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Dieser komische Politicus Vulgaris

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„Wir haben doch gewarnt! Man hätte Julia wählen müssen!“, rufen die Apologeten des kleineren Übels in der Person von Frau Timoschenko aus. Die jüngsten Ereignisse scheinen zu bestätigen, dass sie Recht haben.

Aber was würde passieren, wenn Julia Wladimirowna Präsidentin geworden wäre? Es gibt Befürchtungen, dass dann in der Rolle der nicht anerkannten Propheten Bürger aufgetreten wären, die Wiktor Fjodorowitsch Janukowitsch für die viel passendere und vor allem viel harmlosere Variante halten. Beim Offenlegen von Missbräuchen seitens der neuen Regierung, würden sie empört schreien: „Wir haben doch gewarnt! Man hätte Janukowitsch wählen müssen!“.

Die ersten Schritte von Janukowitsch und seines Teams lassen in der Tat nur einen Schluss zu: Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen den ukrainischen Politikern, egal wie viele Male Wiktor Fjodorowitsch Janukowitsch (WFJa), Julia Wladimirowna Timoschenko (JuWT) und Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko (WAJu) versucht hätten, das Gegenteil zu beweisen.

Einmal an der Macht angekommen, kopieren die „weiß-blauen“ ihre orangenen Feinde ohne jegliche Erfindungsgabe.

Die Gesetzlosigkeit im Namen der Demokratie wich der Gesetzlosigkeit im Namen der wirtschaftlichen Stabilität. Anstelle der verfassungswidrigen Auflösung der Werchowna Rada – steht die verfassungswidrige parlamentarische Koalition. Die massiven Säuberungen, die Janukowitsch und Co. einstmals so empörten, werden erfolgreich fortgesetzt. Die Laien des Majdan wurden mit den Laien aus dem Donbass ersetzt.

Der alten Minister Wakartschuk wurde von der Hälfte des Landes gehasst und der neue Minister Tabatschnik auch. Und selbst ein solches trauriges Detail, wie der Skandal um den „Eurovision Song Contest“, entging der Aufmerksamkeit der neuen Regierung nicht: der Fall Tomenko ist weiterhin offen!

Sofort ist der Mythos vom plötzlich reif werdenden Regionalen zusammengebrochen, die viel in fünf Jahren in der Opposition begriffen haben und nie so sein werden, wie bisher. Die Korrektur des schlechten Kerls Janukowitsch offenbarte sich als die gleiche Fantasie, wie die traurige Legende über die Wiedergeburt des „Europäers“ Juschtschenko.

Alles ist viel prosaischer. In der Ukraine gibt es keine Demokraten und Autokraten, Fachleute und Demagogen, Verteidiger und Missachter der Verfassung – vor uns steht ein und dieselbe biologische Spezies Politicus vulgaris. Sie ist nicht anfällig für die Evolution. Was wir für die Degradierung oder die Fortschritte des ukrainischen Politikers halten ist nur eine adaptive Reaktion auf sich verändernden Umweltbedingungen.

Experten mögen es das Beispiel des Himalaja-Kaninchen anzuführen. Bei kaltem Wetter, wachsen diese lustigen Geschöpfe dunkel und wenn es warm ist, dann sie die Kaninchen weiß, was keinen Einfluss auf ihr Genotyp und Nachkommen hat. Hartherziger gern experimentierender Forscher kann das weiße Fell auf dem Rücken des Tierchens abrasieren und ihn dann in die Kälte setzen. Natürlich wird an dieser Stelle ein dunkles Fell wachsen.

Die ukrainischen Politiker in weiße und schwarze aufzuteilen ist dasselbe, wie der Versuch, herauszufinden, welcher Farbe die Himalaja-Kaninchen (bei Wikipedia Russenkaninchen) wirklich sind.

Je nach den äußeren Bedingungen wird der Politicus vulgaris, der viele Gesichter hat, leicht zu einem Liberalen oder wird konservativ, zu einem Verfechter der Redefreiheit oder einem Kämpfer mit den Verleumder-Journalisten, zu einem Gesetzeshüter oder zu einem Gegner von unnötigen rechtlichen Formalitäten.

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Und in jeder Rolle wird er ganz natürlich aussehen und echten Eifer ausstrahlen.
Wenn der Politicus in die Opposition geht, wird er zu einem echten Demokraten und einem Gesetzeshüter. Er wird die Bürgerrechte und die Redefreiheit verteidigen, da es sich dabei um seine eigenen Rechte und Freiheiten handelt, und die Wähler frei agitieren.

Ein ukrainischer Nationaldemokrat, der unter den Bedingungen des sowjetischen autoritären Regimes gebildet wurde, verbindet erfolgreich Nationalismus und Demokratie – aber nur, solange er mit dem Regime kämpft. Sollte allerdings der Nationaldemokrat an der Macht kommen, dann wird die erste Hälfte seines Wesens die zweite sofort unterdrücken.

Ein Abgeordneter der Partei der Regionen, der sich in der Opposition befindet, empört sich über die orangen Gesetzlosigkeiten: denn ein Spiel ohne Regeln benachteiligt seine Oppositionskraft. Aber wenn das Gesetz zu einem lästigen Hindernis für die regierende Partei der Regionen wird, reagiert der sensible Organismus des Regionalen sofort auf die neuen Bedingungen, und lehnt sich gegen die unnötigen Schikanen auf.

Wenn gestern der Politicus vulgaris die Verfassung verteidigt hat und sie heute bricht, ist es albern, ihn der Inkonsequenz und Heuchelei zu bezichtigen. Mit dem gleichen Erfolg könnte man dem unglücklichen Himalaja-Kaninchen Verstellung vorwerfen. Sie sind so kontruiert, sie können einfach nicht anders!

Es ist sinnlos, an evolutionäre Prozesse in der ukrainischen Politik zu glauben: es gibt sie nicht und es sie nie geben. Der einzige Weg, die Gewohnheiten und das Verhalten des Politicus Voulgaris zu beeinflussen ist die Umwelt zu verändern, in der er lebt. Derzeit machen dies die Politiker selbst, indem sie ihre oppositionellen Brüder schlecht behandeln. Ein entscheidender Beitrag zur Bildung der Umwelt liefert auch das allgegenwärtige Ausland.

Und was ist mit der ukrainischen Gesellschaft? Leider ist sie nach wie vor kein leistungsfähiger externer Faktor geworden, die den Einfluss auf das Aussehen eines gewöhnlichen Politikers nehmen kann.

Die Ukrainer träumen weiterhin von der wunderbaren Mutation, die uns eine edle Rasse der europäischen Führer schenken wird. Wir glauben, dass eines Tages aus unserem Stimmzettel ein weißes und flauschiges Politicus schlüpft, der seinen verrufenen Verwandten nicht ähnelt.

Auf der Suche nach einer untypischen Person sehen unsere Mitbürger sowohl auf Arsenij Petrowitsch (Jazenjuk), als auch auf Sergej Leonidowitsch (Tigipko), als auch Anatolij Stepanowitsch (Grizenko). Der Glaube an die individuellen Merkmale der Politiker ist wirklich grenzenlos.

Am Vorabend der Wahlen 2010 wurde in journalistischen Kreisen die Frage ernsthaft diskutiert, wer eine größere Bedrohung für die Redefreiheit darstellt – ist es Janukowitsch oder Timoschenko? Allerdings ist es zumindest seltsam, auf den guten Willen der Machthaber zu hoffen. Jeder Politicus vulgaris, der an die Macht kommt, strebt nach Kräften die Kontrolle über den Informationsraum an: der natürliche Jagdinstinkt gewinnt Oberhand.

Den unersättlichen Appetit des Tierchens zu beschränken ist die Aufgabe der Massenmedien selbst und des millionenstarken heimischen Publikums. Es ist klar, dass einige Journalisten nicht zögern werden, gute Beziehungen mit der neuen Regierung aufzubauen, die anderen – nicht. Die Frage ist, welche Gruppe der Journalisten die größere wird und wessen Seite die ukrainischen Zuschauer, Zuhörer und Leser einnehmen werden…

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Das Problem liegt nicht im schlechten Janukowitsch, der auf der Bankowa (Sitz des Präsidenten) sitzt, sondern in den guten Mechanismen zur Überwachung und Abschreckung, die wir nicht haben. Der Vorsitzende der Partei der Regionen hat ein Territorium erhalten, wo es keine Entwicklung der zivilen Institutionen gibt, wo das Rechtssystem völlig zerstört ist, wo die Gesellschaft gespalten und eine Hälfte des Landes bereit ist, jeden Missbrauch als Widerpart zu der anderen Hälfte zu unterstützen.

Dies ist ein idealer Boden, auf dem der genetisch defekte Politicus Voulgaris in vollem Ausmaße zum Vorschein kommt. In dieser Atmosphäre hätten sogar selbst ein Präsident Tigipko oder ein Präsident Jazenjuk ihre „Zivilisiertheit“ und ihre „europäische Natur“ sehr schnell verloren.

Wenn wir uns auf Gesichter, Vornamen und Nachnamen fixieren, denken wir selten an das Umfeld, welches das Verhalten der Politiker formt und erklärt. Die Ukrainer haben fast keine Angst vor dem kompletten rechtlichen Nihilismus, vor dem Wachstum von Ungeduld oder der allgemeinen geistigen Degradierung. Nein, wir fürchten uns vor etwas anderem – vor dem bösen Janukowitsch, vor der despotischen Timoschenko oder vor dem tückischen Tabatschnik.

Ich erinnere mich, dass im Jahre 1999 Genosse Simonenko eine dämonische Gestalt darstellte. Millionen von Bürgern eilten zu den Urnen, um das Böse in Persona zu verhindern. Denn ein Kommunist an der Macht ist ein böser Traum für jeden bewussten Ukrainer!

Unterdessen wurde im Jahr 2008 Dimitris Christofias, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei (Horror !!!), der in Moskau ausgebildet (Alptraum !!!) wurde, zum Präsidenten der Republik Zypern gewählt.

Was wird in dem sonnigen Land passiert sein, das von einem roten Monster regiert wird? Zogen ausländische Geschäftsleute in Eile ihre Gelder aus der zyprischen Offshorezone ab, ohne auf die rücksichtslose Beschlagnahmung und Verstaatlichung zu warten? Lauerten auf den Straßen von Nikosia riesige Porträts von Lenin und Stalin, und die Mitarbeiter des lokalen Geheimdienstes (KGB) terrorisierten die Dissidenten? Wurden vielleicht die Bauern zu Knechten, erhielten die Mitarbeiter Brot und Zucker auf Karten, und wurden die berühmten zypriotischen Kurorte zu Konzentrationslagern und Militärbasen des Kreml umgewandelt?

Ironischerweise leidet Zypern nicht unter dem kommunistischen Joch und ist immer noch Mitglied der Europäischen Union und ist außerdem in der Euro-Zone. Wenn bestimmte politische Standards in der Gesellschaft verwurzelt sind, dann wird sich selbst ein Absolvent des Instituts für Sozialwissenschaften beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) ganz anständig benehmen.

Dies ist der Faktor des Umfelds in Aktion.

Es besteht jedoch der Verdacht, dass sich der Genosse Christofias in unserer Situation nicht auf die beste Art und Weise zeigen würde – wie seine ukrainischen Kollegen der Spezies Politicus vulgaris.

23.03.2010 // Michail Dubinjanskij

Quelle: Ukrainskaja Prawda

Übersetzerin:   Ilona Stoyenko — Wörter: 1419

Ilona Stoyenko stammt aus Krementschuk (Ukraine) und hat an der Ludwig-Maximilians Universität München das Fach Wirtschaftswissenschaften mit einem Bachelor abgeschlossen. Dem folgte ein Master-Abschluss an der Fernuniversität Hagen. Sie arbeitet freiberuflich als Übersetzerin und von Zeit zu Zeit trägt sie zu den Ukraine-Nachrichten bei.

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