Das Paradoxon des ersten Blitzkrieges – eine Vertikale ohne Gesellschaft
Innerhalb eines Jahres, seit der Inauguration W. Janukowitschs, hat sich die Ukraine auffallend verändert. Die Veränderungen betreffen dabei sämtliche Bereiche und Richtungen. Aber die substantiellsten, quasi grundlegendsten Veränderungen betrafen das politische System. Die Transformation des politischen Systems der vorangegangenen Periode in ein neues politisches System erfolgt durch die institutionelle Umgestaltung des politischen Regimes und die “statusbezogene” Umwälzung in den Eliten.
Das seinem Wesen nach koalitionäre, pluralistische und kompetive politische System der Jahre 2006-2010 wird von einem Regime mit einem dominierenden Spieler ersetzt, dessen Rolle vom Präsidenten besetzt wird. Die Wiederherstellung der Verfassung des Jahres 1996 war für den Abbau des institutionellen Dualismus zwischen Präsident und Ministerpräsident erforderlich, für den durch die politischen Reformen des Jahres 2004 der Grundstein gelegt worden war. Formale Änderungen der Rechtsgrundsätze ermöglichten darüber hinaus die Revision der politischen Spielregeln. In einem modifizierten juristischen und institutionellen Kontext wurde der Präsident als einflussreichster Spieler mit den Ressourcen ausgestattet, die ihm erlauben, eigene Regeln und Geschäftsordnungen zu oktroyieren.
Die Veränderung institutioneller Normen wird begleitet von einer fakultativ-zwangsweisen Rotation der Eliten. Diejenigen politischen Eliten, die hinter der Wahlverliererin J. Timoschenko stehen, wie auch diejenigen, die in der vorangegangenen von Koalitionen und Parteien geprägten Periode Einfluss besaßen, werden in den Szenenhintergrund gedrängt. Partei- und Fraktionsführer, sowie der Sprecher des Parlamentes haben sich unter den neuen institutionellen Rahmenbedingungen als unnötig erwiesen. Stattdessen treten neue Spieler in den Vordergrund: die Regierungsriege W. Janukowitschs als Sieger der Wahlen, die administrative Elite – Minister, Gouverneure, Beamte als neue stützende Vertikale des Präsidenten, große Handelskonzerne. Als Appendix schließen sich die Geschäftsflügel anderer Parteien an, die als parlamentarische Karkassen bekannt wurden.
Diese erste Phase, die Janukowitsch selbst während eines Auftritts in der Werchowna Rada als „Reform der Macht“ bezeichnet hatte und die in ihrer Konzeption von der Regierungsmannschaft gesteuert wird, soll eine Demoversion zukünftiger Reformen des „gesamten politischen Systems“ werden. Worin liegt das Ziel zukünftiger Reformphasen der Systemtransformation? De facto zeugt die Abkehr vom koalitionären, parlamentarischen System, in welchem durch das Zusammenwirken der Eliten ein Konsens erlangt wird, von einem: diese Modifikationen zielen auf die Schaffung eines stabilen Regierungs- und Verwaltungssystems ab, das den Eliten, die an die Macht gekommen sind, eine gestärkte Lenkungsposition garantiert und den Erhalt des Status quo auf lange Sicht sichert. Das bedeutet, dass die herrschende Verwaltungselite beabsichtigt, die auf Konkurrenz bauende Demokratie in eine gelenkte Demokratie zu überführen, die Wahlen und politischen Akteure zu kontrollieren (Opposition, Parteien), das politische System in eine direkte Präsidialverwaltung zu verwandeln.
Das aktuelle Transformationsszenarium zum politischen System demonstriert bereits in der heutigen Phase bestimmte Fehlfunktionen und Restriktionen. Nachdem administrative Stabilität hergestellt, eine parlamentarische Mehrheit künstlich zusammen gezimmert wurde, kollidierte der Präsident mit der Tatsache, dass die Gesellschaft der Obrigkeit, den Eliten und Politikern noch stärker entfremdet war. Und zwar um ein Vielfaches stärker als im vorangegangenen Regime. Die Zivilgesellschaft hat eine extrem oppositionelle Position zur Obrigkeit und zur Person W. Janukowitschs eingenommen. Gleichzeitig zerbrach mit dem politischen Ableben der Koalition die Verbindung zwischen der gesellschaftlichen und parlamentarischen Mehrheit im Parlament, zwischen den Wählern und den Parteien. Vor diesem Kontext hat das Parlament aufgehört, als Repräsentativorgan zu fungieren, zudem wird entsprechend das Vertragssystem gesellschaftlicher Verpflichtungen zwischen Obrigkeit und Gesellschaft zerstört.
Das Paradoxon des ersten Blitzkrieges der Obrigkeit besteht darin, dass die administrative Stärkung der Obrigkeit zu einer politischen und gesellschaftlichen Schwächung geführt hat.
Nachdem sie die Eliten unter ihre Kontrolle gebracht und die institutionellen Rahmenbedingungen zum eigenen Vorteil umgestaltet hat, findet sich die neue Obrigkeit scheinbar über der Kluft zwischen der Vertikale und der Gesellschaft wieder. Denn gerade eine breite gesellschaftliche Unterstützung ist jene Basis, durch welche politische Systeme mit einem dominanten Spieler ermöglicht werden. Die Erfahrungen des benachbarten Russlands und Weißrusslands zeigen, dass eine notwendige Voraussetzung für die Stabilität und Effektivität der dortigen Regime in einer hohen gesellschaftlichen Zustimmung in Höhe von 60-70% liegt. Die Unterstützung durch die gesellschaftliche Mehrheit versetzt den russischen und den weißrussischen Führer in die Lage, Verträge mit den Eliten zu verweigern, da diese von sich aus bereits sind, sich dem Präsidenten unterzuordnen. Gerade durch die hohe gesellschaftliche Zustimmung zur Person des russischen Präsidenten werden diesem sämtliche Hebel zur Hand gegeben, um Beamte, Oligarchen, Militärs u.a.m. „antreten“ zu lassen.
Bezüglich des ukrainischen Präsidenten gestaltet sich die Situation um einiges komplizierter. Wiktor Jankowitsch kann nicht auf eine breite gesellschaftliche Unterstützung bauen: im zweiten Wahlgang haben 48% für ihn gestimmt (wobei daran zu erinnern ist, dass die Besonderheit des zweiten Wahlgangs darin besteht, dass das Ergebnis weniger die Zustimmung zu einem Politiker widerspiegelt, als vielmehr die Umverteilung der Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten zu Gunsten derjenigen, die den ersten Wahlgang überstanden hatten) und die Umfragewerte des Präsidenten W. Janukowitschs schwankten im ersten Amtsjahr um die 30%, notabene mit sinkender und nicht steigender Tendenz. Darüber hinaus verliert W. Janukowitsch nach den Präsidentschaftswahlen den symbolischen Status des Führers und Ideologen des Südostens. In dieser Situation, der Aushöhlung des Status’ als Repräsentant und Verteidiger der Interessen der Bewohner der östlichen und südlichen Regionen, findet sich die Partei der Regionen wieder. Janukowitsch wurde als Führer einer Partei Präsident, die die parteilich-programmatische Maschinerie verkörperte. Unter den neuen institutionellen Rahmenbedingungen jedoch, unter welchen ein Pluralismus der Parteien nicht mehr existiert, sondern eine administrative Vertikale, hat sich die Partei in eine “Partei der Macht” für Beamte sämtlicher Ebenen, in einen Dienstleister der präsidialen Administration verwandelt.
Die Erschöpflichkeit des unerschöpflichen Autoritarismus
Wenn sich das Regime nicht auf eine breite gesellschaftliche Basis stützen kann, stellt sich die Frage, welche verborgenen Reserven präsidialen Regimen das Überleben sichern, wenn diese sich lediglich auf einen Vertrag mit den Eliten und Oligarchen stützen. Solche Regime können sich nur durch eine Strategie der Vagheit behaupten. Vagheit bezüglich der Eliten, wie der Gesellschaft insgesamt, wird mittels ständiger Modifikationen der Spielregeln und Manipulationen der Eigentumsrechte aufrecht erhalten. Die Annullierung der Verfassung des Jahres 2004 und Rückkehr zur Verfassung von 1996, die Vagheit bezüglich parlamentarischer Wahlzyklen, die Mandatsverlängerung für Abgeordnete der WR, die der Verfassung von 1996 widerspricht – all dies sind Manipulationen, die eine stabile Vagheit gewährleisten sollen. Manipulationen des Wahlsystems, die Umgestaltung des Parteiensystems usw. stehen noch bevor. Daneben wird die politische durch eine ökonomische Vagheit ergänzt – die Manipulation der Eigentumsrechte durch Änderungen der Steuergesetzgebung, Rechtsunsicherheit für Eigentümer und bezüglich des Privateigentums, die fehlenden Möglichkeiten, seine Rechte angesichts eines korrumpierten Gerichtssystems zu schützen. Allerdings ignoriert die Obrigkeit, indem sie hofft, die Situation unter Kontrolle zu halten, dass die Ressourcen für ein derartiges Regierungssystem erschöpflich sind, was bereits gegen Ende der zweiten Amtszeit Kutschmas augenscheinlich geworden war. Für die Aufrechterhaltung eines Systems des Autoritarismus, wenn auch weichen Formates, existieren weder ökonomische, militärische noch ideologische Ressourcen. Der Autoritarismus hat in der Ukraine 2004 sein Ende gefunden, für sein symbolisches Ableben steht unter anderem der Majdan als demokratische Revolution gegen Wahlfälschungen. Auch ein ökonomischer Autoritarismus wird sich nicht herausbilden, da sich ein politökonomisches Regimes auf die Monopolstellung eines Kompradoren-Großkapitals stützt. Ein derartiger Kapitalismus ist nicht progressiv, sondern regressiv – die Oligarchen, die heutzutage im Land Zugang zu allen Ressourcen erhalten haben und danach streben, diese zu monopolisieren, agieren gegen die Nationalökonomie und nationale Interessen, und das heißt, gegen die Gesellschaft und den Staat. Was die militärischen Ressourcen betrifft, waren diese in der Ukraine schon immer schwach und ineffektiv. Unsere Militärs – Staatsanwälte und Steuerinspektoren – mögen durch etwas Angstgleichem gelenkt werden, aber die Mehrheit hat bereits gelernt, diese Angst zu schlucken oder abzugelten und gleicht diese mit der Garantie auf eine ruhige Rente aus.
Die Frage nach den ideologischen Ressourcen des Regimes gestaltet sich fast rhetorisch. Indem auf das ideologische Erbe des vorangegangenen Regimes verzichtet wird, das nachdrücklich auf den Aufbau eines nationalen Staates setzte, bietet die neue Obrigkeit eine Umkodierung des Staatswesens, eine Denationalisierung des Staates an. In diesem Modell strebt Janukowitsch die Rolle des gemäßigten Staatsmannes, des pragmatischen Verstaatlichers an. Angesichts der radikalen Nationalisten und den nicht weniger radikalen linken prorussischen Kräften wird Janukowitsch danach streben, die Nische des gemäßigten, postsowjetischen Politikers der Mitte einzunehmen. Und auch diesbezüglich wird es ihm kaum ohne die breite gesellschaftliche Basis gelingen, diese Nische zu besetzen. Innerhalb ukrainischer Rahmenbedingungen, in welchen die Gesellschaft elektoral, regional und sozial gespalten ist, gestaltet sich die gemäßigte Nische der Mitte als eng und ist daher unselig. Dies wird im Übrigen durch die Versuche von „Parteien der Macht“ zu verschiedenen Zeiten bestätigt, die eine gesellschaftliche Zustimmung von 10-15% erfuhren. Und ein solches Schicksal droht der Partei der Regionen infolge ihrer Devolution von einer Partei der Interessen des Südostens in eine „Partei der Macht“.
Fehlt die gesellschaftliche Mehrheit, kann weder eine elektorale noch eine parlamentarische Mehrheit gewährleistet werden. Die elektorale Mehrheit wird durch protegierte Wahlfälschungen ermöglicht, und die parlamentarische wird künstlich unter Zuhilfenahme der entsprechenden Stimuli für die Abgeordneten hergestellt. Aber all diese imitierten, virtuellen Mehrheiten arbeiten letzten Endes gegen ihre eigenen Avatare. Weil keine robuste Mehrheit entstehen kann, wenn sich organisierte Interessen nicht entfalten können. Und die Obrigkeit wird alles tun, um potenzielle Interessengruppen zu zerrütten, insbesondere dann, wenn diese auf einen ökonomischen, sozialen und klassenspezifischen Rückhalt hoffen können. Ein deutliche Illustration dieses Sachverhalts ist der Schlag gegen das kleinere und mittlere Unternehmertum, mit welchem verhindert werden sollte, dass dieses sich zu einer aktiven gesellschaftlichen Gruppierung formiert und vor allem eine politische Agenda formuliert. Die Situation der Obrigkeit gleicht in vielerlei Hinsicht einer Sackgasse. Zum Einen sind die Eliten nicht dazu bereit, weder gewollt noch in der Lage, eine zeitgemäße Ideologie, einschließlich einer progressiven Reformagenda, zu formulieren,. Zum Anderen behindern diese mit ganzer Tatkraft die Bildung einer solchen Agenda seitens der Gesellschaft. Die Aufrechterhaltung einer derartigen Situation wird immer unerträglicher, vor allem für die Gesellschaft, auf die zudem sämtliche Kosten für die Aufrechterhaltung der Stabilität in den Eliten zukommen. Eigentlich steckt hinter dieser Sackgasse ein riskantes und gefährliches „Ante Diem“, und das Ignorieren dieses Umstands kann in einer revolutionären Situation münden.
Der postsowjetische Leviathan: Aufbau darf nicht unberücksichtigt bleiben
In den vergangenen 20 Jahren hat sich das politische System verändert und die politischen Regime wurden ersetzt, jedoch betrafen diese Veränderungen die Beziehungen zwischen den Eliten und berührten den Staat nicht. Das Problem besteht darin, dass solche Institutionen, wie die Staatsanwaltschaft, die Steuer- und Zollverwaltung, das Innenministerium, der Sicherheitsrat in ihrem Wesen sowjetisch, repressiv geblieben sind. Der Staat orientierte sich weiterhin an seinen eigenen Interessen, und nicht an den Rechten des Bürgers, der das rechtliche Instrumentarium für einen gleichberechtigten Kampf mit dem Staat verloren hat. Der Staat gewinnt immer, da das Verwaltungsrecht, die Gerichtsverwaltung und Bürokratie auf seiner Seite sind. Deshalb ist der Übergang von einem ständischen, korrumpierten, fragmentarischen Staat zu einem grundsätzlich neuen notwendig geworden, und zwar, zu einem liberalen, demokratischen Rechtsstaat. Das politische System erfordert eine rechtliche Liberalisierung, die auf der Konstruktion eines liberal-bürgerlichen Staates beruht, der die Rechte und Freiheiten eines jeden Bürgers garantiert, und nicht nur die Interessen der herrschenden Klasse schützt.
Bedauerlicherweise erwies sich die demokratische Impfung gegen den Autoritarismus im Jahr 2004 als nicht nachhaltig. Die Gesellschaft forderte politische Rechte und bürgerliche Freiheiten, aber der sowjetische, seinem Wesen nach omnipotente Staat, war nicht bereit, nach neuen demokratischen Regeln zu spielen. Es stellte sich heraus, dass sich Demokratie unter den Bedingungen außerwirtschaftlichen Zwangs und Rechtsmonopolismus nicht entwickeln kann. Darum umfasste der demokratische Geltungsbereich lediglich die Auswahl derer, denen die Verfügungsgewalt über etatmäßige, fiskalische, infrastrukturelle und andere Ressourcen übertragen wurde, das heißt, die Wahl der Aufsichtsbeamten des postsowjetischen Staatswesens.
Das Jahr 2011 kann sich als auffallend positiv für die Zukunft der Ukraine erweisen. Das emsige Durchboxen administrativer, justizieller, steuerrechtlicher Reformen sowie der Rentenreform hat die Widersprüche offen gelegt, die in all diesen Jahren gewachsen sind. Heute ist offensichtlich geworden, dass sich die relevanten Widersprüche zwischen dem korrumpierten Modell des Staatswesens und den Erfordernissen einer liberal-ökonomischen Entwicklung konzentrieren. Ökonomie und Gesellschaft wollen von der bürokratischen Krake, der Steuerschraube, der administrativen Überregulierung befreit werden, aber der Staat gewährt diese Freiheit nicht. In der Folge wird ein Konflikt zwischen dem Modell des Staatswesens und dem realen Leben der Menschen, die tagtäglich mit einer invaliden, korrumpierten, jegliche ökonomische und politische Freiheiten unterdrückende Staatsmaschinerie zusammenstoßen, schwelen.
Der auf Klanwirtschaft bauende, monopolistische Staat, der sich in den 90-er Jahren entwickelt hat, ist eine unerschöpfliche Quelle für eine blühende Korruption. Deshalb sollte der Kampf gegen Korruption die Schaffung eines liberalen Staatswesens mit einem stimulierenden Steuersystem, sowie von behördlicher und staatlicher Verwaltung unabhängige Gerichte und Staatsanwaltschaft zum Inhalt haben. Die Schaffung eines Systems europäischer Jurisdiktion, das nach dem Prinzip „Gerechtigkeit für alle“ funktioniert, ist unumgänglich. Nur dann werden vorherrschende Kräfteverhältnisse nicht als politisches Instrumentarium zur Abschreckung der Gesellschaft und Erzeugung von „Gefangenen des Regimes“ funktionalisiert.
Jedoch geht die Obrigkeit einen anderen Weg – den der Verzerrung und Restriktion des Raums der Freiheit. Aus institutioneller Sicht wurde die Demokratie in der Ukraine beschränkt, aber mental sind die Ukrainer dieser näher gerückt. Die Gesellschaft hat bereits begriffen, dass Freiheit keinen ephemischen Begriff mit zweitrangiger Bedeutung in der Hierarchie individueller Wertigkeiten darstellt. Darin erschließt sich auch die prinzipielle Bedeutung des ersten Regierungsjahres der neuen Administration: infolge ihrer sowjetischen, auf Renaissance bauenden Politik treten in der Gesellschaft sukzessiv die Konturen einer realen Agenda zum Vorschein. Diese Agenda formiert sich nicht polittechnologisch, nicht manipulativ, nicht simuliert, sondern als realer gesellschaftlicher Konsens – als Forderung gegenüber dem Staat nach einer gegen Korruption vorgehenden, liberalen, rechtsstaatlichen Politik, sowie nach der Demonopolisierung der Wirtschaft. Der Fokus der Reformen sollte auf der Schaffung von Freiheit liegen – sowohl ökonomischer, sozialer als auch politischer.
Die neue Obrigkeit hat anscheinend die gesellschaftliche Forderung begriffen: die gesellschaftliche Ermüdung gegenüber Vagheit, Konflikten, leerer PR und der Untätigkeit seitens der Politiker. Anstatt einer liberalen, Schutz bietenden, rechtsstaatlichen Stabilität bietet die regierende Elite eine unterdrückende, von Repressalien und Polizeimacht gekennzeichnete Stabilität an. Eine weitere Aufrechterhaltung, und erst recht der Aufbau eines Polizeistaats und einer von Polizei und Oligarchentum geprägten Ökonomie sind unrealistisch, da die ökonomischen und gesellschaftlichen Ressourcen des postsowjetischen Staatswesens erschöpft sind, und die Gesellschaft sich an der Schwelle einer eigenständigen Existenz befindet. Wenn die Gesellschaft und die Obrigkeit zu keiner Einigung gelangen, wenn kein Konsens zwischen gesellschaftlichen Forderungen und den Interessen der Elite gefunden wird, wird kein gesellschaftlicher Vertrag zustande kommen. Dann werden die Menschen, wie Bruce Jackson es ausgedrückt hat, fortfahren, die Obrigkeit und den Staat leise zu hassen. Wenn die Gesellschaft der Obrigkeit nicht traut, sind jegliche Reformen zum Misserfolg verdammt.
Das von der Obrigkeit deklarierte Jahrfünft der Reformen kann zu einem Jahrfünft der sozialen und politischen Instabilität werden. Die Eliten sehen sich nun der Aufgabe gegenüber, die Situation unter Kontrolle zu halten, von oben zu reformieren und von unten keine Revolution zuzulassen. Statt der Konzipierung einer gelenkten Demokratie, die in sich potenziell instabil ist, ist eine von oben gelenkte Reformierung und Liberalisierung vonnöten. Andernfalls kann die Situation außer Kontrolle geraten, und ein neuer Majdan würde nicht mehr friedlich und duldsam gegenüber der Obrigkeit und den Eliten. Dieser würde radikal und vernichtend für die herrschenden Eliten.
Die von der Obrigkeit in Gang gesetzten pseudokonstitutionellen Prozesse zielen lediglich auf die Zementierung herrschender Machtbefugnisse und nicht auf die Institutionalisierung eines neuen Modells des Staatswesens. Realer Konstitutionalismus beinhaltet die Umstrukturierung des Staates, Restringierung seines Eingriffs ins Zivilleben, in die Ökonomie, in Unternehmensaktivitäten, in die Massenmedien. Der Staat sollte als Teil der Gesellschaft durch das Gesetz, individuelle Rechte und Freiheiten sowie durch ein unabhängiges Rechtssystem restringiert sein. Und wenn die oligarchistischen Reformen der 1990-er bis 2000-er Jahre grundsätzlich auf die Reformierung der Wirtschaft abzielten, dann blieb die Staatsmaschinerie, unabhängig von den Verfassungsumwälzungen 1995-1996 und 2004-2006, formal postsowjetisch und inhaltlich sowjetisch. Die Verfassungen in der Konzeption von 1996 und 2004 waren lediglich „Verfassungen der Macht“. In ihnen wurden Absprachen der Elite formalisiert und ein Mechanismus zur Risikoversicherung zwischenelitärer Beziehungen verankert. Eine Verfassung für die Gesellschaft ist vonnöten, deren Aufgabe gerade in der Restriktion, Zügelung des „omnipotenten Staates“, des Hobbes’schen Leviathans liegt.
Im Zusammenhang mit der Ausarbeitung einer neuen Sozial-Charta betreten zwei symbolische Parteien den historischen Szenenvordergrund: die Partei der Demokratie sowie des Rechts und die Partei der Macht, der Privilegien. Es ist offensichtlich, dass die Rolle der Partei der Demokratie und des Rechts von der Opposition eingenommen werden könnte. Nur das Problem der ukrainischen Opposition besteht darin, dass sie weniger eine Alternative, als vielmehr eine kritische Ergänzung zur Obrigkeit darstellt. Konzentriert sich die Opposition ausschließlich auf Kritik, akzeptiert sie gleichzeitig die Regeln des Spiels und fügt sich nahtlos in das Regime. Anstelle einer kritischen Opposition benötigen sowohl die Gesellschaft, als auch der Staat ein neues Entwicklungsmodell. Daher kann die Opposition ihr Überleben nur sichern, wenn sie es vermag, die gesellschaftliche Nachfrage in die Form eines gewünschten Staatswesens zu gießen und einen alternativen Plan institutioneller Reformen hervorzubringen.
18. Februar 2011 // Wadim Karassjow
Quelle: Serkalo Nedeli
Forumsdiskussionen
Frank in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Dafür dass du dort wohnst bist du aber doch falsch informiert. Der junge Mann von Bekannten in Chmelnitzky hat sich nicht freigekauft sonder geht normal seiner Arbeit nach. Allerdings Verkauf Landmaschinen....“
Christian77 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Mir ist noch etwas eingefallen und das möchte ich noch mitteilen. Die Ukraine hat seid Beginn der Gegenoffensive zwischen 2 und 3 % des Landes zurückerobert, was zuvor von Russland besetzt wurde. Das...“
Christian77 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Natürlich ist das auch nur (m)eine Meinung. Zurzeit wird der Versuch unternommen, den Krieg ohne Gesichtsverlust offiziell zu "beenden". Vielleicht erst 2024..... Die Ukraine hat den Krieg verloren und...“
Christian77 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Interessante Diskussion. Ich lebe seit fast 5 Jahren in der Nähe von Krolevets im Oblast Sumy mit Frau und Kind. Leider ist der Krieg längst verloren....... hat offensichtlich noch nicht jeder verstanden......“
Bernd D-UA in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Dieser ewige Schwätzer Gogol, eine Diskussion auf Niveau hat er hier bereits gegen mich verloren, jetzt schmollt er und ignoriert mich, so ein "Mädchen" will wissen wie Spezialoperationen ablaufen? Die...“
Gogol_3 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Ist eigentlich typisch für die Russentrolle. Immer wenn die Russen richtig im Arsch sind erscheinen sie kurz und behaupten das Gegenteil. Tja da hast dich tüchtig verplant mit deiner "Spezialoperation"...“
Frank in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Ist eigentlich typisch für die Russentrolle. Immer wenn die Russen richtig im Arsch sind erscheinen sie kurz und behaupten das Gegenteil. Tja da hast dich tüchtig verplant mit deiner "Spezialoperation"“
Awarija in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Bis dahin also erstmal wieder abtauchen Gogol.“
Awarija in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„(gähn!) Die Offensive ist noch lange nicht beendet. Auch im November können die Russen schön das Laufen bekommen, siehe Cherson.“
Gogol_3 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Nachts um 1 wieder einen feuchten Traum gehabt ? Ist ihre Antwort als ein sachliches Argument zum Status der faktisch gescheiterten "Gegenoffensive" zu betrachten, oder kann man das ruhig als das bezeichnen,...“
Awarija in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Nachts um 1 wieder einen feuchten Traum gehabt ?“
Gogol_3 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Ukraine ist falsch abgebogen, nicht Russland
„Ein rascher Durchbruch war von Kiew auch nicht geplant und ist daher auch nicht fehlgeschlagen. Es läuft gut und nach Plan. 09.09. - und so langsam kann man einen Schlussstrich unter die "Gegenoffensive"...“
musicus in Hilfe und Rat • Re: Ukrainischer Zolltarif für DHL-Pakete aus Deutschland
„Die Beiträge zu diesem Thema sind ja allesamt schon alt, gewiss auch überholt. Mit Sicherheit gelten derzeit völlig neue zollrechtliche Regelungen, Freigrenzen und Gebührensätze. Kann jemand diese...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Die Ukrainer erhalten F-16-Kampfjets – ihre Probleme an der Front löst das auf absehbare Zeit nicht
„Es wird ja im Moment viel diskutiert, ob es im nächsten Jahr eine weitere Offensive durch die Ukraine geben wird, nachdem aber nun doch eine ganz erhebliche Anzahl von F16 geliefert, die meisten in 2024,...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Das war genauso ironisch gemeint!“
Robert1959 in Ukrinform • Re: NBU ruft Deutschland auf, persönliche Sanktionen gegen Führung russischer Zentralbank zu verhängen
„Die Chinesen haben derzeit Deflation, nicht Russland, da sind eher leere Regale zu erwarten! Natürlich hast du Recht, dass es keine große Kompetenz ist, aber denke ich an Erdogan, dann weiß man erst...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Ich hoffe, dass sie bei der nächsten Parade die Panzer aus den Kindergärten nehmen! Die polnische Regierung selbst hat die Reparationsfrage für beendet erklärt, aber das erkennt die jetzige Regierung...“
Bernd D-UA in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Es wird Zeit ein politisches Signal zu setzen, runter mit den Drohnen im Donaudelta, Rumänien entscheidet selbst das 200 Meter nah genug sind...zu nahe um es zu tollerien. Unbewaffnettes Flugobjekt, bewaffnete...“
Bernd D-UA in Ukrinform • Re: NBU ruft Deutschland auf, persönliche Sanktionen gegen Führung russischer Zentralbank zu verhängen
„Eine Deflation nimmt niemand freiwillig in Kauf! In dieser Situation den Leitzins zu erhöhen um der Inflation entgegen zu wirken, weiß jedes Kind, da ist keine großartige Kompetenz notwendig. Sie hat...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Weil ich D als einen Sieger sehe, jucken mich die jährlichen Paraden zum Sieg über Nazideutschland nicht. Da dürfen z. B. die Russen gerne noch die nächsten 100 Jahre weitermachen, am Ende überlebe...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Die Reglungen bzgl. Der Reparationen wurden damals mit den Alliierten getroffen, daher fühlen sich Staaten wie Polen oder Griechenland uns weitere in dieser Sache nicht gefragt und aus deren Sicht nicht...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Das mit der Annektion war nur ironisch gemeint, um die Sinnlosigkeit zu verdeutlichen! Was hat der Waffenstillstand gebracht? Frieden, oder war es die Mitgliedschaft in der NATO? Tatsachen bleiben Tatsachen!...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Bin aber der Meinung von Robert, der jetzige Krieg in der Ukraine wird nicht mit einem Stück Papier, auf dem Putin oder wer auch immer auf russischer Seite unterschreibt beendet, auch kein Waffenstillstand....“
Bernd D-UA in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Hmmm, warum müssen Verträge schriftlich geschlossen werden? Stillschweigende Übereinkunfte, konglutente Handlungen von Parteien führen ebenso zu einem Vertrag, zumindest in Deutschland...Gesetzgebung...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Wie kann man nur so ungebildet sein! Die Grenzen der Bundesrepublik waren schon durch die Ostverträge endgültig! Beide Staaten waren in der UNO! Die Alliierten hatten noch das Staatsgebiet von 1937 als...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Lieber Frank! Die Kapitulation ist nur von einer amtierende Regierung möglich! Hier hat nur die Armee kapituliert, was de facto ein Waffenstillstand war!“
Frank in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Ist kein Friedensvertrag, der hätte bald nach dem Krieg kommen müssen. Auch ist das kein Waffenstillstand gewesen sondern eine Kapitulation 1945“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Das ist kein Friedensvertrag! Das ist der 2 und 4 Vertrag und regelt nur die Organsation! Die DDR ist der Bundesrepublik beigetreten!“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Wir sind doch nicht im Kindergarten! Gehe einmal zur Schule oder wenn du erwachsen bist, dann sende mir einmal den Friedensvertrag, aber bis dahin lass mich in Ruhe!“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Und wo ist da der Schwachsinn? Das ist doch eine Tatsache! Und Frieden haben wir trotzdem!“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Das ist reine Logik! Russland erkannte die Ukraine als souveräner Staat an und nachdem die Atomwaffen zurückgegeben wurden, sicherte man die Unverletzlichkeit der Grenzen zu! Und was wurde aus dem Papier?...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Ich denke ein Friedensvertrag mit Russland ist nicht das Papier wert! Deutschland hat auch keinen Friedensvertrag, nur Waffenstillstand. Mehr wird es wohl auch nicht werden!“
Robert1959 in Ukrinform • Re: NBU ruft Deutschland auf, persönliche Sanktionen gegen Führung russischer Zentralbank zu verhängen
„Putin ist auf Kriegswirtschaft umgestiegen und hat auch mehr importiert, besonders Waffen und Dualgüter. Die Chefin hat den Leitzins erhöht, was richtig ist! Den Spagat zwischen Inflation und dem gewollten...“
Frank in Ukrinform • Re: NBU ruft Deutschland auf, persönliche Sanktionen gegen Führung russischer Zentralbank zu verhängen
„Sie konnte den Rubelverfall im März 22 zwar aufhalten aber das hat sie nun eingeholt. Wo nix ist kann halt nix werden. Bis Sanktionen etc. wirken braucht es halt seine Zeit. Da hilft auch nix wenn sie...“
Robert1959 in Ukrinform • Re: NBU ruft Deutschland auf, persönliche Sanktionen gegen Führung russischer Zentralbank zu verhängen
„Die Chefin der russischen Nationalbank macht ihren Job sehr gut! Das können andere nicht von sich behaupten und sie kassieren noch für ihre schlechte Arbeit Boni! Auch die Chefin stößt an ihre Grenzen,...“
Robert1959 in Politik • Re: Bittere Pattsituation
„Die Ukraine sollte vorher noch russisches Territorium annektieren, sie müssen es sie ja nicht besetzen, dann wäre eine Verhandlungsbasis da! Im Mittelalter gab es Burgen, diese waren so gefestigt, dass...“
Bernd D-UA in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Ich denke, ein paar Drohnen vom Himmel holen, die ca. In Richtung Rumänien fliegen... da scheißt sich Putin nicht ein deswegen . OK, Medwedew startet zum X-Ten mal Atomraketen... Ganz ehrlich, was will...“
Awarija in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Die NATO wird nicht in fremdem Luftraum geschützt !“
Awarija in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Und genau das wird nicht passieren, weil die NATO sich vor einer direkten Konfrontation mit Rußland hüten wird !“
Awarija in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Leider konnte ich den verlinkten Beitrag nicht komplett lesen, aber ist es nicht so daß man hier deutlich zwischen dem Hoheitsgebiet Rumäniens (NATO) und dem der Ukraine bzw Moldaus unterscheiden muß...“
Bernd D-UA in Wirtschaft • Re: Polens Bauern lehnen Korridore für ukrainisches Getreide ab
„Alle wollen nur Geldverdienen? Wie stark ist denn die Inlandsnachfrage nach Weizen...Mehl... in Polen gestiegen, durch die ukrainischen Flüchtlinge??? Die polnischen Landwirte, sollten sich mal mit den...“
Bernd D-UA in Wirtschaft • Re: Getreidetransporte: Wie die Donau zur wichtigen Exportroute der Ukraine wurde
„Ich verstehe wirklich nicht,warum man die Donauhäfen nicht sicher macht, sprich eine maximale Luftabwehr installiert? Sowieso dürfen meiner Meinung nach die Rumänen alles unternehmen um eine maximale...“