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Zentrum für visuelle Kultur: Im Minenfeld der Mohyla-Akademie

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Eine neue Welle des Kampfes für das Zentrum für Visuelle Kultur (ZVK) in der Kiewer Mohyla-Akademie hat erneut die Atmosphäre in der kulturellen Mitte der Hauptstadt erhitzt.

Am Vorabend der Eröffnung der Fotoausstellung hat der Direktor der Mohyla-Akademie ein neues Dekret erlassen, das akademische Institut zu schließen.

Wenden wir uns der Chronologie des Konfliktes zu und erinnern uns daran, dass die Leitung der NaUKMA am 10. Februar, nur drei Tage nach der Eröffnung der Ausstellung „Der ukrainische Körper“ im Zentrum für Visuelle Kultur, diese wieder „geschlossen“ hat. Und schon am 23. Februar wurde mit Entscheidung des Gelehrtenrates der Universität die Tätigkeit des ganzen Zentrums eingestellt.

Nach einer Protestaktion zum Schutz des ZVKs hat die Verwaltung ihre Entscheidung revidiert. Die Arbeit des Instituts konnte wieder beginnen. Die Ausstellung bleibt allerdings nach wie vor geschlossen. Einen Monat nach dem Ausstellungsverbot verliert das ZVK aufgrund eines Beschlusses des Rektors Sergej Kwit seine Räume im altakademischen Korpus, in dem es sich seit 2008 befindet, wegen Störungsvorfällen (nichtsdestotrotz führt es seine Arbeit in einem Raum zusammen mit den Bibliotheksinstituten fort).

Damit ist die Ausstellung gescheitert und die Arbeit des Instituts faktisch fortlaufend blockiert. Es lohnt sich, die Geschichte der Räume des altakademischen Korpus als Ausstellungskorpus Revue passieren zu lassen. Sie begann 1995 mit der Gründung des Galeriezentrums Soros in Kiew. In diesen Gebäuden entstand ein Zentrum für moderne Kunst, das eine Plattform für Experimente und gewagte Projekte junger Künstler wurde.

Als eine Galerie zeitgenössischer Kunst prägt dieser Ort schon lange die kulturelle Landschaft Kiews. Seit der Gründung des Zentrums für Visuelle Kultur im Jahre 2008 wurde es auch zu einem Platz für Diskussionen, Seminare und Konferenzen. Da sowohl das Soros-Zentrum, als auch das Zentrum für moderne Kunst all die Jahre auf dem Territorium der Akademie und zu deren Mietbedingungen existierten, war ihre Autonomie vorgegeben und demzufolge war das Risiko ideologischen Drucks oder Zensur seitens der Administration wenig wahrscheinlich. Das Zentrum für Visuelle Kultur aber wurde von Anfang an zu einer Plattform der Sozialkritik. Die darauf folgenden Schritte der Liquidierung des ZVKs wurden systematisch.

So wurden beispielsweise die Öffnungszeiten des Instituts auf 10:00 bis 18:00 an Werktagen begrenzt (das ist untypisch für einen Ausstellungsraum in Betrieb). Seitens der ultrarechten Radikalen gab es auch Versuche, die Versammlungen der Gewerkschaft „Direkte Aktion“ zu sabotieren. Außerdem überfielen sie das Zentrum während einer Veranstaltung, die die Geschlechterproblematik zum Thema hatte.

Nach der Meinung einer der Kuratorinnen des ZVK, Oksana Brjuchowezka, sagt das einiges über die Politik der Universität aus, die sich nicht mit wirklichen Problemen beschäftigen möchte, sondern sich lieber in verstaubten Manuskripte vergräbt.

„Auf was baut die Universität ihr Image, warum drescht sie Phrasen wie „der Masepa-Korpus ist uns heilig“, während sie auf ihrem Territorium zwei Kirchen betreibt und dem ZVK die Räumlichkeiten wegnimmt?“, sagt die Kuratorin Brjuchovezka.

Ein interessantes Detail bezüglich der „Räumlichkeiten des ZVK“: Schon in den 90er Jahren wurde dieser Raum speziell als eine Galerie für zeitgenössischen Kunst restauriert.

„In der Ukraine gibt es keine akademisch unabhängigen intellektuellen Orte“, erklärt eine Künstlerin ZN.ua. Yevgenia Belorusets (Jewgenija Belorussez) ist Teilnehmerin an der kurartorischen Vereinigung „Chudrada“, Redakteurin des Journals „Prostory“ und Aktivistin des ZVK. „Der Staat und das Bildungssystem fördern letztlich keine Diskussionen. Mehr noch: Die Universitäten archaisieren die Logik ihrer bürgerlichen Position auf bemerkenswerte Art und Weise.

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Für den normalen Verlauf eines intellektuellen Lebens ist es unumgänglich, eine Räumlichkeit zu haben, die nichtkommerziell und frei ist, die nicht unter staatlicher Zensur steht, wo es möglich ist, Pionierarbeit zu einer Überschneidung von Wissen, Aktivismus und Kunst zu leisten. Die Entstehung einer solchen lebendigen Gemeinschaft in der Ukraine ist einzigartig. Es gab bis zur Gründung des ZVK nichts Vergleichbares in der Ukraine. In anderen Universitäten und Städten kann man so etwas leider auch nicht beobachten. Ein solches Zentrum ist für die obsoleten Beamten schon deshalb unangenehm, weil es existiert, arbeitet und sein bürgerschaftliches Engagement nicht verhehlt.“

– Welchen Hintergrund hat die Strategie des Rektors, die Beseitigung des ZVK voranzutreiben?

„Die Rechtfertigungen der repressiven Maßnahmen des Rektors und seiner Mitstreiter, die in den Massenmedien kamen, fügen sich nicht in eine lückenlose Argumentationskette ein.

„Die chaotische Argumentationsweise ist unumgänglich für die Vertuschung der zweifelhaften Tätigkeiten der Verwaltung. Der Rektor verbirgt natürlich auch nicht seine rechtsideologischen Präferenzen… Mir scheint, dass die Unvorhersehbarkeit des lebendigen intellektuellen Denkens alle stört, da es die Öffentlichkeit sucht und nach gesellschaftlicher Umgestaltung strebt.

„Die Angst vor einer solchen Umgebung, verbunden mit dem Wunsch, sie bereits in ihrer frühesten Etappe zu zerstören, besteht schon seit vielen Jahrhunderten und bestimmt den Kulturraum der Ukraine. Den tragischen Ereignissen einer niedergewälzten Revolution in der Ukraine gingen möglicherweise dieselbe Panik und Angst voran. Man kann nur froh sein, dass sich in den Händen der Beamten heute nicht die repressiven Instrumentarien der 1930-er Jahre befinden.“

– Ist es korrekt, heute von einer juristischen Ebene des vorliegenden Problems zu sprechen? Und inwieweit ist das überhaupt möglich aus juristischer Sicht?

„Es fällt mir schwer, das zu beantworten. Ich denke, es ist zunächst einmal wichtig, dieses Problem nach bürgerlichen, sozialen Bedingungen zu beurteilen. Die Skandalfragen, die häufig in der Diskussion über die Probleme des Bildungssystems der Ukraine auftauchen, lenken oft von der Hauptsache ab: Die Verarmung der Universitäten, die fehlende akademische Freiheit, der wirtschaftliche und intellektuelle Verfall, ein konservatives Milieu, das das wissenschaftliche Leben nur imitiert. Initiativen wie das ZVK müssen überall entstehen.“

– Wenn offene internationale Interventionen und eine Protestaktion die Position des Rektors der Akademie nicht ändern, welche Methoden könnten sich für den Kunst-Bereich als effektiver erweisen?

„Internationale Briefe zur Unterstützung des ZVK haben überhaupt keine Wirkung. Indessen hat sich allerdings herausgestellt, dass es praktisch unmöglich ist, das ZVK zu schließen. Nach Ablauf eines Tages der Schließung wurde die vollständige Tätigkeit wiederaufgenommen: Veranstaltungen, Ausstellungen und der Kampf gegen die Repressionen mit allen vorhandenen demokratischen Methoden. Das ist eine konsequente Position, die auf einen längerfristigen Effekt ausgerichtet ist, aber keine radikale Handlung. Solange die Verwaltung der Akademie radikal handelt, nehmen wir Abstand davon im Sinne demokratischer Opposition.“

– Kunst-Zentren in Universitäten sind ja eine völlig geläufige Erscheinung in Europa und in Amerika. Inwieweit sind solche Kunst-Zentren autonom und in welchem Umfang diktieren die Universitäten ihnen ihre Bedingungen?

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„In Europa werden solche Kunst-Initiativen gern gesehen und auch finanziert. Sie sind eigenständig, und stellen einen der Hauptwerte des universitären Lebens dar. Ihre Unabhängigkeit ist für die Universität und die Gesellschaft im Großen und Ganzen von niemandem bestritten. Ein Konflikt wie dieser ist sogar in einer rechtsliberalen europäischen Universität schwer vorstellbar. Die Kulturpolitik Europas definiert sich mehr als ein linksliberaler Gedanke.“

– Kann man sich angesichts dieser skandalösen Situation hier sicher sein, dass Kunst im ukrainischen Kontext überhaupt Einfluss hat?

??„Repressionen und Verbote führen die Kunst aus der Nische des Kunstereignisses in den Raum direkter sozialer Handlungen, wodurch sich die Äußerungen des Künstlers verwandeln. Doch die Kunst bleibt dennoch Kunst und arbeitet weiter mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, welche die Eindeutigkeit von Flugblättern oder agitierenden Texten ausschließt.

Die Wächter der Moral sind in Wirklichkeit die Verfechter des politischen Schweigens, wenn für die Gesellschaft schädliche oder traumatische Themen ohne jede Öffentlichkeit und Artikulation bleiben.“??

– Welches könnte, ihrer Auffassung nach, ein universelles „Modell“ für Kunst sein, das für den Obskurantismus (das Bestreben, andere Menschen absichtlich in Unwissenheit zu halten und ihr selbstständiges Denken zu verhindern) annehmbar ist?

„Salonfähige Malerei … der alle Gedanken, Fragen und Antworten entzogen wurden. Und auf die ein bestimmter „Preis“ festgelegt ist, der schlussendlich die Wechselbeziehung mit diesem Gegenstand vereinfacht, wäre annehmbar.“

– Kann zeitgenössische Kunst in der Ukraine sozial aktuell bleiben, aber nicht protestierend und provozierend wirken?

„Eine Provokation, ein Protest ist bei weitem nicht immer Teil eines Werkes. Diese entsteht mehr durch die Rezeption. Eine Arbeit, die sich als „provozierend“ herausstellt, existiert in Kiew sicherlich nicht so, wie in Berlin beispielsweise. Soziale, aktuelle Kunst steht vor großen Herausforderungen. Falls diese nicht sichtbar werden, weil der Blick auf diese getrübt ist – durch Angst, Bösartigkeit oder Entrüstung, so ist das nur ein Symptom der Gleichgültigkeit und Nichtbereitschaft für die Problematik, mit der Kunst arbeitet.“

30. März 2012 // Andrej Merchel

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzerin:   Corinna König — Wörter: 1341

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