Vor kurzem ist auf der ultrarechten Flanke der ukrainischen Politik ein weiterer Spieler aufgetaucht – der Asow-Anführer Andrij Bilezkij präsentierte die Partei „Nationaler Korpus“. Den Eintritt der Asow-Kämpfer in die große Politik nahm die Öffentlichkeit mit Interesse auf. In der letzten Zeit war in nationalen Kreisen ganz offenbar Stillstand zu beobachten. Und ist Asow – das größte und erfolgreichste Freiwilligenbataillon – nicht besonders prädestiniert, seine Strukturen von der Front ins Hinterland auszubreiten? Kein Wunder, dass man dem Nationalen Korpus bereits eine große politische Zukunft prognostiziert. Dennoch, es gibt alle Gründe, anzunehmen, dass der Nationale Korpus nur die Reihe der ewig an der Fünfprozenthürde scheiternden politischen Parteien vervollständigt.
Das Hauptproblem der Asow-Kämpfer liegt darin, dass sie sich mit dem Nationalen Korpus auf den Weg nach nirgendwohin begeben haben. Bei den letzten Parlamentswahlen war Camouflage durchaus eine Perspektive für die Korridore der Macht. Das beweist auch die Biografie eben jenes Bilezkijs, der als wenig bekannter Radikaler Abgeordneter wurde, und das nicht über die Liste, sondern per Direktwahl. Das allerdings war vor zwei Jahren. Seitdem reagiert der Wähler deutlich ruhiger auf Camouflage. Und die Politneulinge in Tarnfarben wendeten einige Anstrengungen auf, um das Bild der „Jungs der ATO“, welche kommen und für Ordnung sorgen, nachhaltig zu ruinieren.
Der Nationale Korpus ist ein großer Versuch, aus militärischen Verdiensten politisches Kapital zu schlagen. Jedoch zeigen die Erfahrungen des Rechten Sektors und der Swoboda-Partei, dass eine Umkehr des Kurses ziemlich ungeeignet ist. Eine Reihe von heldenhaften Kämpfern in die Oberste Rada zu schicken, ist für die Ukrainer kein Problem. Ganze Bataillone ins Parlament einziehen zu lassen, dazu ist das Volk allerdings nicht bereit. Jarosch etwa gehörte fast zwei Jahre zu den Top Ten der ukrainischen Öffentlichkeit, aber seine Partei erzielte in all der Zeit in den Umfragen miserable Ergebnisse. Genauso verschaffte die Teilnahme an der ATO weder der Swoboda noch der Ukrop politisches Gewicht. Und es ist schwer, irgendwelche Gründe zu finden, warum der Nationale Korpus deren Schicksal nicht wiederholen sollte.
Vielleicht hat der Nationale Korpus irgendwelche ideologischen Alleinstellungsmerkmale? Selbst wenn das so wäre – der ukrainische Wähler liest keine Parteiprogramme. Und das mit den Alleinstellungsmerkmalen ist bei der Asow-Partei ohnehin nicht gegeben. Die Erneuerung des Status als Atommacht, die Nationalisierung der Unternehmen, die Legalisierung von Waffen, die Union baltischer Staaten und der Schwarzmeer-Anrainer und die Kritik am faulenden Liberalismus des Westens – all das sind Allgemeinplätze in der Rhetorik ukrainischer Nationalisten. Ungefähr das gleiche wiederholt die Swoboda seit Jahren für ihre Wähler, besonders stark geholfen hat es ihr allerdings nicht. Wie Bilezkij versichert, wird der Nationale Korpus eine Partei nicht des Wortes, sondern der Tat. Doch auch hier gibt es nichts neues: Das Kostüm des entschlossenen, handelnden Machers ist ein Klassiker in der Garderobe der ukrainischen Politik.
Die Kommentatoren verweisen mit Recht auf die eindeutigen Absichten Bilezkijs, Proteststimmungen anzuheizen. Jedoch zielen allzu viele Politiker in diese Nische – im erbitterten Konkurrenzkampf erwächst der Asow-Partei daraus kein besonderes Profil. Dazu kommt noch, dass die klare Orientierung auf eine nationalistisch geprägte Wählerschaft den Raum für Manöver verengt. Urteilend anhand der letzten Umfragen, werden sich der Nationale Korpus, der Rechte Sektor, die Swoboda und Ukrop die Anzahl der ihren Positionen zugeneigten Prozente teilen müssen. Wenn, klar, sich kein Wunder ereignet und die Nationalisten nicht plötzlich zu Günstlingen der Sympathie des Volkes werden. Und das werden sie nicht.
Lange Jahre besetzten die ukrainischen nationalistischen Parteien die Nische der unbequemen, ideologischen Opposition eines Regimes. Zur goldenen Epoche für die Nationalisten wurden die Jahre der Präsidentschaft Wiktor Janukowytschs, der in sich alles vereinte, gegen das die Ultrarechten sich traditionell positionierten. Das Resultat ließ nicht lange auf sich warten: Im Jahr 2012 zog die Swoboda endlich in die Rada ein und holte seitdem noch einmal ein gutes Resultat in Galizien. Aber die Rolle der ewig Oppositionellen zu verlassen, gelang der Swoboda nicht. Und auch auf dem Maidan wurde offenbar, dass die Entschlossenheit der Parteiführung nicht viel mehr war als eine Pose. Als es auf dem Maidan eines Planes und einer Führung bedurft hätte, rief Tjahnybok dazu auf, den Kobsar (Hauptwerk des Nationaldichters Taras Schewtschenko, A.d.R:) zu lesen.
Mittlerweile hat die Regierung den Nationalisten die Symbole ihrer Abgrenzung geraubt. Der „Marsch der UPA“ war eine Demonstration der Stärke, solange in den höchsten Kiewer Gremien prorussische „Antifaschisten“ saßen. Heute bedient sich die Regierung selbst sehr aktiv nationaler Losungen und führt die Dekommunisierung deutlich effektiver durch, als alle Nationalisten zusammen. Die nationalistische Rhetorik hat sich im offiziellen Narrativ aufgelöst und die Ultratrechten haben ihre Exklusivität verloren – und mit ihr die Möglichkeit, eigene Standpunkte einzunehmen. Zu Zeiten Janukowytschs konnte man auf die Sprachenfrage und geschichtliche Aspekte drängen und dazu aufrufen, mit Russland zu brechen. Jetzt ist man auf der Suche nach neuen Gegenständen und Begriffen der Kritik. Und hier gelangen die Nationalisten unweigerlich aufs Glatteis.
Die Kritik am westlichen Liberalismus, mit dem sich die Ultrarechten ihrer Anhängerschaft empfehlen könnten, wird heute in der ukrainischen Gesellschaft nicht allzu gut aufgenommen. Die Watnyky (von der russischen Opposition entlehnter Begriff für ursprünglich Putin-Anhänger, heute für alle wirklichen oder vermeintlichen Russlandfreunde/Sowjetnostalgiker verwendet, A.d.R.), die freudig damit übereinstimmen würden, dass der Westen verfault, werden niemals für die Ultrarechten stimmen. Für den Rest der Ukrainer ist es gerade der westliche Liberalismus, der als Alternative zum anhaltenden Chaos erscheint. Natürlich gibt es noch die Vertreter eines „dritten Weges“, allerdings würden sie sich lieber im Klima der Kutschma-Zeit einrichten, als eine atommächtige „Natiokratie“ im Sinne eines Bilezkijs zu unterstützen. Der Nationale Korpus wendet daher sehr starke Anstrengungen auf, mit denen er allerdings keine allzu zahlreiche Wählerschaft zu mobilisieren vermag. Die Gunst der kritischen Masse an Wählern muss er zudem auch noch im Wettstreit mit den anderen nationalen Parteien erringen.
Was heißt das alles für den Nationalen Korpus? Ist er bloß eine Verschwendung von Zeit und Geld? Nicht ganz! In den letzten beiden Jahren sind die Asow-Kämpfer tatsächlich den kurzen Hosen ultrarechter Straßenschläger entwachsen, in denen sie auf den Maidan gekommen sind. Auch wenn ihnen im Bereich der großen Politik keine große Zukunft beschieden ist, ist das ein Schritt nach vorn. Am Beispiel des Rechten Sektors haben wir schon gesehen, was passiert, wenn im Krieg abgehärtete Nationalisten einen Schritt zurückmachen und sich selbst als gewöhnliche Diebe diskreditieren oder mit anderen schändlichen Dingen auffällig werden. Der Versuch der Asow-Kämpfer, ins politische System einzusickern, ist ein Schritt weg vom Abgrund. Obwohl er sie nicht unbedingt der politischen Macht annähert.
Insgesamt finden sich in ihrer Perspektive die Asow-Kämpfer in militärischen Strukturen und damit in der Möglichkeit, eine militärische Einheit zu erschaffen. Im Prinzip sind das schon Details. Die Hauptsache ist nun, das Potenzial dieser Kämpfer – und da gibt es einiges – in geeignete institutionelle Einrichtungen eingebunden wird. Andererseits riskieren sie, Außenseiter zu werden, denen die Perspektiven entzogen sind. Und die Ukraine hat bereits einige hundert (wenn nicht tausend) Patrioten verloren, denen man weder im Staat noch in der Gesellschaft einen Platz fand.
23. Oktober 2016 // Hryhorij Schwez
Quelle: Zaxid.net
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