Zuletzt – zeitlich gesehen aber ganz sicher nicht von der Grausamkeit her – erlaubt der brutale Übergriff auf Journalisten beim Kiewer-Swjatoschinsker Gericht über eine planvolle „Säuberung“ des Territoriums von all denen zu sprechen, die die Wahrheit über die Vorgänge im Land sagen könnten. Der Angriff auf Journalisten auf der Bankowaja (Sitz des Präsidenten), die grausame Gewaltanwendung gegen Tanja Tschornowol, jetzt dieser neue Unsinn – und wir verstehen sehr wohl, dass dies keineswegs Zufälle sein können. Während in anderen Ländern der Ruf „Ich bin Journalist!“ während Massenprotesten dazu verhilft, sich der Aggression durch die Spezialeinheiten zu entziehen, so bedeutet er in der Ukraine heute eine zusätzliche Stimulation zur Gewaltanwendung, was heißt, es könnte eine Instruktion geben, die fordert, gerade mit Vertretern unseres Berufsstandes besonders brutal umzugehen.
Auf die Frage nach dem „Warum?“ fällt die Antwort nicht schwer – weil es sich um Janukowitsch handelt. Vom ersten Tag nach dem Sieg des Kandidaten der Partei der Regionen bei den Präsidentenwahlen an wurde alles getan, um den Informationssektor zu marginalisieren und ihn nach russischem Vorbild zu säubern. In dieser Hinsicht gelang der Regierung viel. Es gab von Hand ausgesuchte Fernsehsender von Oligarchen, eine Reihe gekaufter populärer Druckerzeugnisse und Internet-Ressourcen. Im Ergebnis unterteilt sich die „große“ ukrainische Journalistik in drei Gruppen.
Die ersten zwei Gruppen von ihnen haben selbst überhaupt keine Verbindung zur Journalistik. Eine ist die offene Dienerschaft der Regierenden, die ihren sehnlichsten Wunsch noch nicht einmal verheimlicht, denen zu gefallen, die die Musik bestellen. Diese Leute sind nicht mal denen gefährlich, die dem derzeitigen Präsidenten und seinem Zirkel dienen, oder denen, die mit dem gleichen Feuereifer auch dem Nächsten dienen werden, seinen Vorgänger mit demselben Dreck verratend, mit dem sie ihn jetzt loben. Für diese Leute ist der Journalismus eine Spielart des Regierungshandelns oder des ältesten Gewerbes, an sie irgendwelche Ansprüche zu stellen ist sinnlos, da jedwede Anzeichen von Moral bei ihnen per Definition verkümmert sind. Von ihnen wird man sich in Zukunft nur trennen können im Fall, dass eine neue Regierung die Dienste prinzipienloser, sich selbst diskreditierender Leute nicht annehmen will und die Journalisten selbst verstehen, dass es wichtig ist, die Ehre des Berufsstandes zu schützen und nicht solche aufzunehmen, die diese Ehre mit Füßen treten, wie die Kollegen.
Die zweite Gruppe ist schwieriger in ihrer Zusammensetzung und ihrem Charakter, wo doch schon die Zusammenstellung der Mannschaft kein einfaches Unterfangen ist. Diese Leute sind Provokateure, zuhause in noch relativ objektiven und oppositionellen Massenmedien. Zum Glück zwangen die Geschehnisse der letzten Wochen viele von ihnen zu zeigen, mit wem sie wirklich zusammenarbeiten und wie viel ihnen professionelle Qualität wert ist. Doch diese Menschen sind für die Gesellschaft die gefährlichsten von allen, weil sie hauptsächlich Werkzeuge der Regierung sind. Wo die offene Dienerschaft nichts nützt, ist der Provokateur das liebste Werkzeug der Regierung. Aber, wir unterstreichen, einer denkenden Regierung. In den letzten Wochen hat die Regierung aufgehört zu überlegen und alle wurden zu „Berkut“ (Sondereinheit der Miliz). Wer aber kein „Berkut“ ist, der ist auch schon nicht mehr Regierender.
Es kommt noch ein Umstand hinzu, über den man mit lauter Stimme sprechen muss: Die Ukraine wurde zu einen besetzten Land. Ja, im wahrsten Sinne besetzt, da die Absprachen von Putin und Janukowitsch zu einer echten ökonomischen Okkupation des Landes geführt haben. Daher folgt die Regierung nicht mehr sich selbst oder findigen Beratern aus den eigenen Reihen, sondern russischen „Kreativen“. Deshalb stiegen aus dem Fernsehen pro-russische Experten des Leids zu und weitere in der Ukraine noch nicht gesehene Einflüsterer. Deshalb wurde Wiktor Medwedtschuk, wie in dem alten Lied unter dem die Ukraine schon mehrfach besetzt wurde, aus dem Nichts augenblicklich Alles.
Nun, und die liebste russische Beschäftigung ist die Diskreditierung und Vernichtung ehrlicher Journalisten, die dritte und tatsächlich einzige Berufsgruppe, die uns geblieben ist. Nicht, dass diese Journalisten sowieso schon fast marginalisiert sind, nicht, dass ihnen im Unterschied zu den Dienern und Angestellten nur die Internet-Ausgaben, Internet-Fernsehsender und sozialen Netzwerke geblieben sind; die Angst Moskaus vor der Wahrheit ist so groß, dass sie mit dieser Angst letztendlich auch Kiew anstecken konnte. Darum schlagen sie uns – weil ihnen das von Russland geraten wird. Und ihnen selbst gefällt das natürlich auch sehr, weil sie dazu erzogen wurden, Politik ausschließlich als grobe Kraft zu verstehen und nicht als verantwortungsvollen Dialog.
In dieser Szenerie gibt es nur einen kleinen Fehler. Und der hängt damit zusammen, dass die Ukraine in Wirklichkeit nicht Russland ist. Es geht nicht nur um einen anderen Zustand der Gesellschaft und die faktische Distanzierung der Regierung vom Land, das sie versucht zu lenken, sondern um das Fehlen von Energieressourcen.
Putins Säuberung des Journalismus und dessen Rückkehr in seine folgsamen und nahen Dienste für den altersschwachen Staatsapparat hingen zusammen mit der Erhöhung der Preise für die Energieressourcen. Ja, es fand ein Tausch, Rechte gegen Geld, statt. Aber in Russland geschah dies, zumindest in Moskau, immer im Zentrum der demokratischen Stimmung. Deshalb geht es nicht einmal darum, dass die Russen ihren Diensten vertrauen, sondern darum, dass sie Politik nicht interessiert. Und so lautet das Gesetz jeder Autorität: wenn du Bürger belügen willst, die du bestiehlst, dann teile wenigstens einen Teil der Beute mit ihnen. Nimm nicht alles.
Diese Möglichkeit hat die ukrainische Regierung einfach nicht mehr. Faktisch lebt unser Land von russischen Zuwendungen, die zurückgegeben werden müssen. Bei Russland Geld zu borgen bis zur Unendlichkeit wird nicht möglich sein, nicht, weil der Kreml es nicht geben will, sondern weil es neue Milliarden einfach nicht geben wird: die russische Wirtschaft selbst geht zugrunde, angekündigt durch die Stagnation vor einigen Jahren und ohne Ausweg für mehrere Jahrzehnte. Deshalb kann man nur im Fernsehen erfolgreich vom traumhaften Leben und der genialen Regierung erzählen; der Kühlschrank erzählt den Ukrainern die harte Wahrheit, nicht zu vergleichen mit den Kommentaren des radikalsten Oppositionspolitikers und des ehrlichsten aller Journalisten. Die Regierung hat keine Chance, die Wirtschaft des Landes vor dem Zusammenbruch zu bewahren, und das hat indirekt sogar Nikolai Asarow zugegeben, als er nach einigen Jahren des Märchens von der Verbesserung der Lebensumstände angab, dass die russische Hilfe unser Land gerettet hat. Aber wir verstehen, dass das keine Rettung war, sondern nur die Verzögerung des Zusammenbruchs.
Deshalb hat die Verfolgung ehrlicher Journalisten praktisch keinen Sinn, wenn man den Sinn des sadistischen Vergnügens nicht zählt, mit dem Übergriffe, Einschüchterungsversuche oder Kompromittierung derer stattfinden, die nicht lügen. Die Regierung muss begreifen, dass sie kein Geld für eine Diktatur hat. Ja, man kann ein Land ohne Journalisten haben, aber keines ohne Wirtschaft.
12. Januar 2014 // Witalij Portnikow
Quelle: Lewyj Bereg
Forumsdiskussionen
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„Klar, ist aber trotzdem auch heute noch - vielleicht gerade heute wo tausende Kinder Hilfe benötigen - ein Thema und wenn der Teilnehmer nicht gelöscht ist, kann man doch fragen, oder? Mehr als KEINE...“
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„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Es ist Deine Entscheidung im Ausland zu leben, offensichtlich...“