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Starke Frauen anstelle eines unsicheren Mannes: Warum Wakartschuks Entscheidung „Holos“ helfen wird

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Swjatoslaw Wakartschuk und Holos 2

Die Entscheidung Swjatoslaw Wakartschuks, das Mandat als Abgeordneter aufzugeben, ist die einzige richtige in der gegenwärtigen Situation und ein logischer Schritt. Kurz und knapp gesagt. Weshalb und wofür er die Politik wieder verlässt – lesen Sie weiter.

Letztes Jahr tauchte in der Ukraine die neue politische Partei „Holos“ [„Stimme“] auf, die laut begann, viele Perspektiven hatte, aber… Vor einigen Wochen publizierte die soziologische Forschungsgruppe „Rating“ die Resultate einer Studie über die Höhe des Vertrauens der Ukrainer in die Politiker und die neue Bewertung der Parteien. Als Führende unter denjenigen, denen die Menschen am meisten misstrauen, erschienen der fünfte Präsident der Ukraine und gleichzeitig Führer der Partei „Jewropejska solidarnist“ [„Europäische Solidarität“] Petro Poroschenko, die Anführerin der Partei „Batkiwschtschyna“ [„Vaterland“] Julija Tymoschenko und der Ex-Abgeordnete der Partei „Holos“ Swjatoslaw Wakartschuk.

Dass die ersten beiden im Anti-Rating auftauchten, erscheint logisch und verständlich. Sie haben es seit Jahren angesammelt. Aber was macht Wakartschuk dort und wofür mögen ihn 61 Prozent der Ukrainer nicht so sehr? Und warum hat auch die politische Partei (2,5 Prozent), die nicht in Skandale verwickelt ist und konsequent an ihren – wenn auch seltsamen – Positionen festhält, keine große Unterstützung?

Fast alle politischen Parteien, in der Regel politische Projekte, die in der Ukraine entstehen, teilen sich trotz klarer Statements über Liberalismus, Libertarismus oder andere populäre politische Begriffe, in zwei Lager – rechts und links. Doch da kann man schon unterscheiden, wer mehr links und wer mehr rechts ist und wer mehr Wahlgeschenke und Patriotismus verspricht. Und wenn man die Aussagen und Slogans ohne Bindung an die Personen betrachtet, wird man kaum eine Chance haben, zwischen „Jewropejska solidarnist“ oder „Swoboda“ [Freiheit] und „Sluha narodu“ [„Diener des Volkes“] oder „Batkiwschtschyna“ zu unterscheiden.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass der ukrainische Wähler jedes Projekt oder jede Partei herzlich annimmt, die den Zentrismus bejaht, über Reformen nicht im Kontext sozialer Veränderungen (Renten, Gehälter), sondern des Wirtschaftswachstums spricht, die Integration in die EU ohne nationalistische Parolen anbietet und nicht beginnt, mit den Rentnern und Studenten zu spielen. Zu solchen Parteien gehörte „Holos“ von vor einem Jahr.

Doch ihre „Nadposyzija“ [A. d. Ü. – Eine von Wakartschuk verkündete Haltung von „Holos“, weder als Koalition noch als Opposition zu agieren.], über die Swjatoslaw Wakartschuk sich äußerte, begann damit, sie von einem Lager in ein anderes zu werfen. Mal unterstützten sie die Patrioten der „Jewropejska solidarnist“, dann die Liberalen von „Sluha narodu“. Dementsprechend haben die Leute, selbst diejenigen, die für „Holos“ gestimmt hatten, die Positionierung ihrer Partei nicht verstanden.

Wakartschuks negativen Einfluss auf die Partei konnte man schon während der Wahlkampagne bemerken. Einerseits gab er Impulse für das Interesse an der neuen Partei, andererseits ließ er die Umfragewerte nicht anwachsen. Wir haben darüber in dem Artikel „Lass uns singen“ geschrieben. Die Konzerte laufen, aber nicht für die politische Agitation, sondern einfach als Unterhaltung für die Menschen. Doch auch Swjatoslaw Iwanowytsch [Wakartschuk] hat das verstanden. Seine Reden über linke und populistische Parolen beeindruckten nicht einmal Anhänger der Partei. Gerade mit dem Beginn von Wakartschuks Reise durch die größten Städte der Ukraine hörten die Ratings der Partei auf zu wachsen und sie stieg kaum über die Fünfprozenthürde, obwohl die Prognosen deutlich optimistischer waren.

Aus diesem Grund hat Wakartschuk jetzt nicht nur nicht eine überragende Anti-Bewertung, sondern zieht die Partei „Holos“ auch gleichzeitig nach unten. Dies ist eine Bestätigung einer einfachen Wahrheit: Für die Ukrainer sind führerorientierte Parteien wichtig, die in erster Linie mit Personen und dann erst mit der Aktivität ihrer Struktur assoziiert werden. Die Bewertung Wakartschuks wird nicht so sehr von seinen Handlungen oder der Abstimmung der Partei beeinflusst als von Wolodymyr Selenskyj. Indem er nicht zur Präsidentenwahl antrat und eine klare Entscheidung hinauszögerte, löste er bei vielen Wählern Enttäuschungen aus. Und nach Selenskyjs Sieg dachten viele von ihnen, dass auch Wakartschuk gewinnen hätte können. Er ist nicht schlechter. Daher brachte die Wählerschaft, die Hoffnungen auf Wakartschuk, auf den neuen alternativen Kandidaten, gesetzt hatte, nach dem Sieg Selenskyjs und nach jedem erfolglosen Schritt des amtierenden Präsidenten dem Leader von „Holos“ immer mehr Groll entgegen – nach dem Prinzip „Du konntest, aber wolltest nicht und wenn du nicht wärst, würde es auch Se[lenskyj] nicht geben.“ Durch die Anwesenheit Wakartschuks in der Werchowna Rada wurden jegliche Aktivitäten der Partei auf Diskussionen über die Handlungen des Künstlers reduziert. Sein Rückzug von den Angelegenheiten der Partei könnte womöglich die Negativität beseitigen, die sich um diese Geschichte angehäuft hat.

Während des Jahres konnte die Partei „Holos“ keine normalen regionalen Zentralen und Strukturen ihrer politischen Kraft bilden. Dies ist immer noch ein politisches Projekt, aber keine klassische Partei. Angesichts des Fehlens von geschäftlichen oder oligarchischen Interessen vonseiten der Parteimitglieder ist es für sie nicht so wichtig, Kommunalwahlen zu gewinnen. Faktisch mit dem Start der Wahlkampagne für die Kommunalräte wird die Bildung einer neuen politischen Partei beginnen. Hier kann man Menschen versammeln und Strukturen bilden, ohne viel Geld in eine Kampagne zu investieren. Die 20 Abgeordneten der Werchowna Rada und die wenigen Parteimitglieder, die es jetzt gibt, haben noch vier Jahre, um eine Struktur zur Teilnahme an Neuwahlen zur Werchowna Rada zu formieren. Selbst wenn sich einige Prognosen erfüllen und vorgezogene Wahlen stattfinden, werden sie sicher noch ein Jahr Reserve haben.

Wir sprechen oft von einer Nicht-Unabhängigkeit von „Sluha narodu“ und von ihrer Abhängigkeit von Selenskyj. Jedoch ist die Situation analog zu der von „Holos“. Trotz des mangelnden Einflusses des Leaders auf die Entscheidungsfindung waren sie auch immer ganz von Wakartschuks Position abhängig. Jetzt haben sie hingegen einen Vorteil gegenüber den „Dienern“, weil Wakartschuk gegangen ist.

Gespräche darüber, wann genau Wakartschuk bekannt geben hätte sollen, dass er kein Abgeordneter sein wird, jetzt oder vor der Wahl, sind sinnlos. In jedem Fall wird ein solcher Schritt negativ aufgenommen und ins Lächerliche gezogen. Vielleicht ist es sogar besser, dass dieser Schritt jetzt unternommen wurde, weil die Abgeordneten von „Holos“ Zeit hatten zu lernen, wie man arbeitet und eine Struktur und Kommunikation aufbaut, doch der gesamte Druck konzentrierte sich zu dieser Zeit auf Wakartschuk.

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Die Information über eine mögliche Kandidatur des Künstlers für die Position des Bürgermeisters von Kyjiw oder des Leiters der Lwiwer Gebietsverwaltung sehen momentan wie Fehlinformationen und nicht mehr aus. Weil es in einem solchen Schritt keine Logik gibt. Wenn er zur Wahl antritt, wird die ganze Negativität wieder an die Oberfläche kommen und den Wahlkampf der Partei beeinflussen.

Tatsächlich wird es Wakartschuks Abgang der Partei ermöglichen, mit dem Aufbau einer von Grund auf neuen Partei zu beginnen. Seine Anwesenheit brachte den Kandidaten vor Ort überhaupt keine Vorteile. Und die Reaktion auf die ersten Kampagnenmaterialien, die erscheinen sind, bestätigt dies deutlich.

Auch begann „Holos“ in den letzten Wochen damit, sich von den Initiativen von „Jewropejska solidarnist“ und „Sluha narodu“ zu distanzieren. Sie unterstützten die Kampagne „Stop Revanche“ nicht [Das nationalistische Lager überzeichnen die Politik von Präsident Selenskyj und seiner Partei als eine Art Revanche der Majdan-Gegner beziehungsweise des Umfelds des 2014 gestürzten Präsidenten Janukowytsch. A.d.R.] und begannen, ihre Position klar zu artikulieren, abseits der anderen Parteien. Es scheint, dass sich ihre „Nadposyzija“ endlich in eine Position verwandelt. Doch die Teilnahme an Protestaktionen zur Unterstützung von Sternenko [Gemeint ist der als Nationalist auftretende Serhij Sternenko aus Odessa, der angeblich in Notwehr einen unbewaffneten Angreifer mit dem Messer getötet hat. Es deutet viel darauf hin, dass er ein V-Mann des Geheimdienstes SBU ist. Sich als patriotisch und nationalistisch verstehende Organisationen und Parteien unterstützen ihn und seine Version der Notwehr. A.d.R.] begann, das Image der Partei der „starken Frauen“ in der Politik zu erschaffen. Und hier kann man viel über die Haltung gegenüber dem SBU [Sluschba bespeky Ukrajiny – ukrainischer Inlandsgeheimdienst], der Generalstaatsanwaltschaft, den Richtern und Sternenko sprechen, aber wenn Julija Klymenko [A. d. Ü. – Listenplatz 2 nach Wakartschuk] in einem roten Kleid und mit hohen Absätzen versucht, sich den Spezialeinheiten entgegenzustellen, ist das nichts Anderes als ein neues Bild für die Abgeordneten und die Partei. Wobei das nur der erste Eindruck sein kann.

In der aktuellen Situation gibt es zwei mögliche Szenarien, wie sich das Ganze entwickeln kann. Das erste: Die Partei wird in der Lage sein, sich zu entwickeln, eine Struktur zu schaffen und bei den nächsten Wahlen erheblich mehr Abgeordnete in der Werchowna Rada zu bekommen. Sie wird nicht mit den Anderen mitspielen, sondern eine einflussreiche Kraft werden. Das zweite: In einigen Jahren werden wir uns nur an die Gründung einer Partei „Holos“ erinnern, doch die Abgeordneten werden sich auf andere politische Formationen verteilt haben. Wie es sein wird, wird die Zeit zeigen.

15. Juni 2020 // Stanislaw Besuschko

Quellen: Zaxid.net

Übersetzerin:   Agnes Poitschek — Wörter: 1411

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