Warum fällt die Hrywnja?
Der Währungsmarkt ist außer Kontrolle geraten: Der Dollarkurs hat schon die Hürde von 13,5 Hrywnja überschritten und geht weiter in die Höhe. Die Zentralbank hat versprochen, scharfe administrative Maßnahmen auf den Devisenmarkt anzuwenden, sollte sich die Situation in der nächsten Zeit nicht stabilisieren. Doch die Banker meinen, dass ohne eine Unterstützung durch den staatlichen Regulierer der Kurs weiterhin steigen wird.
Versuche der Zentralbank sind gescheitert
Die Situation auf dem Währungsmarkt spitzt sich immer weiter zu. In den letzten zwei Wochen war der Kurs im Interbanken-Devisenhandel auf die Höhe von 13,20 bis zu 13,60 Hrywnja zum Dollar gestiegen und gleich darauf hat die Zentralbank den offiziellen Wechselkurs der amerikanischen Währung auf ein historisches Maximum von 13,14 Hrywnja erhöht. Der Bargeldverkehr hält ebenfalls mit: In Wechselstuben werden Dollar zum Preis von mehr als 13,5 Hrywnja verkauft.
Die Zentralbank versuchte mehrmals, den Währungsverfall aufzuhalten. Am Jahresanfang hatte sie auf Interventionen zur Stützung des Kurses verzichtet und auf dessen freie Bewegung gesetzt. Diesmal jedoch entschied sie, in die Situation einzugreifen, und intervenierte mehrfach auf dem Devisenmarkt. Insgesamt verkaufte sie in der letzten Woche auf dem Interbankenmarkt 150 Millionen Dollar, allerdings haben ihre Bemühungen keine Ergebnisse gezeigt.
Statt einer Stabilisierung haben solche Schritte der Zentralbank einen negativen Effekt ausgelöst: Die Abwesenheit von Signalen seitens der Regelbehörde entfacht nun Panik unter den Bankern.
„Der Kurs hatte heute Morgen angefangen zu steigen, als Marktteilnehmer die Abwesenheit der Nationalbank der Ukraine (NBU) bemerkt hatten. Hiernach haben alle begonnen, Dollar aufzukaufen und nicht einmal die Ankündigung, dass die Beschränkungen zur Kreditgewährung für den Einlagensicherungsfonds aufgehoben worden sind, oder die Mitteilung, das System sei mit Geld ‚aufgepumpt‘ worden, um die Liquidität aufrecht zu erhalten, können den Markt derzeit beruhigen“, so der Hauptdealer der Ukrsozbank Sergej Bulgakow.
Verschiedene Ursachen
Die Marktteilnehmer sehen mehrere Ursachen für eine solche starke Währungsabwertung. Die Hauptursache liegt natürlich bei der Panikstimmung aufgrund des Kriegsgeschehens und der großen politischen und wirtschaftlichen Instabilität.
„Die Aussicht auf einen Währungszufluss aus dem Ausland bleibt unklar. Es gibt immer noch eine Hyperliquidität der Hrywnja auf dem Markt. Den Kurszuwachs könnten rasche Geldspritzen und ausländische Investitionen sowie zusätzliche internationale Kreditaufnahmen stoppen, denn bestehende Kredite decken nur laufende Zahlungen an die ausländischen Anleger. Es ist auch wichtig, das Exportvolumen zu steigern, dies ist aber im Laufe des nächsten Halbjahrs oder Jahres kaum wahrscheinlich – unabhängig davon, wie sich die Situation entwickeln wird. Langfristig wären ein Importersatz und eine Verringerung der übermäßigen Importabhängigkeit notwendig“, merkt der Hauptexperte der Abteilung der OTP-Bank für Devisen- und Geldmarktgeschäfte Nikita Mischakow an.
Der ehemalige kommissarische Finanzminister der Ukraine Igor Umanskij ist der Ansicht, dass der drastische Hrywnjaverfall auf unregulierte Spekulationen einzelner Banken und die weiche Politik der Zentralbank zurückzuführen sei. Er sagt, die NBU solle härter agieren und es gebe keine ökonomischen Gründe für einen solchen Absturz des Währungskurses.
Eine der Ursachen für die Hrywnja-Schwäche sei auch die Verzögerung für die zweite Tranche des IWF-Kredits, so Oleg Ustenko, der geschäftsführende Direktor der internationalen Bleyzer Stiftung. Ursprünglich wurde die zweite Tranche für den Juli angesetzt, nun geht schon der August zu Ende, das Geld ist aber noch nicht da (am 29. August wurde die zweite Tranche gewährt, A.d.R.). „Nach indirekten Informationen aus Washington, die mich erreichen, werden die Gelder doch gewährt. Eine solche Verzögerung sorgt aber für Unruhe“, sagt Ustenko. Er erwähnt auch eine Reihe von anderen objektiven und subjektiven Gründen für den Wertverlust der Landeswährung. Marktteilnehmer setzen immer noch Hoffnungen in das Handeln der Regulierungsbehörde. Seit dem 19. August wird es den Banken gestattet, sämtliche Reserven der eigenen Korrespondenzkonten in der NBU zu lassen. Das bedeutet im Klartext, dass den Finanzinstituten zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen werden.
„Was den Devisenmarkt anbelangt, so bekommen Banken natürlich größere Möglichkeiten für Operationen auf dem Währungsmarkt. Es ist aber schwer zu sagen, wie stark sich dies auf den rückläufigen Hrywnjakurs auswirken wird, denn das kommt eher auf die Regelung des Devisenmarkts durch die NBU an“, kommentiert der Direktor der Abteilung für Liquiditätsoperationen der Union Standard Bank Kirill Tschumatschenko.
Darüber hinaus merken Banker ein starkes Interesse, das Käufer bei Fremdwährungen vor dem Hintergrund einer Panik in der Gesellschaft zeigen. Das bringt den Kurs immer mehr in Schwung und destabilisiert die Situation.
„Es besteht Nachfrage nach Devisen seitens ausländischer Banken sowie der Bevölkerung. Andererseits gibt es kein Angebot für den Verkauf von Devisenerlösen seitens der großen Banken. Und so verkauft die Zentralbank eine begrenzte Menge an Devisen“, sagt der Direktor des Dealing-Zentrums für Liquidität der Diamantbank Sergej Barabanow. „Die Zentralbank kann den Hrywnjakurs durch ihre Währungsinterventionen in einem Umfang beeinflussen, der den Devisenbedarf der Banken völlig deckt.“
Nationalbank verspricht Ruhe
Die Zentralbank hat versprochen, den Kurs innerhalb kürzester Zeit zu stabilisieren. „Es gibt keine wirtschaftlichen Gründe für einen Dollarkurs von 13 Hrywnja, es ist nur die Panikstimmung. Die Hrywnja ist von ihrem ausbalancierten Wechselkurs sehr stark abgewichen. Auch wenn man die Kriegsereignisse berücksichtigt, liegt der ausgewogene Kurs bei 11,5-11,9 Hrywnja für einen Dollar. Als der Dollarkurs im Juli 11,7 Hrywnja betrug, hat sich unser Leistungsbilanzdefizit fast ausgeglichen. Die Zentralbank hat nicht vor, sich vom Markt auszuschließen, und sie wird alles Mögliche tun, um den Kurs auf dem benannten, ausbalancierten Niveau zu stabilisieren“, erklärte die Chefin der Zentralbank Walerija Gontarewa gestern bei der Rede im Parlament.
Der Regulierer schließt strikte Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziels nicht aus. „Sollten marktgestützte Instrumente nicht funktionieren, wird die Zentralbank dem Markt scharfe administrative Maßnahmen für die Zeit der Antiterroroperation in Aussicht stellen. Ich befürworte aber marktwirtschaftliche Schritte und wir haben vor, sie einzuleiten. Diejenigen, die Devisen zu einem überbewerteten Wechselkurs oder auf dem Schattenmarkt kaufen, werden es bereuen, denn die NBU wird die Situation schon in kurzer Zeit stabilisieren“, teilte Gontarewa mit. Sie konnte nicht sagen, wann genau das geschieht, merkte aber an, es könne nur dann passieren, wenn im Land der Krieg endet.
Banker hoffen, dass die Zentralbank sich nicht vom Markt distanziert, wie sie es in den letzten Monaten getan hat. „Eine rasche Bereitstellung von Devisenreserven könnte den Hrywnjakurs auf dem Niveau von 12,00-12,20 Hrywnja für einen Dollar halten“, behauptet Nikita Mischakow. Jedoch bleiben die Prognosen der Marktteilnehmer recht pessimistisch.
„Der reale Dollarkurs befindet sich für heute bei 13,35/13,60 Hrywnja. Ohne Interventionen der Zentralbank wird der Kurs nicht sinken. Von der Hrywnja-Schwäche profitieren nun Exporteure. Der Kurs kann auf 15 Hrywnja steigen. Aber auch das ist nicht die Höchstgrenze“, meint Sergej Baranow.
13. August 2014 // Jelena Gubar
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