Die massenhafte Abschaltung des warmen Wassers in einzelnen Stadtteilen Kiews begann Ende April. Die Bewohner von etwa dreitausend Häusern können schon seit fünf Monaten keine warme Dusche nehmen. Etwa zweihundert Heizanlagen erhalten kein Gas. Über den Beginn dieses Epos haben wir schon geschrieben. Damals nannte die Führung als Hauptursache für das Ausbleiben des Wassers den Beginn hydraulischer Erprobungen des Netzes, aber diese Erprobungen ziehen sich ziemlich in die Länge. Jetzt ist klar, dass die Hauptursache die Übergabe der Wärmekraftwerke von der privaten Firma Kiewenergo an den kommunalen Betrieb Kiewteploenergo war, und die Weigerung des Stadtrats die Schulden der privaten Firma gegenüber [dem Staatsunternehmen] Naftogas zu übernehmen, weshalb die Verhandlungen vor Gericht den ganzen Sommer andauerten. Indirekt spielte das der Stadtverwaltung in die Hände, die an der Auslieferung heißen Wassers an die Kiewer außerhalb der Heizsaison gespart hat.
Der Konflikt Kiews mit Naftogas
Im Jahr 2017 beschloss die Kiewer Stadtregierung den Pachtvertrag mit der Privaten Aktiengesellschaft Kiewenergo, die Rinat Achmetow gehört, nicht zu verlängern, und übergab im Mai 2018 die Energieanlagen an den neuen kommunalen Betrieb Kiewteploenergo.
Die Übergabe erfolgte in zwei Etappen. Im Verlauf der Ersten gingen alle Objekte bis auf drei – die einigermaßen großen Wärmekraftwerke 5 und 6 sowie das Müllheizkraftwerk Energija – an Kiewteploenergo über. Da der Kommunalbetrieb damals noch keine Lizenzen und Tarife für die Auslieferung von Warmwasser von der Nationalen Regulierungskommission für Energie und Kommunaldienstleistungen hatte, blieben diese Objekte zeitweilig weiter in Benutzung durch Kiewenergo. Dafür musste der Kiewer Stadtrat den Betreibervertrag verlängern.
Am 1. August übernahm der Kiewer Stadtrat in Form des neuen Betriebs die Kontrolle über alle Leistungen und damit nach dem Gesetz „Über die Wärmeversorgung“ auch die Verbindlichkeiten von Kiewenergo gegenüber Naftogas. Schon in der Phase der Übergabe der Aktiva gab Naftogas zu verstehen, dass es keinen Gasliefervertrag schließen wird, wenn Kiewteploenergo die Gasschulden nicht übernimmt.
Aber der Kiewer Stadtrat, in dem sich die Mehrheit an Oberbürgermeister Witalij Klitschko orientiert, schloss man diese Wahrscheinlichkeit aus und wandte sich im Juni ans Gericht mit der Forderung den Vertrag über die Gaslieferung mit Naftogas anzuerkennen. Bald kam die Gegenklage des Unternehmens. Zum Gegenstand des Streits würde in diesem Zuge die Summe der Schulden. Zunächst ging es um 5 Milliarden Hrwynja [etwa 154 Millionen Euro], doch im Ergebnis blieb Naftogas bei einer Summe von 3,3 Milliarden Hrwynja [etwas mehr als 100 Millionen Euro]. Diese Summe setzt sich aus Staatsschulden aus Subventionen (729 Millionen Hrwynja) und Schulden des Verbrauchers Kiewenergo (2,6 Milliarden Hrwynja) zusammen.
Nach einem Monat Verhandlungen trat die Kiewer Stadtverwaltung mit einer Anfrage im Ministerkabinett auf. Dieses erklärte sich einverstanden, Kiew gezielte Subventionen im Umfang von 729 Millionen Hrwynja bereitzustellen (selbstverständlich ist das die Summe der staatlichen Schulden bei Kiewenergo). Im Ergebnis schlossen beide Seiten einen Kompromiss: Kiewteploenergo erklärte sich einverstanden die Schulden seines Vorgängers zu übernehmen, wovon es einen Teil aus den Subventionen begleichen wird, die Hauptsumme soll durch das Eintreiben vom Mitteln von säumigen Kunden von Kiewenergo kompensiert werden, das meint Verzugszinsen, Strafen, Schulden der Wohnungswirtschaft, Einwohnern und öffentlichen Organisationen.
Naftogas wird dafür keine Verzugszinsen auf die Schulden von Kiewteploenergo erheben und unterzeichnet den Gasliefervertrag.
Jetzt hängt die Frage, wie schnell die Lieferung von Warmwasser wieder freigeschaltet wird davon ab, wie schnell die staatlichen Gelder auf dem Konto von Naftogas eingehen. Sich der Unterstützung des Ministerkabinetts sicher kündigte Witalij Klitschko eine Lösung des Problems zum 15. September an. Doch nach Ablauf des Datums fügte er hinzu, die Vorbereitung der Dokumente werde noch zehn Tage dauern. Sodass, wenn alles nach dem vorgesehenen Plan läuft, das heiße Wasser gerade zu Beginn der Heizsaison wieder angestellt wird [aktuell wird der 10. Oktober genannt, A.d.R.].
Diese Akkuratheit erscheint verdächtig. Schon im Mai hat der ehemalige stellvertretende Minister für kommunale Wohnungswirtschaft Ruslan Kramarenko in einem Kommentar bei LB.ua gesagt, dass die Lieferung von Warmwasser außerhalb der Heizsaison für die Kommunen unrentabel ist. „Das ist nicht nur ein Problem Kiews, das sind die Auswüchse der Planwirtschaft der UdSSR. Damals gab es auch ein planmäßiges Defizit in der Zwischensaison, nur jetzt haben die Defizite andere Ausmaße. Deshalb denken sich die Führungen mal Havarien, mal Reparaturarbeiten aus.“ Aus eben diesem Grund liefern viele ukrainische Städte ihren Bürgern einfach kein Warmwasser.
Andrej Gerus, Vorsitzender des Verbandes der Energieverbraucher und Kommunaldienstleistungen meint, dass am Konflikt zwischen Kiew und Naftogas beide Seiten schuld sind. Andrej war in der Vergangenheit Mitglied der Nationalen Regulierungskommission für Energie und Kommunaldienstleistungen (NKREKP) und davor ausführender Direktor der Investmentgesellschaft Concorde Capital.
„Die Kiewer Stadtverwaltung wusste schon vorher von der Existenz dieser Schulden, deshalb hätte man die Probleme früher lösen können. Naftogas wiederum sollte sich daran erinnern, dass es die Situation der Endverbraucher verschlechtert, die höhere Tarife zahlen mussten und im Gegenzug dafür kein warmes Wasser erhielten, was etwas über die Qualität der ihnen zustehenden Dienstleistungen aussagt. Ich denke, es hätte eine mögliche Variante gegeben, in der nach einer Vorauszahlung Gas für Warmwasser hätte geliefert werden können, während parallel dazu die Schuldenfrage geklärt wird“, sagt Gerus.
Seiner Meinung nach könnte man ähnliche Probleme in Zukunft durch Änderungen im Energiesystem verhindern, wie das bessere Eintreiben von Mitteln, die rechtzeitige Erstattung von Vergünstigungen und Subventionen durch den Staat, die Verringerung der Strafen der kommunalen Wärmeversorger für Zahlungsverzug und konstruktivere Haltungen bei den Prozessbeteiligten.
26. September 2018 // Diana Manutscharjan, Journalistin, Andrij Janitzkyj, Redakteur Wirtschaftsabteilung LB.ua
Quelle: Lewyj Bereg
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