbieten, den Bau eines neuen Landes zu leiten. So geschah es gerade in Tschechien, Polen und in anderen Ländern, die nicht mehr “Absurdistan” sind.

20.12.2011 // Mykola Knjashyzkyj, Geschäftsführer des Fernsehsenders TVi

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzerin:   Anna Voznytsya — Wörter: 738

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